Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 27.07.2017


BVerwG 27.07.2017 - 1 C 28/16

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung der PKK


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
27.07.2017
Aktenzeichen:
1 C 28/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:270717U1C28.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 25. Mai 2016, Az: 11 S 2480/15, Urteilvorgehend VG Stuttgart, 29. Juli 2015, Az: 5 K 5222/13, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 72 Abs 1 Nr 4 AsylVfG 1992
§ 72 Abs 1 Nr 1 AsylVfG 1992
Art 21 EURL 95/2011
Art 24 EURL 95/2011
Art 6 EWGAssRBes 1/80

Leitsätze

1. Die Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses des Ausländers führt nicht in jedem Fall automatisch zu einem Erlöschen seiner Rechtsstellung als Asylberechtigter bzw. Flüchtling gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG/AsylG (juris: AsylVfG 1992) und somit zu einem Entfallen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 53 Abs. 3 AufenthG. Vielmehr kommt diesem Verhalten eine Indizwirkung dahin zu, dass sich der Betroffene wieder unter den Schutz seines Heimatlandes stellen will, die aber durch die Umstände des Einzelfalles entkräftet werden kann.

2. Das seit 1. Januar 2016 geltende Ausweisungsrecht nach §§ 53 ff. AufenthG und die damit verbundene Ausweisungsentscheidung sind geprägt von einem umfassenden ergebnisoffenen Abwägungsprozess, in dem sämtliche Ausweisungs- und Bleibeinteressen angemessen zu berücksichtigen sind. Auch bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses und der hierdurch indizierten Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts ist eine individuelle Prüfung geboten, ob die Ausweisung im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht unverhältnismäßig ist.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland.

2

Der 1965 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und hat vier erwachsene Kinder, die deutsche Staatsangehörige sind, sowie zwei Enkelkinder.

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Er reiste 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte hier Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) erkannte den Kläger mit Bescheid vom 10. Januar 1994 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorlagen.

4

Am 17. Juni 1994 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und am 7. Oktober 2002 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt, die in eine Niederlassungserlaubnis umgeschrieben worden ist. Seine Ehefrau ist ebenfalls im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Der Kläger ging (mit Unterbrechungen) im Zeitraum vom September 1994 bis April 2001 sowie im Zeitraum vom März bis Dezember 2013 jeweils sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten als Arbeitnehmer nach. Von Mitte 2001 bis 2012 übte er eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Gebäudereinigung aus. Vom 2. März 2013 bis 31. Dezember 2013 war er in der Gebäudereinigungsfirma seines Sohnes als Arbeitnehmer beschäftigt. Seit dem 22. Januar 2014 ist er gemeinsam mit einem seiner Söhne Gesellschafter eines Gebäudedienstleistungsunternehmens.

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Im April 2011 teilte der Kläger der Ausländerbehörde mit, dass er in Betracht ziehe, auf seine Asylanerkennung zu verzichten. Die Ereignisse, die zu seiner Flucht geführt hätten, lägen bereits viele Jahre zurück und er wolle besuchsweise in sein Heimatland zurückkehren, um seine gesundheitlich schwer angeschlagene Mutter zu besuchen. Er bat um Überprüfung, ob die Erteilung eines asylunabhängigen Aufenthaltstitels in Betracht kommt.

6

Auf Anfrage der Ausländerbehörde teilte das Landesamt für Verfassungsschutz dem Regierungspräsidium S. mit Schreiben vom 2. August 2011 mit, dass der Kläger im Zusammenhang mit der "Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)", 2002 in "Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans (KADEK)" und 2003 in "Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)" umbenannt, bekannt sei. Er sei Ende der 1990er Jahre 1. Vorsitzender des PKK-nahen damaligen "Kurdischen Volkshauses e.V." in H. (später "Kurdischer Kulturverein e.V." und danach "Kurdische Gemeinschaft H. e.V.") gewesen und habe in den Jahren 2006 bis 2011 an zahlreichen Veranstaltungen und Versammlungen teilgenommen, die von PKK-nahen Vereinigungen ausgerichtet worden seien. Darunter seien unter anderem Gedenkveranstaltungen für Märtyrer der PKK, Feierlichkeiten zum Gründungsjahrestag der PKK oder auch zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK gewesen. Am 28. Februar 2010 sei der Kläger Teilnehmer einer Volksversammlung der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." anlässlich der Wahl eines neuen Volksgebietsrats gewesen. Es seien die Leiter des Volksgebietsrats und der Vertreter gewählt worden; der Kläger sei in die Außenkommission gewählt worden. Am 20. Februar 2011 habe der Kläger bei einer Mitgliederversammlung der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." dem Wahlkomitee angehört. Zu berücksichtigen sei, dass die Basisarbeit für KONGRA-GEL in den Vereinen stattfinde. Der Kläger habe durch seine Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen seine Linientreue gezeigt und die PKK unterstützt. Es würden Sicherheitsbedenken im Sinne des § 73 Abs. 3 AufenthG gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels erhoben.

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Am 10. Oktober 2012 wurde ein Sicherheitsgespräch mit dem Kläger geführt. Er gab an, 1998 im Vorstand des damaligen "Kurdischen Volkshauses e.V." gewesen zu sein. Er und seine Frau seien nunmehr Mitglieder in der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." und zahlten im Monat jeweils 2,50 € Beitrag. Sein Sohn sei im Vereinsvorstand tätig. Er - der Kläger - gehe immer sonntags in den Verein zum Billard spielen. Auf die Frage, ob der Verein die Aktivitäten der PKK unterstütze, gab er an, dass es ein normaler offizieller Verein sei. Welche Aktivitäten der Vorstand entfalte, wüssten die Mitglieder nicht. Teilweise habe er an Demonstrationen teilgenommen. Pro Jahr gebe es in H. drei bis vier Demonstrationen, an zwei bis drei nehme er teil. Am 20. November 2010 habe er an einer Demonstration teilgenommen, bei der er als Ordner tätig gewesen sei. Er habe gedacht, die Demonstration sei von der Partei DIE LINKE organisiert gewesen, tatsächlich seien es aber Linksradikale gewesen. Bei der Kampagne "Ich bin PKKler" habe er nicht unterschrieben. Er habe einmal vor dem Europäischen Parlament in Straßburg demonstriert und sei in Italien gewesen, als Öcalan dort zu Besuch gewesen sei. Er wisse nichts von Gründungsfeiern und Jahrestagen der PKK. Er kenne die YEK-KOM; dies sei der Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland. Er denke, dass der H. Verein dort Mitglied sei. An Gedenkessen nehme er teil, wenn jemand sterbe, gleichgültig, ob dieser bei der PKK gewesen sei oder nicht. Ob er 2008 an der Feier zum Gründungstag der PKK teilgenommen habe, wisse er nicht mehr. Er gehe nicht zu verbotenen Veranstaltungen, sondern nur zu Musikveranstaltungen; wenn es dort auch Reden gebe, höre ohnehin niemand zu. Als er selbst im Vereinsvorstand gewesen sei, sei er manchmal zu YEK-KOM-Treffen gefahren. Er sei schon seit ein paar Jahren nicht mehr bei einer solchen Veranstaltung gewesen.

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Am 16. Oktober 2012 verzichtete der Kläger gegenüber der Stadt H. schriftlich "auf die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. ausländischer Flüchtling". In der Folgezeit wurde ihm ein türkischer Reisepass ausgestellt.

9

Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium S. den Kläger mit Verfügung vom 3. Dezember 2013 aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1) und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen; für den Fall der Nichtbeachtung dieser Frist drohte es ihm die Abschiebung in die Türkei an (Ziffer 2). Der Aufenthalt des Klägers wurde auf den Stadtkreis H. beschränkt. Ihm wurde aufgegeben, sich zweimal wöchentlich - Dienstag und Freitag - beim Polizeirevier H. zu melden (Ziffer 3). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf drei Jahre, beginnend mit der Ausreise, befristet (Ziffer 4). Die Wirkung einer möglichen Abschiebung wurde auf zwei Jahre nach erfolgter Abschiebung befristet (Ziffer 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Ausweisung werde auf § 54 Nr. 5 AufenthG (a.F.) gestützt. Die Teilnahme des Klägers an Veranstaltungen von PKK- bzw. KONGRA-GEL-Anhängern bzw. seine Tätigkeiten für den Kurdischen Kulturverein rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, und eine derartige Vereinigung unterstütze. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL seien terroristische Vereinigungen. Der "Kurdische Kulturverein e.V." und die "Kurdische Gemeinschaft H. e.V." wiesen eine deutliche Nähe zur PKK und deren Nachfolgeorganisationen auf und unterstützten diese. Überdies seien diese Mitglied in der YEK-KOM (Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.). Der Kläger erfülle die Voraussetzungen der in § 54 Nr. 5 AufenthG (a.F.) vorausgesetzten Unterstützung. Er sei von 1998 an zumindest ein Jahr lang Vorsitzender des damaligen "Kurdischen Volkshauses e.V." in H. gewesen, sei im Jahr 2010 in die Außenkommission des Volksgebietsrates gewählt worden, habe am 20. Februar 2011 bei einer Mitgliederversammlung der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." dem Wahlkomitee angehört und sei damit wiederholt in verantwortlicher Position tätig gewesen. Zudem habe er mit einer Vielzahl "bloßer" Teilnahmen an Veranstaltungen die PKK unterstützt, indem er deren Stellung in der Gesellschaft festigte. Auch eine erkennbare Distanzierung von den vorhergehenden Unterstützungshandlungen liege nicht vor, weshalb auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit ausgegangen werden müsse. Trotz Vorliegens des besonderen Ausweisungsschutzes sei eine Ausweisung gerechtfertigt, da schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorlägen. Es sei dem Kläger auch zumutbar, für den Zeitraum von drei Jahren von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Der eheliche Kontakt könne durch Besuche aufrechterhalten werden. Auch wenn der Kläger als wirtschaftlich integriert anzusehen sei, sei darauf hinzuweisen, dass sein Gewerbe seit Ende 2012 abgemeldet sei. Insoweit verliere er durch die Ausweisung auch nicht sein Unternehmen und seine Existenzgrundlage.

10

Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums mit Urteil vom 29. Juli 2015 aufgehoben. Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. Mai 2016 ergangenem Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten (bezüglich der Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung) und im Übrigen auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Ausweisungsverfügung sei nach der für die Beurteilung maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nunmehr auf § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu stützen und auf dieser Grundlage rechtmäßig. Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, da er seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt habe. Insbesondere habe er in der Vergangenheit Unterstützungshandlungen in herausgehobener Position erbracht, ohne dass er im Anschluss daran erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen habe. Bereits die Teilnahme an einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet seien, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und der Organisationen im politischen Umfeld zu stärken, erfülle den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Der Kläger unterstütze die PKK dadurch, dass er aktives Mitglied der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." und ihrer Vorgängerorganisationen gewesen sei. Insbesondere sei er Vorsitzender des "Kurdischen Volkshauses e.V." in H. gewesen und habe auch durch seine regelmäßigen Teilnahmen an Veranstaltungen der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." und deren Vorgängerorganisationen den Verein mitgetragen. Die PKK-Nähe des "Kurdischen Volkshauses e.V." werde bereits durch die Mitgliedschaft dieses Vereins in der YEK-KOM belegt, die der Dachverband PKK-naher örtlicher Vereine gewesen sei. Der Kläger sei Ende der 1990er Jahre im Vorstand des "Kurdischen Volkshauses e.V." gewesen, so dass ihm schon aus diesem Grund die Handlungen dieses Vereins zuzurechnen seien. Auch gehöre der Kläger weiterhin der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V.", und damit einer Vereinigung an, die die PKK unterstütze. Er habe den Verein und damit auch die PKK darüber hinaus durch die Übernahme des Amtes in der Außenkommission der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." unterstützt. Auch habe er am 20. Februar 2011 dem Wahlkomitee der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." bei den Vorstandswahlen angehört. Der Kläger habe ferner nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Ihm komme ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zugute, da er eine Niederlassungserlaubnis besessen und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, sowie nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, da er mit seinem jüngsten, volljährigen Kind in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziere den Gefahrenmaßstab aus § 53 Abs. 1 AufenthG nicht zugunsten des Klägers. Er habe kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80, da er bis zum Ergehen der Ausweisungsverfügung zunächst nur neun Monate als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und zuvor über elf Jahre und elf Monate keiner Tätigkeit als Arbeitnehmer nachgegangen sei. Die Asylberechtigung des Klägers sei ebenso wie seine Flüchtlingsstellung mit der Annahme eines türkischen Reisepasses erloschen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG/ AsylG). Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise die Interessen des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege.

11

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt die fehlerhafte Anwendung von §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu weit ausgelegt. Nicht jede Handlung oder Äußerung, die einen möglichen Bezug zu einer terroristischen Organisation habe, sei als Unterstützungshandlung anzusehen. Auch bloße Mitgliedschaften in Organisationen, die ihrerseits wiederum der Unterstützung einer anderen (als terroristisch eingestuften) Organisation verdächtigt würden, reichten nicht aus, um eine Ausweisung zu rechtfertigen. In dem angefochtenen Urteil sei auch weder ausgeführt noch belegt worden, dass der "Kurdische Kulturverein e.V." in H. terrorismusbezogene Unterstützungshandlungen gegenüber der PKK vornehme, noch sei bezüglich des Klägers selbst von auch nur einer einzigen terrorismusbezogenen Unterstützungshandlung die Rede. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 24. Juni 2015, InfAuslR 2015, 357) gehe von einem eingeschränkten Begriff der Unterstützungshandlung aus, indem er die Prüfung verlange, ob das Verhalten des betreffenden Ausländers eine erhebliche Unterstützung der in Rede stehenden Organisation bewirke. Auch die Prüfung der konkreten aktuellen Gefährlichkeit des Klägers und die Abwägung der widerstreitenden Interessen hielten einer Nachprüfung nicht stand. Die Vorsitzendentätigkeit des Klägers im Kulturverein liege 18 Jahre zurück. Die späteren Aktivitäten des Klägers seien so unbedeutend, dass die Annahme einer konkreten aktuellen Gefahr hierauf nicht gestützt werden könne.

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Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers mit einer Begründung als rechtmäßig erachtet, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Es hat seine Annahme, dass der Kläger nicht zu dem besonders privilegierten Personenkreis des § 53 Abs. 3 AufenthG gehört, bei dem erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen gelten, auf zu schmaler Tatsachengrundlage bejaht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil, ob der Kläger nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG ausgewiesen werden kann, und weil der Umfang der vom Kläger getätigten Unterstützungshandlungen bisher nicht abschließend geklärt ist, kann der Senat weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst in der Sache abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids), der Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bescheids) sowie der Befristungsentscheidungen hinsichtlich der Wirkungen der Ausweisung und einer etwaigen Abschiebung (Ziffer 4 und 5 des Bescheids). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die erstinstanzlich (hilfsweise) geltend gemachte Aufhebung der Befristungsentscheidungen im Berufungsverfahren und auch im Revisionsverfahren angefallen. Ein in der Vorinstanz gestellter Hilfsantrag wird automatisch auch Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, wenn - wie hier - die angegriffene Entscheidung dem Hauptantrag stattgegeben hatte (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Vorb. § 124 Rn. 56 m.w.N.). Das Befristungsbegehren betreffend die Wirkungen der Ausweisung ist im Übrigen als Minus notwendiger Bestandteil des Begehrens auf Aufhebung einer Ausweisung und kann von den Beteiligten nicht aus dem Verfahren ausgegliedert werden (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 17 m.w.N.).

16

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Abschiebungsandrohung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten Aufhebung der Befristungsentscheidungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2429), zugrunde zu legen.

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1. Ermächtigungsgrundlage für die verfügte Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dem seit dem 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht (vgl. Art. 1 und 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) ergibt sich der Grundtatbestand der Ausweisung aus § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. im Einzelnen zur Struktur der Neuregelung: BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 21 ff.). Die Ausweisung setzt nunmehr nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Die Abwägung erfolgt dabei nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar. Der Grundsatz des § 53 Abs. 1 AufenthG erhält durch die §§ 54 und 55 AufenthG weitere Konkretisierungen. Einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen wird von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als "besonders schwerwiegend" (Absatz 1) oder als "schwerwiegend" (Absatz 2) (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 22 ff.). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind neben den explizit in §§ 54 und 55 AufenthG angeführten Interessen aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Ausweisungs- und Bleibeinteressen denkbar (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, BT-Drs. 18/4097 S. 49).

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2. Das Berufungsgericht hat zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgestellt. Ein solches liegt dann vor, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei hiervon unter anderem dann auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

19

a) Das Berufungsgericht hat für die Auslegung des Tatbestands des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu Recht dieselben Maßstäbe herangezogen, die der Senat zur Auslegung des früheren Regelausweisungstatbestands nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entwickelt hat. Danach unterstützt eine Vereinigung den Terrorismus, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 20 f., vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 13 ff. und vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 29).

20

Für den im Gesetz verwendeten Begriff des Terrorismus sind Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Jedoch können wesentliche Kriterien aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93 - vgl. auch ABl. L 116 vom 3. Mai 2002 S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Organisation terroristischer Art ist oder im Verdacht steht, eine solche zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:EU:C:2015:413], H.T./Land Baden-Württemberg - Rn. 83). Dabei ist trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs anerkannt, dass als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen und Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sind (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 30 m.w.N.).

21

Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen jedoch solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind (BVerwG, Urteile vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 15 und vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 31 f.). Weiterhin gilt aber für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst und keine von der Person ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Unterstützerbegriff weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheint (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 34 f. m.w.N.).

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In subjektiver Hinsicht muss für den Ausländer die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüber hinausgehende innere Einstellung kommt es nicht an (BVerwG, Urteile vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 18 und vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 31).

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b) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen. Dies gilt sowohl für die Qualifizierung der PKK als terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung (aa) als auch für die Qualifizierung der Handlungen des Klägers als relevante individuelle Unterstützungshandlungen (bb). Ebenso wenig zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (cc).

24

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist zunächst die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung der PKK als eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Das Gericht legt seiner Entscheidung die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Definition einer terroristischen Vereinigung zugrunde. Insbesondere hat es sich zu Recht davon leiten lassen, dass die PKK weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen steht (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 2. Mai 2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus 2002/340/GASP (ABl. L 116 S. 75), zuletzt aktualisiert mit Beschluss (GASP) 2016/1136 des Rates vom 12. Juli 2016 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2015/2430 (ABl. L 188 S. 21), ohne diesem Umstand eine über eine gewichtige Indizwirkung hinausgehende Bedeutung beizumessen. Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel festgestellt, dass die PKK zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat und die von ihr ausgerufenen Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübe sie weiterhin Gewalttaten gegen Amtsträger sowie die Zivilbevölkerung und schrecke zwecks Finanzierung ihrer Aktivitäten auch nicht vor der Entführung von Kindern zurück. Diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind von der Revision nicht angegriffen worden und revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

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Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts unterstützt die "Kurdische Gemeinschaft H. e.V." (einschließlich ihrer Vorgängervereine) die PKK und ist damit ihrerseits eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die PKK-Nähe der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." (vormals "Kurdisches Volkshaus H. e.V.") folgt hiernach bereits aus der Mitgliedschaft dieses Vereins in der "Föderation Kurdischer Vereine Deutschland e.V." (YEK-KOM, 2014 umbenannt in NAV-DEM), dem Dachverband PKK-naher örtlicher Vereine. Auch die vom Berufungsgericht festgestellte kontinuierliche Tätigkeit des Vereins für die PKK in Form von Demonstrationen und Treffen zwecks der Verehrung Öcalans, des Gedenkens an Märtyrer sowie der Begehung von PKK-Jahrestagen erfüllt die Voraussetzungen von den Terrorismus unterstützenden Handlungen im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.

26

bb) Nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kläger die PKK in rechtserheblicher Weise individuell unterstützt hat, indem er aktives Mitglied der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." (und ihrer Vorgängerorganisationen) war und ist. Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen war der Kläger Ende der 1990er Jahre im Vorstand des "Kurdischen Volkshauses e.V." in H., einem Vorgängerverein der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." In dieser Funktion hat er den Verein in der YEK-KOM vertreten und damit die PKK unterstützt. Die von diesem Verein für die PKK seinerzeit betriebene Sympathiewerbung (Personenkult um Abdullah Öcalan, PKK-Symbole als Wanddekoration in den Räumlichkeiten des Kurdischen Volkshauses e.V.) ist ihm seinerzeit bekannt bzw. jedenfalls erkennbar gewesen. Der Kläger gehört auch weiterhin mit der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." (bzw. dem Kurdischen Gemeinschaftszentrum H.) einer Vereinigung an, die die PKK unterstützt, und unterstützt hierdurch eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung. Seine fortbestehende Mitgliedschaft in dem Verein und seine regelmäßige Teilnahme an Vereinsveranstaltungen, bei denen Lob und psychische Unterstützung für das Handeln der PKK einen wesentlichen Teil des Zwecks ausmachen, sind rechtserhebliche Unterstützungshandlungen. Gleiches gilt, soweit der Kläger den Feststellungen des Berufungsgerichts zufolge ein Amt in der Außenkommission der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." übernommen und am 20. Februar 2011 dem Wahlkomitee des Vereins bei Vorstandswahlen angehört hat.

27

Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass er nur an nicht verbotenen Veranstaltungen teilgenommen habe und stets für nicht verbotene Vereine tätig gewesen sei, folgt hieraus nichts anderes, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein Verbot der den Terrorismus unterstützenden Vereinigung nicht voraussetzt. Vielmehr erfasst die Vorschrift schon die Vorfeldunterstützung des Terrorismus, ohne dass diese bereits mit einer solchen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verbunden sein muss, die ein versammlungs- bzw. vereinsrechtliches Einschreiten rechtfertigt.

28

Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein konkreter Terrorismusbezug in der Weise, dass von den Unterstützungshandlungen eine konkrete aktuelle Gefährdung der inneren Sicherheit ausgeht, nicht erforderlich. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützerbegriffs reicht vielmehr die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten ausgeht, aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <126>). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Verhalten des Klägers innerhalb der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." (bzw. seines Vorgängervereins) in den 1990er Jahren sowie seine fortbestehende Mitgliedschaft in dem Verein mit den regelmäßigen Besuchen der Vereinsräumlichkeiten Unterstützungshandlungen darstellen, weil es die potenzielle Gefährlichkeit der die PKK unterstützenden "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt, wenn Mitglieder durch Zahlung ihrer Vereinsbeiträge und ihre regelmäßige Anwesenheit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Organisation stärken.

29

Für die Erfüllung des subjektiven Unterstützertatbestandes kommt es darauf an, ob für den Ausländer die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar ist (BVerwG, Urteile vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 18 und vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 31). Auf eine über diese Erkennbarkeit hinausgehende innere Einstellung des Ausländers kommt es nicht an. Insoweit hat das Berufungsgericht für den Senat bindend festgestellt, dass dem Kläger bekannt ist, dass die "Kurdische Gemeinschaft H. e.V." die PKK unterstützt und deren Handeln gutheißt.

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cc) Das Berufungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass der Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die objektive Tatsache der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Vergangenheit dem Ausländer dann nicht mehr zugerechnet werden kann, wenn er sich glaubhaft hiervon distanziert hat (BVerwG, Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <131> und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 17). Das "erkennbare Abstandnehmen" im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht dem Distanzieren im Sinne der Senatsrechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 33). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil das nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG tatbestandsmäßige Verhalten des Klägers (Mitgliedschaft bzw. Unterstützung) bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts ungeachtet dessen angedauert hat, dass er nicht mehr Mitglied des Vorstandes ist. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger weiterhin zahlendes Mitglied der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." und hat 12 Jahre nach seiner Vorstandstätigkeit in den 1990er Jahren - über die bloße Vereinsmitgliedschaft hinaus - Vereinsfunktionen übernommen, indem er sich zum Mitglied der Außenkommission des Vereins hat wählen lassen und später bei der Organisation von Vorstandswahlen des Vereins im Wahlkomitee mitgewirkt hat. Hieraus folgt, dass keine Distanzierung vom vorausgegangenen Tun erfolgt ist.

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3. Das Verfahren ist aber mangels hinreichender gerichtlicher Feststellungen zum Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Denn ob die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 53 Abs. 3 AufenthG vorliegen, lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden.

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a) Diese den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG ergänzende Vorschrift legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für mehrere rechtlich privilegierte Personengruppen fest, nämlich für Ausländer, die als Asylberechtigte anerkannt sind, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießen, die einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention besitzen, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder die eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzen. Im Falle der Bejahung eines besonderen Ausweisungsschutzes ist weiter zu prüfen, ob dieser aufgrund einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durchbrochen wird.

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aa) Zwar geht das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Kläger kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 erworben hat. Denn er hat unstreitig die erforderliche dreijährige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht vorzuweisen.

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bb) Das Berufungsgericht hat allerdings die Feststellung, dass die Asylberechtigung des Klägers und seine Rechtsstellung als Flüchtling nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG/AsylG aufgrund der Annahme eines türkischen Nationalpasses erloschen ist, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen.

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Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG/AsylG erlischt die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126.90 - BVerwGE 89, 231 <235 ff.> zur Vorgängernorm § 15 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG; vgl. auch VGH München, Urteil vom 8. Februar 2007 - 23 B 06.31053 u.a. - juris Rn. 52 und UNHCR, Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Neuauflage Genf, Dezember 2011, Deutsche Version 2013, Art. 1 Abschnitt C Nr. 1 Genfer Flüchtlingskonvention Rn. 119 ff.) führt die Annahme oder Verlängerung des Nationalpasses nicht in jedem Fall ohne Weiteres zum Erlöschen der Rechtsstellung. Vielmehr muss die Vornahme dieser Handlung objektiv als eine Unterschutzstellung zu werten sein. Einer Passausstellung oder -verlängerung kommt lediglich eine Indizwirkung dahin zu, dass sich der Betreffende wieder unter den Schutz seines Heimatstaates stellen will. Der äußere Geschehensablauf kann jedoch dieser Indizwirkung entgegenstehen. Hierzu ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Lassen sich aus dem Verhalten des Asylberechtigten Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit der Passerteilung keine Wiedererlangung des vollen diplomatischen Schutzes bezweckt war, fehlt es an dieser weiteren subjektiven Voraussetzung für das Erlöschen der Rechtsstellung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126.90 - BVerwGE 89, 231 <238>). So kann die bloße Inanspruchnahme einer Dienstleistung der Auslandsvertretung des Heimatstaates zur Überwindung bürokratischer Hindernisse für Amtshandlungen von Behörden der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend sein, um den Rechtsverlust herbeizuführen (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 9 C 126.90 - BVerwGE 89, 231 <237>; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 72 Rn. 10 m.w.N.). Auch Reisen eines Asylberechtigten oder Flüchtlings in seine Heimat führen nicht zwingend zu der Annahme, dass sich der Ausländer dem Schutz seines Heimatstaates erneut unterstellen will (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 72 AsylG Rn. 16).

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Ob die Annahme des türkischen Reisepasses seitens des Klägers den Erlöschenstatbestand des § 72 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG/AsylG erfüllt, lässt sich daher ohne weitere tatsächliche Feststellungen zu dem damit verbundenen Zweck und den Einzelumständen nicht beurteilen.

37

Gleiches gilt hinsichtlich der vom Berufungsgericht offengelassenen Frage, ob der vom Kläger gegenüber der Stadt H. am 16. Oktober 2012 erklärte Verzicht auf seine Rechtsstellung als Asylberechtigter bzw. Flüchtling den Erlöschenstatbestand des § 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG/AsylG erfüllt. Da der Verzicht erst mit Eingang beim Bundesamt wirksam wird (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 72 Rn. 38; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 72 AsylG Rn. 27), scheidet die Annahme des Erlöschenstatbestandes ohne ergänzende tatrichterliche Aufklärung, ob die Erklärung an das Bundesamt weitergeleitet wurde, aus.

38

4. Das Berufungsurteil beruht auch insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht, als das Berufungsgericht - ausgehend von einem Erlöschen der Asylberechtigung bzw. Flüchtlingseigenschaft - im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmenden Interessenabwägung angenommen hat, das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiege dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen fällt dies Abwägung vielmehr zugunsten des Klägers aus. Da das Berufungsgericht die dem Kläger zur Last fallenden Unterstützungshandlungen nicht abschließend aufgeklärt hat, lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass weitere Tatsachenfeststellungen zu einem anderen Ergebnis führen. Schon deshalb kann der Senat auch nicht unabhängig von der Frage des Fortbestehens der Asylberechtigung zugunsten oder zulasten des Klägers in der Sache entscheiden, sondern bedarf es in jedem Fall einer Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof.

39

Da das neue Ausweisungsrecht für die Fälle des § 54 AufenthG keine Ist- oder Regelausweisung vorsieht, bedarf es auch bei Vorliegen eines (besonders) schwerwiegenden Ausweisungsinteresses einer umfassenden Abwägung mit eventuellen Bleibeinteressen des Betroffenen, wobei in diesem Fall für die Abwägung bereits feststeht, dass eine gewichtige Gefahrenlage besteht, die grundsätzlich eine Ausweisung erlaubt. Besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, wie hier das von dem Berufungsgericht zu Recht angenommene Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, liegt auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung vor und wird häufig von einem Übergewicht des öffentliche Interesses an der Ausweisung auszugehen sein. Steht einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse aber ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber, kann ein Überwiegen des öffentlichen Interesses nicht allein mit der typisierenden gesetzlichen Gewichtung begründet werden. Vielmehr bedarf es einer besonderen individuellen Begründung dafür, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt. Auch das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses entbindet daher nicht von der Notwendigkeit der in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgeschriebenen umfassenden Interessenabwägung. Für eine einzelfallbezogene, förmliche "Typenkorrektur" in der Weise, dass das den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllende Verhalten bei atypischen Umständen, insbesondere Verhaltensweisen im unteren Gefährlichkeitsbereich der gesetzlich vertypten Verhaltensweisen, in ein "nur" schwerwiegendes Ausweisungsinteresse herabgestuft wird, ist angesichts der gesetzlichen Systematik kein Raum; hierfür besteht wegen der umfassenden, auch stufenübergreifend gebotenen Verhältnismäßigkeitsabwägung auch kein Bedarf. Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und schwerwiegende Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist danach für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend. Bei Vorliegen besonderer Umstände können die Ausweisungsinteressen aber auch weniger schwer zu gewichten sein (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 50). Im Rahmen der Abwägung ist mithin nicht nur von Belang, wie der Gesetzgeber das Ausweisungsinteresse abstrakt einstuft. Vielmehr ist das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten. Gerade bei prinzipiell gleichgewichtigem Ausweisungs- und Bleibeinteresse kann daher das gefahrbegründende Verhalten des Ausländers näherer Aufklärung und Feststellung bedürfen, als dies für die Erfüllung des gesetzlich vertypten Ausweisungsinteresses erforderlich ist. Denn im Rahmen der (ergebnisoffenen) Abwägung macht es einen Unterschied, ob dem Betroffenen etwa lediglich die Mitgliedschaft in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder aber wesentliche Unterstützungshandlungen, womöglich gar in herausgehobener Position zur Last gelegt werden können.

40

Vorliegend ist das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass dem öffentlichen Ausweisungsinteresse besonders schwerwiegende Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG gegenüberstehen, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie mit einem seiner (volljährigen) Kinder in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Im Rahmen der Abwägung aller für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe (§ 54 Abs. 2 AufenthG) hat das Berufungsgericht auch die familiäre Verwurzelung des Klägers mit dem ihr zukommenden Gewicht berücksichtigt. Nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingeflossen ist indes der langjährige (im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht über 23-jährige) straffreie Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet. Auch der Umfang seiner wirtschaftlichen Integration ist nicht im erforderlichen Maße berücksichtigt worden. Der Kläger stand seit 1994 (mit Unterbrechungen) in Beschäftigungsverhältnissen und ging von 2001 bis 2012 kontinuierlich einer selbstständigen Tätigkeit nach. Auch die seit Januar 2014 ausgeübte Tätigkeit als Gesellschafter einer Gebäudedienstleistungsfirma, mit der der Kläger seine langjährige, fast lückenlose Erwerbsbiographie fortsetzt, ist insoweit von Belang, da maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt nach der Rechtsprechung des Senats die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts ist. Diesen gewichtigen Bleibeinteressen steht ein Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) gegenüber, das besonders schwer wiegt. Die dem Kläger zur Last gelegte Tätigkeit im Vorstand des "Kurdischen Volkshauses e.V." in H. lag aber im maßgeblichen Zeitpunkt bereits rund 17 Jahre zurück. Die ihm darüber hinaus zur Last gelegte Mitgliedschaft in der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." ist für sich genommen eher im niedrigschwelligen Bereich der in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vertypten Gefährdungstatbestände anzusiedeln. Maßgeblich kommt es daher im Rahmen der Abwägung darauf an, ob die dem Kläger des Weiteren zur Last gelegte Übernahme von hervorgehobenen Funktionen in jüngerer Zeit, insbesondere die Tätigkeit für die Außenkommission, ein besonderes Gewicht dadurch erhält, dass der Kläger - wie vom Berufungsgericht offengelassen wurde - nicht nur der Außenkommission der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V.", sondern der Außenkommission des Volksgebietsrates H. angehört(e). Falls (wie es der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 28. November 2013, S. 16 f., nahe legt) die Volksversammlung und der von diesem gewählte Volksgebietsrat zum organisatorischen Rahmen der PKK zählen, käme einer Mitgliedschaft in der Außenkommission des Volksgebietsrates im Hinblick auf terrorismusbezogene Unterstützungshandlungen ein stärkeres Gewicht zu als die "bloße" Mitgliedschaft in der Außenkommission der "Kurdischen Gemeinschaft H. e.V." Für die Gewichtung des Ausweisungsinteresses - im Falle einer Mitgliedschaft in der Außenkommission des Volksgebietsrates - weiterhin von Bedeutung ist neben dessen Funktionen, wie lange der Kläger Mitglied dieser Außenkommission war bzw. ob er immer noch Mitglied ist. Schließlich erfordert es eine umfassende Ermittlung der relevanten Abwägungskriterien auch der (vom Berufungsgericht offengelassenen Frage) nachzugehen, ob und in welchem Umfang der Kläger an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen hat, die auf eine Propaganda für die PKK (z.B. Begehung von PKK-Jahrestagen) abzielen.

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5. Sollte das erneute Berufungsverfahren zu dem Ergebnis führen, dass die Rechtsstellung des Klägers als Asylberechtigter und Flüchtling fortbesteht und somit der besondere Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG eingreift, wird zunächst weiter zu prüfen sein, ob dessen erhöhte Voraussetzungen unter Berücksichtigung der dabei ergänzend zu beachtenden Anforderungen der Art. 21 bzw. 24 Richtlinie 2011/95/EU (EU-Anerkennungsrichtlinie) erfüllt sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 47 f. sowie EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -). Dies wird nicht zuletzt von den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Aktivitäten des Klägers in jüngerer Zeit und deren Gewichtung abhängen.

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6. Ist der Rechtsstreit mithin zur erneuten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, gilt Gleiches auch für die Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bescheids) sowie die Befristungsentscheidungen hinsichtlich der Wirkungen der Ausweisung (Ziffer 4 des Bescheids) und einer etwaigen Abschiebung (Ziffer 5 des Bescheids), wobei jedenfalls Ziffer 5 des Bescheids nach der neueren Rechtsprechung des Senats als - konstitutiver - Erlass eines befristeten Einreiseverbots zu verstehen ist und konsequenterweise mit der Anfechtungsklage anzugreifen sein dürfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Rn. 72).

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7. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.