Entscheidungsdatum: 13.04.2010
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Mai 2009 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen
I.
In der vom Landgericht zugelassenen Anklage legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten, einem Rechtsanwalt, Betrug in neun sachlich zusammentreffenden Fällen sowie Beihilfe zur gewerbsmäßigen Untreue in zwei sachlich zusammentreffenden Fällen zur Last. Die Strafkammer hat den Angeklagten "aus tatsächlichen Gründen" freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Revision, die sie mit der Sachrüge begründet. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
II.
Die sich allein gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendende Revision der Staatsanwaltschaft vermag keine durchgreifenden Rechtsfehler aufzuzeigen.
1. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er sei als Firmenanwalt zweier von dem getrennt strafverfolgten E. kontrollierter Firmen, der Firmen I. und C., daran beteiligt gewesen, diese Firmen "platt zu machen" und zuvor für diese Firmen in großem Umfang Bauteile, insbesondere Mobilfunkgeräte und -zubehör, beschafft zu haben. Wie dabei bereits geplant, seien diese Waren später weiterverkauft worden, ohne die jeweiligen Kaufpreise an die Lieferanten zu bezahlen. Dadurch seien den Lieferanten Schäden in Höhe von insgesamt 374.252,96 € entstanden. Weiterhin sei der Angeklagte konkret daran beteiligt gewesen, den Inhalt einer von insgesamt sechzehn mit diesen Waren beladenen Paletten in einem von ihm gemieteten Lagerraum in Köln zwischengelagert zu haben, bis die Waren dann in der Folge auf nicht näher festgestellte Weise verkauft wurden.
Das Landgericht hat nach seiner Beweisaufnahme festgestellt, dass der Angeklagte als Firmenanwalt an dem Verkauf der beiden Firmen beteiligt war, auch wenn er an dem notariellen Verkaufstermin nicht selbst teilnahm. Es vermochte sich allerdings nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte zuvor gegenüber der ehemals Mitangeklagten F. geäußert haben soll, "es wäre gut, wenn noch eine bestimmte Stückzahl einer bestimmten Art Ware bestellt würde". Das Landgericht hat demgegenüber festgestellt, dass die ehemals Mitangeklagte F. an die Kanzlei des Angeklagten am 3. Juli 2007 aus einem Copyshop in Stuttgart eine Artikelliste mit verschiedenen Waren, deren Gesamtmenge, dem jeweiligen Einkaufspreis und dem sich jeweils ergebenden Gesamtpreis gefaxt worden war. Diese Liste, welche unter anderem Waren aus den noch kurzfristig erteilten, in der Folge aber nicht bezahlten Bestellungen enthielt, wurde bei der Durchsuchung der Kanzlei in dreifacher Ausfertigung gefunden, wobei auf einer der Listen zusätzlich handschriftliche Preise notiert waren, welche jeweils unter den auf der Liste verzeichneten Einkaufspreisen lagen. Schließlich stellte die Kammer fest, dass der Angeklagte am 30. Juni 2007 einen 4 m² großen Lagerraum bei der Firma S. in Köln angemietet hatte. Was in dem Lagerraum in der Folge gelagert war und wer diesen Lagerraum in diesem Zusammenhang betreten hatte, konnte die Kammer nur insoweit näher verifizieren, als der Angeklagte einräumte, er sei selbst einmal in dem Lagerraum gewesen, um diesen anzusehen.
2. Aus alledem vermochte die Kammer weder die Überzeugung zu gewinnen, dass der Angeklagte bei der betrügerischen Bestellung der Mobilfunkwaren noch an deren späteren Verkauf beteiligt war. Auch im Übrigen konnte ein strafbares Handeln durch ihn hinsichtlich des angeklagten Sachverhalts nicht festgestellt werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters (BGH NStZ 1984, 180; NJW 2007, 92, 94). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten überwunden hätte. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft selbst nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen (BGH NStZ 1984, 180; NJW 2007, 92, 94; BeckOK-StPO/Wiedner § 337 Rdn. 87 f.). Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind oder bei verschiedenen be- und entlastenden Indizien der Tatrichter diese zwar jeweils im Einzelnen gewürdigt, jedoch keine ausreichende Gesamtwürdigung vorgenommen hat; denn möglicherweise können mehrere Indiztatsachen in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln, selbst wenn diese jeweils für sich allein zum Nachweis der Täterschaft eines Angeklagten nicht ausreichen (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 133 f.; NStZ-RR 2002, 371, 372).
Daran fehlt es vorliegend jedoch nicht. Das Landgericht hat sowohl die aufgefundenen Beweismittel, ebenso die verschiedenen Aussagen der Zeugen wie auch die Einlassung des Angeklagten zu den Tatvorwürfen jeweils im Einzelfall gewürdigt, jedoch auch in Anbetracht der Tatvorwürfe und des festgestellten Gesamtgeschehens die erforderliche Gesamtwürdigung ohne ersichtlichen Rechtsfehler vorgenommen. Dass, wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift und seinem mündlichen Revisionsvortrag dargelegt, durchaus auch eine andere Betrachtung nicht ausgeschlossen erscheint, ändert hieran nichts.
b) Allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte Firmenanwalt beider Unternehmen des getrennt strafverfolgten E. und in diesem Zusammenhang auch in die späteren Verkäufe der Firmen involviert war, lässt sich, wie das Landgericht zutreffend dargestellt hat, keine strafrechtliche Verantwortung herleiten.
c) Hinsichtlich der Behauptung der ehemals Mitangeklagten F., im Zusammenhang mit den späteren Bestellungen habe ihr der Angeklagte Se."telefonisch gesagt, es wäre gut, wenn noch eine bestimmte Stückzahl einer bestimmten Art Ware bestellt würde", hat die Strafkammer zunächst festgestellt, dass der Angeklagte an der Bestellung selbst nicht mitgewirkt hat (UA S. 53). Der Tatrichter hat aber auch im Übrigen die diesbezügliche Aussage der Mitangeklagten über die telefonische Äußerung als nicht glaubhaft erachtet (UA S. 54). Dem liegt zugrunde, dass die ehemals Mitangeklagte auch in anderen Bereichen des Verfahrens nicht zutreffende Angaben gemacht hat, um den getrennt strafverfolgten E., mit dem sie früher liiert war, zu decken. Dass dem Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung, die Aussage der Mitangeklagten sei insoweit falsch, ein Rechtsfehler in dem oben dargestellten Sinne unterlaufen ist, kann der Senat nicht feststellen.
d) Ein sicherlich beachtliches Indiz ist der weitere Umstand, dass der Angeklagte in zeitlichem Zusammenhang mit dem Verschwinden der sechzehnten Palette einen Lagerraum in Köln angemietet hat, welcher groß genug war, um den Inhalt dieser einen Palette aufzunehmen. Allerdings vermochte das Landgericht die sicherlich fragwürdige Einlassung des Angeklagten, er habe den Lagerraum nicht für sich, sondern auf Bitte seines Schwagers Ce. angemietet, der eine hierfür erforderliche EC- oder Kreditkarte nicht besessen habe, nicht als widerlegt ansehen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Mitangeklagte F. weiter angab, die von ihr am 29. Juni 2007 abgeholten Waren der sechzehnten Palette habe sie zu einer Raststätte an der Autobahn Frankfurt/Köln gebracht und dort an Ce., den Schwager des Angeklagten, übergeben. Nachdem Ce. von seinem Zeugnisverweigerungsrecht und Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist die Überzeugungsbildung des Landgerichts auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wonach der Angeklagte mit dem Absatz dieser Waren jedenfalls nicht in strafrechtlich verantwortlicher Weise in Verbindung gebracht werden kann, zumal weder festgestellt werden konnte, dass diese Waren sich überhaupt jemals in dem betreffenden Lagerraum befunden haben, noch sonst Verkaufsaktivitäten oder -hilfen des Angeklagten bekannt geworden sind.
3. Danach sind in dem vorliegenden Verfahren zwar durchaus Indizien vorhanden, welche eine wie auch immer geartete Beteiligung des Angeklagten an den verfahrensrelevanten Vorgängen nicht gänzlich ausschließen lassen; dennoch ist die von der Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung der einzelnen Indizien und die dann nochmals vorgenommene Gesamtwürdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden – auch wenn, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalbundesanwalts eine andere Überzeugungsbildung des Tatrichters vom Revisionsgericht wohl ebenfalls hinzunehmen gewesen wäre.
Nack Elf Graf
Jäger Sander