Entscheidungsdatum: 05.06.2012
1. Ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Bundesamt die Frist des § 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG (juris: AsylVfG 1992) versäumt hat.
2. Auch nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG bleibt die erstmalige Entscheidung des Bundesamts über den Widerruf ein gebundener Verwaltungsakt und schlägt nicht um in eine Ermessensentscheidung.
3. Kommt das Bundesamt seiner Prüfungspflicht nach § 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG nicht fristgerecht nach, ist im Klageverfahren auf Verpflichtung zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG (juris: AufenthG 2004) inzident zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Negativmitteilung des Bundesamts nach § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG vorliegen.
4. Die einjährige Ausschlussfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG findet auf den Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG keine Anwendung.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung.
Der 1973 geborene Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 1998 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 23. Juli 1998 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Im Juni 2008 fragte das Bundesamt bei der Landeshauptstadt München an, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vorlägen. Das verneinte die Ausländerbehörde, da der Kläger Sozialhilfe beziehe und straffällig geworden sei.
Im November 2008 leitete das Bundesamt wegen der veränderten Verhältnisse im Irak ein Widerrufsverfahren ein und gab dem Kläger im Januar 2009 Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger wies im April 2009 darauf hin, dass ihm bei Rückkehr in den Irak asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Kräfte drohe. Im Übrigen lebe seine gesamte Familie in Deutschland. Er habe keinerlei Beziehungen mehr zum Irak, sondern sei in Deutschland sozialisiert und Teil dieser Gesellschaft.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2009 widerrief das Bundesamt die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Begründung des Bescheids ist zu entnehmen, dass der Widerruf auf § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG gestützt wurde; Ermessenserwägungen enthält der Bescheid nicht.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München abgewiesen. Mit Urteil vom 21. März 2011 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage des Widerrufs sei § 73 Abs. 1 AsylVfG. Danach sei der Widerruf gerechtfertigt, denn die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen beim Kläger nicht mehr vor. Ihm drohe auch keine Verfolgung aus anderen Gründen. Der Widerruf sei nicht schon deshalb aufzuheben, weil er erst nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG erfolgt sei. § 73 Abs. 7 AsylVfG enthalte einen Prüfungsauftrag für das Bundesamt und keine Entscheidungsfrist wie § 48 Abs. 4 VwVfG. Zudem dürfe derjenige, bei dem die Erstüberprüfung versäumt worden sei, nicht besser dastehen als derjenige, bei dem diese zu keinem Widerruf geführt habe. Auch die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG mit der Folge eines Übergangs zur Ermessensentscheidung seien nicht erfüllt, denn eine vorangehende Prüfung, aufgrund derer ein Widerruf nicht erfolgt sei, habe nicht stattgefunden. Der bloße Fristablauf könne nicht mit einer abgeschlossenen Negativprüfung gleichgesetzt werden. Der Kläger genieße weder unionsrechtlichen noch nationalen Abschiebungsschutz.
Der Kläger wendet sich mit der Revision nur noch gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung. Dieser sei wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig. Versäume das Bundesamt eine fristgerechte Entscheidung, sei dies einer Negativentscheidung gleichzustellen. Denn die Frist des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG liege nicht nur im öffentlichen, sondern auch im individuellen Interesse des Flüchtlings. Wegen der fehlenden Ermessensentscheidung sei der Widerrufsbescheid aufzuheben.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die in § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG bestimmte Frist beziehe sich nur auf die Anfangsprüfung, ob überhaupt ein Widerrufsverfahren einzuleiten sei. Der Gesetzgeber habe eine Prüfungs- und keine Entscheidungsfrist gesetzt. Darüber hinaus bestehe die Pflicht zum Widerruf allein im öffentlichen Interesse, denn mit der Gesetzesänderung sei eine Effektivierung der Widerrufsvorschriften beabsichtigt gewesen.
Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt und verteidigt das angefochtene Urteil. Mit der Regelüberprüfungsfrist hätten den betroffenen Ausländern keine subjektiven Rechte eingeräumt werden sollen. Die Regelung habe ausweislich der Gesetzesbegründung nur eine innerbehördliche verfahrensleitende Bedeutung. Sie diene der Beschleunigung des Asylverfahrens, nicht jedoch integrationspolitischen Zwecken. Da dem Bundesamt für die Prüfung ein Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung zuzüglich eines angemessenen Prüfungszeitraums zustehe, müsse dies für die Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG in gleicher Weise gelten. Der Widerruf sei nur zweieinhalb Monate nach der Stellungnahme des Klägers ergangen.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ohne Verletzung revisiblen Rechts abgewiesen. Er ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerruf nicht schon deshalb aufzuheben ist, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - die Frist des § 73 Abs. 2a Satz 1, Abs. 7 AsylVfG versäumt hat (1.). Infolge der Fristversäumung ist der Widerruf auch nicht in eine Ermessensentscheidung umgeschlagen (2.). Neben den Fristbestimmungen in § 73 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 7 AsylVfG ist die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG nicht anwendbar (3.). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen der materiellen Widerrufsvoraussetzungen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG bejaht (4.).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Nach Absatz 2a der Vorschrift hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen u.a. für einen Widerruf nach Absatz 1 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen (Satz 1). Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (Satz 2). Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, steht eine spätere Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 im Ermessen, es sei denn, der Widerruf oder die Rücknahme erfolgt, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen (Satz 4). Gemäß Absatz 7 hat die Prüfung nach Absatz 2a Satz 1 spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen, wenn - wie hier - die Entscheidung über den Asylantrag vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist.
1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 2. Juli 2009 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist. Dem Kläger ist gemäß § 73 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG schriftlich mitgeteilt worden, dass wegen der Änderung der Sachlage im Irak ein Widerrufsverfahren eingeleitet wurde, und er hatte ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Ob der Widerrufsbescheid unverzüglich erfolgt ist, kann dahinstehen, da der Kläger sich auf diese rein objektivrechtliche Voraussetzung nicht zu berufen vermag (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <291> und vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - BVerwGE 128, 199 Rn. 18; stRspr). Der Widerrufsbescheid ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Bundesamt nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 2a Satz 1, Abs. 7 AsylVfG entschieden hat (1.1). Denn auch diese Fristbestimmung ist rein objektivrechtlicher Natur im Sinne einer Ordnungsvorschrift, so dass ein Versäumen der Frist nicht die Rechtswidrigkeit eines (verspäteten) Widerrufs zur Folge hat (1.2).
1.1 Das Bundesamt hat die in § 73 Abs. 2a Satz 1, Abs. 7 AsylVfG enthaltene Prüfungsfrist versäumt. Die Verpflichtung, die Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen innerhalb der vom Gesetzgeber gesetzten Frist zu prüfen, umfasst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur eine erste Vorprüfung, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Vielmehr muss mit Blick auf die Absicht des Gesetzgebers, die asylverfahrensrechtlichen Vorschriften über Widerruf und Rücknahme in der Praxis durch Einführung einer Überprüfungspflicht von Amts wegen an Bedeutung gewinnen zu lassen (BTDrucks 15/420 S. 107, 112), die Prüfung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen innerhalb der gesetzlichen Frist auch tatsächlich abgeschlossen werden. Die Prüfung ist nach Sinn und Zweck der auf Effektivierung zielenden Regelung aber erst beendet mit einer Negativmitteilung gemäß § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG an die Ausländerbehörde oder dem Erlass eines Widerrufsbescheids. An der bisherigen Rechtsprechung, nach der dem Bundesamt über die gesetzliche Frist hinaus noch ein angemessener Prüfungszeitraum zusteht (Urteil vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 15; zuletzt Urteil vom 1. März 2012 - BVerwG 10 C 9.11 - Rn. 8 f.), hält der Senat nicht länger fest.
1.2 Die Versäumung der Prüfungsfrist führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerrufs. In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG ist offengeblieben, ob die Dreijahresfrist des § 73 Abs. 2a AsylVfG (bzw. die Übergangsfrist für Altanerkennungen in § 73 Abs. 7 AsylVfG) ausschließlich öffentlichen Interessen oder (zumindest auch) dem individuellen Interesse des anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlings dient (vgl. Urteile vom 1. November 2005 a.a.O. S. 292; vom 20. März 2007 a.a.O. Rn. 17 und vom 12. Juni 2007 a.a.O. Rn. 11). Der erkennende Senat entscheidet diese Frage nunmehr dahin, dass die Verpflichtung, die Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen gerade auch innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Zeitraums zu prüfen, insoweit dem Bundesamt ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Entscheidung über den Fortbestand der Asylberechtigung bzw. des Flüchtlingsstatus auferlegt ist und ein Verstoß gegen diesen Prüfungsauftrag einen verspäteten Widerruf nicht ausschließt. Das ergibt sich aus den Materialien des Zuwanderungsgesetzes, in denen die zum 1. Januar 2005 neu eingeführte Dreijahresfrist zur obligatorischen Überprüfung der Widerrufs- oder Rücknahmevoraussetzungen durch das Bundesamt als Maßnahme zur Beschleunigung des Asylverfahrens bezeichnet wird (BTDrucks 15/420 S. 107). Wie bereits ausgeführt wollte der Gesetzgeber damit erreichen, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme, die in der Praxis bislang weitgehend leergelaufen sind, an Bedeutung gewinnen (BTDrucks 15/420 S. 112). Die Effektivierung der Rechtsgrundlagen für die Aufhebung der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung dient jedoch - wie auch das Gebot der Unverzüglichkeit - nicht den Interessen der Statusinhaber (Hailbronner, AuslR, Stand: August 2008, B 2 § 73 AsylVfG Rn. 93; Bergmann, in: Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 73 AsylVfG Rn. 29; Wolff, in: Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 2008, § 73 AsylVfG Rn. 41; VGH Kassel, Beschluss vom 1. August 2005 - 7 UE 1364/05.A - InfAuslR 2005, 491).
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde gemäß § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG, die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme lägen nicht vor, eine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 3 AufenthG bildet. Diese aufenthaltsrechtliche Folge knüpft aber nicht an den bloßen Ablauf der asylverfahrensrechtlichen Überprüfungsfrist an, sondern erst an die Negativmitteilung als eine der möglichen Entscheidungen des Bundesamts nach Abschluss seiner obligatorischen Prüfung. Allein der Regelungszusammenhang des § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG mit § 26 Abs. 3 AufenthG bietet daher noch keinen Anhaltspunkt für ein subjektives Recht auf fristgerechte Prüfung gegenüber der Beklagten (a.A. VG Köln, Urteil vom 10. Juni 2005 - 18 K 4074/04.A - NVwZ-RR 2006, 67 <73>). Auch wenn der Asylberechtigte oder Flüchtling gegenüber der Beklagten kein subjektives Recht auf fristgerechte Prüfung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen durch das Bundesamt hat, ist er - entgegen der Annahme der Revision - im Falle einer Untätigkeit des Bundesamts nicht rechtlos gestellt: Hat das Bundesamt innerhalb der Dreijahresfrist weder eine Negativmitteilung an die Ausländerbehörde übermittelt noch die Anerkennung widerrufen oder zurückgenommen, kann der Betroffene bei der Ausländerbehörde eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 3 AufenthG beantragen. Sollte eine Nachfrage beim Bundesamt ohne Rückmeldung bleiben, ist es der Ausländerbehörde allerdings verwehrt, dem Antrag stattzugeben. Der Ausländer kann aber auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis klagen; zu dem Verfahren wird die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin des Bundesamts beizuladen sein. Kommt das Bundesamt auch während dieses aufenthaltsrechtlichen Klageverfahrens seiner gesetzlichen Überprüfungspflicht nicht nach, hat das Gericht inzident zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung vorliegen, und es muss gegebenenfalls die Negativmitteilung des Bundesamts ersetzen. Auf diese Weise kann die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen (vgl. BTDrucks 15/420 S. 80 zu § 26 Abs. 3 AufenthG) auch dann durchgesetzt werden, wenn das Bundesamt seiner behördeninternen Mitwirkungspflicht nicht (rechtzeitig) nachkommen sollte.
2. Die Versäumung der in § 73 Abs. 2a Satz 1, Abs. 7 AsylVfG geregelten Prüfungsfrist hat auch nicht zur Folge, dass der gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gebundene Widerruf in eine Ermessensentscheidung umgeschlagen ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG, der für die von Amts wegen gebotene Prüfung mit der Formulierung, "ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 oder eine Rücknahme nach Absatz 2 vorliegen", auf Befugnisnormen verweist, die dem Bundesamt kein behördliches Ermessen einräumen. Zudem knüpft § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG den Übergang zu einer Ermessensentscheidung nicht an den bloßen Zeitablauf von drei Jahren, sondern verlangt dafür eine vorherige sachliche Prüfung und Verneinung der Widerrufs- oder Rücknahmevoraussetzungen seitens des Bundesamtes durch eine formalisierte Negativentscheidung (Urteile vom 20. März 2007 a.a.O. Rn. 15; vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 16; Beschlüsse vom 27. November 2007 - BVerwG 10 B 86.07 - juris Rn. 9 und vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 19 Rn. 14). Die gesetzliche Regelung ist mehrtaktig angelegt: Erst nach negativem Abschluss der von Amts wegen gebotenen Widerrufs- und Rücknahmeprüfung steht in einem späteren Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren die Aufhebungsentscheidung im Ermessen des Bundesamts, wenn nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen.
3. Die im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelte Jahresfrist für den Widerruf von Verwaltungsakten (§ 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG) findet auf den angefochtenen Bescheid keine Anwendung. Die bereichsspezifische Fristenregelung für den Widerruf und die Rücknahme von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen durch das Bundesamt in § 73 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 7 AsylVfG verdrängt diese allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Fristbestimmungen. Nach Einführung des § 73 Abs. 2a AsylVfG zum 1. Januar 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls in den Fällen keine Anwendung findet, in denen die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung innerhalb der Dreijahresfrist nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung widerrufen wird (Urteil vom 12. Juni 2007 a.a.O. Rn. 14 f.). Die bisher offengelassene Frage, ob dies auch für den Widerruf von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen nach Ablauf der Dreijahresfrist gilt, bejaht der Senat nunmehr.
Zu der vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden Regelung des § 73 Abs. 1 und 2 AsylVfG hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts neben den spezialgesetzlichen Regelungen in § 73 AsylVfG anwendbar sind, soweit diese Raum dafür lassen (Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <88>). Jedenfalls seit Einführung der Dreijahresfrist ist das hinsichtlich der Jahresfrist des § 48 Abs. 4, § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht der Fall. Denn der Gesetzgeber hat dem Bundesamt einen bestimmten, auf die Besonderheiten des Asyl- und Ausländerrechts abgestimmten zeitlichen Rahmen vorgegeben, der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erkennbar abschließend ist und nicht durch weitere (allgemeine) Fristen verengt werden soll. Dafür spricht auch die bereits erwähnte Absicht des Gesetzgebers, die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme in der Praxis an Bedeutung gewinnen zu lassen. Mit diesem Anliegen wäre eine neben der Dreijahresfrist vom Bundesamt zusätzlich zu beachtende Ausschlussfrist von einem Jahr schwerlich vereinbar. Im Übrigen genießt ein anerkannter Asylberechtigter oder Flüchtling nach Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen und Vorliegen materieller Erlöschens- oder Widerrufsgründe auch völker- oder unionsrechtlich grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen auf Aufrechterhaltung seines formellen Asyl- bzw. Flüchtlingsstatus, denn mit dem Widerruf wird nicht zugleich über seinen weiteren Aufenthalt entschieden. Damit fehlt ein Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG, denn im System der verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten ist auch die Fristregelung Ausdruck des Vertrauensschutzes (vgl. Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 3 C 23.05 - BVerwGE 126, 7 <14>).
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der materiellen Widerrufsvoraussetzungen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren, und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in seinem Grundsatzurteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) auszulegen. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - BVerwGE 139, 109 Rn. 9).
Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG setzt demzufolge voraus, dass in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände im Herkunftsland diejenigen Umstände weggefallen sind, aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung hatte und als Flüchtling anerkannt worden war. Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände liegt vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Durch neue Tatsachen muss sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben, so dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht. Dauerhaft ist eine Veränderung, wenn eine Prognose ergibt, dass sich die Änderung der Umstände als stabil erweist, d.h. der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält (Urteile vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 14 ff. und vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 19 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in der angefochtenen Entscheidung an den genannten Maßstäben orientiert. Er ist aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger wegen seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und seinem Verbleib im Ausland keine Verfolgung mehr droht und sich diese veränderte Sachlage infolge des Sturzes von Saddam Hussein und seines Systems als stabil erweist.
Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung setzt neben dem Wegfall der der Anerkennung zugrunde liegenden Verfolgungsgefahr weiter voraus, dass der Betreffende auch nicht wegen anderer Umstände begründete Furcht vor Verfolgung hat. Auch das hat das Berufungsgericht geprüft und sich unter ausführlicher Verarbeitung von aktuellem Quellenmaterial die Überzeugung gebildet, dass der Kläger im Irak mangels dafür ausreichender Verfolgungsdichte keiner Gruppenverfolgung als Sunnit ausgesetzt ist. Das wird von der Revision nicht gerügt und ist revisionsgerichtlich auch nicht zu beanstanden.