Entscheidungsdatum: 07.09.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. September 2015 wird
a) das Verfahren gegen diesen Angeklagten im Fall II.3. – "Fall 1: Umsatzsteuervoranmeldung November 2011" der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten M. betrifft,
aa) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig ist,
bb) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten M. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. sowie insgesamt die Revision des Angeklagten B. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
4. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten sowie den Angeklagten B. wegen zwei Fällen der Steuerhinterziehung, bei Freispruch im Übrigen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die auf materiell-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten M. , der zudem ein Verfahrenshindernis geltend macht, erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie ebenso wie die Revision des Angeklagten B. , der ebenfalls die Verletzung sachlichen Rechts rügt, erfolglos.
I.
Revision des Angeklagten M.
1. Das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Die Anklageschrift vom 12. März 2015 wahrt die Umgrenzungsfunktion (vgl. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) im Hinblick auf die vorgeworfenen Taten der Steuerhinterziehung (zu den Anforderungen BGH, Beschluss vom 8. August 2012 – 1 StR 296/12, NStZ 2013, 409 f.). Aus dem konkreten Anklagesatz ergeben sich die näheren Einzelheiten der Tatvorwürfe nicht nur in Bezug auf die Tatzeiträume, sondern auch im Hinblick auf die jeweilige Höhe der Steuerverkürzung und deren Grundlagen in Gestalt von seitens der D. GmbH (nachfolgend: D. ) ausgestellten Scheinrechnungen. Näherer Einzelheiten zu den entsprechenden Rechnungen bedurfte es zur notwendigen Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes nicht.
2. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO ein, soweit der Angeklagte M. wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung der D. für den Veranlagungszeitraum November 2011 verurteilt worden ist (Fall II.3. – "Fall 1: Umsatzsteuervoranmeldung November 2011" der Urteilsgründe). Die bislang getroffenen Feststellungen belegen nicht tragfähig, dass der Angeklagte als damaliger Geschäftsführer der D. für November 2011 zu einer monatlichen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet war. Entgegen der rechtlichen Bewertung des Landgerichts ergibt sich ein solcher Voranmeldezeitraum weder für die fragliche Tat noch für die drei weiteren verfahrensgegenständlichen Taten aus § 18 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 UStG (UA S. 58). Der durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezem-ber 2014 (BGBl. I S. 2417) eingefügte § 18 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 UStG gilt nach den Übergangsregelungen in § 27 Abs. 21 UStG erst für Voranmeldezeiträume, die nach dem 31. Dezember 2014 enden (vgl. Walkenhorst in Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, 116. Lieferung, Stand 03/2015, § 18 Rn. 39 aber auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 166. Lieferung, Stand 02/2016, § 18 Rn. A1 und A2) und findet auf die hier gegenständlichen Veranlagungszeiträume damit keine Anwendung. Es ließen sich zwar weitere Feststellungen treffen, die eine Pflicht zur monatlichen Abgabe der Voranmeldung auch für November 2011 auf der Grundlage von § 18 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 4 UStG ergeben könnten; angesichts des für diesen Veranlagungszeitraum festgestellten, in Relation zu den übrigen Taten niedrigeren Hinterziehungsbetrages fiele die für diese Tat verhängte Strafe aber nicht beträchtlich ins Gewicht. Verfahrensökonomisch ist daher eine weitere Aufklärung nicht veranlasst.
3. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erweisen sich die vom Landgericht getroffenen Feststellungen als rechtsfehlerfrei, Widersprüche enthalten sie nicht. Soweit die Revision sich gegen die zugrunde liegende Beweiswürdigung wendet, zeigt sie keine revisiblen Rechtsfehler auf (zum Prüfungsmaßstab siehe nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 21 mwN; BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Ihre Angriffe beschränken sich im Wesentlichen auf das revisionsrechtlich nicht beachtliche Unterfangen, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der durch den Tatrichter vorgenommenen zu setzen. Die vom Tatgericht aus den erhobenen Beweisen gezogenen Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (BGH jeweils aaO). Daran gemessen halten auch die Schlussfolgerungen revisionsgerichtlicher Überprüfung stand, auf die das Landgericht die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt hat.
4. Die getroffenen Feststellungen tragen im Ergebnis die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in drei Fällen wegen des Unterlassens der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Dezember 2011 sowie Januar und Februar 2012. Gleiches gilt für die deswegen verhängten Einzelstrafen.
a) Das Landgericht ist zunächst im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend von einer aus § 14c Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG folgenden Pflicht der D. zur Anmeldung der in Scheinausgangsrechnungen ausgewiesenen Umsätze ausgegangen. Dem liegt zugrunde, dass der D. innerhalb eines von unbekannt gebliebenen Tätern gefassten und umgesetzten Tatplans zur Begehung von Umsatzsteuerhinterziehungen im Rahmen eines sog. Umsatzsteuerkarussells die Rolle eines missing traders zukam. Unter der Firma der Gesellschaft wurden Scheinausgangsrechnungen über tatsächlich nicht – jedenfalls nicht durch die D. – durchgeführte Verkäufe und Lieferungen von Kupferkathoden an weitere in das Karussell eingebundene Unternehmen ausgestellt. Diese Unternehmen machten die in den Rechnungen jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Steuerentstehung seitens des Landgerichts auch rechtsfehlerfrei auf den Zeitpunkt der Ausgabe der jeweiligen Rechnung bezogen worden (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF). Die Pflicht zur Abgabe entsprechender Steuererklärungen traf gemäß § 18 Abs. 4b und 4a UStG i.V.m. § 34 AO im Tatzeitraum den Angeklagten M. als bestellten Geschäftsführer der D. .
b) Wie bereits im Rahmen der Verfahrenseinstellung angesprochen (I.2.), hat das Landgericht allerdings rechtlich fehlerhaft die Pflicht des Angeklagten zur Abgabe von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen für alle ihn betreffenden Taten auf § 18 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 UStG gestützt. Für die Veranlagungszeiträume Dezember 2011 sowie Januar und Februar 2012 wirkt sich dies aber im Ergebnis nicht zum Nachteil des Angeklagten aus. Denn die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen drei Fällen der Steuerhinterziehung dennoch.
aa) Ausgehend von den Feststellungen zu den Ausstellungsdaten der in die Geschäftsführertätigkeit des Angeklagten M. fallenden Scheinausgangsrechnungen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF) hat er sich wegen einer Tat der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO jedenfalls in Bezug auf die in den Monaten November und Dezember 2011 ausgestellten Scheinausgangsrechnungen strafbar gemacht.
Grundsätzlich war (und ist immer noch) in den hier fraglichen Zeiträumen gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG das Kalendervierteljahr der maßgebliche Voranmeldezeitraum. Von diesem Anmeldezeitraum hätte das Landgericht zumindest für die im November und Dezember 2011 ausgestellten Rechnungen ausgehen müssen. Denn Umstände, aus denen sich entweder auf der Grundlage von § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG oder von § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG in den hier relevanten Veranlagungszeiträumen ein monatlicher Voranmeldezeitraum ergeben hätte, sind – wie ausgeführt (I.2.) – nicht festgestellt. Daher hätte der Angeklagte M. gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UStG für das letzte Quartal 2011 bis zum 10. Januar 2012 eine Umsatzsteuervoranmeldung für die D. abgeben müssen. Das ist unterblieben.
bb) Für die Monate Januar und Februar 2012 galt dagegen gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 (i.V.m. Abs. 4b und 4a) UStG der monatliche Voranmeldezeitraum. Denn die von der D. nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldete Umsatzsteuer betrug für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7.500 Euro. Voranmeldungen sind wiederum nicht abgegeben worden. Auch für die bis zum 10. März 2012 zu erklärende Voranmeldung für Februar 2012 war der Angeklagte noch als Geschäftsführer zuständig. Er ist erst am 14. März 2012 abberufen worden.
c) Die jeweils verhängten Einzelstrafen halten ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die jeweilige Höhe der Hinterziehungsbeträge für die drei noch verfahrensgegenständlichen Taten nicht durch die Einstellung im Fall II.3. "Fall 1: Umsatzsteuervoranmeldung November 2011" der Urteilsgründe betroffen. Der auf den Monat November 2011 entfallende Hinterziehungsbetrag (251.411,90 Euro) und der für Dezember 2011 maßgebliche (1.386.628,83 Euro) bilden zusammen (mindestens) den Gesamthinterziehungsschaden für den Voranmeldezeitraum viertes Quartal 2011. Die Hinterziehungsschäden für die Monate Januar (148.452,65 Euro) und Februar 2012 (1.380.198,86 Euro) bleiben ohnehin den beiden Taten zugeordnet.
d) Der Senat hebt den Gesamtstrafenausspruch dennoch auf. Er vermag die Verhängung einer niedrigeren Gesamtstrafe durch das Tatgericht nicht auszuschließen, wenn dieses lediglich von drei Taten gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ausgegangen wäre.
II.
Revision des Angeklagten B.
1. Die dem Schuld- und Strafausspruch bezüglich des Angeklagten B. zugrunde liegenden Feststellungen sind ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffen. Das Landgericht hat insbesondere aus den Umständen der Anwerbung des Angeklagten und seiner Bestellung zum Geschäftsführer anstelle des Angeklagten M. und vor allem den danach lediglich noch zwei weiteren Aufenthalten am Geschäftssitz der D. jeweils mögliche und damit revisionsrechtlich hinzunehmende Schlüsse gezogen.
2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in zwei Fällen aufgrund nicht rechtzeitiger Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat März 2012 und der Umsatzsteuerjahreserklärung der D. für den Veranlagungszeitraum 2011. Die Pflicht zur Abgabe der letztgenannten Erklärung traf den Angeklagten B. , nachdem er am 14. März 2012 die Gesellschaftsanteile an der D. durch notariellen Vertrag von dem Angeklagten M. übernommen und an dessen Stelle als Geschäftsführer bestellt worden war. Er war auch gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 (i.V.m. Abs. 4b und 4a) und § 14c Abs. 2 UStG zur Abgabe einer monatlichen Voranmeldung für März 2012 aus den zum Angeklagten M. dargestellten Gründen verpflichtet.
3. Der Strafausspruch enthält ebenfalls keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler.
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Jäger |
Radtke |
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RinBGH Dr. Fischer ist |
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Mosbacher |
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