Entscheidungsdatum: 16.08.2018
Die an dem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette beurkundet mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB neben dem Termin der nächsten Hauptuntersuchung auch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Durchführung der Hauptuntersuchung.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 22 Fällen, davon in sechs Fällen in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen, Falschbeurkundung im Amt in zehn Fällen sowie Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Erörterung bedarf lediglich die Verurteilung des Angeklagten wegen Falschbeurkundung im Amt.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Fällen II.4.a)- j) der Urteilsgründe war der Angeklagte seit Juni 2006 als Prüfingenieur der G. mbH und Co. KG (G. ) unter anderem mit der Durchführung von Hauptuntersuchungen (HU) an Fahrzeugen nach § 29 StVZO betraut. Im Zeitraum von Mitte Oktober 2012 bis Ende Januar 2014 brachte er in acht Fällen an amtlichen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sog. HU-Prüfplaketten an, obwohl er in einigen Fällen wusste und es in anderen Fällen aufgrund lediglich oberflächlicher Prüfung billigend in Kauf nahm, dass die betreffenden Fahrzeuge erhebliche Mängel aufwiesen und die Prüfplakette zu versagen gewesen wäre. Den – aufgrund der nach wie vor bestehenden Prüfpflichtigkeit der Fahrzeuge in Wirklichkeit nicht zutreffenden – Termin zur nächsten Hauptuntersuchung trug der Angeklagte in diesen Fällen in die Zulassungsbescheinigung Teil I ein und stempelte diese jeweils mit dem Stempel der G. , auf dem seine Prüfingenieurnummer ersichtlich war. In zwei weiteren Fällen bescheinigte der Angeklagte jeweils mit erheblichen Mängeln behafteten Fahrzeugen das Bestehen der Hauptuntersuchung in dem von ihm erstellten Untersuchungsbericht, obwohl er wusste bzw. billigend in Kauf nahm, dass solche Mängel vorlagen. In diesen Fällen hielt er es auch für möglich und nahm billigend in Kauf, dass der gutgläubige Sachbearbeiter der zuständigen Zulassungsstelle auf der Grundlage des unzutreffenden Untersuchungsberichts die HU-Prüfplakette zuteilen und die entsprechenden Eintragungen über den Zeitpunkt des Termins zur nächsten Hauptuntersuchung in die Zulassungsbescheinigung Teil I vornehmen würde, was auch geschah.
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich wegen Falschbeurkundung im Amt in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in mittelbarer Täterschaft, strafbar gemacht, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht zunächst angenommen, dass der Angeklagte als Prüfingenieur der G. ein zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist.
b) Das Landgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die nach durchgeführter Hauptuntersuchung von dem Angeklagten bzw. dem Sachbearbeiter der zuständigen Zulassungsstelle zugeteilte und an dem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs beurkundet.
aa) Der Begriff der öffentlichen Urkunde im Sinne von § 348 StGB umfasst nur solche Urkunden, die bestimmt und geeignet sind, Beweis für und gegen jedermann zu erbringen (allg. Meinung; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Juli 1968 – GSSt 1/68, BGHSt 22, 201, 203; Urteil vom 16. April 1996 – 1 StR 127/96, BGHSt 42, 131; Zieschang in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 348 Rn. 20). Dabei erfasst auch bei einer öffentlichen Urkunde die Strafbewehrung in § 348 StGB nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen und Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d.h. die volle Beweiswirkung für und gegen jedermann, erstreckt. Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist der Inhaltsbestimmung durch gesetzliche Regelung zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 – 4 StR 198/98, BGHSt 44, 186; Beschlüsse vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 31/14, BGHSt 60, 66, 67 f.; vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHSt 53, 34, 36 und vom 2. Juli 1968 – GSSt 1/68, BGHSt 22, 201, 203). Fehlt es an einer ausdrücklichen Vorschrift, sind die Angaben mittelbar den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblich sind (BGH, aaO). Wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite des öffentlichen Glaubens sind dabei neben dem Beurkundungsinhalt als solchem das Verfahren und die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Möglichkeit des die Bescheinigung ausstellenden Amtsträgers, die Richtigkeit der Beurkundung zu überprüfen; auch ist die Anschauung des Rechtsverkehrs zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 – 4 StR 198/98, BGHSt 44, 186, 188 sowie Beschlüsse vom vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 31/14, BGHSt 60, 66, 68 und vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHSt 53, 34, 36).
bb) Die HU-Prüfplakette stellt in Verbindung mit dem amtlich zugelassenen Kennzeichen und der entsprechenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I eine (zusammengesetzte) öffentliche Urkunde dar (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 31 Ss 30/11, NJW 2011, 2983, 2984; BayObLG, Urteil vom 29. Oktober 1998 – 5 St RR 167/98, BayObLGSt 1998, 183; Zieschang in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 348 Rn. 20), wobei die Reichweite der erhöhten Beweiskraft der HU-Prüfplakette in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur nicht einheitlich gesehen wird (vgl. zum Meinungsstand Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 348 Rn. 21).
Dass die Prüfplakette den Nachweis über den Termin der nächsten Hauptuntersuchung erbringt, ergibt sich schon aus ihrem optischen Erklärungswert. Daneben – und in unmittelbarem Zusammenhang damit stehend – beinhaltet vor dem Hintergrund der Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO die Prüfplakette für und gegen jedermann auch den Nachweis, dass die geprüften Fahrzeuge zum Zeitpunkt der letzten Hauptuntersuchung als vorschriftsmäßig befunden wurden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 6. Mai 1991 – 3 Ss 34/91, NZV 1991, 318, 319; Claus, NStZ 2014, 66, 67; Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 348 Rn. 21; Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 348 Rn. 9; Freund in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 348 Rn. 31). Denn § 29 Abs. 3 Satz 2 StVZO bestimmt, dass die angebrachte Prüfplakette bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist. Die in Bezug genommene Nummer 1.2 Anlage VIII zur StVZO enthält weitere Regelungen über die Hauptuntersuchung und deren Durchführung. In Nummer 3.1.4 Anlage VIII zur StVZO ist für die vier möglichen Ergebnisse der Hauptuntersuchung (Feststellung von keinen Mängeln, geringen Mängeln, erheblichen Mängeln sowie Mängeln, die das Fahrzeug verkehrsunsicher machen) im Einzelnen aufgeführt, welche Konsequenzen sich daraus für die Erteilung der HU-Prüfplakette ergeben. Nummern 3.1.4.1 und 3.1.4.2 Anlage VIII zur StVZO sehen vor, dass eine HU-Prüfplakette zugeteilt und angebracht werden kann, wenn entweder keine oder nur geringe Mängel, deren unverzügliche Beseitigung (spätestens innerhalb eines Monats) zu erwarten ist, festgestellt werden. In Nummer 3.1.4.3 Anlage VIII zur StVZO ist bestimmt, dass bei Feststellung erheblicher Mängel diese in den Untersuchungsbericht einzutragen sind und (zunächst) keine HU-Prüfplakette zugeteilt werden darf. Angesichts dieser eindeutigen Regelungen ist davon auszugehen, dass die Feststellung des Nichtvorhandenseins erheblicher Mängel kraft Gesetzes Inhalt der Urkunde ist.
Die Gegenansicht, durch Erteilung der HU-Prüfplakette werde mit Beweiswirkung für und gegen jedermann nur der Nachweis des Termins der nächsten Hauptuntersuchung erbracht (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 2. Juli 2015 – (2) 53 Ss 38/15 (35/15), 2 Ws 81/15, juris Rn. 14 ff.; BayObLG, Urteil vom 29. Oktober 1998 – 5 St RR 167/98, BayObLGSt 1998, 183 f.; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 348 Rn. 6a; Zieschang in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 348 Rn. 20), überzeugt vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Bestimmung des Urkundeninhalts in der StVZO nicht. Dies gilt auch besonders mit Blick auf die Gesetzgebungshistorie. Während sich nach der bis 1980 gültigen Fassung von § 29 StVZO aus der Prüfplakette keine Erklärung über den Zustand des Fahrzeugs ergab, sie vielmehr nur das bescheinigte, was ausdrücklich auf ihr angegeben war, nämlich den Zeitpunkt der nächsten fälligen Hauptuntersuchung (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 StVZO in der Fassung vom 15. November 1974, BGBl. I 1974 S. 3193, BGBl. I 1975 S. 848), bescheinigte die Prüfplakette nach der Fassung des § 29 StVZO von 1980, „dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner letzten Hauptuntersuchung bis auf etwaige geringe Mängel für vorschriftsmäßig befunden worden ist“ (vgl. § 29 Abs. 2a StVZO idF vom 15. Januar 1980, BGBl. I S. 37, 38). Maßgeblich für die Änderung waren – so der Verordnungsgeber unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26. April 1974 – 1 Ss 34/74, MDR 1974, 857) – Zweifel über die Bedeutung der Prüfplakette (vgl. BR-Drucks. 508/79 S. 1, 113). So habe das Oberlandesgericht Hamm ausgeführt, dass in der StVZO nicht eindeutig bestimmt sei, dass das Fahrzeug mit der Erteilung der Prüfplakette für vorschriftsmäßig befunden wurde; die neue Regelung bringe nun die „erforderliche Klarstellung“ (vgl. BR-Drucks. 508/79 S. 1, 113). Soweit das Bayerische Oberste Landesgericht diese Gesetzesänderung mit der Begründung für unmaßgeblich erklärt, dass es schon immer Sinn und Zweck der HU-Plakette gewesen sei, die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs zu bescheinigen (vgl. BayObLG, Urteil vom 29. Oktober 1998 – 5 St RR 167/98, BayObLGSt 1998, 183, 184), wird die Bedeutung der Gesetzesänderung verkannt. Mit der geänderten gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass die Feststellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs Inhalt der Urkunde ist. Angesichts der ausdrücklichen Bestimmung des Urkundeninhalts in der StVZO ist auch nicht von Bedeutung, dass der Erklärungsgehalt keinen Niederschlag in der Gestaltung der HU-Prüfplakette (Anlage IX zu § 29 StVZO) und/oder des entsprechenden Eintrags in der Zulassungsbescheinigung Teil I findet (so aber Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 2. Juli 2015 – (2) 53 Ss 38/15 (35/15), 2 Ws 81/15, juris Rn. 21). Entgegen der Meinung des Bayerischen Obersten Landesgerichts handelt es sich schließlich bei der Feststellung der Vorschriftsmäßigkeit eines Kraftfahrzeugs auch nicht lediglich um ein der Beurkundung nicht fähiges Werturteil (vgl. BayObLG, Urteil vom 29. Oktober 1998 – 5 St RR 167/98, BayObLGSt 1998, 183, 184), sondern um durch Nummer 1.2 Anlage VIII zur StVZO hinreichend klar bestimmte Tatsachen (vgl. Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 348 Rn. 21).
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