Entscheidungsdatum: 08.10.2010
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Februar 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
1. Das Landgericht hat den nach vorausgegangener Verständigung geständigen Angeklagten K. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der hinsichtlich des Strafausspruchs näher ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedürfen lediglich die erhobenen Verfahrensrügen.
2. Mit den Verfahrensrügen macht die Revision Verstöße gegen das bei einer Verständigung zu beachtende Verfahren gemäß § 257c Abs. 3 StPO und die Belehrungspflicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO geltend.
a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Hauptverhandlung wurde kurz nach deren Beginn durch eine Anordnung des Vorsitzenden unterbrochen. In der sich anschließenden Verhandlungspause fand zwischen dem Gericht, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern des Angeklagten sowie des nicht revidierenden Mitangeklagten ein Gespräch zur Vorbereitung einer Verständigung statt. Das Ergebnis dieses Gesprächs hat der Vorsitzende nach dem Wiedereintritt in die Hauptverhandlung wie folgt zu Protokoll gegeben:
"Die Angeklagten räumen den angeklagten Sachverhalt in objektiver und subjektiver Hinsicht vollumfänglich ein.
Die Staatsanwaltschaft wird die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bezogen auf 4,1 Gramm Opium am 29. April 2009 in Richtung des (Anm.: nicht revidierenden) Angeklagten V. beantragen. Im Übrigen wird die Frage der Einziehung des verfahrensgegenständlichen Lkw gemäß § 430 StPO ausgeschieden.
Für diesen Fall schlägt die Kammer hinsichtlich des Angeklagten K. eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und sechs Monaten vor und hinsichtlich des Angeklagten V. eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten."
Ohne über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden zu sein, stimmte der Angeklagte - wie auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der nicht revidierende Mitangeklagte - dem Vorschlag des Gerichts zu. Anschließend legte er ein Geständnis ab.
b) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe entgegen der gesetzlichen Regelung in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO lediglich eine Strafobergrenze, aber keine Strafuntergrenze angegeben.
aa) Nach dieser Vorschrift kann das Gericht - im Rahmen seiner Pflicht zur Bekanntgabe des Inhalts einer möglichen Verständigung (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO) - unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Vereinbarung einer bestimmten Strafe (sog. Punktstrafe; vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84, 86) bleibt damit nach der gesetzlichen Neuregelung des Verständigungsverfahrens nach wie vor unzulässig (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10). Ob allerdings nach dieser Regelung das Gericht bei der Bekanntgabe des möglichen Verfahrensergebnisses zwingend auch einen Strafrahmen anzugeben hat oder ob - im Hinblick auf die Ausgestaltung als "Kann-Vorschrift" - die isolierte Angabe einer Strafober- oder Strafuntergrenze ausreicht, wird unterschiedlich beurteilt (letzteres bejahend: Niemöller in N/Sch/W, VerstG, § 257c Rn. 46; SK-StPO/Velten, § 257c Rn. 21; Bittmann, wistra 2009, 415; verneinend Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257c Rn. 20; vgl. auch Senat, Beschluss vom 4. Februar 2010 - 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Angesichts des Wortlauts der Vorschrift ("Ober- und Untergrenze der Strafe"; "der in Aussicht gestellte Strafrahmen [§ 257c Abs. 4 Satz 1]") und der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/13095 S. 3 [Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses]: "wobei das Gericht eine […] tat- und schuldangemessene Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben hat") sprechen gewichtige Gründe dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Gericht nach fallbezogener Verengung des gesetzlichen Strafrahmens stets einen konkreten Rahmen für die schuldangemessene Strafe, bestehend aus einer Strafober- und einer Strafuntergrenze, anzugeben hat.
bb) Der Senat kann diese Frage indessen offen lassen, da der Angeklagte nicht beschwert ist.
Der Gesetzgeber ist mit der Regelung in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO einer Forderung der Generalstaatsanwälte nachgekommen, die in der Festlegung einer unteren Strafgrenze ein legitimes Anliegen der Staatsanwaltschaft gesehen haben, ihre Vorstellung von einem gerechten Schuldausgleich nicht nur nach oben, sondern auch nach unten abgesichert zu sehen (NJW Sonderdruck "Der Deal im Strafverfahren" 2006, 9, 10). Die Benennung einer Strafuntergrenze trägt daher vordringlich den Interessen der Staatsanwaltschaft Rechnung (vgl. AnwK-StPO/Püschel, 2. Aufl., § 257c Rn. 22 mwN; hinsichtlich einer daneben bestehenden Informationsfunktion für den Angeklagten vgl. BT-Drucks. 16/11736 S. 12), deren Zustimmung für das Zustandekommen einer Verständigung im Unterschied zu der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 257c StPO nunmehr unerlässlich ist. Fehlt es an der Angabe einer Strafuntergrenze durch das Gericht, kann dies in der Regel nur von der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet werden.
Im vorliegenden Fall ist keine Ausnahme gegeben, wonach der Angeklagte erfolgreich eine Beschwer geltend machen kann. Denn es sind hier weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich noch vorgetragen, dass er im Fall der Angabe einer Strafuntergrenze durch das Gericht der Verständigung nicht zugestimmt hätte. Auch sein Geständnis kann daher von der fehlenden Benennung einer Strafuntergrenze nicht berührt sein.
c) Auch die Verfahrensrüge, mit der von der Revision ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StGB geltend gemacht wird, ist unbegründet. Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf der unterbliebenen Belehrung beruhen könnte. Das Landgericht hat die zugesagte Strafobergrenze eingehalten. Zudem sind auch hier keine Gründe erkennbar, die den Angeklagten, der schon im Ermittlungsverfahren voll umfänglich geständig war und umfassende Aufklärungshilfe leistete, hätte veranlassen können, nach erfolgter Belehrung die schließlich getroffene und für ihn günstige Verständigung abzulehnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10; BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2010 - 1 StR 443/10). Solche Gründe werden auch von der Revision nicht vorgetragen.
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RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in |
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