Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.06.2013


BGH 05.06.2013 - 1 StR 457/12

Mord: Wegfall der Arglosigkeit bei Rechnenmüssen mit einem körperlichen Angriff


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
05.06.2013
Aktenzeichen:
1 StR 457/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Waldshut-Tiengen, 14. Mai 2012, Az: 3 Ks 20 Js 7033/11
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. Mai 2012 wird verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

3. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das vorbezeichnete Urteil - mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag - mit den Feststellungen aufgehoben.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Nebenkläger, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

A.

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem erging aufgrund seines Anerkenntnisses eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Tochter der Getöteten, der Nebenklägerin G.    M.  .

2

Die Revision des Angeklagten ist auf die - zum Strafausspruch näher ausgeführte - Sachrüge gestützt; sie bleibt erfolglos. Die Revisionen der Nebenkläger sind ebenfalls auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützt. Sie machen vor allem geltend, das Mordmerkmal der Heimtücke sei zu Unrecht verneint worden. Sie haben Erfolg.

I.

3

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

4

Der Angeklagte und die Geschädigte     E.   unterhielten seit Juni 2011 eine Beziehung und hatten sogar von Heirat gesprochen. Da sich   E.   in der Beziehung jedoch bald eingeengt fühlte, kam es im August 2011 wieder zur Trennung. Der Angeklagte wollte dies nicht hinnehmen und suchte immer wieder den Kontakt zu      E.  , wozu es auch mehrfach kam, nicht nur, aber wiederholt auch im Internetchat.

5

Bei einem Zusammentreffen am 24. September 2011 weigerte sich     E.   , mit dem Angeklagten über die Beziehung zu sprechen. Daraufhin schlug dieser wuchtig mit den Fäusten auf die Motorhaube seines PKWs und bedrohte    E.      - von ihr auch so verstanden - unter Verwendung der türkischen Redensart: "Wenn Du nicht mir bist, dann bist Du der Erde" mit dem Tode. Auch an den Folgetagen suchte der Angeklagte immer wieder über den Internetchat Kontakt zu     E.   , worauf sich diese mehrfach einließ.

6

Am 27. September 2011 teilte    E.   dem Angeklagten auf diesem Wege mit, sie wolle eine Urlaubsbekanntschaft heiraten. Am selben Tag bezeichnete sie ihn mit einer türkischen Redensart als "ehrlos". Hierdurch innerlich verletzt, kündigte er ihr daraufhin für den Abend seinen Besuch an. Gegen 18.45 Uhr bat   E.  ihren früheren Ehemann E.  M.   darum, zu ihr zu kommen, da sie dem Angeklagten "den Laufpass geben wollte".

7

Als    E.    dem Angeklagten die Tür öffnete, drängte er sie in die Wohnung zurück. In einem Zimmer der Wohnung fragte er, wie sie ihn "ehrlos" nennen könne. Er zog sie entweder an den Haaren und/oder schlug ihren Kopf gegen die Wand. Als    E.   '   Tochter G.   M.     hinzukam, forderte    E.     den Angeklagten auf, zu der gegenüberliegenden Gaststätte zu gehen, sie werde nachkommen. Weil ihm    E.  , die sich mit ihrer Tochter noch über eine Schulbescheinigung unterhielt, nicht sogleich folgte, schlug der Angeklagte noch einmal gegen die Wohnungstür und forderte sie auf, ihm zu folgen. Auf ihre Aufforderung hin entfernte er sich. Er lief zu seinem Auto und nahm von dort ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 11 cm an sich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fasste er den Entschluss,      E.    zu erstechen, falls das Gespräch nicht "in seinem Sinne" verlaufen sollte.

8

    E.    traf unterdessen an der Tür ihren zwischenzeitlich eingetroffenen früheren Ehemann, der sich jedoch nach einem kurzen Gespräch über den gemeinsamen Sohn wieder entfernte, ohne dass     E.    dem entgegengetreten wäre. Als der Angeklagte von seinem Auto zurückkam, gingen     E.    und er gegen 21.45 Uhr zur gegenüber der Wohnung gelegenen Gaststätte. Dort nahmen sie nicht im Inneren der Gaststätte, wo sich der Wirt und weitere Personen aufhielten, sondern im leeren Garten Platz. Sie wiederholte, sie wolle einen anderen Mann heiraten. Man schrie sich an. Dabei nannte sie ihn unter anderem "Hurensohn" und "Hurenbock". Die Gefahr eines tätlichen Angriffs durch den Angeklagten war ihr "spätestens zu diesem Zeitpunkt … möglicherweise bewusst".

9

Der Angeklagte erkannte,     E.    nicht wiedergewinnen zu können. Wie zuvor für diesen Fall geplant, zog er deshalb das Messer und versetzte ihr in Tötungsabsicht zwei Stiche. Der erste Stich verletzte das Innere des Herzbeutels, woran sie noch im Laufe des Abends verstarb. Beim zweiten Stich brach die Klinge des Messers am Schädelknochen von      E.    ab. Nach den Stichen schlug der Angeklagte     E.    , die reaktionslos zu Boden fiel, und würgte sie, wovon ihn auch der hinzu eilende Wirt zunächst nicht abhalten konnte. Am Ende flüchtete der Angeklagte, wurde aber am nächsten Tag in der Schweiz festgenommen.

II.

10

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (§ 212 StGB) verurteilt.

11

Eine Verurteilung wegen Mordes (§ 211 StGB), gestützt auf die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe, hat das Landgericht abgelehnt. Niedrige Beweggründe könnten auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung des Beziehungsverlaufs zwischen Täter und Opfer und des Geschehensverlaufs am Tattage nicht angenommen werden. Auch Heimtücke liege nicht vor; es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Getötete zum Tatzeitpunkt arglos gewesen sei.

12

Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Einen minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 StGB) hat es abgelehnt; der Angeklagte sei nicht durch die von ihr in der Gastwirtschaft geäußerten Provokationen "zur Tat hingerissen" worden (§ 213 1. Alt. StGB), da er bereits vor der Tat zur Tötung der      E.    entschlossen gewesen sei. Auch sonst liege, wie das Landgericht näher ausführt, ein minder schwerer Fall des Totschlags (§ 213 2. Alt. StGB) nicht vor.

B.

Revision des Angeklagten:

13

Weder der Schuldspruch noch der Rechtsfolgenausspruch enthalten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Näher auszuführen ist dies nur zum Rechtsfolgenausspruch:

14

1. Die Revision meint, das Landgericht habe die Möglichkeit, dass der Angeklagte doch erst durch die festgestellten Beleidigungen zur Tat hingerissen worden sei, nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

15

a) Soweit das Landgericht seine gegenteilige Auffassung darauf stütze, dass der Angeklagte das Messer mitgebracht habe, habe es die Möglichkeit nicht bedacht, dass er ursprünglich ausschließlich beabsichtigt haben könne,    E.     mit dem Messer nur zu bedrohen; schließlich habe er sie schon einmal - nämlich wenige Tage zuvor - mit dem Tode bedroht.

16

b) Da das Landgericht festgestellt habe, der Angeklagte sei zunächst nicht "unwiderruflich" zur Tötung der     E.    entschlossen gewesen, als er das Messer einsteckte, sei es widersprüchlich, wenn es dennoch feststelle, der Angeklagte sei nicht durch die Beleidigungen auf der Stelle zur Tat hingerissen worden.

17

c) Soweit sich das Landgericht zur Stützung seines Ergebnisses auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. März 2012 (3 StR 425/11) berufe, habe es maßgebliche tatsächliche Unterschiede verkannt. In jenem Fall habe der Angeklagte - anders als hier - dem Opfer aufgelauert.

18

2. Der Senat sieht keinen Rechtsfehler:

19

a) Der von der Revision geltend gemachte Erörterungsmangel besteht nicht. Der Angeklagte wusste, dass seine Tage zuvor ausgestoßene Todesdrohung      E.    nicht davon abgehalten hatte, ihm die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen durch den Hinweis auf ihre anderweitigen Heiratsabsichten zu verdeutlichen. Es brauchte sich dem Landgericht daher nicht die Annahme aufzudrängen, der Angeklagte hätte nunmehr geglaubt, er könne sie durch Bedrohung mit einem Messer zur Wiederaufnahme der Beziehung veranlassen. Die Tage zuvor ausgestoßene Todesdrohung entsprang zudem erkennbar einer spontanen Verärgerung des Angeklagten, während die Mitnahme des Messers auf Überlegung zurückging. Nach alledem lag die von der Revision aufgezeigte Möglichkeit nicht nahe und musste daher auch nicht näher erörtert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12).

20

b) Es liegt auch kein Widerspruch vor. Strafmilderung wegen Reizung zum Zorn (§ 213 1. Alt. StGB) kommt einem ohnehin zur Tat Entschlossenen nicht zugute. Zur Tat entschlossen ist auch derjenige, der die Tat nur bei einer von seinem Willen unabhängigen Situation begehen will (BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14).

21

So ist es hier.

22

Der Angeklagte wollte     E.   töten, falls sie nicht bereit wäre, die Beziehung wieder aufzunehmen. Soweit die Revision darauf hinweist, dass der Angeklagte nicht von vorneherein "unwiderruflich" zur Tötung der Geschädigten entschlossen war, unterscheidet sie nicht zwischen bedingtem Handlungswillen im Sinne einer Unentschlossenheit zur Tat und dem - hier vorliegenden - bestimmten Handlungswillen, dessen Umsetzung nur von einer aus Tätersicht unbeeinflussbaren Bedingung -     E.    wolle keine Wiederaufnahme der Beziehung - abhing (BGH aaO, S. 17).

23

Ob sich der Täter - wie hier - zuvor mit dem Opfer verabredet hat, oder ob er ihm aufgelauert hat - so im Fall von BGH, Urteil vom 1. März 2012 - 3 StR 425/11 -, hat hier keine Bedeutung. In beiden Fällen wollte der Täter das Opfer töten, wenn das Gespräch aus seiner Sicht erfolglos bliebe.

24

Das Landgericht hat seine Ansicht, der Angeklagte sei nicht durch die Provokationen       E.    in der Gastwirtschaft "auf der Stelle zur Tat hingerissen" worden, maßgeblich darauf gestützt, dass er schon vorher das Messer aus dem Auto genommen habe, um      E.    zu erstechen, falls das Gespräch nicht in seinem Sinne verlaufen sollte; er sei bewusst auf eine Konfrontation mit ihr eingestellt gewesen (UA S. 57).

C.

Revisionen der Nebenkläger:

25

Die Revisionen der Nebenkläger haben Erfolg, weil die Ablehnung von Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nicht auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruht.

I.

26

Heimtücke im Sinne des § 211 StGB setzt Arglosigkeit und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers voraus. Die Arglosigkeit entfällt, wenn das Opfer mit einem jedenfalls erheblichen körperlichen Angriff rechnet (BGH, Urteile vom 26. Februar 1993 - 3 StR 207/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 17 mwN und vom 15. April 1987 - 2 StR 32/87, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Täter den ersten Angriff mit Tötungsvorsatz führt (BGH aaO). Jedoch entfällt die Arglosigkeit dann nicht, wenn die Spanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem Angriff zu kurz war, um dem Opfer noch zu ermöglichen, dem Angriff zu begegnen (BGH, Urteil vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11 mwN; zusammenfassend Schneider in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 151 mwN in Fn. 615).

27

Die Strafkammer hält unterschiedliche Zeitpunkte für möglich, ab denen     E.    mit einem erheblichen körperlichen Angriff des Angeklagten gerechnet hatte:

- Die Angst der Geschädigten könne schon durch die Todesdrohung mittels der Redewendung ausgelöst worden sein.

- Mit besonderem Gewicht sprächen die Tätlichkeiten in der Wohnung für eine entsprechende Befürchtung der Geschädigten, die dann seit diesen Tätlichkeiten vorgelegen hätte.

- "Spätestens" habe sie aber bei den Beleidigungen im Garten des Gasthauses mit einem tätlichen Angriff gerechnet.

Danach erscheint es jedenfalls auch möglich, dass sie vor dem Geschehen im Garten des Gasthauses nicht mit einem solchen Angriff gerechnet hat. Für diesen Fall bleibt unklar, ob sie sich nach dem Erkennen der Gefahr noch hätte wehren können.

28

Der Senat verkennt nicht, dass das Landgericht im Schwerpunkt darlegt, warum die Arglosigkeit der Geschädigten schon durch die Todesdrohung oder jedenfalls durch die Tätlichkeiten in der Wohnung entfallen war. Selbst wenn aber daher das Urteil insgesamt dahin zu verstehen wäre, dass     E.  schon vor dem Geschehen in dem Wirtshaus mit einem erheblichen Angriff rechnete, wäre Arglosigkeit nicht rechtsfehlerfrei verneint:

29

1. Zum Wegfall der Arglosigkeit schon durch die Todesdrohung:

30

a) Beleg hierfür könne, so das Landgericht, sein, dass     E.   ihren geschiedenen Mann herbei rief, nachdem der Angeklagte sein Kommen angekündigt hatte. Dies werde auch nicht - so der nicht ganz klare Maßstab des Landgerichts - dadurch "mit der erforderlichen Sicherheit" infrage gestellt, dass sich der geschiedene Mann alsbald und ohne vorherigen Kontakt mit dem Angeklagten wieder entfernte, ohne dass sich die Geschädigte dem widersetzte. Es gebe eine Reihe möglicher Erklärungen für dieses nicht mehr aufklärbare Verhalten:

31

(1) So könne       E.      befürchtet haben, wegen der Erregung des Angeklagten führe die Anwesenheit ihres geschiedenen Mannes zu weiterer Eskalation.

32

(2) Eine andere Möglichkeit sei, dass sie auf den Schutz ihres geschiedenen Mannes verzichtet habe, weil ihr der Schutz durch den Aufenthalt in der Gastwirtschaft genügt habe.

33

Diese Möglichkeit werde auch nicht dadurch infrage gestellt, dass sie sich allein mit dem Angeklagten in den Garten der Gastwirtschaft setzte. Es könne sein, dass sie wegen des zu erwartenden "sehr privaten" Gesprächsthemas keine anderen Personen mithören lassen wollte. Daher widerlege ihr Verzicht auf Schutz durch die Anwesenheit weiterer Personen "nicht zwingend", dass sie mit erheblichen Attacken des Angeklagten gerechnet habe.

34

(3) Es könne auch sein, dass     E.    geglaubt habe, der Angeklagte sei wieder weggefahren und wolle kein Gespräch mehr.

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b) Diese Erwägungen sind insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.

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Zu (1): Diese Möglichkeit ist denkgesetzlich nicht ausgeschlossen. Ebenso wenig sind jedoch konkrete Anhaltspunkte für sie genannt. Sie erscheint auch nicht so naheliegend, als dass auf die Angabe von Anhaltspunkten verzichtet werden könnte. Es wäre widersprüchlich und unklar, wenn   E.  einerseits schon wegen verbaler Todesdrohungen Schutz für erforderlich gehalten, jedoch darauf verzichtet habe, nachdem sie - so das Landgericht - auch körperlich massiv angegriffen worden war. Allein die Denkbarkeit eines Geschehensablaufs, der sich jedenfalls nicht aufdrängt, und für den sich aus den Urteilsgründen keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, genügt für eine entsprechende Feststellung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11 mwN).

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Zu (2): Vergleichbares gilt für die Möglichkeit, dass     E.    auf den Schutz ihres aus Angst herbeigerufenen Ehemannes verzichtet habe, weil sie sich durch andere Personen in dem Lokal hinreichend geschützt fühlte, sie dann aber auf deren Schutz verzichtet habe, weil sie vorrangig den von ihr neben erheblichen körperlichen Attacken erwarteten Gesprächsinhalt geheim halten wollte. Hinzu kommt, dass der Maßstab des Landgerichts auch insoweit rechtsfehlerhaft ist, als ein gegen sein Ergebnis sprechender Gesichtspunkt deshalb als irrelevant angesehen wird, weil er keinen „zwingenden“ Schluss zulasse. Dies verkennt, dass richterliche Überzeugung keine absolute, das Gegenteil ausschließende, letztlich mathematische Sicherheit erfordert (BGH, aaO mwN).

38

Zu (3): Anders als die übrigen Möglichkeiten knüpft diese Erwägung insoweit an eine reale Gegebenheit an, als der Angeklagte - der in Wahrheit gerade das Messer holte - für     E.    im Zeitpunkt des Verlassens ihres Wohnhauses nicht zu sehen war.

39

Allerdings könnten die Gesichtspunkte, dass

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-     E.    angesichts des Nachdrucks, mit dem der Angeklagte kurz zuvor noch auf einem Gespräch mit ihr bestanden hatte, einem sehr erheblichen Irrtum unterlegen wäre,

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-     E.   sich nicht ins Haus zurück begab, sondern mit dem Angeklagten in die Gaststätte ging, nachdem er "wieder erschienen" war,

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in eine andere Richtung deuten, ohne dass dies vom Landgericht erörtert worden wäre (zur Notwendigkeit der Erörterung gegenläufiger Gesichtspunkte vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11). Unabhängig davon spräche aber jedenfalls die Annahme,     E.   habe geglaubt, dass sich der Angeklagte entfernt habe, dafür, dass ihre konkrete Besorgnis vor einem erheblichen körperlichen Angriff des Angeklagten erst (wieder) während der Auseinandersetzung in der Gastwirtschaft entstanden ist (vgl. hierzu oben I., letzter Spiegelstrich vor 1.).

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2. Zum Wegfall der Arglosigkeit wegen vorangegangener Misshandlungen:

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Besonderes Gewicht für die Annahme,      E.   habe mit einem erheblichen Angriff auf ihre körperliche Unversehrtheit gerechnet, misst das Landgericht dem Umstand bei, dass der Angeklagte     E.   in der Wohnung dadurch erheblich misshandelt habe, dass er ihren Kopf gegen die Wand schlug. Auf Angaben, die auf     E.    zurückgingen, kann sich diese Annahme nicht stützen, ebenso wenig auf Angaben, die der Angeklagte im Laufe des Verfahrens gemacht hat. Vielmehr stützt das Landgericht seine Überzeugung von den Misshandlungen maßgeblich auf die Angaben des Zeugen T.        , der darüber berichtet hat, was ihm der Angeklagte zwischen der Tat und seiner Verhaftung hierüber erzählt hat. Zur Bestätigung dieser Angaben zieht die Strafkammer die Angaben der Zeugin G.    M. heran. Diese hat zwar nicht gesehen, dass der Angeklagte ihre Mutter misshandelt hat, jedoch zieht die Strafkammer die entsprechenden Schlussfolgerungen aus Geräuschen, die die Zeugin gehört hat.

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a) Soweit Erkenntnisse über die Angaben der unmittelbar am Geschehen in der Wohnung Beteiligten angefallen sind, ist die Beweiswürdigung des Landgerichts lückenhaft:

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(1)     E.    hat, solange sie noch lebte, Misshandlungen nicht erwähnt. Soweit sie stattdessen mit ihrer Tochter - ganz kurz nach dem in Rede stehenden Geschehen - über ein Schulproblem sprach, ist dies mit ihrer Absicht erläutert, die Tochter aus offenbar erzieherisch-fürsorglichen Gründen "abzulenken". Dies erklärt jedoch nicht, warum     E.    auch gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann nichts von Misshandlungen erwähnte, nachdem sie ihn eigens wegen des angekündigten Erscheinens des Angeklagten hergebeten hatte.

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(2) Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eine schriftlich vorbereitete Erklärung zur Sache abgegeben. Darin ist nicht davon die Rede, dass er    E.    in der Wohnung tätlich angegriffen habe; zu dem übrigen Geschehen in der Wohnung entspricht die Erklärung des Angeklagten den Urteilsfeststellungen. Fragen zu dieser Erklärung zu beantworten, hat der Angeklagte abgelehnt. Dies bewertet die Strafkammer zutreffend als ihrer Würdigung zugängliches Teilschweigen. Dementsprechend sei die Überzeugungskraft der Einlassung des Angeklagten gemindert. Dies verdeutlicht jedoch nicht, warum der Angeklagte zum Geschehen in der Wohnung gerade und nur den Punkt verschweigt, der dazu führt, dass die Tat nicht als Mord bewertet wurde. Auch wenn die entlastende Bedeutung einer vorangegangenen schwerwiegenden Misshandlung des später getöteten Opfers zunächst nicht offen auf der Hand liegen mag, verstünde sich nicht von selbst, dass der Angeklagte trotz der offensichtlichen Intensität, mit der in der Hauptverhandlung eine Misshandlung der Geschädigten in der Wohnung geprüft wurde, die Bedeutung dieser Frage nicht erkannt und deshalb wahrheitswidrig bis zuletzt Misshandlungen verschwiegen hätte.

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b) Rechtliche Bedenken gegen die Beweiswürdigung bestehen auch, soweit die Annahme, der Angeklagte habe den Kopf der Geschädigten gegen die Wand geschlagen, auf die Aussage des Zeugen T.      gestützt ist, der darüber berichtet hat, was ihm der Angeklagte vor seiner Festnahme hierüber erzählt hat. Seine Aussagen hierzu bei der Polizei einerseits (der Angeklagte habe gesagt, er habe den Kopf der Geschädigten an die Wand geschlagen) und in der Hauptverhandlung andererseits (er habe nicht gesagt, er habe den Kopf an die Wand geschlagen, sondern er habe sie an den Haaren gezogen und ihren Kopf "in die Nähe der Wand gebracht") bewertet die Strafkammer insgesamt zutreffend als nicht eindeutig; dennoch sei auf Grund dieser Aussagen jedenfalls klar, "dass ein körperlicher Angriff stattgefunden hat". Der Zeuge hat jedoch nicht über eigene Wahrnehmungen berichtet. Daher kann auf Grund seiner Aussage nur klar sein, dass der Angeklagte ihm gegenüber von einem körperlichen Angriff gesprochen hat. Die Schlussfolgerung, dass es tatsächlich zu einem körperlichen Angriff gekommen ist, wäre daher nur tragfähig, wenn keine Zweifel bestünden, dass der Angeklagte dem Zeugen insoweit die Wahrheit gesagt hat. Diese Annahme erforderte jedoch eine Auseinandersetzung mit dem sonstigen Einlassungsverhalten des Angeklagten. Dies gilt nicht nur für sein Einlassungsverhalten in der Hauptverhandlung; ebenso hätte sich das Landgericht auch in diesem Zusammenhang damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte zwischen Tat und Festnahme gegenüber anderen Zeugen offensichtlich frei erfundene Schilderungen abgegeben hat. So hat er einem Zeugen gesagt, er habe sich mit seiner früheren Freundin und deren ehemaligem Mann getroffen und diesen geschlagen und gewürgt, bis dessen Hände und Beine gezittert hätten, dann habe er aufgehört. Einem anderen Zeugen hat er gesagt, "dass er seine Freundin erstochen habe, diese jedoch sicher überlebt habe, da viele Leute um sie herum gewesen seien, die ihr helfen konnten". Auch diese Angabe ist an zentraler Stelle ohne Realitätsbezug.

49

Aus diesen Gründen hat das Landgericht Aussagen des Zeugen T.         zu anderen Angaben des Angeklagten - etwa im Zusammenhang mit dem Tatmesser - als keine brauchbare Feststellungsgrundlage angesehen. Unter diesen Umständen ist ohne nähere Begründung nicht ersichtlich, warum die Angaben des Angeklagten gegenüber dem Zeugen gerade einen Angriff in der Wohnung klar belegten.

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c) Offenbar folgert dies das Landgericht - jedenfalls auch - aus den Aussagen der Zeugin G.    M.   , die angegeben hat, sie habe gehört, dass "die ganze Wohnung gewackelt" habe. Ob dieser eher umgangssprachliche Begriff über dröhnend laute Geräusche hinaus überhaupt einen körperlichen Angriff oder gar dessen - hier maßgebliche - Intensität belegen kann, mag dahinstehen. Das Landgericht geht nämlich selbst davon aus, es sei auf Grund dieser Aussage zwar möglich, dass der Angeklagte den Kopf der Geschädigten gegen die Wand geschlagen habe, "ob dies tatsächlich der Fall war, konnte jedoch nicht sicher festgestellt werden". Ist aber die Aussage der Zeugin für sich genommen kein Beleg für eine Misshandlung, so beruht die Annahme der letztlich für möglich gehaltenen Misshandlung im Kern maßgeblich auch darauf, dass sich aus den Aussagen des Zeugen T.       auf jeden Fall (irgend) eine Misshandlung ergibt. Zwar können mehrere Aussagen, die jeweils für sich allein einen bestimmten Schluss nicht zulassen, sich wechselseitig so durchdringen, dass sie in einer Gesamtschau Grundlage für diesen Schluss sein können. Dies setzt jedoch voraus, dass die Würdigung jeder einzelnen Aussage für sich genommen rechtsfehlerfrei ist. Dies ist, wie dargelegt, hinsichtlich der Aussage des Zeugen T.      an zentraler Stelle (eine Misshandlung in der Wohnung habe sicher stattgefunden) nicht der Fall.

51

3. Nach alledem beruht die Annahme, es liege kein (heimtückisch begangener) Mord vor, weil die Geschädigte bei der Tat nicht arglos gewesen sei, nicht auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

II.

52

Die Aufhebung des Schuldspruchs und die damit verbundene Aufhebung des Strafausspruchs lassen die im Adhäsionsverfahren gemäß dem Anerkenntnis des Angeklagten ergangene Verurteilung unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96).

Wahl                         Graf                          Jäger

             Cirener                       Radtke