Entscheidungsdatum: 06.02.2018
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 22. Mai 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c StPO und § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO dringt nicht durch.
a) Die Revision macht geltend, der Vorsitzende der Strafkammer habe bei Gesprächen mit der Verteidigung über eine Verständigung zugesichert, die vorgeschlagene Vorgehensweise auch mit der Staatsanwaltschaft zu erörtern. Im Laufe der Hauptverhandlung habe sich dann herausgestellt, dass das Landgericht die der Verteidigung angebotene Lösung nicht mit der Staatsanwaltschaft erörtert habe; zudem habe eine Protokollierung der Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung nicht stattgefunden. Nur weil es die Strafkammer unterlassen habe, der Verteidigerin mitzuteilen, dass die weiteren Verfahrensbeteiligten nicht in die geplante Verständigung einbezogen worden seien, habe der Angeklagte in dem Glauben, auch diese seien über die seitens der Strafkammer angeregte und geplante Verfahrensabsprache unterrichtet und mit der Vorgehensweise einverstanden, seine Zustimmung zur Verständigung angekündigt. Von dieser Ankündigung des Angeklagten habe sich die Strafkammer „gedanklich“ nicht mehr lösen können und sei deshalb von einem geständigen bzw. „schuldigen“ Angeklagten ausgegangen.
b) Zum Verfahrensgeschehen trägt die Revision im Wesentlichen Folgendes vor:
Bei Beginn der Hauptverhandlung habe der Angeklagte die Tatvorwürfe im Rahmen einer Verteidigererklärung bestritten. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei „Druck“ auf den Angeklagten ausgeübt worden, indem ihm für das Ablegen eines Geständnisses ohne weitere strafzumessungsrelevante Faktoren eine Reduktion der Strafe von 14 bis 26 Monaten angeboten worden sei. Im weiteren Verlauf habe dann der Vorsitzende die Verteidigerin des Angeklagten in der Gerichtscafeteria angesprochen und für den Fall eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung angeboten. Da die Staatsanwaltschaft in dieses „Gespräch“ nicht eingebunden gewesen sei, habe die Verteidigerin den Vorsitzenden nochmals in dessen Büro aufgesucht und nachgefragt, ob dieses „Angebot“ tatsächlich ernst gemeint gewesen sei. Sie habe um Unterrichtung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage gebeten, bevor dieses Angebot mit dem Angeklagten im Rahmen eines Haftbesuches erörtert werde. Der Vorsitzende habe ihr mitgeteilt, er werde ihr rechtzeitig Bescheid geben, falls diese Verständigung nicht zustande komme. Selbst als die Verteidigerin telefonisch mitgeteilt habe, der Angeklagte könne sich eine solche Verfahrenslösung vorstellen, sei keine Klarstellung durch den Vorsitzenden erfolgt, dass eine Erörterung mit den weiteren Verfahrensbeteiligten nicht stattgefunden habe. Aktenvermerke über die Einzelgespräche seien nicht gefertigt worden. Es sei lediglich später eine in der Hauptverhandlung erfolgte Mitteilung des Vorsitzenden über den Inhalt eines zuvor in einer Sitzungspause stattgefundenen Rechtsgesprächs protokolliert worden, in welchem der Vorsitzende über die vorangegangenen, jeweils einzeln mit Verfahrensbeteiligten geführten, Gespräche berichtet habe.
c) Ein den Angeklagten beschwerender Verstoß gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO liegt nicht vor.
aa) Der Vorsitzende unterrichtete die Verfahrensbeteiligten in dem in einer Sitzungspause geführten Rechtsgespräch über die vorangegangenen im Hinblick auf eine mögliche Verständigung geführten Einzelgespräche und teilte den Inhalt dieses Rechtsgesprächs in der Hauptverhandlung mit, was in der Sitzungsniederschrift protokolliert wurde. Sowohl die Verfahrensbeteiligten als auch die Öffentlichkeit erlangten hierdurch Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Erörterungen, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO gewesen ist (§ 243 Abs. 4 StPO).
Angesichts dieser Mitteilung der Verständigungsgespräche in öffentlicher Hauptverhandlung bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass von der Strafkammer eine unzulässige informelle Verständigung beabsichtigt gewesen sein könnte.
bb) Sofern mit der Verfahrensrüge auch beanstandet werden sollte, die Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO sei nicht rechtzeitig erfolgt, ist sie bereits nicht zulässig erhoben. Zwar ist eine solche Mitteilung gegenüber dem Angeklagten in der Regel unverzüglich zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2015 – 3 StR 163/15, Rn. 26 und vom 27. Januar 2015 – 1 StR 393/14, NStZ 2015, 353). Der Beschwerdeführer teilt jedoch nicht mit – was aber erforderlich wäre (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – wann die Kontaktaufnahme des Vorsitzenden und die Einzelgespräche mit den einzelnen Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben.
Die Rüge wäre auch unbegründet, weil auszuschließen ist, dass der die Tatvorwürfe bestreitende Angeklagte die Mitteilung, mit den anderen Verfahrensbeteiligten seien noch keine Verständigungsgespräche geführt worden, zum Anlass genommen hätte, sich nun geständig einzulassen.
d) Soweit als Fairnessverstoß geltend gemacht wird, die Strafkammer habe es pflichtwidrig unterlassen, der Verteidigung rechtzeitig mitzuteilen, dass die weiteren Verfahrensbeteiligten nicht in die geplante Verständigung einbezogen waren, kann die Verfahrensrüge ebenfalls keinen Erfolg haben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Landgericht hierzu überhaupt verpflichtet war. Jedenfalls ist die hieran anknüpfende Beanstandung der Revision unbegründet, die Strafkammer habe sich von der im Vertrauen auf das Einverständnis der anderen Verfahrensbeteiligten abgegebenen Mitteilung des Angeklagten, der Verständigung beizutreten und für diesen Fall ein Geständnis abzulegen, im Laufe der weiteren Verhandlung „gedanklich“ nicht mehr lösen können.
Eine Verständigung gemäß § 257c StPO ist – wie auch die Revision nicht in Abrede stellt – nicht zustande gekommen. Infolgedessen ist das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe in der Beweiswürdigung auch vom Bestreiten der Tatvorwürfe durch den Angeklagten bzw. dessen Nichteinlassung ausgegangen (UA S. 19 f.). Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, die Strafkammer könne die Erklärung des Angeklagten, der Verständigung beizutreten und für diesen Fall ein Geständnis abzulegen, „gedanklich“ seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt haben und deshalb von einem geständigen bzw. „schuldigen“ Angeklagten ausgegangen sein, nicht nur nicht bewiesen, sondern auch fernliegend.
e) Sollte mit der Verfahrensrüge auch geltend gemacht werden, das Landgericht sei zum Nachteil des Angeklagten von einem zuvor geschaffenen Vertrauenstatbestand abgewichen, könnte die Revision mit dieser Verfahrensbeanstandung ebenfalls nicht durchdringen.
Die Revision macht zwar geltend, der Beitritt des Angeklagten zu dem Verständigungsangebot des Vorsitzenden sei im Vertrauen auf die Zusage der Strafkammer erfolgt, die weiteren Verfahrensbeteiligten seien unterrichtet und die Verständigung käme zustande (s. Schriftsatz der Verteidigung vom 15. Januar 2018). Die Schaffung eines Vertrauenstatbestands für den Angeklagten im Sinne einer bindenden Zusicherung des Landgerichts an die Einhaltung eines in Aussicht gestellten Strafrahmens wird hierdurch jedoch weder konkret dargelegt, noch ist eine solche bewiesen.
Außerhalb einer Verständigung gemäß § 257c StPO besteht keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – 5 StR 176/17, NStZ-RR 2017, 351 mwN). Der Angeklagte musste daher, als er mitteilte, dem Verständigungsvorschlag des Vorsitzenden beitreten zu wollen, in Betracht ziehen, dass eine Verständigung auf dieser Grundlage nicht zustande kommt. Anhaltspunkte dafür, das Landgericht habe die verbindliche Zusage abgegeben, den vom Vorsitzenden unterbreiteten Verständigungsvorschlag für sich auch für den Fall als bindend anzusehen, dass die angestrebte Verständigung nicht zustande kommt, bestehen nicht (vgl. zur Bindungswirkung von Zusagen des Gerichts auch BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – 3 StR 39/11, BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Hinweispflicht 7 und Moldenhauer/Wenske, KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 45 ff.). Da der Angeklagte trotz der Äußerungen des Vorsitzenden kein Geständnis abgelegt hat, kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen eine solche Zusage beruhen könnte.
2. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 6 EMRK, § 136a StPO wegen Druckausübung mit einer sog. Sanktionsschere ist ebenfalls unbegründet.
Soweit die Revision beanstandet, die Strafkammer habe in gesetzeswidriger Weise Druck auf den Angeklagten ausgeübt, weil die Differenz zwischen der im Falle eines Geständnisses und der nach streitiger Beweisaufnahme zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig groß gewesen sei, kann der Senat jedenfalls ein Beruhen des Aussageverhaltens des Angeklagten auf einer unzulässig weiten „Sanktionsschere“ (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 14. August 2007 – 3 StR 266/07, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 8; vom 12. Januar 2005 – 3 StR 411/04, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 7 und vom 9. Juni 2004 – 5 StR 579/03, wistra 2004, 424) ausschließen. Trotz des Hinweises des Vorsitzenden auf die jeweiligen Strafrahmen bei geständiger Einlassung bzw. streitiger Verhandlung blieb der Angeklagte beim Bestreiten der Tatvorwürfe. Er befand sich damit ersichtlich nicht in einer Drucksituation, die ihn zur Ablegung eines Geständnisses drängte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 431/08, BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 26 sowie Moldenhauer/Wenske, KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 75 f. mwN). Dass das Landgericht ein auf die Anwendung einer „Sanktionsschere“ gestütztes Befangenheitsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen habe (vgl. dazu BGH aaO, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 8), macht die Revision nicht geltend.
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