Entscheidungsdatum: 28.06.2018
1. Gegenstand der wehrdienstgerichtlichen Kontrolle ist der Beschwerdebescheid in der Gestalt der Entscheidung über die weitere Beschwerde.
2. Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte ist im Verfahren der weiteren Beschwerde grundsätzlich befugt, auf Antrag des Beschwerdeführers den Gegenstand des Verfahrens abzuändern oder zu erweitern.
Der Antragsteller wendet sich gegen Behinderungen in der Ausübung seiner Befugnisse als Vertrauensperson der Mannschaften ....
Der am ... in das Amt der Vertrauensperson gewählte Antragsteller legte mit Schreiben vom ... beim Kommandeur ... Beschwerde mit folgendem Inhalt ein:
"Ich fühle mich als Vertrauensperson der Mannschaften nicht nach Soldatenbeteiligungsgesetz beteiligt.
Bei der Einweisung durch den Kompaniechef in meine Dienstgeschäfte als Vertrauensperson sagte Major ... Zitat 'Soweit ist alles in der Kompanie in Ordnung, es gibt nur ein Problem und das ist der Hauptfeldwebel ...'. Ich war geschockt, als ich das hörte. Der Hauptfeldwebel ist mir seit Jahren nur als Problemlösung bekannt und hat immer ein offenes Ohr für alle Dienstgradgruppen.
Nachdem die Vertrauensperson der Unteroffiziere wegen seiner kritischen Handlung schon dienstliche Nachteile hinnehmen musste, bin ich unsicher, solche Formfehler beim Kompaniechef aufzuzeigen, um nicht auch Sanktionen hinnehmen zu müssen."
Nachdem der Antragsteller am 4. Mai 2016 beim ... zum Inhalt seiner Beschwerde angehört worden war, wies dessen Kommandeur die Beschwerde mit Bescheid vom 23. Mai 2016 zurück. Er prüfte inhaltlich nur Vorfälle, die zeitlich vor dem Eingang der Beschwerde lagen, und ging den Vorwürfen bezüglich einer mangelhaften Beteiligung, die sich auf den Zeitraum nach Einlegung der Beschwerde bezogen, im Rahmen der Dienstaufsicht nach. Er stellte fest, dass die Befehlsentwürfe ... am 25. Februar 2016 vom Kompaniechef mit dem Antragsteller persönlich besprochen worden seien. Dabei habe sich der Antragsteller auch mit dem Erfordernis einer eventuellen Mehrarbeit einverstanden erklärt. Die Dienstpläne der 17. und der 18. Kalenderwoche 2016 seien der Stellvertretenden Vertrauensperson der Mannschaften zur Mitzeichnung zugeleitet worden, weil nicht absehbar gewesen sei, zu welchem Zeitpunkt sich der damals erkrankte Antragsteller wieder im Dienst befinden werde. Der Inhalt des Dienstplans der 19. Kalenderwoche 2016 sei dem Antragsteller im Auftrag des Kompaniechefs durch den Kompanietruppführer in der 17. Kalenderwoche zur Kenntnis gegeben worden, weil sich der Kompaniechef seinerzeit auf dem Truppenübungsplatz ... befunden habe. Mit dem Inhalt habe sich der Antragsteller einverstanden erklärt. Damit der Antragsteller künftig einen persönlichen Zugang zur IT- und Datenverarbeitungs-Ausstattung der Bundeswehr erhalte, werde ihm eine eigene Lotus Notes-Adresse zugeteilt.
Mit der weiteren Beschwerde vom 30. Juni 2016 bat der Antragsteller um Einsicht in die Beschwerdevorgänge. Er machte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. September 2016 elf einzelne Beschwerdepunkte und dabei unter anderem geltend, sein ergänzend vorgebrachtes Beschwerdevorbringen habe nicht nur dienstaufsichtlich, sondern inhaltlich geprüft werden müssen. Im Übrigen habe sich das beteiligungsrelevante Handeln des Kompaniechefs auf die kommentarlose Übersendung von Befehlsentwürfen beschränkt. Dies genüge nicht den Anforderungen des § 20 Satz 1 SBG; eine umfassende Unterrichtung habe nicht stattgefunden. Auch wenn die Kommandoführung eine Mitteilung von Beteiligungsvorgängen per E-Mail für eine zeitgemäße Kommunikationsform halte, ändere dies nichts daran, dass eine vollständige Unterrichtung der Vertrauensperson stattfinden müsse. Die wiederholte Delegation der Beteiligungsfunktion des Disziplinarvorgesetzten an dessen Stellvertreter sei mit § 27 Abs. 2 WDO und den soldatenbeteiligungsrechtlichen Erlassen nicht zu vereinbaren. Außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewege sich die Einheit, wenn sie beteiligungsrelevante E-Mails an die Vertrauensperson der Unteroffiziere in der Erwartung versende, diese möge sie an die Vertrauensperson der Mannschaften, hier an ihn, den Antragsteller, weitergeben. Das könne nur Gegenstand einer freiwilligen Vereinbarung aller beteiligten Funktionsträger sein, nicht aber Gegenstand von Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Einheitsführung. Die ihm in Aussicht gestellte Erreichbarkeit per LoNo ändere nichts daran, dass er als Vertrauensperson in einer Form erreichbar sein müsse, die der Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 8 SBG (a.F.) Genüge tue. Anlässlich einer Krankmeldung sei ferner bei einer Beteiligungsmaßnahme voreilig sein Stellvertreter beteiligt worden. Fehlerhaft sei darüber hinaus die Verfahrensweise, Änderungen und Ergänzungen von Dienstplänen nicht mehr der Beteiligungspflicht zu unterwerfen. Mangels gehöriger Einleitung der Beteiligung in den genannten Fällen sei ihm zwangsläufig auch keine dem Gesetz genügende Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden.
Nachdem der Antragsteller im Verfahren der weiteren Beschwerde am 22. September 2016 erneut angehört worden war, gab der Kommandeur ... dem Rechtsbehelf mit Bescheid vom 22. November 2016 in fünf Punkten statt. Er stellte fest, dass das Verfahren zur Anhörung des Antragstellers bei den Befehlen ... nicht § 24 Abs. 1 SBG a.F. entsprochen habe. Die bei der Anhörung des Antragstellers am 4. Mai 2016 ergänzend vorgebrachten Beschwerdeaspekte hätten nicht als unzulässig gewertet werden dürfen, sondern seien als Beschwerde zu würdigen gewesen. Das Verfahren zur Beteiligung der Vertrauensperson am Befehl für die 19. Kalenderwoche 2016 sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil die Beteiligung nicht alle für den Erlass der Maßnahme erforderlichen Unterlagen umfasst habe. Die Beschwerde darüber, dass die Einheit E-Mails mit beteiligungsrelevanten Inhalt nur an die Vertrauensperson der Unteroffiziere in der Erwartung sende, sie werde die E-Mails an den Antragsteller weitergeben, sei berechtigt. Ein derartiges Verfahren könne nur durch freiwillige Vereinbarung erfolgen. Die Beteiligung an den Wochendienstplänen der 17. und 18. Kalenderwoche 2016 sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Hinsichtlich der übrigen Beschwerdepunkte wies der Kommandeur die weitere Beschwerde zurück.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 beantragte der Antragsteller gegen den Beschwerdebescheid vom 22. November 2016 die gerichtliche Entscheidung, soweit die weitere Beschwerde zurückgewiesen worden sei.
Das Truppendienstgericht Nord forderte mit Schreiben vom 10. Januar 2017 beim Kommandeur ... die Vorlage aller Unterlagen über den Beschwerdevorgang an. Mit Verfügung vom 29. Juni 2017 forderte der Vorsitzende der 6. Kammer des Truppendienstgerichts ... auf, Auskunft dazu zu erteilen, seit wann der Antragsteller Vertrauensperson der Mannschaften sei, welchen Dienstposten der Antragsteller im ersten Quartal 2016 bekleidet habe, ob er Stabsfeldwebel ... dienstlich zugeordnet oder unterstellt sei bzw. ob er einen Arbeitsplatz oder ein Büro im engen räumlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz von Stabsfeldwebel ... habe. Mit zwei Verfügungen vom 4. Juli 2017 sowie mit Verfügung vom 6. Juli 2017 forderte der Vorsitzende der 6. Kammer ... zu weiteren Informationen über den Antragsteller auf. Die daraufhin erteilten Auskünfte gab das Truppendienstgericht dem Antragsteller bzw. seinem Bevollmächtigten nicht zur Kenntnis.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. August 2017 wies das Truppendienstgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Dabei führte es auch aus, der Regimentskommandeur habe im Beschwerdebescheid vom 22. November 2016 zu Unrecht Gegenstände der Beschwerde inhaltlich geprüft, die zeitlich nach Eingang der Beschwerde vom 7. April 2016 gelegen hätten. Im gerichtlichen Antragsverfahren seien jedoch nur Gegenstände der Beschwerde zu überprüfen, die Vorfälle vor dem 7. April 2016 beträfen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers vom 28. September 2017, mit der dieser unter anderem Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs geltend gemacht hatte, ließ das Truppendienstgericht mit Beschluss vom 6. Dezember 2017 die Rechtsbeschwerde zu. In der Begründung heißt es, dass der Vorsitzende der Kammer zur Vorbereitung der Entscheidung Vernehmungen, Befehle und Stellungnahmen der Militärbehörden eingeholt habe, dem Antragsteller aber keine abschließende Akteneinsicht gewährt habe. Der Antragsteller habe deshalb die Tatsachen, die die Kammer zur Grundlage des Beschlusses vom 23. August 2017 gemacht hat, nicht gekannt und dazu nicht Stellung nehmen können. Damit liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen könne.
Auf diesen am 11. Dezember 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. Januar 2018 die Rechtsbeschwerde begründet. Er beanstandet, dass er sich zu den vom Gericht herangezogenen Auskünften und Unterlagen nicht habe äußern können. Rechtsfehlerhaft habe das Truppendienstgericht überdies zu Punkten Stellung genommen, in denen ihm im Beschwerdebescheid vom 22. November 2016 Recht gegeben worden sei. Soweit das Gericht seine Prüfung auf Vorgänge vor dem 7. April 2016 beschränkt habe, rüge er ebenfalls die Versagung rechtlichen Gehörs. Sein Vorbringen zu Vorgängen nach dem 7. April 2016 sei von den zuständigen Vorgesetzten im Beschwerdeverfahren als Erweiterung der bereits anhängigen Beschwerde gewertet und bearbeitet worden. Die Vorgesetzten hätten dieses Vorbringen auch abtrennen und als gesonderte Beschwerde behandeln können; davon hätten sie jedoch aus Gründen der Zweckmäßigkeit abgesehen. Daran habe das Truppendienstgericht nichts ändern dürfen. In der Sache lasse der angefochtene Beschluss nicht erkennen, dass das Gericht die Tragweite des § 15 Abs. 1 SBG (n.F.) richtig eingeschätzt habe. Er, der Antragsteller, habe sich an den höheren Vorgesetzten gewandt mit der Besorgnis, in seinem Amt als Vertrauensperson benachteiligt und behindert zu werden, weil es seitens des Kompaniechefs ein Klima der Distanzierung und der Ablehnung der gesetzlichen Beteiligungsrechte gegeben habe.
Der Antragsteller beantragt,
nach Zulassung der Rechtsbeschwerde den angefochtenen Beschluss aufzuheben und zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückzuverweisen.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Truppendienstgerichts Nord - N 6 SL 1/17 und N 6 RL 3/17 - haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
a) Sie ist vom Truppendienstgericht durch Beschluss vom 6. Dezember 2017 zugelassen worden. Damit hat das Truppendienstgericht der Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers vom 28. September 2017 abgeholfen (§ 22b Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. WBO). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist für den Senat bindend (§ 22a Abs. 3 WBO).
b) Die Rechtsbeschwerde ist fristgerecht - nach der am 11. Dezember 2017 erfolgten Zustellung des Zulassungsbeschlusses - am 11. Januar 2018 beim Truppendienstgericht begründet worden (§ 22b Abs. 5 Satz 2 WBO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Das Truppendienstgericht hat in dem angefochtenen Beschluss das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO und § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährleistet, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten (stRspr des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Januar 1969 - 2 BvR 314/68 - BVerfGE 25, 40 <43> m.w.N. und vom 8. Dezember 1970 - 2 BvR 210/70 - BVerfGE 29, 345 <347 f.>). Für das Wehrbeschwerdeverfahren folgt die Geltung dieses Grundsatzes zusätzlich aus § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO (für Beweiserhebungen) und aus § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 108 Abs. 2 VwGO. Im Zusammenhang mit der nach § 18 Abs. 2 Satz 1 WBO gebotenen Sachverhaltsaufklärung hat das Wehrdienstgericht den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einzuräumen, sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln oder den zur Sachverhaltsaufklärung eingeholten Informationen zu machen, ihr Fragerecht auszuüben und gegebenenfalls mit eigenen Beweisanregungen und Beweisanträgen zur Wahrheitsfindung beizutragen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 18 m.w.N.).
Gegen diese Grundsätze hat das Truppendienstgericht - wie es im Zulassungsbeschluss vom 6. Dezember 2017 selbst einräumt - dadurch verstoßen, dass es zur Vorbereitung seiner Entscheidung Vernehmungen, Befehle und Stellungnahmen der Bundeswehr eingeholt hat, die es dem Antragsteller bzw. seinem Bevollmächtigten nicht zur Kenntnis bzw. nicht zur abschließenden Äußerung übermittelt hat. Dies gilt insbesondere für das Protokoll der (nach dem 17. Mai 2016) zweiten Vernehmung des Oberstabsgefreiten ... vom 6. Oktober 2016, für die zweite Stellungnahme des Majors ... vom 17. November 2016, für die vom Vorsitzenden der 6. Kammer angeforderten Stellungnahmen und Auskünfte des ... vom 3. Juli 2017, vom 6. Juli 2017 (zweimal) und vom 8. Juli 2017 sowie für die vom Vorsitzenden der 6. Kammer angeforderte Befehlsgebung ... (19. Kalenderwoche 2016). Die genannten Unterlagen hat das Truppendienstgericht anschließend zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht; es hat in seinem Beschluss über die Zulassung der Rechtsbeschwerde selbst ausgeführt, dass seine Entscheidung auf der mangelnden Anhörung des Antragstellers dazu beruhen kann.
b) Das Truppendienstgericht hat außerdem den Inhalt des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO verkannt. Zwar setzt die Norm nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine inhaltliche Identität zwischen dem Gegenstand des gerichtlichen Antragsverfahrens und dem Gegenstand des Beschwerdeverfahrens voraus (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 2 Rn. 29 ff.). Denn das Truppendienstgericht soll sich nicht erstmals mit Sachverhalten befassen müssen, die der Beschwerdeführer nicht gegenüber seinem Disziplinarvorgesetzten oder gegenüber der zuständigen Beschwerdestelle zur Sprache gebracht hat. Die wehrdienstgerichtliche Kontrolle ist wie die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf angelegt, Entscheidungen der Exekutive nachträglich auf ihre Vereinbarkeit mit den subjektiven Rechten des Betroffenen zu überprüfen. Daher ist eine Änderung oder Erweiterung des Rechtsschutzbegehrens des Beschwerdeführers nur im gerichtlichen Verfahren unzulässig und daher knüpft der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO an die vorausgegangene "Beschwerde" und deren "Gegenstand" an.
Dies bedeutet nicht - wie das Truppendienstgericht meint -, dass der gerichtliche Streitgegenstand stets durch den Gegenstand der erstmaligen Beschwerde abschließend umrissen und begrenzt ist. Das indiziert schon der Umstand, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO im Eingang ausdrücklich auf die Erfolglosigkeit der weiteren Beschwerde verweist. Maßgeblich ist insoweit, dass - ebenso wie Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der ursprüngliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist - aus § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO folgt, dass Gegenstand des wehrdienstgerichtlichen Verfahrens der letzte im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren ergangene Beschwerdebescheid, also auch die Entscheidung über die weitere Beschwerde ist (vgl. auch Dau, WBO, 6. Aufl. 2013, § 17 Rn. 13). Hat der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte (§ 16 Abs. 3 WBO) - wie hier - zusätzliche Beschwerdepunkte des Beschwerdeführers, die nicht bereits Gegenstand des ursprünglichen (Erst-)Beschwerdeverfahrens gewesen sind, in der Sache geprüft und darüber ablehnend entschieden, liegt darin eine zusätzliche Beschwer durch den Inhalt der letzten Beschwerdeentscheidung im vorgerichtlichen Verfahren. Nicht zuletzt ist dem Norminhalt des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO insoweit der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, dass Bescheide des vorgerichtlichen Verfahrens, die eine zusätzliche Beschwer entfalten, ebenfalls uneingeschränkt und unmittelbar der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden dürfen. Da zu derartigen zusätzlichen Beschwerdepunkten mit der Entscheidung über die weitere Beschwerde bereits eine abschließende Entscheidung der Exekutive getroffen worden ist, steht auch das Prinzip der nachträglichen Kontrolle einer Einbeziehung dieser letzten vorgerichtlichen Entscheidung in das wehrdienstgerichtliche Verfahren nicht entgegen.
Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte ist im Verfahren der weiteren Beschwerde auch grundsätzlich befugt, auf Antrag des Beschwerdeführers den Gegenstand des Verfahrens abzuändern oder zu erweitern. Soweit dem nicht ausnahmsweise zwingende Verfahrensvorschriften oder schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des gemäß § 16 Abs. 3 WBO zuständigen Entscheidungsträgers, ob er bei einer umfassenden Beschwerde, die sich inhaltlich in einer Vielzahl von Vorfällen oder Handlungsweisen materialisiert, den Streitgegenstand im Rahmen seiner Sachverhaltsaufklärung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WBO (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 4 WBO) und seiner aus § 13 Abs. 1 WBO folgenden umfassenden Kontroll- und Abänderungskompetenz auch auf spätere Vorkommnisse erstreckt, die erst im Verfahren der weiteren Beschwerde zur Ergänzung und Untermauerung der Ausgangsbeschwerde vorgetragen wurden, oder ob er den Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er für nachträglich gerügte Vorkommnisse ein gesondertes Beschwerdeverfahren einleitet.
Der hier für den Beschwerdebescheid auf die weitere Beschwerde des Antragstellers zuständige Kommandeur ... hat sich - wohl nicht zuletzt aus Gründen der Verfahrensökonomie - für die erste Variante entschieden und den vom Antragsteller umfassend geltend gemachten Beschwerdegegenstand der unzureichenden Beteiligung als Vertrauensperson nicht in einzelne Beschwerdeverfahren aufgegliedert. Damit lag dem Truppendienstgericht ein Beschwerdebescheid zur Entscheidung vor, der ausdrücklich auch neues Vorbringen aus der weiteren Beschwerde des Antragstellers und aus der Vernehmung des Antragstellers vom 22. September 2016 rechtlich gewürdigt hat. Dieser Beschwerdegegenstand war daher, soweit er angefochten worden ist, gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO uneingeschränkt vom Truppendienstgericht zu überprüfen. Dies hat das Truppendienstgericht zu Unrecht abgelehnt.
3. Nach § 22a Abs. 6 Satz 2 WBO kann der Senat bei einer begründeten Rechtsbeschwerde in der Sache selbst entscheiden oder den angefochtenen Beschluss aufheben und die Sache an das Truppendienstgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Von der zweiten Alternative der Bestimmung in § 22a Abs. 6 Satz 2 WBO macht der Senat vorliegend Gebrauch, weil für die abschließende Entscheidung noch weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Das gilt beispielsweise für weitere Ermittlungen und Sachverhaltsaufklärungen zu den strittigen Vorgängen der unvollständigen Unterrichtung und Anhörung des Antragstellers gemäß § 20 SBG a.F. (auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Vernehmung des Oberstabsgefreiten ... vom 6. Oktober 2016) sowie zu der vom Antragsteller durchgehend thematisierten Frage, ob bei der Übermittlung beteiligungsrelevanter Vorgänge an die Vertrauensperson per E-Mail die gesetzlich geforderte Vertraulichkeit gewährleistet ist.
Der Senat hat entschieden, die Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Nord zu verweisen (zur Zulässigkeit dieser Verweisungsform: Dau, WBO, 6. Aufl. 2013, § 22a Rn. 37). Es liegen durchgreifende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller, wie er auch selbst vorträgt, nicht mit der notwendigen Sicherheit darauf vertrauen kann, in dem erneuten Verfahren von der 6. Kammer unvoreingenommen behandelt zu werden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs betrifft ein besonders wichtiges und vornehmes Prozessgrundrecht der Prozessbeteiligten, das hier mehrfach von dem Vorsitzenden der 6. Kammer missachtet worden ist. Es kommt hinzu, dass die 6. Kammer sich über den materiell ausdrücklich eingeschränkten Sachantrag des Antragstellers vom 23. Dezember 2016 hinweggesetzt und in der angefochtenen Entscheidung wortreich und zugleich mit unangemessener Kritik am Kommandeur ... auch die Beschwerdepunkte negativ rechtlich gewürdigt hat, in denen der Kommandeur der weiteren Beschwerde des Antragstellers stattgegeben hat. Diese Beschwerdepunkte standen nicht zur Überprüfung durch das Truppendienstgericht und waren von diesem nicht zu kommentieren.