Entscheidungsdatum: 01.06.2017
Das Revisionsverfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:
1. Stehen Art. 67 Abs. 2 AEUV sowie Art. 22, 23 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) der nationalen Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, die Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze im Ergebnis verpflichtet, die Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere vor dem Überschreiten einer Binnengrenze zu kontrollieren, um einer Beförderung von Ausländern ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entgegen zu wirken?
Insbesondere:
a) Stellt die generelle gesetzliche Pflicht oder die an einzelne Beförderungsunternehmen gerichtete behördliche Verpflichtung, Ausländer nicht ohne den erforderlichen Pass oder einen erforderlichen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet zu befördern, die nur durch eine Kontrolle der Grenzübertrittspapiere aller Passagiere vor Überschreiten der Binnengrenze durch die Beförderungsunternehmen erfüllt werden kann, eine Personenkontrolle an den Binnengrenzen im Sinne von Art. 22 Schengener Grenzkodex dar bzw. ist sie einer solchen gleichzustellen?
b) Ist die Auferlegung der unter 1) genannten Pflichten an Art. 23 Buchst. a Schengener Grenzkodex zu messen, obwohl die Beförderungsunternehmer keine "polizeilichen Befugnisse" im Sinne dieser Vorschrift ausüben und mit der staatlichen Inpflichtnahme zu Kontrollen auch nicht förmlich zur Inanspruchnahme hoheitlicher Befugnisse ermächtigt werden?
c) Falls Frage 1 b) bejaht wird: Liegt in den von den Beförderungsunternehmern geforderten Kontrollen unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 23 Buchst. a Satz 2 Schengener Grenzkodex eine unzulässige Maßnahme gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen?
d) Ist die Auferlegung der unter 1) genannten Pflichten, soweit sie Busunternehmen im Linienverkehr betrifft, an Art. 23 Buchst. b Schengener Grenzkodex zu messen, wonach die Befugnis von Beförderungsunternehmern zu Sicherheitskontrollen bei Personen in See- und Flughäfen das Ausbleiben von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht berührt? Folgt daraus die Unzulässigkeit von Kontrollen im Sinne von Frage 1 auch außerhalb von See- und Flughäfen, wenn sie keine Sicherheitskontrollen darstellen und nicht auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen?
2. Gestatten Art. 22, 23 Schengener Grenzkodex nationale Regelungen, nach denen zur Einhaltung der Pflicht eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen ein Busunternehmen erlassen werden kann, wenn infolge der unterlassenen Kontrollen auch Ausländer ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert worden sind?
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der ihr die Beförderung von Ausländern ohne erforderlichen Pass und Aufenthaltstitel untersagt und zugleich ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht wurde.
Sie ist eine Aktiengesellschaft spanischen Rechts, die ein grenzüberschreitend tätiges Busunternehmen betreibt, das Linienverkehre in Westeuropa anbietet. Die Buslinien der Klägerin erreichen das Bundesgebiet regelmäßig über die deutsch-belgische Grenze.
Im Zuge der Auswertung von Fällen, bei denen Ausländer in Deutschland ohne die erforderlichen Papiere aufgegriffen worden waren, stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in erheblicher Anzahl Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente in die Bundesrepublik Deutschland befördert hatte.
Mit einem als "Abmahnung" bezeichneten Schreiben vom 6. November 2013 wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin allein am 13. Oktober 2013 insgesamt 15 Ausländer transportiert habe, die nicht die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente mit sich geführt hätten. Für den Fall der Vornahme weiterer unerlaubter Beförderungen wurde der Klägerin eine Untersagungsverfügung nach § 63 Abs. 2 AufenthG angekündigt.
Mit Untersagungsverfügung vom 26. September 2014 gab die Beklagte der Klägerin auf, Ausländer nicht ohne einen erforderlichen Pass und einen erforderlichen Aufenthaltstitel auf dem Landweg nach Deutschland zu befördern, und drohte für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € an. Gemäß § 63 Abs. 1 AufenthG sei die Klägerin dazu verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die Beförderung von Ausländern ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente nach Deutschland in jedem Einzelfall zu verhindern. Die Überprüfung der erforderlichen Grenzübertrittsdokumente sei beim Zustieg in die Busse vorzunehmen; Reisende, die nicht im Besitz der erforderlichen Dokumente seien, seien wirksam von der Beförderung auszuschließen. Bestimmungen des Unionsrechts stünden der Anwendung des § 63 AufenthG nicht entgegen.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des zu einer Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung ermächtigenden § 63 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lägen zwar vor. Die Vorschrift sei jedoch aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auf Beförderungsunternehmen, die Ausländer über eine Schengen-Binnengrenze nach Deutschland befördern, nicht anwendbar. § 63 AufenthG verstoße insoweit gegen die Bestimmungen der Art. 67 Abs. 2 und Art. 77 Abs. 2 AEUV sowie gegen Art. 20 und 21 der Verordnung Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex - SGK 2006 [a.F.]). Gemäß Art. 20 SGK (a.F.) dürften die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Gemäß Art. 21 Buchst. a Satz 2 SGK dürften die den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Befugnisse nicht in einer Weise ausgeübt werden, dass sie die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hätten. Vielmehr müssten sie in einer Weise gehandhabt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheide. Diesen Vorgaben des Unionsrechts werde § 63 AufenthG nicht gerecht, denn er habe die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen. Dies gelte zunächst in quantitativer Hinsicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehe Wirkungsgleichheit sonstiger Maßnahmen mit Grenzübertrittskontrollen insbesondere dann, wenn die sonstigen Maßnahmen flächendeckend durchgeführt werden. Dies sei hier der Fall, da das Beförderungsverbot nach § 63 AufenthG dem erkennbaren Gesetzeszweck diene, die Einhaltung der Pass- und Visumpflicht in jedem Einzelfall sicherzustellen. Die Wirkungsgleichheit gelte ferner auch in qualitativer Hinsicht. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei geklärt, dass eine Wirkungsgleichheit insbesondere dann vorliege, wenn die Kontrolle an der Grenze oder davor stattfinde. Die von § 63 AufenthG geforderten Kontrollmaßnahmen fänden bereits vor dem Erreichen der Grenze, nämlich beim Einstieg in das Verkehrsmittel statt, und entsprächen in ihrer Wirkung somit Grenzübertrittskontrollen. Im Übrigen habe eine Ungleichbehandlung verschiedener Verkehrsträger mit Blick auf das Ausmaß etwaiger Kontrollpflichten Indizwirkung für eine unzulässige Wirkungsgleichheit. Eine solche Ungleichbehandlung liege hier in der Weise vor, dass Eisenbahnunternehmen gemäß Nr. 63.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz von Kontrollpflichten freigestellt seien, Busunternehmen hingegen nicht. Die Unionsrechtswidrigkeit nach § 63 AufenthG könne nicht durch eine unionsrechtskonforme Auslegung beseitigt werden. Dies habe zur Folge, dass die Norm auf Beförderungsunternehmen, deren Verkehrsangebote lediglich eine Landgrenze im Sinne von Art. 20 SGK (a.F.) überschreiten, unangewendet bleiben müsse.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen (Sprung-)Revision macht die Beklagte geltend:
Die Abschaffung der Grenzkontrollen durch den Schengener Grenzkodex habe speziellere und damit vorhergehende unionsrechtliche Vorschriften, die eine Regelung wie § 63 AufenthG ausdrücklich zuließen, unberührt gelassen. Die Bundesrepublik Deutschland sei unionsrechtlich berechtigt und verpflichtet, Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die Beihilfe zur unerlaubten Einreise oder zum unerlaubten Aufenthalt leisten. § 63 AufenthG sei Teil der auf europäischer Ebene verabredeten und durch unionsrechtliche Vorschriften vorgegebenen Maßnahmen zur Verhinderung unerlaubter Einreisen. Die Bestimmung stehe nicht in Widerspruch zu Unionsrecht, da insbesondere der Schengener Grenzkodex die unionsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Einreise auch über Binnengrenzen nicht außer Kraft gesetzt habe. Nach der Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt lege jeder Mitgliedstaat angemessene Sanktionen für diejenigen fest, die einer Person vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unter Verletzung seiner Rechtsvorschriften über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen oder durch dessen Hoheitsgebiet zu reisen. Der Rahmenbeschluss des Rates vom 28. November 2002 (2002/946/JI) enthalte nähere Vorgaben für die zu verhängenden Sanktionen. Diese Richtlinien seien nicht auf die unerlaubte Einreise über Außengrenzen beschränkt, denn ihre Vorschriften knüpften ganz allgemein an die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unter Verletzung seiner Rechtsvorschriften über die Einreise oder die Durchreise an und zielten darauf ab, unerlaubten Grenzübertritt zu bekämpfen. Auch aus Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 ergebe sich, dass die Beförderungsunternehmen durch nationale Regelungen verpflichtet werden können, die für die Außengrenzen vorgeschriebenen Kontrollen der Reisedokumente auch bei der Beförderung über Schengen-Binnengrenzen durchzuführen. Die Vorschrift des § 63 Abs. 1 und 2 AufenthG sei aber auch mit dem Schengener Grenzkodex vereinbar. Grenzkontrollen im Sinne von Art. 22 SGK lägen schon deshalb nicht vor, weil die durch § 63 AufenthG auferlegten Kontrollpflichten nicht durch Grenzschutz- oder Polizeibeamte durchgeführt würden. Es liege aber auch keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 23 Buchst. a SGK n.F. vor. Denn es werde nicht das Ziel verfolgt, den Grenzübertritt, sondern die Beachtung der Einreisevorschriften zu kontrollieren. Auch blieben die von den Beförderungsunternehmen nach § 63 AufenthG durchzuführenden Kontrollen nach Umfang und Tiefe wesentlich hinter der Kontrolldichte bei Grenzübertrittskontrollen zurück. So könnten die Beförderungsunternehmer den Betreffenden weder festhalten noch festnehmen, hätten kein Recht auf Identitätsfeststellung, könnten weder die Person noch deren Sachen durchsuchen und keine Datenbankabfrage vornehmen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und hält in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht die Anwendung des § 63 AufenthG auf Beförderungsunternehmer, die Personen lediglich über Schengen-Binnengrenzen transportieren, für unionsrechtswidrig. Sie beruft sich darauf, dass Art. 5 Abs. 3 SGK n.F. die Mitgliedstaaten nur dazu verpflichte, Sanktionen für das unbefugte Überschreiten der Außengrenzen, nicht aber der Binnengrenzen vorzusehen. Entsprechendes gelte für die in Art. 26 Abs. 2 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) geregelte Sanktionsverpflichtung, die durch die Richtlinie 2001/51/EG vom 28. Juni 2001 ergänzt werde. Sanktionsverpflichtungen nach der Richtlinie 2002/90/EG und dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI berührten das Verbot von Grenzkontrollen und wirkungsgleichen Maßnahmen nach dem Schengener Grenzkodex nicht. Die Anwendung von § 63 AufenthG an den Binnengrenzen der Union sei aber mit den Vorgaben des Schengener Grenzkodex nicht vereinbar. Einschlägig sei hier Art. 23 Satz 1 Buchst. b SGK, der deutlich mache, dass auch nichtstaatliche "Personenkontrollen" beim Überschreiten der Binnengrenzen grundsätzlich unzulässig seien.
II
Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen, die der Senat dem Gerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag noch in einem weiteren Verfahren (1 C 23.16) unterbreitet hat, betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex - ABl. L 77 S. 1). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.
1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach § 63 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). Aus dem Unionsrecht ist der Schengener Grenzkodex (SGK) vom 9. März 2016 maßgeblich. Es ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts abzustellen, weil die angefochtene Untersagungsverfügung und die angefochtene Zwangsgeldandrohung fortdauernde Rechtswirkungen entfalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <301>). Allerdings sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Das führt zur Anwendung der im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung maßgeblichen Fassung des Aufenthaltsgesetzes und des Schengener Grenzkodex.
Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:
Pflichten der Beförderungsunternehmer
(1) Ein Beförderungsunternehmer darf Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind.
(2) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einem Beförderungsunternehmer untersagen, Ausländer entgegen Absatz 1 in das Bundesgebiet zu befördern und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld androhen. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung; dies gilt auch hinsichtlich der Festsetzung des Zwangsgeldes.
(3) Das Zwangsgeld gegen den Beförderungsunternehmer beträgt für jeden Ausländer, den er einer Verfügung nach Absatz 2 zuwider befördert, mindestens 1 000 und höchstens 5 000 Euro. Das Zwangsgeld kann durch das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle festgesetzt und beigetrieben werden.
(4) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann mit Beförderungsunternehmern Regelungen zur Umsetzung der in Absatz 1 genannten Pflicht vereinbaren.
Auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes hat der Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Ausländerbehörden bei der Anwendung des Gesetzes zu beachten haben, ohne dass sie für die Gerichte verbindlich ist (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 - GMBl 2009, 878). Die für die Anwendung von § 63 Aufenthaltsgesetz einschlägigen Nummern der Verwaltungsvorschrift lauten auszugsweise wie folgt:
63.1 Kontroll- und Sicherungspflichten
63.1.1 Die Vorschrift untersagt es Beförderungsunternehmern, Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente in das Bundesgebiet zu befördern. Das Verbot gilt sowohl für Beförderungen auf dem Luft- und Seeweg als auch für Beförderungen auf dem Landweg mit Ausnahme des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs. Das Beförderungsverbot muss nicht angeordnet werden. Aus dem gesetzlichen Verbot, Ausländer nicht in das Bundesgebiet zu befördern, wenn sie nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder eines erforderlichen Visums sind, das sie auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit benötigen, ergibt sich zugleich die Pflicht des Beförderungsunternehmers, Pass und Visum ausreichend zu kontrollieren. Durch die Kontrollpflicht soll sichergestellt werden, dass der Ausländer die für den Grenzübertritt nach § 13 Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Eine Kontrollpflicht ist auch in Annex 9 zum ICAO-Übereinkommen festgelegt.
63.1.3.1 Die Kontrollpflicht nach § 63 Absatz 1 fordert von dem Beförderungsunternehmer, vor dem Transport zu prüfen, ob der Ausländer im Besitz der erforderlichen Dokumente ist ...
63.2 Untersagung der Beförderung und Zwangsgeld
63.2.0 Sowohl das Beförderungsverbot als auch die Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsgeldern soll dazu dienen, den Beförderungsunternehmer zur Kontrolle der Einhaltung der Pass- und Visumpflicht in jedem Einzelfall anzuhalten.
2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.
a) Nach § 63 Abs. 1 AufenthG darf ein Beförderungsunternehmer Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind. § 63 Abs. 1 AufenthG statuiert ein unmittelbar und generell wirkendes, gesetzliches Verbot der Beförderung von Ausländern ohne die erforderlichen Reisedokumente. Aus dem Beförderungsverbot ergibt sich die daraus abgeleitete Pflicht des Beförderungsunternehmers, den Pass und den Aufenthaltstitel der beförderten Ausländer zu kontrollieren. Durch die Kontrollpflicht soll sichergestellt werden, dass der Ausländer die für den Grenzübertritt erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Dabei überlässt es der Gesetzgeber dem Beförderungsunternehmer, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln er seinen Pflichten nachkommt (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2003 - 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <336>). Das Beförderungsverbot zieht positive Verhaltenspflichten in Gestalt von Kontrollpflichten nach sich, die im Gesetz nicht näher bestimmt werden. Das entspricht auch dem Verständnis der Vorschrift in Ziffer 63.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz. Das gesetzesunmittelbare Beförderungsverbot des § 63 Abs. 1 AufenthG wird, falls erforderlich, durch eine Untersagungsverfügung nach § 63 Abs. 2 AufenthG konkretisiert und individualisiert. Verstößt ein Beförderungsunternehmer gegen die ihm nach § 63 Abs. 1 AufenthG obliegende Pflicht, kann das hierzu ermächtigte Bundespolizeipräsidium nach § 63 Abs. 2 AufenthG eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen den Unternehmer erlassen. Im Fall weiterer Zuwiderhandlungen kann für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld von mindestens 1 000 € und höchstens 5 000 € festgesetzt werden.
Die mit dem Beförderungsverbot verbundenen Kontrollpflichten stellen eine Form der Indienstnahme privater Unternehmen zur Vermeidung von Verstößen gegen Einreisebestimmungen dar, ohne dass den Beförderungsunternehmen insoweit hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Die Überprüfung der Passagiere im Hinblick auf die Reisedokumente ist in den Beförderungsvorgang eingebettet, der im Rahmen des privatrechtlichen Beförderungsvertrages erfolgt (BVerwG, Beschluss vom 14. April 1992 - 1 C 48.89 - NVwZ 1992, 682 <683>).
Den Beförderungsunternehmer trifft die nach objektiven Maßstäben bemessene Verpflichtung, Verstöße gegen die Einreisebestimmungen soweit wie irgend möglich und in jedem Einzelfall zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts dürfen an den Beförderungsunternehmer jedoch keine rechtlich oder tatsächlich unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2003 - 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <336>). Das Beförderungsverbot ist so auszulegen, dass es nur Verstöße erfasst, die bei gesetzeskonformer Auslegung des Verbots objektiv rechtswidrig erscheinen (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <298>). Kann von einem Beförderungsunternehmer die Kontrolle der Ausweisdokumente seiner Passagiere bei der Beförderung über eine Schengen-Binnengrenze nach Unionsrecht nicht verlangt werden, verletzt er durch das Unterlassen einer Kontrolle nicht seine Pflicht nach § 63 Abs. 1 AufenthG. Im Streit steht daher nicht die Frage einer Unionsrechtswidrigkeit der gesetzlichen Vorschrift des § 63 AufenthG, sondern die unionsrechtskonforme Bestimmung ihres Regelungsinhalts. Entscheidungserheblich ist die Frage, ob Unionsrecht - hier: der Schengener Grenzkodex vom 9. März 2016 - den von der Beklagten geforderten Kontrollmaßnahmen entgegensteht. Zur Beantwortung dieser Frage, die der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschieden hat, werden unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. Es besteht daher unionsrechtlicher Klärungsbedarf.
b) 1. Vorlagefrage
Die 1. Vorlagefrage zielt auf die Klärung, ob Art. 67 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Art. 22, 23 des Schengener Grenzkodex (SGK) vom 9. März 2016 der nationalen Regelung eines Mitgliedstaates entgegenstehen, die Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze im Ergebnis verpflichtet, die Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere vor dem Überschreiten einer Binnengrenze zu kontrollieren, um einer Beförderung von Ausländern ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken. Nach Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Art. 22 SGK präzisiert dies dahin, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Art. 23 Buchst. a SGK verbietet Maßnahmen, die die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Art. 23 Buchst. b SGK legt fest, dass Beförderungsunternehmern unter näher bestimmten Bedingungen Kontrollen durchführen dürfen. Die vom vorlegenden Gericht unterbreitete Unterfrage a) zielt auf den näheren Inhalt von Art. 22 SGK, die Unterfragen b) und c) auf den Inhalt von Art. 23 Buchst. a SGK und die Unterfrage d) auf den Inhalt von Art. 23 Buchst. b SGK.
(1) Mit der Unterfrage 1 a) ersucht das vorlegende Gericht um die Klärung der Frage, ob die hier von der Klägerin geforderten Dokumentenkontrollen eine "Personenkontrolle" an den "Binnengrenzen" im Sinne von Art. 22 SGK darstellen oder einer solchen Personenkontrolle gleichzustellen sind. Dabei ist aus Sicht des vorlegenden Gerichts von den Definitionen der einschlägigen Begriffe in Art. 2 SGK auszugehen. Art. 2 Nr. 1 Buchst. a SGK definiert den Begriff der "Binnengrenze" u.a. als gemeinsame Landgrenze der Mitgliedstaaten. Für den Begriff der "Personenkontrolle" findet sich in Art. 2 SGK zwar keine eigene Definition, wohl aber für den Begriff der "Grenzübertrittskontrollen" in Art. 2 Nr. 11 SGK. Darunter sind die Kontrollen zu verstehen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen und der Feststellung dienen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Soweit hiernach der in Art. 22 SGK verwendete Begriff der "Personenkontrollen" als ein Unterfall von Grenzübertrittskontrollen im Sinne von Art. 2 Nr. 11 SGK zu verstehen sein sollte, stellt sich die Frage, ob Kontrollen außerhalb von Grenzübergangsstellen überhaupt als "Personenkontrollen" im Sinne von Art. 22 SGK angesehen werden können. Darauf kommt es hier an, weil die von der Klägerin (wie von Busunternehmern generell) geforderte Dokumentenkontrolle vor Beginn der Beförderung verlangt wird, also beim Besteigen des Busses und damit vor Erreichen der zu überquerenden Schengen-Binnengrenze. Der Gerichtshof hat sich bisher nur mit hoheitlichen Maßnahmen befasst, die innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats an der Grenze oder im Grenzgebiet vorgenommen werden, aber nicht mit Maßnahmen, die vor der Grenze stattfinden (EuGH, Urteile vom 22. Juni 2010 - C-188/10 und C-189/10 [ECLI:EU:C:2010:363], Melki und Abdeli - Rn. 68 und vom 19. Juli 2012 - C-278/12 [ECLI:EU:C:2012:508], PPU - Adil - Rn. 56). Gegen eine "Personenkontrolle" im Sinne von Art. 22 SGK könnte zudem sprechen, dass die Kontrolle von Mitarbeitern privater Beförderungsunternehmen im Sinne von Art. 2 Nr. 15 SGK durchzuführen ist und nicht von staatlichen Grenzschutzbeamten im Sinne von Art. 2 Nr. 14 SGK. Andererseits könnte es eine effektive Durchsetzung des Verbots von Personenkontrollen an Binnengrenzen nach Art. 67 Abs. 2 AEUV (effet utile) gebieten, in das Verbot auch Kontrollen im Vorfeld der Grenze durch Private einzubeziehen, wenn den Privatunternehmern die Kontrollpflicht vom Staat auferlegt wird, sich diese nur auf die Beförderung über die Grenze bezieht und sich für die Betroffenen ähnlich wie eine verbotene Grenzübertrittskontrolle auswirkt.
Nach der Begründung des Kommissionsentwurfs vom 26. Mai 2004 zu der Vorläuferregelung des Art. 22 SGK ist "jede systematische oder stichprobenmäßige Kontrolle, die ausschließlich aufgrund des Überschreitens einer Binnengrenze durchgeführt wird, [...] unvereinbar mit dem Konzept eines Raumes ohne Grenzen und daher nicht zulässig" (KOM(2004) 391 endgültig S. 33). Das spricht eher für eine weite Auslegung des Begriffs der Kontrollmaßnahmen nach Art. 22 SGK. Zudem hat die Kommission in einer Stellungnahme vom 20. Februar 2014 die Tschechische Republik aufgefordert, ihre Rechtsvorschriften so zu ändern, dass Beförderungsunternehmen, die ausländische Reisende ohne die entsprechenden Reisedokumente auf Flügen innerhalb des Schengen-Raums befördern, nicht mit Sanktionen belegt werden. Sie hat die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen zur Durchführung systematischer Personenkontrollen als Verstoß gegen die EU-Rechtsvorschriften zur Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen angesehen (Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 26. Mai 2014 - COM(2014) 292 final S. 6).
(2) Mit der Unterfrage 1 b) ersucht das vorlegende Gericht um die Klärung der Frage, ob die Auferlegung der hier streitgegenständlichen Kontrollpflicht an Art. 23 Buchst. a SGK zu messen ist, obwohl die Beförderungsunternehmer keine "polizeilichen Befugnisse" ausüben und auch nicht förmlich zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse ermächtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Personenkontrollen im Umfeld der Grenze unter bestimmten Voraussetzungen unter das Verbot wirkungsgleicher Maßnahmen im Sinne von Art. 23 Buchst. a SGK fallen (EuGH, Urteile vom 22. Juni 2010 - C-188/10 und C-189/10 - Rn. 68 ff. und vom 19. Juli 2012 - C-278/12 - Rn. 57 ff.). Der Gerichtshof beurteilt die Frage, ob eine wirkungsgleiche Maßnahme vorliegt, aufgrund einer Gesamtschau der Kriterien in Art. 23 Buchst. a Ziffer i bis iv SGK. Danach kann für eine Wirkungsgleichheit etwa sprechen, dass Kontrollen das gleiche Ziel haben wie Grenzübertrittskontrollen und systematisch und nicht lediglich stichprobenmäßig durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 - C-188/10 und C-189/10 - Rn. 70 ff.). Nach § 63 Abs. 1 AufenthG gilt die aus dem Beförderungsverbot herzuleitende Verpflichtung zur Dokumentenkontrolle für alle Beförderungsvorgänge auf dem Land-, Luft- und Seeweg. Der Eisenbahnverkehr ist durch die o.g. Verwaltungsvorschrift ausgenommen, die jedoch das Gesetz nicht abändern kann. Diese Verpflichtung zielt auf Personenkontrollen ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr und auf systematische Kontrollen, die jeden Einzelfall der Beförderung betreffen und nicht allein stichprobenmäßig erfolgen. Damit werden einige der vom Gerichtshof als wesentlich erachtete Gesichtspunkte für eine wirkungsgleiche Maßnahme erfüllt.
Zu klären ist jedoch, ob sich die Kriterien des Art. 23 Buchst. a SGK überhaupt auf Personenkontrollen durch private Beförderungsunternehmer beziehen. Dagegen könnte sprechen, dass die Regelung sich ausdrücklich nur auf "die Ausübung der polizeilichen Befugnisse" bezieht (Art. 23 Buchst. a Satz 1 und 2 SGK). Die Kontrollen werden hier aber von privaten Beförderungsunternehmern verlangt. Diese üben bei Durchführung der Kontrollen keine polizeilichen Befugnisse aus und sind auch nicht förmlich zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse ermächtigt. Die von ihnen verlangte Überprüfung der Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere ersetzt nicht die behördlichen Grenzkontrollen, sofern diese zulässig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 1992 - 1 C 48.89 - NVwZ 1992, 682 <683> Rn. 16). Dafür könnte sprechen, dass die Beförderungsunternehmen die Kontrollmaßnahmen nicht aufgrund eigener Entscheidung ausüben, etwa aus Sicherheitsgründen, sondern weil der deutsche Staat dies von ihnen zum Zwecke der Einhaltung der Einreisebestimmungen fordert und die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht mit Zwangsmitteln durchsetzt. Insofern stellt sich die Frage, ob Art. 23 Buchst. a SGK auch Maßnahmen erfasst, die sich praktisch ähnlich wie Grenzübertrittskontrollen auswirken, aber von Privatunternehmern ausgehen, die damit eine gesetzliche Pflicht erfüllen.
(3) Mit Unterfrage 1 c) ersucht das vorlegende Gericht für den Fall der Bejahung der Unterfrage 1 b) um Klärung, ob die im vorliegenden Fall geforderten Kontrollen unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 23 Buchst. a Satz 2 SGK eine unzulässige Maßnahme gleicher Wirkung darstellen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Dokumentenkontrollen ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr erfolgen und der Verhinderung des illegalen Grenzübertritts dienen. Die Gleichgerichtetheit ihres Zieles mit staatlichen Grenzübertrittskontrollen führt für sich genommen aber noch nicht zur Wirkungsgleichheit. Die Kontrollpflicht zielt aber auf jeden Einzelfall der Beförderung. Die Beförderungsunternehmen sind zu systematischen Kontrollen verpflichtet und nicht allein zu Stichprobenkontrollen, wollen sie dem umfassenden gesetzesunmittelbaren Beförderungsverbot entsprechen. Gegen eine Wirkungsgleichheit mag aber sprechen, dass die Kontrollen nicht die gleiche Tiefe haben wie Dokumentenkontrollen der Polizei. Die Busfahrer sind - trotz angebotener Fortbildungsmaßnahmen - nicht vergleichbar fachkundig, um Dokumentenfälschungen zu erkennen. Sie haben keinen Zugriff auf öffentliche Datenbanken. Auch stehen ihnen neben dem Ausschluss von der Beförderung keine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung, über die die Polizei verfügt, etwa eine Inhaftnahme.
(4) Mit Unterfrage 1 d) wird um Klärung ersucht, ob die im vorliegenden Fall geforderten Kontrollen an Art. 23 Buchst. b SGK zu messen sind bzw. ob diese Vorschrift Rückschlüsse auf die Reichweite des Kontrollverbots erlaubt. Nach dieser Vorschrift berührt die Befugnis von Beförderungsunternehmern zu Sicherheitskontrollen bei Personen in See- und Flughäfen nicht das Verbot von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, sofern diese Kontrollen auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen. Für das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob daraus im Umkehrschluss die Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Kontrollen abgeleitet werden kann, weil sie keine Sicherheitskontrollen darstellen und nicht auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen. Die auf der Grundlage von § 63 Abs. 1 AufenthG geforderten Kontrollen werden von Beförderungsunternehmern im Sinne von Art. 23 Buchst. b SGK verlangt und dienen der Überprüfung, ob beförderte Ausländer über die für einen Grenzübertritt erforderlichen Dokumente verfügen. Sie stellen keine Sicherheitskontrollen dar. Allerdings werden sie - abweichend vom Erfordernis des Art. 23 Buchst. b SGK nicht an See- oder Flughäfen verlangt, sondern vor Fahrtantritt im grenzüberschreitenden Buslinienverkehr.
Die Vorschrift des Art. 23 Buchst. b SGK kann als Sonderregelung für die grenzüberschreitende Beförderung von See- und Flughäfen angesehen werden oder als eine verallgemeinerungsfähige Regelung, wonach auch Beförderungsunternehmern Personenkontrollen verboten sind, die sich für den Passagier - anders als Sicherheitskontrollen - als wirkungsgleiche Maßnahme wie verbotene Grenzkontrollen darstellen. Da die Vorschrift ausdrücklich Beförderungsunternehmen umfasst, könnte die Norm dahin auszulegen sein, dass auch staatlich veranlasste Kontrollmaßnahmen Privater gegen das Verbot wirkungsgleicher Maßnahmen verstoßen können, wenn sie sich ähnlich wie Grenzübertrittskontrollen auswirken. Eine solche Auslegung mag zur effektiven Durchsetzung des in Art. 67 Abs. 2 AEUV verankerten Gebots beitragen, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. In diesem Sinne kann die Stellungnahme der Kommission zur Unionsrechtswidrigkeit von sanktionierten Kontrollpflichten, die die Tschechische Republik Fluggesellschaften auferlegt hatte (vgl. COM(2014) 292 final S. 6), zu verstehen sein. Aber auch hier wird zu berücksichtigen sein, dass die Kontrollen der Beförderungsunternehmer nicht die gleiche Tiefe wie Dokumentenkontrollen der Polizei haben und ihren Beschäftigten neben dem Ausschluss von der Beförderung keine den polizeilichen Maßnahmen vergleichbaren Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stehen.
c) 2. Vorlagefrage
Die 2. Vorlagefrage soll klären, ob Art. 22, 23 SGK einer nationalen Regelung wie der hier maßgeblichen des § 63 Abs. 2 AufenthG entgegenstehen, nach der zur Einhaltung der aus § 63 Abs. 1 AufenthG abgeleiteten Pflicht zur Dokumentenkontrolle eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen ein Busunternehmen erlassen werden kann, wenn infolge der unterlassenen Kontrollen auch Ausländer ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert worden sind. Dabei bezieht sich die Frage der Sache nach auf die streitgegenständlichen Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung der Kontrollpflicht bei der Personenbeförderung über eine Schengen-Binnengrenze. Die verfügten Maßnahmen bilden im Rahmen eines gestuften Verfahrens der Vollstreckung die Grundlage für die Möglichkeit der Festsetzung von Zwangsgeldern von mindestens 1 000 € und höchstens 5 000 € für jeden künftigen Einzelfall der Zuwiderhandlung. Sie haben daher eine höhere Eingriffsintensität als eine nicht sanktionsbewehrte Kontrollpflicht. Die Gesichtspunkte, die für und gegen einen Verstoß gegen Art. 22, 23 SGK angeführt werden können, entsprechen im Übrigen den Ausführungen zu Vorlagefrage 1. Bei der Beantwortung der 2. Vorlagefrage könnte auch Art. 11 des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000 zu berücksichtigen sein. Nach Art. 11 Abs. 2 des Zusatzprotokolls trifft jeder Vertragsstaat gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Zusatzprotokolls umschriebenen Straftaten, d.h. zur Schleusung von Migranten, benutzt werden. Art. 11 Abs. 3 des Zusatzprotokolls sieht hierzu ausdrücklich vor, dass die Vertragsstaaten den Beförderungsunternehmern eine Kontrollpflicht auferlegen können.
3. Das vorlegende Gericht sieht in diesem Zusammenhang indes keinen Klärungsbedarf zur Frage, in welchem Verhältnis die Regelungen der Art. 22, 23 SGK zur Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 (ABl. L 328 S. 17) und dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom gleichen Tag betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 S. 1) stehen. Die genannte Richtlinie und der Rahmenbeschluss verlangen von den Mitgliedstaaten angemessene Sanktionen für private und juristische Personen, die vorsätzlich Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise oder zum unerlaubten Aufenthalt leisten. Es kann offenbleiben, ob diese Regelungen - wie Art. 5 Abs. 3 SGK, Art. 26 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) (ABl. L 239 S. 19) und Art. 4 der Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 - Sanktionen nur für das unbefugte Überschreiten von Schengen-Außengrenzen vorsehen (zum Inhalt von Art. 5 Abs. 3 SGK vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016 - C-47/15 [ECLI:EU:C:2016:408], Affum - Rn. 91). Denn diese Regelungen bestimmen nicht die Reichweite der zulässigen Personenkontrollen. Diese ergibt sich vielmehr aus Art. 22, 23 SGK. Nur wenn eine Kontrollmaßnahme mit dem SGK vereinbar ist, darf sie auch nach den Regeln der Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 und des Rahmenbeschlusses des Rates vom gleichen Tag (2002/946/JI) sanktioniert werden. Im Übrigen knüpfen die Zwangsmaßnahmen des § 63 Abs. 2 AufenthG an jeden objektiven Verstoß gegen ein Beförderungsverbot an, während die Richtlinie 2002/90/EG und der Rahmenbeschluss 2002/946/JI nur vorsätzliches Verhalten sanktionieren, wie es in Fällen wie dem vorliegenden typischerweise nicht vorliegt. Die Beförderung von Passagieren, die nicht im Besitz der erforderlichen Reisedokumente sind, stellt in der Regel keine vorsätzliche Beihilfe zur unerlaubten Einreise dar. Vielmehr ist die Durchführung genehmigter Personenbeförderungen im Buslinienverkehr zunächst eine berufstypische "neutrale" Handlung (vgl. dazu: BGH, Urteile vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00 - NJW 2001, 2409 <2410> und vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12 - NZWiSt 2014, 139 juris Rn. 26, 29), bei der der Beförderungsunternehmer darauf vertrauen darf, dass die Passagiere dieses nicht zur Begehung einer Straftat ausnutzen werden. Er hat regelmäßig keine positive Kenntnis von einer unerlaubten Einreise und will diese auch nicht wissentlich unterstützen.
Keinen Klärungsbedarf sieht der Senat weiterhin in Bezug auf Art. 26 SDÜ i.V.m. der Richtlinie 2001/51/EG und deren Erwägungsgrund 4. Wegen des Außengrenzenbezuges dieser Regelungen folgt hieraus keine Befugnis, Beförderungsunternehmern an Binnengrenzen Kontrollpflichten aufzuerlegen.
4. Bei der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen mag vom Gerichtshof zu berücksichtigen sein, dass die Außengrenzen der Union derzeit nur unzureichend gesichert sind und im Schengen-Binnenraum in beträchtlichem Umfang eine illegale Sekundärmigration stattfindet. Das könnte dem öffentlichen Interesse an wirksamen Gegenmaßnahmen zusätzliches Gewicht geben. Wegen der begrenzten Disfunktionalität des Schengen-Raums hat die Kommission mehrfach der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an bestimmten Binnengrenzen zugestimmt. Hinsichtlich der hier streitgegenständlichen deutsch-belgischen Grenze liegt ein Beschluss der Bundesrepublik Deutschland, Grenzkontrollen vorübergehend wieder einzuführen (vgl. Art. 25 ff. SGK), allerdings nicht vor.