Entscheidungsdatum: 22.03.2012
1. Eine Annexzuständigkeit der eine Abschiebung anordnenden Ausländerbehörde für eine spätere Entscheidung über die Befristung ihrer Wirkungen nach § 11 Abs. 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) besteht nicht.
2. Für die Entscheidung über einen Antrag auf Befristung der Wirkungen einer Abschiebung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG sind grundsätzlich die Ausländerbehörden des Bundeslandes zuständig, in dem der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte (entsprechende Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder). Die Zuständigkeit nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet besteht auch dann fort, wenn der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr im Ausland genommen hat.
Die in der Türkei lebende Klägerin erstrebt die Befristung der Wirkungen ihrer Abschiebungen aus den Jahren 1988 und 2005, um anschließend ein Visum zum Familiennachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu erlangen.
Die 1934 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1984 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie im Januar 1985 der Stadt S. im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) zugewiesen und nahm dort ihren Wohnsitz. Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurde sie zur Ausreise aufgefordert, befolgte die Aufforderung jedoch nicht. Daraufhin erhielt sie mehrfach verlängerte förmliche Duldungen. Am 30. April 1988 wurde sie auf Veranlassung des Landrats des beigeladenen Hochsauerlandkreises abgeschoben.
Die Klägerin reiste nach eigenen Angaben im Januar 2005 erneut nach Deutschland ein und stellte einen weiteren Asylantrag. Am 22. Januar 2005 wurde gegen sie auf Antrag des Beigeladenen, in dessen Bezirk sie sich aufhielt, Abschiebungshaft angeordnet. Nachdem der Asylfolgeantrag der Klägerin abgelehnt worden war, wurde sie auf Betreiben des Landrats des Hochsauerlandkreises am 13. April 2005 erneut in die Türkei abgeschoben.
Im Februar 2006 beantragte die Klägerin beim Landrat des Hochsauerlandkreises, die Wirkung ihrer Abschiebungen von 1988 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen. Sie führte dazu aus, sie leide an altersbedingten Krankheiten und vertraue darauf, die notwendige Lebenshilfe bei ihrem in Berlin lebenden Sohn erlangen zu können. Mit der Aufhebung der Sperrwirkung solle eine der Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass ein Visum zum Familiennachzug erwirkt werden könne.
Der Landrat des Hochsauerlandkreises befristete die Wirkung der Abschiebungen mit Bescheid vom 3. April 2006 auf den 30. April 2010. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobene Klage wurde im April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Landrat des Hochsauerlandkreises sei im Hinblick auf die begehrte Befristungsentscheidung nicht passiv legitimiert. Nach § 4 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) sei diejenige Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Dies sei dort der Fall, wo der Ausländer sich aufhalte beziehungsweise aufhalten wolle. Im Fall der Klägerin sei daher das Land Berlin zuständig, da sie hinreichend konkret beabsichtige, ihren künftigen Aufenthalt bei ihrem Sohn in Berlin zu nehmen. Im Rahmen des Verfahrens auf Zulassung der Berufung wurde auf Vorschlag des Oberverwaltungsgerichts Münster der Befristungsbescheid vom 3. April 2006 aufgehoben. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. In dem Einstellungsbeschluss erlegte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf und bezog sich zur Begründung u.a. auf seine Rechtsprechung, wonach für die Befristungsentscheidung die Ausländerbehörde örtlich zuständig sei, in deren Bezirk sich der Ausländer nach seiner Einreise begeben wolle (Beschluss vom 11. März 2008 - 18 B 210/08 - InfAuslR 2008, 250).
Die Klägerin beantragte daraufhin im Dezember 2009 bei der Ausländerbehörde des beklagten Landes Berlin, die Wirkungen der Abschiebungen von 1998 und 2005 mit sofortiger Wirkung zu befristen. Dabei gab sie an, dass sie beabsichtige, nach der Befristungsentscheidung ein Visum für den Nachzug zu ihrem in Berlin lebenden Sohn zu beantragen. Die Ausländerbehörde des Beklagten teilte der Klägerin mit, dass sie sich für die Bescheidung des Befristungsbegehrens als nicht zuständig ansehe und den Antrag daher an die zuständige Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises abgegeben habe. Der Landrat des Hochsauerlandkreises setzte die Ausländerbehörde des Beklagten im Februar 2010 darüber in Kenntnis, dass nach seiner Auffassung nicht er, sondern der Beklagte für die Befristungsentscheidung zuständig sei, und erteilte zugleich sein Einvernehmen mit einer Entscheidung des Beklagten.
Im März 2010 hat die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten zur sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2011 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe keinen Befristungsanspruch gegen den Beklagten, weil dieser nicht sachentscheidungsbefugt sei. Das Land Nordrhein-Westfalen dürfe Regelungen nur zur landesinternen örtlichen Zuständigkeit treffen, nicht aber die Zuständigkeit der Behörde eines anderen Bundeslandes anordnen. Enthalte das Bundesrecht, wie hier, keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, welche Behörde in welchem Bundesland zuständig sei, müsse diese Frage aus dem materiellen Bundesrecht beantwortet werden. Aus den insofern maßgeblichen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ergebe sich, dass für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung regelmäßig - und so auch hier - allein diejenige Behörde sachentscheidungsbefugt sei, die die Abschiebung veranlasst habe. Denn diese habe durch die Veranlassung der Abschiebung die alleinige Regelungsbefugnis in Bezug auf die Wirkungen der Abschiebung erlangt. § 11 Abs. 1 AufenthG regele als grundsätzliche Wirkung jeder Abschiebung, dass sie die Einreise des abgeschobenen Ausländers dauerhaft verhindere. Die Befristung stelle eine Beschränkung der Wirkungen der Abschiebung dar. Diese Beschränkung habe stets durch die Behörde zu erfolgen, die die Abschiebung veranlasst habe. Werde eine Beschränkung nachträglich verfügt, handele es sich materiell um eine teilweise Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) der ursprünglichen Abschiebungsentscheidung. Für Rücknahme und Widerruf gelte der bundesrechtliche Grundsatz, dass sie nur diejenige Behörde verfügen dürfe, die die zurückzunehmende oder zu widerrufende Entscheidung erlassen habe. Dies sei nur anders, wenn Bundesrecht ausdrücklich die Sachentscheidungskompetenz einer anderen Behörde zuweise, was im Falle der nachträglichen Befristung der Ausweisung nicht der Fall sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen, die von der Klägerin mit Zustimmung des Beklagten eingelegt worden ist. Die Revision beruft sich darauf, dass der Bund keine verbindliche Regelung der Zuständigkeit treffen könne. Eine hierfür früher bestehende Kompetenz sei durch das Zuwanderungsgesetz entfallen. Aus Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes könne eine Zuständigkeit der die Abschiebung verfügenden Behörde ebenfalls nicht abgeleitet werden. Dass für die nachträgliche Befristung die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet sein könne, folge auch aus § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach die Ausgangsbehörde bei einer Entscheidung der infolge Ortswechsels nunmehr zuständigen Ausländerbehörde zu beteiligen sei. Eine Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus dem für den Bereich der Gefahrenabwehr geltenden Grundsatz, dass die Behörde zuständig sei, in deren Bereich sich die dem Ausländer zugeschriebene Gefahr potentiell realisiere. Das sei im Fall der angestrebten Einreise aus dem Ausland das Land Berlin, da die Klägerin dort ihren Wohnsitz nehmen wolle.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach den in § 3 VwVfG festgelegten Grundsätzen bestimme. Danach sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG der Hochsauerlandkreis örtlich zuständig, weil die Klägerin in dessen Bezirk ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des Beklagten an.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Klägerin, des Beigeladenen und des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung darauf hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin ihren Anspruch auf die Befristung der Wirkungen der in den Jahren 1988 und 2005 verfügten Abschiebungen nicht gegenüber dem beklagten Land Berlin geltend machen kann, weil dieses für die Befristungsentscheidung nicht zuständig ist.
Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei aufenthaltsrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung in der Tatsacheninstanz (hier: 27. Januar 2011). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind nach der Rechtsprechung des Senats allerdings zu beachten, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgebliche Rechtsgrundlage für die erstrebte Befristung der Wirkungen der Abschiebungen von 1988 und 2005 ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG haben die 1988 und 2005 durchgeführten Abschiebungen der Klägerin zur Folge, dass sie nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich hier aufhalten darf. Ihr darf nach Satz 2 der Vorschrift auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach Satz 3 sind die Wirkungen der Abschiebungen aber auf Antrag, wie er hier gestellt wurde, zu befristen. Die Frist ist nach Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Da die Klägerin nicht aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde und Anhaltspunkte für eine von der Klägerin ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung weder vorgetragen noch ersichtlich sind, dürften nach dem mittlerweile erfolgten Ablauf der Fünfjahresfrist die materiellen Voraussetzungen für die Befristung der Wirkungen der Abschiebungen vorliegen. Allerdings ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entscheidung über das Befristungsbegehren nicht in der Kompetenz des beklagten Landes Berlin liegt.
1. Dass der Beklagte für die erstrebte Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht zuständig ist, ergibt sich allerdings nicht aus dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Grundsatz, dass die Behörde, die die Abschiebung verfügt hat, stets auch für die Befristung ihrer Wirkungen zuständig sei. Ein solcher Grundsatz lässt sich weder dem Aufenthaltsgesetz noch dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht entnehmen.
Das Aufenthaltsgesetz trifft in § 71 AufenthG nur eine Regelung über die sachliche Zuständigkeit. Danach sind die Ausländerbehörden für aufenthaltsrechtliche Entscheidungen nach diesem Gesetz - und somit auch für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG - zuständig. Anders als das Ausländergesetz 1965 regelt das Aufenthaltsgesetz jedoch - von wenigen Einzelfällen abgesehen (vgl. etwa § 51 Abs. 2 Satz 3 AufenthG) - nicht die örtliche Zuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Ausländerbehörde. Damit besteht für die nachträgliche Befristung der Wirkungen einer Ausweisung oder Abschiebung sowie deren nachträgliche Änderung auch nicht mehr die noch in § 15 Abs. 1 Satz 3 AuslG 1965 geregelte Annexkompetenz der Behörde, die den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben hat. Vielmehr berücksichtigt das Aufenthaltsgesetz - wie zuvor schon das Ausländergesetz 1990 - mit Rücksicht auf die Kompetenz der Länder zur eigenverantwortlichen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG den Grundsatz, dass die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden grundsätzlich Sache der Länder ist (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. die Gesetzesbegründung zu § 63 AuslG 1990, der Vorläufervorschrift von § 71 AufenthG, in BTDrucks 11/6321 S. 78). Eine Annexkompetenz ist im Aufenthaltsgesetz aufgrund ausdrücklicher Regelung nur ausnahmsweise für die Zurückschiebungen an der Grenze durch die Grenzschutzbehörden vorgesehen (§ 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG).
Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich eine Annexkompetenz der den Bescheid erlassenden Ausgangsbehörde für nachträgliche Befristungsentscheidungen auch nicht aus einem angeblich dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu entnehmenden Grundsatz, demzufolge für nachträgliche Beschränkungen eines Verwaltungsaktes - wie etwa Rücknahme und Widerruf - grundsätzlich die Ausgangsbehörde zuständig bleibe. Zum einen ist für Rücknahme und Widerruf nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder gerade nicht die Ausgangsbehörde, sondern die nach § 3 VwVfG zu bestimmende Behörde zuständig, auch wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (vgl. § 48 Abs. 5 und § 49 Abs. 5 VwVfG). Zum anderen ist die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht mit der (Teil-)Aufhebung eines Verwaltungsakts vergleichbar. Ebenso wenig kann sie, wie das Verwaltungsgericht meint, als Nebenbestimmung der Abschiebung angesehen und den Regeln des § 36 VwVfG unterworfen werden. Schließlich spricht die Beteiligungsregelung des § 72 Abs. 3 AufenthG gegen eine Annexkompetenz. Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen u.a. Befristungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Diese Regelung bezieht sich nicht nur auf die Änderung einer bereits verfügten Befristung, sondern erfasst nach ihrem Sinn und Zweck auch die erstmalige Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2008, § 72 AufenthG Rn. 11; zur Vorgängervorschrift des § 64 Abs. 2 AuslG 1990 auch VGH Kassel, Urteil vom 28. Oktober 1996 - 12 UE 628/96 - DVBl 1997, 913). Das Aufenthaltsgesetz geht demzufolge davon aus, dass die Zuständigkeit für die Verfügung der Ausweisung oder Abschiebung und für die Befristung ihrer Wirkungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auseinanderfallen kann, und sieht für diese Fälle ein Einvernehmenserfordernis vor.
2. Dass im vorliegenden Fall die Ausländerbehörde der Beklagten für die begehrte Befristungsentscheidung nicht zuständig ist, ergibt sich vielmehr aus folgenden Erwägungen. Die für das Befristungsbegehren zuständige Behörde ist in zwei Schritten zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt. Diese Frage ist - wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen - durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten. In einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig ist.
§ 3 Abs. 1 VwVfG regelt ebenso wie die gleichlautenden Bestimmungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder die örtliche Zuständigkeit der Behörden, soweit diese im Bereich des öffentlichen Rechts zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig werden (§ 1 VwVfG). Während die örtliche Zuständigkeit die Frage betrifft, welche von mehreren sachlich zuständigen Behörden desselben Verwaltungsträgers ein Verfahren durchzuführen hat, dient die Verbandskompetenz der Zuweisung von Aufgaben an einen bestimmten Verwaltungsträger sowie der Aufgabenabgrenzung zwischen verschiedenen selbstständigen Verwaltungsträgern und damit der Sicherung der Verwaltungshoheit des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 3 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 82 Rn. 80 ff.; Oldiges, DÖV 1989, 873 ff.; zur Verbandskompetenz im Ausländerecht vgl. im Übrigen auch Urteil vom 10. Dezember 1996 - BVerwG 1 C 19.94 - Buchholz 402.240 § 5 AuslG 1990 Nr. 1 S. 2 f.). Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, wie das beim Vollzug des Aufenthaltsgesetzes der Fall ist, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich die Einrichtung der Behörden, d.h. den Ländern in ihrer Gesamtheit obliegt die Bestimmung der Verbandskompetenz und dem einzelnen Bundesland im Rahmen seiner Kompetenz die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Allerdings verlangt Bundesrecht, dass durch eine koordinierte Regelung der Länder, hilfsweise durch eine Regelung des Bundes, bestimmt ist, welches Land zur Ausführung der konkreten Aufgabe - hier: Befristung der Wirkungen einer Abschiebung - berechtigt und verpflichtet ist. Das gebietet zum einen das Rechtsstaatsprinzip, da der von einer gesetzlichen Regelung Betroffene seine Rechte nicht verfolgen kann, wenn nicht feststeht, an welche Behörde er sich hierfür zu wenden hat. Das erfordert aber auch die grundgesetzliche Verteilung der Verwaltungskompetenzen innerhalb des föderal gegliederten Staatsverbandes der Bundesrepublik Deutschland. Danach sind die Verbandskompetenzen der Länder nach dem Territorialprinzip voneinander abgegrenzt und die Hoheitsbefugnisse der einzelnen Bundesländer grundsätzlich auf das Gebiet innerhalb ihrer jeweiligen Landesgrenzen beschränkt (vgl. Oldiges, DÖV 1989, 873 <877 f.>). Zugleich ergibt sich aus Art. 84 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Landes, dem die Verbandskompetenz zur Ausführung eines Bundesgesetzes für einen bestimmten Personenkreis zugewiesen wurde, diese Aufgabe auch tatsächlich wahrzunehmen.
Fehlen - wie hier - spezielle koordinierte landesrechtliche Zuweisungsregelungen zur Verwaltungskompetenz, ergibt sich ein aufeinander abgestimmtes System im Wege der entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, die insoweit inhaltsgleich sind und - sei es durch Verweisung auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (wie in § 1 Abs. 1 LVwVfG Berlin), sei es durch gleichlautende Formulierungen jeweils in § 3 LVwVfG bzw. § 31 LVwVfG Schleswig Holstein - mit § 3 VwVfG übereinstimmen. Diese Regelungen finden daher entsprechende Anwendung, wenn das für die Ausführung einer bundesrechtlich begründeten Aufgabe zuständige Land auf andere Weise nicht zu ermitteln ist. Nicht maßgeblich für die Bestimmung der Verbandskompetenz sind hingegen landesrechtliche Vorschriften, die der koordinierten Regelung aller Länder in Gestalt der genannten übereinstimmenden Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit nicht entsprechen. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Arnsberg in seinem gegen die Klägerin ergangenen Urteil vom 15. April 2008 und des Oberverwaltungsgerichts Münster in seinem Beschluss vom 11. März 2008 (18 B 210/08 - InfAuslR 2008, 250) kann daher aus § 4 Abs. 1 OBG NRW eine länderübergreifende Zuständigkeitsregelung nicht abgeleitet werden. Für eine einseitige länderübergreifende abdrängende Zuständigkeitsregelung (hier: zu Lasten des Landes Berlin) fehlt dem Land Nordrhein-Westfalen die Verbandskompetenz (vgl. Oldiges, a.a.O. S. 878; zur Möglichkeit der Verletzung der Verbandskompetenz durch Übergriff in einen fremden Zuständigkeitsbereich bei der Ausführung von Bundesgesetzen vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 3. Oktober 1978 - XV A 1927/75 - NJW 1979, 1057, 1058).
Aus der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergibt sich, dass die Ausländerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig sind. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Die Klägerin, die derzeit in der Türkei lebt, hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Zuständigkeitsbereich des beigeladenen Hochsauerlandkreises in Nordrhein-Westfalen. Sie hat dort vor ihrer Abschiebung im Jahr 1988 seit 1985 gewohnt und damit ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Durch ihre rund dreimonatige Anwesenheit in Deutschland im Jahr 2005 hat die Klägerin keinen erneuten gewöhnlichen Aufenthalt begründet, da sie diese Zeit überwiegend in Abschiebungshaft verbrachte. Durch die Abschiebungshaft wird aber kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, da diese nach Zweck und gesetzlicher Ausgestaltung vorübergehender Natur ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 2 BvR 742/10 - NVwZ 2011, 1254 <1256>).
Der aus dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin folgenden Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen steht nicht entgegen, dass die Klägerin inzwischen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat. Denn der Rechtsgedanke, der der Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG mit der Anknüpfung der Zuständigkeit an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt zugrunde liegt, kommt auch in diesen Fällen zum Tragen. Anders als bei der Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts innerhalb des Bundesgebiets führt die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in das Ausland nicht zur Zuständigkeit einer anderen, nunmehr sachnäheren Ausländerbehörde. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum die Zuständigkeit der Behörde des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG mit der - möglicherweise nur schwer zu ermittelnden - Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland entfallen sollte. Die Zuständigkeit nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt (im Bundesgebiet) besteht daher auch dann fort, wenn der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr im Ausland genommen hat. Ein Rückgriff auf die Auffangzuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG, der voraussetzt, dass sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Ausländer über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland weder derzeit verfügt noch in der Vergangenheit verfügt hat (so auch Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 71 AufenthG Rn. 5; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 7. Aufl. 2008, § 3 Rn. 25; a.A. Kopp/Ramsauer, VwVfG 12. Aufl. 2011, § 3 Rn. 28). Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich in Fällen, in denen der Ausländer keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, die Zuständigkeit der die Abschiebung veranlassenden Behörde für die nachträgliche Befristung ihrer Wirkungen aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG ergeben dürfte, da der Anlass für das Befristungsbegehren in der von dieser Behörde verfügten Abschiebung liegt.
Ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, dass die Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens der Klägerin zuständig sind, hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Sachentscheidungsbefugnis der Ausländerbehörde des Landes Berlin verneint.
Der Senat weist allerdings darauf hin, dass sich die Frage, welche Behörde innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bescheidung des Befristungsbegehrens im vorliegenden Fall örtlich zuständig ist, allein nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen bestimmt. Wenn keine landesrechtliche Spezialvorschrift eingreift, wäre nach der in § 3 Abs. 1 Nr. 3a LVwVfG Nordrhein-Westfalen (GV NRW 1999, 602) getroffenen Regelung, die einer Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht zugänglich ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), der Landrat des Hochsauerlandkreises zuständig.