Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 10.10.2017


BVerwG 10.10.2017 - 1 WDS-VR 6/17

Sicherheitsrisiko; unrichtige Angaben zu Beziehungen ins Ausland


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
10.10.2017
Aktenzeichen:
1 WDS-VR 6/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:101017B1WDSVR6.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 6 Abs 2 MRK

Tatbestand

1

Der Antragsteller beantragt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung gegen einen ihm nachteiligen Sicherheitsüberprüfungsbescheid anzuordnen und vorläufig bei der Vergabe von Dienstposten, die eine positive Sicherheitseinstufung erfordern, mitbetrachtet zu werden.

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...

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Nach Durchführung der vorgesehenen Überprüfungsmaßnahmen schlug der Militärische Abschirmdienst dem Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vor, für den Antragsteller ein Sicherheitsrisiko festzustellen. Der Antragsteller habe die Frage 8.4 nach Beziehungen zu Personen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken in seiner Sicherheitserklärung vom 9. April 2016 mit "nein" beantwortet. Er unterhalte jedoch auch nach Beendigung des Einsatzes ... Beziehungen insbesondere zur Leiterin einer Massagepraxis, Frau ... Er habe ihr im September 2015 über die Dienstpost einen Umschlag mit drei Musik-CDs und folgender Begleitkarte zukommen lassen:

"Liebe ...,

Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag (er war doch am 23. oder 26.09?). Die CD`s sind für Deine Praxis. Enya hast Du ja schon. Ich vermisse Dein Lächeln ...

Dein ..."

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Ferner habe er nach Beendigung des Einsatzes im Zusammenhang mit der Reparatur eines TV-Receivers zu einer weiteren Ortskraft, Herrn ..., erneut Verbindung aufgenommen, ohne dies anzugeben. Zudem habe er vorschriftswidrig in seinem Dienstzimmer geraucht und Dienstpost regelmäßig in der Betreuungseinrichtung bearbeitet. Am 23. April 2015 habe er beabsichtigt, Post mit der Einstufung NATO SECRET dort zu bearbeiten und mit dem EloKa-Offizier zu besprechen. Die Besprechung sei auf Intervention des Eloka-Offiziers in ein Dienstzimmer verlegt worden.

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Der Antragsteller erklärte hierzu in den am 4. November 2016 und 10. Januar 2017 durchgeführten persönlichen Anhörungen ausweislich der darüber geführten und von ihm mitunterzeichneten Niederschriften unter anderem:

Nach seiner Wertung habe er das Kreuz bei der Frage nach sonstigen Beziehungen in Staaten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG (Frage 8.4. der Sicherheitserklärung) nicht falsch gesetzt. [...] Er habe dem Ausfüllen gegebenenfalls nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Nach Klarstellung des Begriffs "Beziehung" würde er die Frage nunmehr mit "ja", einschließlich einer entsprechenden Erklärung beantworten.

Er bestreite, ein Verhältnis zu Frau ... gehabt zu haben und zu unterhalten. Wie er bereits ausgeführt habe, diene sein Kontakt zur Vervollständigung seines eigenen Lagebildes vor Ort. Aufgrund seines Beinbruchs habe er sich zeitweise häufig aus medizinischen Gründen in der Massagepraxis aufhalten müssen. Mit Frau ... sei er im Feldlager nicht spazieren gegangen, [...]. Ihm sei klar, dass er als Kommandeur unter ständiger Beobachtung stünde. Aus oben genannten Gründen (Stichwort Lagebild) würde er niemals ein Verhältnis mit Frau ... angestrebt haben.

Der Kontakt zu den Ortskräften habe zur Vervollständigung seines eigenen Lagebildes vor Ort gedient und er habe die Gelegenheiten dazu genutzt, herauszufinden, welche der Gesprächspartner sich so weit öffnet, dass sie als Quelle zu sicherheitsrelevanten Angelegenheiten im Feldlager nutzbar sei, wobei Frau ... bei dieser Kategorisierung übrig geblieben sei.

Er sei aufgrund seines Beinbruchs nur von einer Unterbrechung des Einsatzes ausgegangen, da eine Rückkehr geplant gewesen sei, die jedoch nicht mehr habe realisiert werden können. Er habe bei einer Ortskraft für einen Sat-Receiver ein bezahlpflichtiges Abo abgeschlossen, was im Feldlager üblich gewesen sei. In Deutschland sei das Abo vermutlich abgelaufen (Bildschirm schwarz), woraufhin er Kontakt mit der Ortskraft aufgenommen und auf Nachfrage das Abo verlängert habe. Ein anderes Mal, als der Receiver kaputt gegangen sei, habe er diesen auf dem Postweg an die Adresse der Ortskraft geschickt.

Er räume ein, am geöffneten Fenster geraucht zu haben, und schließe nicht aus, das ein oder andere Mal auch rauchend zum Schreibtisch gegangen zu sein.

Unverfängliche Dienstpost habe er tatsächlich in der Betreuungseinrichtung bearbeitet, aber immer alleine und abgesetzt. An den Vorgang am 23. April 2015 könne er sich nicht erinnern. Unter Verweis auf die Unterstellungsverhältnisse im Kontingent sei eine solche Besprechung mit geändertem Ort - so sie denn stattgefunden habe - allerdings auf eine entsprechende Beratungsleistung durch den EloKa-Offizier zurückzuführen. Er habe allerdings keine Dokumente NATO SECRET, sondern nur ... CONFIDENTAL gehabt.

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Mit förmlichem Bescheid vom 11. Januar 2017 stellte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung ein Sicherheitsrisiko fest. Die Durchführung einer erneuten Sicherheitsüberprüfung sei ab dem 1. Januar 2020 zulässig. Gegen das ihm am 12. Januar 2017 übermittelte Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. Januar 2017 Beschwerde ein.

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Mit Schreiben vom 30. März 2017 begründete der Geheimschutzbeauftragte gegenüber dem Antragsteller seine Entscheidung. Die Verletzung der Wahrheitspflicht durch die unwahren Angaben in der Sicherheitserklärung sei geeignet, Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu begründen. Diese Feststellung habe der Antragsteller auch durch seine persönlichen Anhörungen nicht entkräften können. Jedenfalls bei Durchsicht der Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung hätte der Antragsteller erkennen müssen, dass bei dieser Frage alle fortbestehenden Kontakte zu Personen ... anzugeben gewesen wären. Die gemachten bzw. unterlassenen Angaben in der Sicherheitserklärung müsse er sich zurechnen lassen. Die bekannt gewordenen Umstände führten dazu, dass bei ihm ein mangelndes Sicherheitsbewusstsein festzustellen sei. Es bestehe darum die berechtigte Besorgnis, dass er bei Aufeinandertreffen von persönlichen und dienstlichen Interessen seinem Schutz oder seinen Individualinteressen Vorrang vor dem dienstlichen Interesse geben könnte.

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Unabhängig davon lasse auch die Tatsache, dass der Antragsteller telefonisch, per Post und persönlich intensiv Kontakt zu Personen ... unterhalte, Rückschlüsse auf ein mangelndes Sicherheitsverständnis als Kontingentführer zu. Durch die nachhaltigen außerdienstlichen Kontakte zu Ortskräften, auch außerhalb des Einsatzzeitraumes unter Nutzung von sozialen Netzwerken und anderen Verbindungsmöglichkeiten, verstoße der Antragsteller gegen die Grundsätze der Weisung für die Erhöhung der Sicherheit im Rahmen von Auslandseinsätzen. Dadurch bestehe die Gefahr der nachrichtendienstlichen Ansprache durch fremde Nachrichtendienste, weil er für einen angreifenden Nachrichtendienst nicht interessen-, wohl aber personenbezogene Ansatzpunkte biete. Durch seine exponierte Stellung als Kontingentführer müsse davon ausgegangen werden, dass er in das Blickfeld eines Nachrichtendienstes geraten sei. Durch sein bisheriges Verhalten - falsche Beantwortung von Fragen, Missachtung bestehender Weisungslagen - werde die nachrichtendienstliche Gefährdung unkalkulierbar.

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Durch den Verstoß gegen das Rauchverbot in Dienstgebäuden zeige der Antragsteller, dass er seinem Individualinteresse Vorrang zu bestehenden Regelungen einräume; hinsichtlich der vom Antragsteller eingeräumten Beantwortung der Dienstpost in der Betreuungseinrichtung könne ein Verstoß gegen oder die "freie" Auslegung von Dienstvorschriften nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. In der Gesamtschau begründe der Sachverhalt nicht zurückstellbare Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit.

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Auch in näherer Zukunft sei zu besorgen, dass er seiner Wahrheits- und Offenbarungspflicht hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte nicht vollumfänglich nachkommen werde, insbesondere da er diese an persönliche Abwägungsprozesse zu binden scheine. Daher könne vorerst keine günstige Prognose gestellt werden. Es sei jedoch sachgerecht, die Laufzeit der zutreffenden Sicherheitsrisikofeststellung unterhalb der üblichen Zeitspanne von 5 Jahren festzulegen. Eine andere Maßnahme, etwa eine Entscheidung verbunden mit Auflagen, käme in seinem Fall nicht in Betracht, weil Auflagen nicht geeignet seien, die festgestellte Risikolage positiv zu verändern. Die Feststellung des Sicherheitsrisikos habe zwar für den vorgesehenen Auslandseinsatz als Kontingentführer dienstliche Auswirkungen, nicht aber für seine derzeitige Tätigkeit.

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Mit Schreiben vom 24. April 2017 hat der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Verfahren BVerwG 1 WB 24.17) beantragt. Er hat persönliche Erklärungen vom 26. April 2017, 16. August 2017 und 28. September 2017 vorgelegt, in denen er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Des Weiteren begehrt er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

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Der angefochtene Sicherheitsüberprüfungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Die darin enthaltenen Feststellungen würden in vollem Umfang durch die Ausführungen in seinen persönlichen Erklärungen widerlegt. Danach fehlten schon "tatsächliche Anhaltspunkte" i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, die Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen könnten. Hinsichtlich der unwahren Angaben in der Sicherheitserklärung sei ihm nicht bewusst gewesen, dass "Kontakte" angabepflichtig gewesen seien. Er habe beim Ausfüllen ein grundsätzlich anderes Verständnis des Begriffs "Beziehung" zu Grunde gelegt als der Geheimschutzbeauftragte. Auch die Ausfüllanweisung zu Ziffer 8.4. der Sicherheitserklärung fordere eindeutig nur die Angabe von Beziehungen. Er habe die Erklärung nach seinem Begriffsverständnis daher richtig ausgefüllt.

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Die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit stünden im krassen Widerspruch zur schriftlich belegten Einschätzung aller seiner bisherigen Vorgesetzten in deren Beurteilungen. Er habe sich in seinem gesamten Leben nie irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Dies belegten sowohl das Disziplinarbuch als auch sein Führungszeugnis. Er könne im Zusammenhang mit der ihm vorgehaltenen Nähe zu den Ortskräften nicht erkennen, etwas falsch gemacht zu haben. Die Treffen hätten ausschließlich im Feldlager stattgefunden. Alle seine Gespräche hätten ausschließlich der Abrundung seines Lagebildes und dem dienstlichen Interesse gedient. Das gelte insbesondere zu seinem Kontakt mit Frau ..., die er zu den ärztlich angeordneten Massageterminen aufgesucht und als Informationsquelle genutzt habe. Eine darüber hinausgehende intime Beziehung zu ihr habe er weder unterhalten noch angestrebt. Als Informantin habe er sie auch seinem Nachfolger in der Deutschen Kontingentführung empfohlen. Den Kontakt habe er aus dienstlichen Gründen im Hinblick auf seine geplante Rückkehr als Kontingentführer weitergeführt und darum auch die Geburtstagspost auf dem Dienstweg zugesandt.

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Die Dienstpost habe er zwar bei entsprechender Wetterlage auf der Terrasse der Betreuungseinrichtung gesichtet, umfangreichere und kritische Vorgänge habe er jedoch stets im Dienstzimmer bearbeitet. An den Vorhalt, er habe am 23. April 2015 beabsichtigt, Dienstpost mit der Einstufung NATO SECRET in der Betreuungseinrichtung zu besprechen, könne er sich schlicht nicht erinnern, schließe jedoch dabei leichtfertiges Handeln aus. Der Vorwurf, er habe im Dienstzimmer geraucht, treffe zwar im Kern zu. Inwieweit hieraus ein Zusammenhang zur Zuverlässigkeit im Umgang mit Verschlusssachen oder ein mangelndes Sicherheitsempfinden abgeleitet werden könne, entziehe sich seinem Verständnis. Auch aus den übrigen Vorhalten, die zwar vom Geheimschutzbeauftragten als nicht weiter sicherheitserheblich betrachtet würden, könne eine mangelnde dienstliche Zuverlässigkeit nicht geschlossen werden.

15

In dem Überprüfungsverfahren habe der Grundsatz der Unschuldsvermutung nur bedingt Gültigkeit besessen; die gesamte Vorgehensweise und Entscheidungsfindung seien nicht transparent genug und nicht immer an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichtet gewesen. Zudem seien ihm Abweichungen hinsichtlich der Vorhaltungen bei der Protokollversion des MAD und dem Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten aufgefallen. Darüber hinaus werde durch die Entscheidung seine Reputation und Integrität beschädigt.

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Für ihn entstünden durch die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten weitreichende berufliche Konsequenzen. So könne er für die im Frühjahr 2018 anstehende Auswahl für eine B 6-Verwendung als General Heeresflieger und Kommandeur des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums, die bereits begonnen habe, wegen Fehlens der erforderlichen Sicherheitsüberprüfung nicht in Betracht gezogen werden, was auch für alle anderen möglichen B 6- oder Auslandsverwendungen gelte. Er sei auch ein möglicher Kandidat für eine NATO-Verwendung beim Supreme Headquarters Allied Powers Europe. Eine entsprechende Auswahlentscheidung für diesen müsse bis spätestens April 2018 erfolgen.

17

Der zusätzliche Antrag auf gerichtliche Anordnung einer vorläufigen Mitbetrachtung sei notwendig, um nicht wiedergutzumachende laufbahnrechtliche Nachteile zu seinen Lasten zu vermeiden. Es sei ihm nicht zuzumuten, sich zunächst gegen die fehlende Mitbetrachtung und sodann noch gegen die Personalauswahlentscheidung zu wenden.

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Der Antragsteller beantragt zuletzt:

1. die aufschiebende Wirkung des Antrags auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2017 gegen die Mitteilung des ... vom 12.01.2017 in der Gestalt der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 30.03.2017 nach § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 17 Abs. 4 WBO anzuordnen und

2. den Antragsteller nach § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 17 Abs. 4 WBO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den parallelen Hauptantrag im Verfahren BVerwG 1 WB 24.17 vorläufig bei weiteren Auswahlverfahren als den nach B 6 dotierten DP Kdr IntHubschrAusbZ (Stellenwechsel zum 1.04.2018) für mindestens Ü 2 relevante Dienstposten, z.B. für NATO und/oder Besoldungsgruppe B 6 Ebene sowie möglichen Verwendungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr mitzubetrachten.

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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

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Der mit dem Antrag zu 1) beantragte vorläufige gerichtliche Rechtsschutz, komme nicht in Betracht, weil sich in der Hauptsache keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ergäben und der Antragsteller durch die Feststellung des Sicherheitsrisikos auch nicht unzumutbar benachteiligt werde. Dazu verweist das Bundesministerium der Verteidigung zunächst auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Bescheids vom 30. März 2017. Unter Berücksichtigung einer ergänzenden fachlichen Stellungnahme des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 10. Juli 2017 führt es im Vorlageschreiben vom 27. Juli 2017 ergänzend aus, die unrichtigen Angaben des Antragstellers zu seinen Beziehungen ... seien vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig erfolgt. Ein vorsätzliches Verhalten werfe sicherheitsrelevante Fragen nach den dafür maßgeblichen Motiven auf. Ein grob fahrlässiges Handeln ziehe die Frage nach der zu erwartenden Sorgfalt bei der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach sich. Das Verhalten des Antragstellers biete etwa durch die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu Personen aus Zielstaaten, durch die Nutzung sozialer Netzwerke und anderer privater Verbindungsmöglichkeiten personenbezogene Ansatzpunkte für Einwirkungsmöglichkeiten. Daher sei es nicht möglich, eine positive Prognose abzugeben, die substanzielle Voraussetzung für eine Auflagenentscheidung wäre. Die Vielzahl und die unterschiedliche Art der Vorschriftenverstöße (Kontakte zu Ortskräften, Rauchverbot, Bearbeitung von Dienstpost) sowie die unterlassenen bzw. unwahren Angaben in der Sicherheitserklärung rechtfertigten die Annahme, dass vom Antragsteller auch in absehbarer Zukunft (drei Jahre) nicht hinreichend sicher erwartet werden könne, bei der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zuverlässig zu arbeiten. Die beruflichen Konsequenzen der Feststellung eines Sicherheitsrisikos seien vom Geheimschutzbeauftragten im Rahmen der Güterabwägung betrachtet und bewertet worden. Die negativen Auswirkungen auf weitere berufliche Förderungen seien bei der Abwägung nicht zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, da er keinen Anspruch auf Verwendungen auf förderlichen Dienstposten oder zukünftige Beförderungen habe.

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Der Antrag zu 2), im Weg einer einstweiligen Anordnung eine vorläufige Mitbetrachtung des Antragstellers an den Auswahlverfahren zu ermöglichen, sei bereits nicht statthaft, da eine konkrete dienstpostenbezogene Entscheidung für einen der im Personalgespräch benannten Dienstposten noch nicht getroffen worden sei und der Antragsteller bei künftigen Auswahlverfahren entsprechend betrachtet werde. Mangels eines konkreten dienstpostenbezogenen Auswahlverfahrens sei weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch erkennbar.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az. 25-05-12 532/17, 203/17 und 809/17 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, sowie die Gerichtsakte BVerwG 1 WB 24.17 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 11. Januar 2017 anzuordnen, ist gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO zulässig. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden. In diesen Fällen kann sie auch Gegenstand eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO sein (BVerwG, Beschlüsse vom 13. November 2009 - 1 WDS-VR 6.09 - Rn. 13 und vom 4. Juli 2013 - 1 WDS-VR 15.13 - Rn. 18).

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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit dienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. Juli 2013 - 1 WDS-VR 15.13 - Rn. 21, vom 13. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 3.07 - Rn. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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a) Die Rechtmäßigkeit des strittigen Bescheides ist nach der im Zeitpunkt der Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen (BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35 und vom 20. Dezember 2016 - 1 WB 21.16 - juris Rn. 29). Da die Vorlage am 1. August 2017 stattgefunden hat, ist das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 29. April 1994 (BGBl. I S. 867) in der zuletzt durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732) geänderten Fassung anzuwenden.

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Bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG festzustellen ist, steht dem Geheimschutzbeauftragten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. und vom 4. Juli 2013 - 1 WDS-VR 15.13 - Rn. 24).

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Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte - wie hier in Rede stehend - Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) und/oder eine besondere Gefährdung der betroffenen Person durch mögliche Anbahnungs- oder Werbungsversuche ausländischer Nachrichtendienste begründen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SÜG). Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 - 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 S. 17 und vom 4. Juli 2013 - 1 WDS-VR 15.13 - Rn. 25).

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b) Nach diesen Grundsätzen ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid vom 11. Januar 2017 (begründet am 30. März 2017) bei der im Eilverfahren gebotenen vorläufigen Prüfung voraussichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

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aa) Der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung war gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG in Verbindung mit Nr. 2416 ZDv 2/30 bzw. Nr. 2418 ZDv A-1130/3 für die in Rede stehende Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü 3 zuständig. Die geltend gemachten Verfahrensfehler im Sicherheitsüberprüfungsverfahren liegen bei summarischer Prüfung nicht vor. Der Antragsteller hatte in zwei Anhörungen hinreichende Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zu Unrecht bemängelt der Antragsteller, dass die im Straf- und Disziplinarrecht geltende Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) nicht ausreichend beachtet worden sei. Die Sicherheitsüberprüfung ist weder eine strafrechtliche noch eine disziplinarrechtliche Maßnahme, sondern dient der Abwehr künftiger Gefahren, so dass die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK schon deswegen nicht eingreift (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2016 - 1 WB 35.15 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 30 Rn. 36, 43). Der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung entspricht es, dass für die Annahme eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG nicht zwingend ein individuelles Fehlverhalten vorliegen muss. Vielmehr lässt das Gesetz für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SÜG beschriebenen Zweifels- oder Gefährdungslagen ausreichen. Mangels vollständigen Tatsachennachweises beinhaltet die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch keinen Schuldvorwurf.

30

bb) Der Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Er hat seiner Entscheidung die Tatsache zugrunde gelegt, dass der Antragsteller auch nach Beendigung seiner Auslandseinsätze Kontakte zu zwei ... Ortskräften unterhielt, dies in seiner Sicherheitserklärung nicht angab, während des Einsatzes im Dienstzimmer geraucht, Dienstpost in der Betreuungseinrichtung bearbeitet hat und einmal versucht hat, Verschlusssachen in der Betreuungseinrichtung zu bearbeiten. Dagegen hat er die übrigen, im Rahmen des Überprüfungsverfahrens erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsteller als nicht weiter sicherheitserheblich betrachtet bzw. hat diese nicht in die Bewertung für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos mit einfließen lassen. Der Sachverhalt, den der Geheimschutzbeauftragte seiner Entscheidung als sicherheitserheblichen Umstand zugrunde gelegt hat, wird als solcher vom Antragsteller in den für die Entscheidung wesentlichen Punkten nicht bestritten, sondern lediglich abgeschwächt und abweichend bewertet.

31

Der Geheimschutzbeauftragte konnte insbesondere auch vom Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für die Vorhaltung ausgehen, dass der Antragsteller einmal versucht habe, Verschlusssachen der Stufe "NATO SECRET" in der Betreuungseinrichtung zu öffnen. Denn diese Annahme beruhte auf detaillierten Erkenntnissen des MAD, denen der Antragsteller lediglich mangelndes Erinnerungsvermögen und die bei vorläufiger Prüfung nicht sehr plausible Behauptung, als deutscher Kontingentführer nur ... Confidental Dokumente erhalten zu haben, entgegengesetzt hat. Selbst wenn die Informationsquelle des MAD sich in der Einstufung der Verschlusssache geirrt haben sollte, hätte der Antragsteller von sich aus eine Verlegung der Besprechung in ein Dienstzimmer anordnen müssen. Damit hat der Geheimschutzbeauftragte den entscheidungserheblichen Sachverhalt im Wesentlichen vollständig erfasst.

32

cc) Dass der Geheimschutzbeauftragte auf der Grundlage dieses Sachverhalts das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos angenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Er hat mit dieser Einschätzung weder den Begriff noch den rechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SÜG liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder für eine besondere Gefährdung der betroffenen Person bei möglichen Anbahnungs- und Werbungsversuchen sprechen.

33

Tatsächliche Anhaltspunkte im vorgenannten Sinne können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats daraus ergeben, dass der Betroffene eine Dienstpflichtverletzung begangen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Oktober 2010 - 1 WB 16.10 - Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1 Rn. 38 und vom 30. Januar 2014 - 1 WB 32.13 - juris Rn. 34). Der insoweit relevanten Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) kommt ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - Rn. 29). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können. Zu den der Wahrheitspflicht unterliegenden dienstlichen Angelegenheiten im Sinne des § 13 Abs. 1 SG gehört auch die im Überprüfungsverfahren abzugebende Sicherheitserklärung (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2012 - 1 WB 28.11 - Rn. 35 und vom 30. Januar 2014 - 1 WB 32.13 - juris Rn. 36).

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Ohne Rechtsfehler hat der Geheimschutzbeauftragte hiernach festgestellt, dass der Antragsteller seiner Wahrheitspflicht beim Ausfüllen der vorliegenden Sicherheitserklärung - objektiv - nicht nachgekommen ist. Der Antragsteller hätte insoweit die Beziehungen zu den kosovarischen Ortskräften Frau ... und Herr ... im Rahmen der Frage 8.4 nach "sonstigen Beziehungen" offenlegen müssen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelte es sich sowohl bei Frau ... als auch bei Herrn ... um meldepflichtige "sonstige Beziehungen" gemäß Nr. 8.4 des Formulars der Sicherheitserklärung. Denn in der "Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen" (Anlage C 3 A 1130/3) heißt es, dass unter "sonstige Beziehungen" im Sinne der Frage Nr. 8.4. "z.B. geschäftliche, gesellschaftliche, kulturelle, sportliche oder wissenschaftliche" Beziehungen zu Personen in einem in der Staatenliste genannten Staat zu verstehen sind. Auch wenn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff der "Beziehungen" keine nur flüchtigen, einmaligen Kontakte fallen, schließt die beispielhafte Aufzählung ein Verständnis der Frage aus, dass es bei mehrfachen Kontakten für das Vorliegen einer Beziehung auf eine bestimmte persönliche Vertrautheit oder Intimität der Beziehung ankommt. Demnach hätte der Antragsteller den fortdauernden zumindest freundschaftlichen Kontakt zu Frau ... und die andauernde Geschäftsverbindung zu Herrn ... angeben müssen. Dass es sich bei Frau ... für den Antragsteller, wie von ihm behauptet, nur um einen bedeutungslosen "Kontakt", der keine "sonstige Beziehung" im Sinne der Frage 8.4 der Erklärung sei, handelte, wird nicht zuletzt durch die vom Antragsteller versandte Geburtstagspost vom September 2015 widerlegt. Darin "duzt" der Antragsteller Frau ..., spricht sie mit Vornamen an, macht ihr ein Geschenk und spricht ihr mit einer höchstpersönlichen Nachricht seine Zuneigung aus. Die Einlassung des Antragstellers, sein Kontakt zu Frau ... habe im Einsatzland lediglich der Vervollständigung des eigenen Lagebildes gedient, ist wenig glaubhaft und erklärt nicht überzeugend die Art der Fortführung des persönlichen Kontakts.

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Eine Verkennung von Rechtsbegriffen liegt auch nicht in der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten, dass die objektiv wahrheitswidrige Verneinung der Frage nach Auslandsbeziehungen ... dem Antragsteller - subjektiv - als vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung zuzurechnen ist. Denn mit seiner Unterschrift unter die Sicherheitserklärung hat er bestätigt, dass er die Angaben unter Berücksichtigung der Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung gemacht hat. Ein durchschnittlicher Soldat - und erst recht ein Offizier - hätte aber bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nach Durchsicht der Anleitung anhand der gegebenen Erläuterungen erkennen können, dass die fortdauernden privaten und geschäftlichen Beziehungen zu Frau ... und Herrn ... anzugeben waren. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat der Geheimschutzbeauftragte ausgeführt, dass auch die Annahme einer groben Fahrlässigkeit bei der Ausfüllung der Sicherheitserklärung den Antragsteller nicht entlastet. Denn auch dies kann rechtsfehlerfrei als "tatsächlicher Anhaltspunkt" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG dafür angesehen werden, dass der Antragsteller einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht mit dem nötigen Maß an Zuverlässigkeit nachgegangen ist.

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Keine Rechtsfehler sind auch bei der weiteren Vorhaltung erkennbar, dass der Antragsteller entgegen den Sicherheitsbestimmungen die Dienstpost in der Betreuungseinrichtung bearbeitet und am 23. April 2015 sogar unbedachter Weise versucht habe, eine Verschlusssache "NATO SECRET" mit dem EloKa-Offizier dort zu besprechen. Soweit der Antragsteller demgegenüber vorträgt, die Dienstpost in der Betreuungseinrichtung stets alleine und abgesetzt von anderen Personen bearbeitet zu haben, räumt dies die tatsächlichen bzw. nur von Anderen verhinderten Verstöße gegen die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen nicht aus. Das Gleiche gilt für seinen Hinweis, dass dienstliche Unterlagen bis einschließlich "VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH" am Mann geführt werden können. Der Geheimschutzbeauftragte konnte davon ausgehen, dass die Dienstpost des deutschen Kontingentführers nicht ausschließlich aus entsprechend niedrig eingestuften Zusendungen bestand. Der Geheimschutzbeauftragte hatte somit ausreichende konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller Sicherheitsbestimmungen nicht strikt angewendet hat.

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In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch die Verstöße des Antragstellers gegen das Rauchverbot in Dienstgebäuden als ausreichender Anhaltspunkt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG für Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit dienen können. Dem Antragsteller ist nach vorläufiger Prüfung einzuräumen, dass nicht jede Verletzung einer eher untergeordneten und nicht spezifisch sicherheitsrechtlichen Dienstpflicht Zweifel an der sicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit aufkommen lässt. Der Geheimschutzbeauftragte hat in seiner Entscheidungsbegründung jedoch unmissverständlich deutlich gemacht, dass er seine diesbezüglichen Zweifel bereits auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage 8.4 der Sicherheitserklärung stützt, so dass die zum Rauchverbot angestellten Erwägungen für die getroffene Entscheidung nicht tragend sind.

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Nicht zu beanstanden ist schließlich die Annahme des Geheimschutzbeauftragten, die nachhaltigen Beziehungen des Antragstellers zu Personen aus ... ließen Rückschlüsse auf das mangelnde Sicherheitsverständnis als Kontingentführer zu. Aus den ihm vorliegenden tatsächlichen Erkenntnissen, insbesondere aus der an Frau ... übersandten Geburtstagspost einerseits und der mangelnden Meldung der Beziehung andererseits, konnte der Geheimschutzbeauftragte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise folgern, dass der Antragsteller gegen die Grundsätze der Weisung für die Erhöhung der Sicherheit im Rahmen von Auslandseinsätzen des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (J2-Az 06-05-01/VS-NfD) vom 1. Juli 2013 verstoßen hat. Darin wird unter "3. Durchführung (12) Ortskräfte" angeordnet, dass jeder Kontingentangehörige gegenüber Ortskräften Zurückhaltung zu wahren hat.

39

Ohne Verkennung von Rechtsbegriffen hat der Geheimschutzbeauftragte in dem dargelegten Sachverhalt zudem tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche ausländischer Nachrichtendienste erkannt und deswegen das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG angenommen. Der Geheimschutzbeauftragte hat zum Vorliegen eines diesbezüglichen Sicherheitsrisikos nachvollziehbar ausgeführt, dass der Antragsteller durch seine exponierte Stellung als Kontingentführer Deutsches Einsatzkontingent ... bereits im Blickfeld fremder Nachrichtendienste stehe. Vieles spricht dafür, dass die Teilnahme des Antragstellers an drei Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der geplante Einsatz 2017 fremden Nachrichtendiensten nicht entgangen sind. Ebenso hat der Geheimschutzbeauftragte schlüssig dargelegt, dass die intensiven (freundschaftlichen) Beziehungen zu Personen aus dem Kosovo und die (verschwiegene) Fortführung der Kontakte außerhalb der Einsatzzeiträume in sicherheitsrechtlicher Hinsicht Schwachstellen bilden, die Ansatzpunkte für einen Angriff fremder Nachrichtendienste darstellen können. Mit der darauf gestützten Einschätzung einer besonderen Gefährdungslage hat der Geheimschutzbeauftragte weder den anzuwendenden Begriff verkannt noch allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.

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Nicht zu beanstanden ist schließlich die vom Geheimschutzbeauftragten getroffene Gefahrenprognose. Auf Grund des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums konnte der Geheimschutzbeauftragte angesichts des festgestellten Sachverhalts davon ausgehen, dass der Antragsteller auch in näherer Zukunft einer besonderen Gefährdungslage unterliegt. Ohne Überschreitung des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums konnte er es als zweifelhaft ansehen, dass der Antragsteller künftig seiner Wahrheits- und Offenbarungspflicht hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte vollumfänglich nachkommen würde, insbesondere weil er diese an persönliche Abwägungsprozesse zu binden scheine. Soweit der Antragsteller auf seinen tadelfreien Lebenslauf und seine weit überdurchschnittlichen dienstlichen Beurteilungen verweist, hat der Geheimschutzbeauftragte den damit verbundenen positiven prognostischen Elementen erkennbar durch eine Reduzierung der Laufzeit der Sicherheitsbeurteilung auf 3 Jahre Rechnung getragen. Zu einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung war er nicht verpflichtet. Daher sind bei der in einem Eilverfahren nur möglichen vorläufigen Einschätzung auch bei der vom Geheimschutzbeauftragten anzustellenden Prognose keine Rechtsfehler erkennbar.

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3. Der weitere sinngemäß gestellte Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn trotz des fehlenden Sicherheitsstatus vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei Bewerbungen für B 6-dotierte Dienstposten mit dem Anforderungsprofil Sicherheitsstatus Ü 3 mitzubetrachten, ist unzulässig. Zwar können während eines schwebenden wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren grundsätzlich einstweilige Anordnungen nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO ergehen.

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Sofern es dem Antragsteller mit seinem Antrag um die bloße Teilnahme an diesen Auswahlverfahren geht, fehlt ihm jedoch das Rechtsschutzinteresse. Das zuständige Personalreferat P II 2 im Bundesministerium der Verteidigung hat am 19. Juni 2017 allgemein und zuletzt am 16. August 2017, bezogen auf den Dienstposten eines Kommandeurs des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums erklärt, den Antragsteller bei den entsprechenden Auswahlverfahren mitzubetrachten. Insoweit bedarf es keiner einstweiligen Anordnung.

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Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag darauf zielt, in den zukünftigen Auswahlverfahren trotz fehlenden Sicherheitsstatus nicht nur mitbetrachtet, sondern auch ausgewählt zu werden, fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Da der Antragsteller aktuell an keinem Auswahlverfahren beteiligt ist, fehlt es an der erforderlichen besonderen Eilbedürftigkeit seines Begehrens. Im Übrigen ist es ihm - wie allen anderen Bewerbern eines Auswahlverfahrens - grundsätzlich zuzumuten, eine konkrete Auswahlentscheidung für einen konkreten Dienstposten abzuwarten und erst nach Kenntnis der Auswahlgründe einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.