Entscheidungsdatum: 12.07.2016
Ein asylrechtliches Folge- und Zweitverfahren ist nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG bestandskräftig abgeschlossen, wenn zwar die Feststellung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen von Abschiebungsschutz nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) vorliegen, bestandskräftig geworden ist, nicht aber die Entscheidung über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens; die Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels wirkt dann für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens fort.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste im Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte im Juni 2013 die Gewährung von Asyl. Zuvor hatte er schon in Italien einen Asylantrag gestellt. Den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - über die Unzulässigkeit des Asylantrags und die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien hob das Verwaltungsgericht mit Blick auf eine psychische Erkrankung des Klägers auf. Nach Durchführung einer Anhörung des Klägers zu seinen Asylgründen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 7. November 2014 den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, stellte aber fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syrien bestehe. Dem Kläger drohe dort eine unmenschliche Behandlung, woraus sich ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK ergebe. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Gewährung asylrechtlichen Schutzes im Klagewege weiter; eine Entscheidung hierüber ist bislang noch nicht ergangen. Er ist seit Juni 2013 im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG, zuletzt verlängert bis zum 20. Oktober 2016.
Im November 2014 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sowie die Ausstellung eines Ausweisersatzdokuments. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Februar 2015 ab.
Mit Urteil vom 13. November 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgewiesen und das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Ausweisersatzdokuments zurückgenommen worden war. Das Gericht hat die Klage als zulässig, aber unbegründet angesehen. Die Beklagte sei gemäß § 10 Abs. 1 AufenthG gehindert, die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das Asylverfahren des Klägers sei nicht dadurch abgeschlossen, dass das Bundesamt dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt habe. Das Verfahren erstrecke sich vielmehr auch auf die weiter begehrte Zuerkennung von asylrechtlichem Schutz. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 AufenthG erfasse auch das Asylfolgeverfahren. Der Kläger habe auch keinen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG begründe einen solchen Anspruch nicht.
Mit der Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 10 Abs. 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehe, sei unzutreffend. Sie führe zu einer Benachteiligung der Asylantragsteller, die - wie der Kläger - zulässige Rechtsmittel einlegten, während diejenigen, die auf eine Flüchtlingsanerkennung verzichteten, sofort eine Aufenthaltserlaubnis erhielten. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG kein "gesetzlicher Anspruch" im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG sei. Ein strikter Rechtsanspruch könne sich auch aus Soll-Regelungen wie § 25 Abs. 3 AufenthG ergeben, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dem durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2015 (1 C 31.14) entschiedenen dadurch, dass die Beklagte aufgrund der vorausgegangenen Asylantragstellung des Klägers in Italien davon ausgehe, dass hier ein Zweitverfahren im Sinne von § 71a AsylG vorliege. Nach § 71a Abs. 3 Satz 1 AsylG werde der Aufenthalt des Betroffenen aber nur geduldet, während er in einem Erstverfahren, wie es der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag, eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG erhalte. Dadurch werde sein weiterer Aufenthalt nicht durch einen Aufenthaltstitel gesichert. Zudem sei für Fallgestaltungen wie die vorliegende zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes nach Art. 3 GG eine Besserstellung von Asylantragstellern geboten, die die Voraussetzungen für nationalen Abschiebungsschutz erfüllten, gegenüber denjenigen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten. Dabei sei die Besonderheit des vorliegenden Falls zu berücksichtigen, in dem ein weiteres Asylverfahren gerade nicht durchgeführt worden sei. Weiter würde bei Verweigerung der begehrten Aufenthaltserlaubnis Art. 2 GG verletzt, da dem Kläger die Zulassung zum Integrationskurs abgelehnt worden sei mit der Begründung, dass in seinem Fall derzeit nicht von einer guten Bleibeperspektive in Deutschland ausgegangen werden könne.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und hebt hervor, dass der Anwendungsbereich von § 10 Abs. 1 AufenthG auch für einen Zweitantrag nach § 71a AsylG eröffnet sei.
Die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Dem Kläger kann für den streitbefangenen Zeitraum nach § 10 Abs. 1 AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil sein Asylverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist (1.). Ihm steht auch kein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu, weil nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG in Fällen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis lediglich erteilt werden "soll" (2.).
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 16.14 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 22 Rn. 14). Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71). Maßgeblich ist hier mithin das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) und das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), beide zuletzt geändert durch Gesetze vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390 und 394). Soweit hier die Erteilung eines Aufenthaltstitels auch für einen zurückliegenden Zeitraum begehrt wird, ist indes auf die Rechtslage in diesem Zeitraum abzustellen, soweit nicht nachfolgende Rechtsänderungen materielle Rückwirkung für vorangehende Zeiträume haben. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften haben sich im hier zu berücksichtigenden Zeitraum jedoch nicht materiell verändert.
1. Dem Kläger kann kein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil er in Deutschland einen - aus Sicht der Beklagten zweiten - Asylantrag gestellt hat und sein Asylverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist (§ 10 Abs. 1 AufenthG). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG auch in Fällen greift, in denen das mit dem Asylantrag eingeleitete Verfahren zur (bestandskräftigen) Anerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG geführt hat, es im Übrigen aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels während des Asylverfahrens wirkt dann für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens fort.
1.1 Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass der Kläger in Deutschland einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG gestellt hat, über den noch nicht insgesamt bestandskräftig entschieden worden ist. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hatte den nach seiner Wertung auf Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens gerichteten Antrag des Klägers abgelehnt und lediglich Abschiebungsschutz nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 AufenthG) gewährt. Auch ein Zweitantrag ist ein Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 71a Abs. 1 AsylG ergibt. Da der Kläger mit dem Ziel der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und Zuerkennung von Flüchtlingsschutz Klage erhoben hat, ist insoweit die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag nicht bestandskräftig geworden.
1.2 Für den Wegfall der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG reicht ein lediglich teilweise bestandskräftiger Abschluss des mit dem Asylantrag eingeleiteten Verwaltungsverfahrens nicht aus. Hierzu hat der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 17. Dezember 2015 (1 C 31.14 - NVwZ 2016, 458 Rn. 12 f.) ausgeführt:
"Bereits der Wortlaut der Vorschrift erfordert, dass das Asylverfahren insgesamt bestandskräftig abgeschlossen worden ist. Dies bestätigt auch der systematische Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 AufenthG, der den Fall einer unanfechtbaren Ablehnung des Asylantrages regelt und auch hier nicht zwischen den einzelnen Entscheidungsgegenständen eines Asylverfahrens differenziert; dies sieht § 10 AufenthG auch sonst nicht vor.
Gegen eine Auslegung, die eine bestandskräftige Zuerkennung nationalen Abschiebungsschutzes ausreichen lässt, um insoweit die Titelerteilungssperre wegfallen zu lassen, spricht mittelbar auch § 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, nach dem auch ein nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilter Aufenthaltstitel kraft Gesetzes erlischt, wenn ein Ausländer einen Asylantrag gestellt hat. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten erfasst diese Erlöschensregelung zwar nicht den Fall, dass ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG aufgrund einer Feststellung des Bundesamtes nach § 31 Abs. 3 Asyl[Vf]G über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5, 7 AufenthG zu erteilen wäre, weil lediglich ein der Aufenthaltstitelerteilung zeitlich nachfolgender Asylantrag ein Erlöschen des Titels bewirkt. Aus dieser Erlöschensregelung ergibt sich aber der klare Wille des Gesetzgebers, während eines noch nicht insgesamt abgeschlossenen Asylverfahrens den rechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers allein durch die Aufenthaltsgestattung nach dem Asyl(verfahrens)gesetz zu sichern und daneben grundsätzlich keinen humanitären Aufenthaltstitel zuzulassen."
Diese vom Senat für das asylrechtliche Erstverfahren formulierten Gründe gelten auch für das hier eingeleitete Zweitantragsverfahren nach § 71a AsylG. Muss nach § 10 Abs. 1 AufenthG das Asylverfahren insgesamt bestandskräftig abgeschlossen sein, bevor ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, so wird davon auch das Folgeverfahren nach § 71 AsylG und das Zweitverfahren nach § 71a AsylG erfasst (so auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 26. Mai 2015 - 2 L 18/14 - AuAS 2015, 170 <172>; OVG Greifswald, Urteil vom 10. März 2010 - 2 L 18/09 - juris Rn. 9; OVG Hamburg, Urteil vom 27. November 1998 - Bf IV 45/96 - EZAR 017 Nr. 18; VGH Mannheim, Urteil vom 17. April 1996 - 11 S 156/96 - InfAuslR 1996, 303; Discher, in: GK-AufenthG, § 10 Rn. 44 - 47, Stand Juli 2014).
Gegen die Ansicht, ein Folge- oder Zweitantrag löse die Wirkungen des § 10 AufenthG nicht aus, weil er nicht vor, sondern nach dem bestandskräftigen Abschluss des (Erst-)Verfahrens gestellt werde und wegen des ungesicherten Aufenthalts dem Erstantrag nicht ähnlich sei (so Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 10 AufenthG Rn. 6), spricht zunächst der Wortlaut von § 71 Abs. 1 Satz 1 und § 71a Abs. 1 AsylG, der auch den Folge- und Zweitantrag als Asylantrag bezeichnet, der bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein weiteres Asylverfahren eröffnet. Gründe für eine Privilegierung des Folge- und Zweitantragstellers gegenüber dem Erstantragsteller bei Anwendung des § 10 AufenthG liegen nicht vor (so auch Discher, in: GK-AufenthG, § 10 Rn. 46, Stand Juli 2014; Hailbronner, AuslR, § 10 AufenthG Rn. 6, Stand Mai 2012; vgl. auch Nr. 10.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009
Zwar ist ein Zweitantragsteller nach § 71a AsylG in der Phase des mit dem Zweitantrag eingeleiteten Verfahrens, in der das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG geprüft wird, aufenthaltsrechtlich schlechter gestellt als ein Erstantragsteller, indem er während des Asylverfahrens - jedenfalls zunächst - nur Anspruch auf eine Duldung (§ 71a Abs. 3 AsylG) und nicht auf eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) hat. Sein Aufenthalt ist aber zumindest durch eine Duldung bis zum Abschluss des Verfahrens gesichert. Offenbleiben kann, ob in Fällen wie dem vorliegenden § 71a Abs. 3 AsylG einschränkend auszulegen ist und jedenfalls nach der Entscheidung des Bundesamtes, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu erteilen ist, die dann auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkt (vgl. dazu Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71a Rn. 31, Stand April 2009; Hailbronner, AuslR, § 71 AsylG Rn. 94 und 96 f. sowie § 71a AsylG Rn. 33, Stand August 2010). Im vorliegenden Fall kommt - die Entscheidung nicht tragend - hinzu, dass der Kläger aufgrund des Bescheids des Bundesamtes vom 7. November 2014 Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK genießt und ihm tatsächlich eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden ist, die zuletzt bis zum 20. Oktober 2016 verlängert worden ist.
1.3 Die Regelungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) und die der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 304 S. 12) zum Inhalt des internationalen Schutzes und den nach Zuerkennung eines Schutzstatus auszustellenden Aufenthaltstitel rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie sind nicht auf die Feststellung anzuwenden, ob die Voraussetzungen von Abschiebungsschutz nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) vorliegen.
1.4 Eine Auslegung, nach der für den Wegfall der Titelerteilungssperre bereits die bestandskräftige Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsschutz nach nationalem Recht durch das Bundesamt aus Anlass eines Asylantrags ausreicht, ist auch für einen Zweitantragsteller im Sinne von § 71a AsylG nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet keine aufenthaltsrechtliche Besserstellung von Asylantragstellern, für die das Bundesamt die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots festgestellt hat, gegenüber solchen Personen, für die eine solche Feststellung nicht getroffen wurde. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 (1 C 31.14 - NVwZ 2016, 458 Rn. 16) ausgeführt:
"Kern des Verwaltungsverfahrens, das durch einen Asylantrag eingeleitet wird, ist neben dem Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter das auf Zuerkennung von internationalem Schutz (§ 13 Abs. 2 Asyl[Vf]G). Die Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach nationalem Recht ist vom Bundesamt nur dann zu treffen, wenn es zu einem Asylantrag entscheidet. Ein isolierter Antrag auf Feststellung allein nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) ist kein Asylantrag und begründet als solcher nicht die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes nach § 24 Abs. 2 Asyl[Vf]G. Bei Personen, bei denen das Asylverfahren in Bezug auf die Kernbegehren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist, bewirkt eine bestandskräftige positive Entscheidung allein zum Abschiebungsschutz nach nationalem Recht dann aber keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht, dass zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes eine aufenthaltsrechtliche Besserstellung gegenüber solchen Personen geboten wäre, bei denen das Bundesamt die Voraussetzungen nationalen Abschiebungsschutzes nicht festgestellt hat. Eine Entscheidung, die von dem Bundesamt kraft Gesetzes (§ 24 Abs. 2 Asyl[Vf]G) nach Stellung eines Asylantrages zu treffen ist, ist eben keine Entscheidung über diesen Asylantrag."
Diese Gründe gelten auch für das asylrechtliche Folge- und Zweitverfahren. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich ein relevanter Unterschied nicht aus der Tatsache, dass im vorliegenden Fall ein weiteres Asylverfahren wegen der Ablehnung von Gründen im Sinne von § 51 VwVfG seitens der Beklagten (bisher) nicht durchgeführt worden ist. Denn der Kläger erstrebt mit seinem anhängigen Klageverfahren ja weiterhin die Durchführung eines solchen Verfahrens. Damit kann von einem Abschluss des Asylverfahrens mangels rechtskräftiger Beendigung des gerichtlichen Verfahrens nicht ausgegangen werden.
Nicht berücksichtigungsfähig im Revisionsverfahren ist der neue Tatsachenvortrag des Klägers, ihm sei die Zulassung zu einem Integrationskurs mit der Begründung abgelehnt worden, dass in seinem Fall derzeit nicht von einer guten Bleibeperspektive in Deutschland ausgegangen werden könne. Daraus kann er aber im Übrigen auch keine Verletzung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch die gerichtliche Auslegung von § 10 Abs. 1 AufenthG ableiten. Denn selbst wenn die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG im Fall des Klägers mitursächlich für die abgelehnte Zulassung zum Integrationskurs gewesen wäre, was nicht offenkundig ist, handelt es sich hierbei um eine - möglicherweise fehlerhafte - Einzelentscheidung des Bundesamtes, die allein die Regelungen zum Zugang zu einem Integrationskurs in Fällen der Titelerteilungssperre betrifft und deshalb keine Rückschlüsse auf die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 AufenthG in der hier gefundenen Auslegung erlaubt.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), das auch unverhältnismäßige Einschränkungen des Zugangs zum Gericht verbietet, ist durch die Versagung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ebenfalls nicht berührt. Der Kläger wird durch § 10 Abs. 1 AufenthG rechtlich nicht gehindert, nach ablehnender Entscheidung des Bundesamtes sein Verpflichtungsbegehren auf internationalen Schutz gerichtlich zu verfolgen. Die tatsächlichen aufenthaltsrechtlichen Folgen für den Zugang zu einem humanitären Aufenthaltstitel bei Klageerhebung sind Folge der systematischen Entscheidung des Gesetzgebers, den Aufenthalt von Personen, die internationalen Schutz begehren, einheitlich zu regeln und im Fall des Zweitverfahrens durch eine Duldung (§ 71a Abs. 3 AsylG) abzusichern. Dies vermittelt für die Dauer des Asylverfahrens zwar keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, wohl aber Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Weil auch die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz das menschenwürdige Existenzminimum sichern, sind die sozialrechtlichen Konsequenzen eines Verweises auf eine Aufenthaltssicherung durch eine Duldung nach § 71a Abs. 3 AsylG ebenfalls nicht geeignet, den Zugang zum Gericht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise zu erschweren. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass ihm das Bundesamt ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK zuerkannt hat.
2. Dem Kläger steht für den streitbefangenen Zeitraum auch kein "gesetzlicher Anspruch" auf einen Aufenthaltstitel zu, der nach § 10 Abs. 1 AufenthG schon vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens die Erteilung eines Aufenthaltstitels ermöglicht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 (1 C 31.14 - NVwZ 2016, 458 Rn. 19 - 22) näher ausgeführt, warum die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG keinen gesetzlichen Anspruch begründet. Auf die nachstehend wiedergegebene Begründung, die auch für asylrechtliche Folge- und Zweitverfahren gilt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen:
"2.1 Als Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt für den streitbefangenen Zeitraum hier allein § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Betracht. Nach dieser Regelung 'soll' u.a. Personen, bei denen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist ausgeschlossen, soweit die in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG benannten Gründe vorliegen; in Bezug auf die Klägerin sind solche Gründe durch das Berufungsgericht nicht festgestellt oder sonst ersichtlich.
2.2 Zu einem 'gesetzlichen Anspruch' im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG führen nicht Regelansprüche oder Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften (offengelassen noch BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 Rn. 24 [zu § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]). Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne dieser Regelung muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (s.a. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 16 [zu § 5 Abs. 2 AufenthG]).
Bei einer 'Soll'-Regelung, wie sie § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG enthält, fehlt es an einer abschließenden abstrakt-generellen, die Verwaltung bindenden Entscheidung des Gesetzgebers. Zwar ist bei einer Soll-Regelung die Entscheidung der Verwaltung insoweit gebunden, als bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen die Rechtsfolge regelmäßig vorgezeichnet ist. Auch die Frage, ob ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, bei dem der Verwaltung ein Rechtsfolgenermessen eröffnet ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung (stRspr, BVerwG, Urteile vom 17. September 1987 - 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <105, 113>, vom 10. September 1992 - 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 = juris Rn. 18 und vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 - BVerwGE 124, 326 <331>) und ist in diesem Sinne im ersten Schritt eine rechtlich gebundene Entscheidung. Anders als bei einer Anspruchsnorm, bei der die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl positiv als auch negativ abschließend bestimmt sind, kann indes nur aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt und festgestellt werden, ob ein Ausnahmefall vorliegt; die möglichen Versagungsgründe sind hiernach gerade nicht in abschließender Weise durch den Gesetzgeber vollumfänglich ausformuliert. Diese normative Offenheit in Bezug auf Umstände, die einen Fall als atypisch erscheinen lassen, unterscheiden eine 'Soll'-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne auch von solchen Normen, die für die abstrakt-generellen Tatbestandsvoraussetzungen unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Aus denselben Gründen, bei denen für einen 'gesetzlichen Anspruch' jedenfalls im Sinne des § 10 AufenthG ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift auch dann nicht genügt, wenn das Ermessen im Einzelfall 'auf Null' reduziert ist (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 Rn. 21 m.w.N.), fehlt es wegen der Notwendigkeit einer der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen nachgelagerten behördlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalles an einer abstrakt-generellen abschließenden, die Verwaltung bindenden Wertung des Gesetzgebers zu Gunsten eines Aufenthaltsrechts.
Diese aus dem Wortlaut und dem Zweck der Verwendung einer 'Soll'-Regelung, der Verwaltung eine abschließende Prüfung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalles zu ermöglichen, folgende Auslegung wird systematisch durch die Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AufenthG bestätigt. Dieser weiteren Ausnahme von der in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG angeordneten Titelerteilungssperre bedürfte es nicht, wenn in Fällen einer 'Soll'-Regelung bereits ein 'Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels' im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AufenthG vorläge. Die Gesetzesbegründung zu dieser durch Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) eingefügten Regelung (BT-Drs. 16/5065 S. 164) weist nicht darauf, dass diese Ergänzung ohne konstitutive Wirkung allein eine der Europarechtskonformität des deutschen Rechts geschuldete Klarstellung (in diese Richtung wohl Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2008, § 10 AufenthG Rn. 22 a.E.; Discher, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2014, § 10 Rn. 176.12) gewesen wäre (s.a. BayVGH, Urteil vom 6. März 2008 - 10 B 06.2961 - juris Rn. 16). Der unterschiedliche Wortlaut in § 10 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einerseits ('gesetzlichen Anspruchs') und Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift andererseits ('Anspruchs') weist nicht auf Regelungs- oder Bedeutungsunterschiede (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 Rn. 23)."
2.3 Dass nach § 10 Abs. 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, weil wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern und die Zustimmung der obersten Landesbehörde vorläge, macht der Kläger nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.