Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 05.02.2018


BVerwG 05.02.2018 - 10 B 11/17

Anwendungsbereich und Verfassungsmäßigkeit des pauschalen Gegenstandswertes gemäß § 6 Abs. 3 VZOG


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
05.02.2018
Aktenzeichen:
10 B 11/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:050218B10B11.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Greifswald, 27. Oktober 2016, Az: 6 A 394/09
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Der Antrag des Beigeladenen zu 2, die Kostenentscheidung im Beschluss des Senats vom 27. September 2017 zu berichtigen, kann keinen Erfolg haben. Gemäß § 118 Abs. 1 VwGO können nur Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten berichtigt werden. Allerdings läge eine offenbare Unrichtigkeit in diesem Sinne auch vor, wenn der Senat - wie der Beigeladene zu 2 meint - in der Kostenentscheidung die beiden Beigeladenen verwechselt hätte. So liegt es aber nicht. Der Senat hat vielmehr übersehen, dass nicht nur die Beigeladene zu 1 (mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017), sondern auch der Beigeladene zu 2 (mit Schriftsatz vom 9. Juni 2017) einen Sachantrag gestellt hat. Die Kostenentscheidung ist deshalb in Ansehung des Beigeladenen zu 2 sachlich fehlerhaft. Das kann leider nicht im Wege der Berichtigung korrigiert werden. Auch eine Beschlussergänzung nach § 120 VwGO kommt nicht in Betracht; selbst wenn ein "Übergehen" der Kostenfolge anzunehmen sein sollte, hätte der Beigeladene zu 2 den erforderlichen Ergänzungsantrag doch nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO gestellt. Aus demselben Grunde scheidet eine Korrektur nach Maßgabe des § 152a VwGO aus; auch die Anhörungsrüge hätte nach § 152a Abs. 2 VwGO innerhalb von zwei Wochen erhoben werden müssen.

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Allerdings ist der Senat befugt, einen weiteren Fehler von Amts wegen zu korrigieren (§ 63 Abs. 3 GKG). Bei der Festsetzung des Streit- oder Gegenstandswertes hat der Senat § 6 Abs. 3 VZOG unberücksichtigt gelassen. Diese Vorschrift ist anzuwenden, weil es sich um ein Verfahren nach dem Vermögenszuordnungsgesetz handelt. Hierzu gehören auch Streitigkeiten, die aus einem außergerichtlichen Vergleich resultieren, welcher eine Vermögenszuordnung zum Gegenstand hat, und zwar nicht nur in Ansehung eines Zuordnungsbescheides, der den Vergleich umsetzt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 6 und 7 VZOG), sondern auch in Ansehung anderer Folgefragen. Das ergibt sich aus dem Regelungszweck des § 6 Abs. 3 VZOG. Er wird zwar in den Gesetzesmaterialien nicht eigens genannt (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes, die lediglich eine verallgemeinernde einheitliche Regelung der häufigen Kostenfreistellungen in vermögenszuordnungsrechtliche Verfahren vorschlägt, BT-Drs. 12/5553 S. 203 zu Nr. 85, und die dem folgende Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses, BT-Drs. 12/6228 S. 108 zu Nr. 9). Die Gerichtskostenfreiheit und die Normierung eines pauschalen, dem Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) entsprechenden Gegenstandswertes sollen aber erkennbar gewährleisten, dass die Beteiligten bei Streitigkeiten um die Zuordnung zahlreicher oder wertvoller Vermögensgegenstände nicht durch das Kostenrisiko davon abgehalten werden, ihre Ansprüche geltend zu machen und durchzusetzen. Das damit verfolgte öffentliche Interesse liegt nicht in der Schonung der Haushalte der Beteiligten, sondern darin, streitbefangene Gegenstände des Verwaltungs- oder Finanzvermögens zügig und verlässlich demjenigen zuzuordnen, dessen Kompetenzwahrnehmung sie als Ausstattungsgegenstand oder Fiskalvermögen zu dienen bestimmt sind. Letztlich zielt die Beschränkung des Gegenstandswertes also darauf, im Interesse kontinuierlicher und effizienter, kompetenzkonformer Aufgabenwahrnehmung für eine unverzügliche verbindliche, gegebenenfalls gerichtliche Klärung der Zuordnung der betreffenden Vermögensgegenstände zu sorgen. Dies gebietet eine weite Auslegung der Vorschrift, die bei Zuordnungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG auch Streitigkeiten um Inhalt und Wirksamkeit der dem Zuordnungsbescheid zugrunde liegenden Vereinbarung einschließlich darin einbezogener Nachbewertungsklauseln erfasst. Im Interesse einer zügigen Beendigung des Verfahrens und einer schnellen Verfügbarkeit der Vermögensgegenstände für die Aufgabenerfüllung sollen die Beteiligten von einer vergleichsweisen Regelung der Zuordnungsfrage nicht dadurch abgehalten werden, dass dann das Kostenprivileg des § 6 Abs. 3 VZOG entfiele.

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Diese Auslegung wird systematisch durch die ebenfalls weit gefasste Rechtswegregelung des § 6 Abs. 1 VZOG gestützt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2007 - 3 B 35.07 - Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 9 Rn. 3 f. zur Anwendbarkeit auch auf Streitigkeiten um Sekundäransprüche; zur Parallelregelung für vermögensrechtliche Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 VermG vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2005 - 8 B 9.05 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 36 = juris Rn. 4: Anwendbarkeit auf ein dem vermögensrechtlichen Hauptsacheverfahren nachfolgendes Vollstreckungsverfahren). Dementsprechend haben die Beteiligten auch im vorliegenden Rechtsstreit gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts keine Berufung, sondern sogleich Revisionsnichtzulassungsbeschwerde eingelegt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 VZOG).

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Art. 12 Abs. 1 GG steht weder der gesetzlichen Pauschalierung des Gegenstandswertes gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 VermG noch deren Berücksichtigung im Rahmen der Korrektur der Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG entgegen. Soweit § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG in die Berufsfreiheit der Angehörigen rechtsberatender Berufe eingreift, handelt es sich um eine verfassungskonforme Berufsausübungsregelung. Sie dient dem oben dargestellten, verfassungsrechtlich legitimen und hinreichend gewichtigen Zweck, unverzüglich eine verlässliche kompetenzgerechte Zuordnung von Vermögensgegenständen zu erreichen, die als Verwaltungs- oder Finanzvermögen der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu dienen bestimmt sind. Zur Verwirklichung dieses Zwecks ist die Regelung geeignet und erforderlich. Eine über den Auffangstreitwert hinausgehende, am wirtschaftlichen Wert orientierte Gegenstandswertbemessung würde eine Geltendmachung von Ansprüchen gerade in Fällen erschweren, in denen zahlreiche und/oder wertvolle und darum für die Aufgabenerfüllung besonders wichtige Vermögensgegenstände betroffen sind. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung im engeren Sinne ergibt sich zum einen aus der Bedeutung, die eine unverzügliche verbindliche Klärung von Zuordnungsstreitigkeiten für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben im Beitrittsgebiet hat. Zum anderen ergibt sie sich aus der Möglichkeit, im Rahmen des haushaltsrechtlich Zulässigen Honorarvereinbarungen zu schließen. Dass die Vereinbarung eines dem Haftungsrisiko angemessenen Honorars bei besonders aufwändiger Vertretungstätigkeit unabhängig vom Prozessrisiko und der Bedeutung des streitbefangenen Vermögensgegenstandes für die Aufgabenerfüllung haushaltsrechtlich ausnahmslos unzulässig wäre, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.