Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 15.11.2011


BVerwG 15.11.2011 - 1 C 21/10

Anordnung über die Aufnahme von Ausländergruppen aus dem Ausland; jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion; kein unmittelbarer Anspruch auf Aufnahmezusage; Anspruch auf Gleichbehandlung; Nachweis der Abstammung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
15.11.2011
Aktenzeichen:
1 C 21/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 15. November 2010, Az: 19 BV 10.871, Urteilvorgehend VG Ansbach, 11. März 2010, Az: AN 5 K 09.951, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Eine Anordnung des Bundesministeriums des Innern nach § 23 Abs. 2 AufenthG über die Aufnahme bestimmter Ausländergruppen begründet für die von ihr begünstigten Ausländer keine unmittelbaren Ansprüche auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Es besteht lediglich ein Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten praktischen Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Tatbestand

1

Die Kläger, ein moldawisches Ehepaar und seine beiden minderjährigen Kinder, begehren die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

2

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte ihre entsprechenden Anträge mit Bescheid vom 20. April 2009 ab und führte zur Begründung aus, die Kläger erfüllten nicht die Aufnahmevoraussetzungen nach der Anordnung des Bundesministerium des Innern vom 24. Mai 2007. Danach könnten - in Anknüpfung an das Nationalitätenrecht in der ehemaligen Sowjetunion - als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität seien oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammten. Aus den von den Klägern vorgelegten und vor 1990 ausgestellten staatlichen Personenstandsurkunden ergebe sich nur die jüdische Nationalität eines Großelternteils des Klägers zu 1.

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Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 11. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 handele es sich um eine innerdienstliche Richtlinie, die unmittelbar keine Rechte und Pflichten für Ausländer begründe. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts könne vom Gericht daher lediglich auf eine mögliche Verletzung des Willkürverbots bzw. des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes überprüft werden. Die in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach der in der Anordnung geforderte Nachweis der jüdischen Nationalität oder der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern oder die jüdische Abstammungslehre erbracht werden könne, beruhe mit Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern auf einer einheitlichen und durchgängigen Verwaltungspraxis und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. November 2010 den Berufungen der Kläger im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts zur Neubescheidung verpflichtet. Er hat dies wie folgt begründet: Zwar bestehe kein (Rechts-)Anspruch, von einer Regelung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden. Mache das Bundesministerium des Innern jedoch von der dort normierten Ermächtigung Gebrauch, müsse sein Handeln rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und bestehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die festgelegten Aufnahmekriterien nach Maßgabe des Gleichheitssatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsgebots. Ergehe die Anordnung in Gestalt einer Verwaltungsvorschrift, entfalte sie im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion Außenwirkung. Es unterliege deshalb gerichtlicher Kontrolle, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen ihrer Anwendung gegeben seien. Mache die Exekutive von ihrer Befugnis zur autonomen Rechtssetzung mittels der Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften Gebrauch, gebe sie zu erkennen, dass sie eine Selbstbindung kraft eigenen Normsetzungswillens eingehe, aufgrund dessen ein Anspruch auf Einhaltung des Zugesagten erwachse. In Anwendung dieses Prüfungsrahmens könne ein Anspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage vorliegend nicht unter Hinweis auf Nr. I 2 Buchst. a der Anordnung verneint werden. Danach genüge die jüdische Abstammung. Aus der vom Kläger zu 1 vorgelegten Geburtsurkunde seiner Mutter ergebe sich, dass er von einem jüdischen Großelternteil abstamme. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse er nicht die jüdische Nationalität seiner Mutter nachweisen. Die Behauptung einer abweichenden Verwaltungspraxis rechtfertige keine andere Beurteilung. Dem Bundesamt stehe eine autonome, vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Interpretation nicht zu. Sie stünde in Widerspruch zu den eigenen Leitvorstellungen und wäre ermessensfehlerhaft. Dies gelte auch, wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass es sich bei der Anordnung lediglich um eine Willenserklärung handele. Auch dann wäre sie angesichts ihrer Kundgabe nach außen und der existenziellen Auswirkungen für die Betroffenen aus objektiver Empfängersicht auszulegen. Aus den gewählten Anknüpfungskriterien ergebe sich, dass der Kreis der Begünstigten bezogen auf den jeweiligen Familienverband möglichst weit gefasst werden sollte, um ein willkürliches Auseinanderreißen zu verhindern.

5

Die Beklagte wendet sich mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gegen ihre Verpflichtung zur Neubescheidung. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe den Rechtscharakter und die gerichtliche Überprüfbarkeit der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer verkannt. Auf diese seien die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anordnungen nach § 32 AuslG 1990 entwickelten Grundsätze übertragbar. Das Berufungsgericht hätte die Anordnung daher nicht selbst auslegen dürfen. Nach ständiger Verwaltungspraxis setze die Erteilung einer Aufnahmezusage den Nachweis entweder der eigenen jüdischen Nationalität oder der jüdischen Nationalität eines Elternteils durch vor 1990 ausgestellte staatliche Personenstandsurkunden voraus.

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Die Kläger treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil.

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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass das Berufungsgericht die Anordnung nicht abweichend von der Praxis der Beklagten auslegen durfte.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht die Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der Baltischen Staaten vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 - Anordnung - wie einen Rechtssatz behandelt und daraus mit Blick auf die jüdische Abstammung des Klägers zu 1 einen Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage hergeleitet (1.). Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat die Anträge der Kläger ermessensfehlerfrei und ohne Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung abgelehnt (2.). Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Berufungsgerichts daher zu ändern und sind die Berufungen der Kläger in vollem Umfang zurückzuweisen.

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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger unmittelbar aus der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des Bundesministeriums des Innern über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer keinen Anspruch auf Neubescheidung herleiten. Nach dieser Anordnung können als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammen (I 2. Buchst. a der Anordnung). Der dabei verwendete Begriff der "jüdischen Nationalität" beruht auf einer Besonderheit in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Diese unterscheiden zwischen der Staatsangehörigkeit und der Nationalität. Das Judentum wird der Nationalität zugerechnet, die in staatlichen Personenstandsurkunden angegeben ist.

10

Das Aufenthaltsgesetz gewährt keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Aufnahme aus dem Ausland. Gemäß § 22 AufenthG kann ein Ausländer im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen im Ermessenswege aus dem Ausland aufgenommen werden. Außerdem kann das Bundesministerium des Innern nach der - mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl I S. 748) eingeführten - Neuregelung in § 23 Abs. 2 AufenthG zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Dass der Gesetzgeber es für erforderlich angesehen hat, die Anordnungsbefugnis des Bundesministeriums des Innern ausdrücklich zu regeln, und sie in § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufnahmezusage durch das Bundesamt ausgestaltet hat, besagt nichts darüber, wie eine solche Anordnung rechtlich einzuordnen ist.

11

Sinn und Zweck der Regelung in § 23 Abs. 2 AufenthG besteht darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hierdurch kann bei Aufnahmeentscheidungen, die typischerweise eine größere Zahl von Ausländern in gleicher oder vergleichbarer Weise betreffen, ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug sichergestellt werden. Nach den Gesetzesmaterialien enthält § 23 Abs. 2 AufenthG daher eine der Anordnungsbefugnis der Länder nach § 23 Abs. 1 AufenthG nachgebildete Anordnungsbefugnis des Bundes, derer es wegen der gleichzeitigen Verlagerung der Zuständigkeit für das Aufnahmeverfahren von den Ländern auf den Bund (vgl. § 75 Nr. 8 AufenthG) bedurfte, da Anordnungen der Länder als Rechtsgrundlage für den Bundesvollzug nicht in Betracht kommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 16/4444 S. 6).

12

Ob das Bundesministerium des Innern nach § 23 Abs. 2 AufenthG eine Anordnung erlässt, steht in seinem Ermessen ("kann"). Dieses Ermessen ist lediglich durch das im Gesetz genannte Motiv ("zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland") dahin begrenzt, dass eine Anordnung nicht aus anderen Gründen erlassen werden darf. Dabei ergibt sich aus der Natur der Sache, dass das Bundesministerium des Innern bei der Definition der besonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik und der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist. Es handelt sich hierbei um eine politische Leitentscheidung, die - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtscharakter vergleichbarer Anordnungen (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 zur Anordnungsbefugnis einer obersten Landesbehörde nach der Vorgängerregelung zu § 23 Abs. 1 AufenthG in § 32 AuslG 1990) - grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Bundesministerium des Innern kann im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen. Es kann dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <66>).

13

Neben der Festlegung der für die Erteilung einer Aufnahmezusage zu erfüllenden Voraussetzungen enthalten Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG zugleich die Weisung an das Bundesamt, einem Ausländer bei Erfüllung der Aufnahmevoraussetzungen eine Aufnahmezusage zu erteilen. Hierdurch wird das Aufnahmeermessen, dessen Ausübung in den Fällen des § 23 Abs. 2 AufenthG dem Bundesamt obliegt, intern gebunden. Als innerdienstliche, das behördliche Ermessen lenkende Richtlinie begründet eine Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG für die von ihr begünstigten Ausländer keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Sie bindet unmittelbar nur das Bundesamt bei der Ausübung seines Aufnahmeermessens. Selbst soweit das Bundesministerium des Innern in einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG Wendungen benutzt, die an Rechtsansprüche erinnern, kennzeichnet dies lediglich den Grad der verwaltungsinternen Bindung. Gegenüber dem Ausländer bleibt die Entscheidung über die Erteilung einer Aufnahmezusage eine Ermessensentscheidung des Bundesamts (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.).

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Handelt es sich bei der Anordnung über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer um eine innerdienstliche Richtlinie, unterliegt sie auch nicht wie eine Rechtsnorm einer eigenständigen richterlichen Auslegung. Als eine das Ermessen lenkende Willenserklärung des Bundesministeriums des Innern gegenüber dem Bundesamt ist sie vielmehr unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis, auszulegen und anzuwenden. Bei Unklarheiten hat das Bundesamt den wirklichen Willen des Bundesministeriums des Innern - ggf. durch Rückfrage - zu ermitteln (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

15

Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn und soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat (sog. Selbstbindung der Verwaltung). Weicht das Bundesamt im Einzelfall von der konkreten Handhabung der Anordnung ab, erwächst dem Ausländer aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Anordnung. Denn der Sinn der Regelung besteht gerade darin, eine einheitliche Aufnahmepraxis zu erreichen. Die Gerichte haben daher nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt worden ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. <67>).

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Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Anordnung im Rahmen ihrer die Ermächtigungsgrundlage konkretisierenden Funktion unmittelbar rechtliche Außenwirkung entfalte und daher wie ein Gesetz aus sich heraus auszulegen und anzuwenden sei und den Begünstigten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gewähre, überzeugt nicht. Sie berücksichtigt nicht, dass es sich bei Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, sondern um das behördliche Ermessen lenkende politische Leitentscheidungen handelt. Sie dienen nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer, sondern der Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik. Der politische Charakter einer nach § 23 Abs. 2 AufenthG erlassenen Anordnung verbietet eine Auslegung, die ihr entgegen der Intention ihres Urhebers und der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen weitergehenden Anwendungsbereich zuweist. Der Anwendungsbereich kann auch nicht mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ausgeweitet werden. Denn es steht grundsätzlich allein im weiten - allenfalls durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot begrenzten - Ermessen der Exekutive zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen über die im Aufenthaltsgesetz zum Schutz individueller Rechte normierten Zuwanderungsmöglichkeiten hinaus zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik bestimmte Gruppen von Ausländern aus dem Ausland aufgenommen werden. Da die Betroffenen nach Art. 3 Abs. 1 GG einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen der bestehenden Verwaltungspraxis haben, ist die fehlende Außenwirkung und gerichtliche Überprüfbarkeit von Anordnungen nach § 23 Abs. 2 AufenthG auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu beanstanden.

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Die Kläger können daher unmittelbar aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern keine Rechte herleiten. Diese regelt verwaltungsintern, unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt Juden aus der ehemaligen Sowjetunion im Ermessenswege eine Aufnahmezusage erteilen darf, indem sie den begünstigten Personenkreis durch positive Erteilungsvoraussetzungen und negative Ausschlussgründe näher eingrenzt. Zu den positiven Erteilungsvoraussetzungen zählt u.a. das Erfordernis, dass als jüdische Zuwanderer nur Personen aufgenommen werden können, die nach staatlichen, vor 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Kriterium der "Abstammung von einem jüdischen Elternteil" aus sich heraus und ungeachtet der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass hierfür der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil genügt, und daraus einen Neubescheidungsanspruch der Kläger hergeleitet. Als Teil einer ermessenslenkenden Richtlinie unterliegen die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen keiner eigenständigen richterlichen Auslegung und begründen keinen unmittelbaren Anspruch. Sie sind nach den obigen Ausführungen vielmehr allein nach Maßgabe der vom Bundesministerium des Innern gebilligten Verwaltungspraxis des Bundesamts auszulegen und anzuwenden (dies entspricht auch der h.M. im Schrifttum, vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Band 2, Stand September 2011, § 23 Rn. 37 f. und 13 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 23 AufenthG Rn. 23 und 8 ff.).

18

2. Die Kläger haben auch nicht aus anderen Gründen einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage. Das Bundesamt hat die Anträge ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Ablehnung verletzt mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der bestehenden Verwaltungspraxis.

19

Dabei steht einem Durchentscheiden zu Lasten der Kläger nicht entgegen, dass das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zur tatsächlichen Handhabung der in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen getroffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht zwar grundsätzlich nur zur Rechtskontrolle berufen. Gleichwohl ist ihm im Rahmen einer sinnvollen Prozessführung in Ausnahmefällen auch die Berücksichtigung von der Vorinstanz nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellter Tatsachen möglich, etwa wenn diese - wie hier - erstmals aufgrund einer von der Vorinstanz abweichenden Rechtsauffassung des Revisionsgerichts entscheidungserheblich werden, sie zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen und keiner Beurteilung durch das Berufungsgericht bedürfen und sich der Rechtsstreit hierdurch endgültig erledigt (vgl. hierzu auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 21. Ergänzungslieferung 2011, § 137 Rn. 188 ff. m.w.N. aus der Rspr des BVerwG).

20

Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen und nach Aktenlage nicht anzuzweifelnden Vortrag der Beklagten geht das Bundesamt in ständiger, vom Bundesministerium des Innern gebilligter Praxis bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion davon aus, dass für eine Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil allein der Nachweis der jüdischen Nationalität eines Großelternteils nicht genügt, sondern die jüdische Nationalität eines Elternteils nachgewiesen werden muss. Die Beklagte hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Bundesamt in Kontinuität mit der Verwaltungspraxis des früher zuständigen Auswärtigen Amtes bezüglich der Abstammung von einem jüdischen Elternteil auf dessen jüdische Nationalität abstellt und die jüdische Nationalität eines Großelternteils nicht genügt. Auch dem erstinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass nach der vom Wissen und Wollen des Bundesministeriums des Innern getragenen einheitlichen Verwaltungspraxis des Bundesamts der Nachweis der Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil nicht durch Urkunden der Großeltern, die jüdische Abstammungslehre o.ä. erbracht werden kann (UA S. 11). Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten. Sie haben auch nichts vorgetragen, was für eine abweichende Verwaltungspraxis sprechen könnte.

21

Die Kläger haben weder ihre eigene jüdische Nationalität noch die eines Elternteils durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Hinweise für eine eigene jüdische Nationalität ergeben sich für den Kläger zu 1 zwar aus den im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden seiner Kinder, der Kläger zu 3 und 4, aus den Jahren 2002 und 2008 und einem moldawischen Urteil aus dem Jahr 2007. Ungeachtet der Frage, welcher Beweiswert diesen Urkunden zukommt, handelt es sich hierbei aber nicht um vor 1990 ausgestellte Urkunden. Die Kläger haben auch nicht ihre Abstammung von mindestens einem Elternteil jüdischer Nationalität durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Der - 1987 neu ausgestellten - Geburtsurkunde der Großmutter des Klägers zu 1 mütterlicherseits und der - 1986 neu ausgestellten - Geburtsurkunde seiner Mutter ist zwar zu entnehmen, dass die Großmutter von Eltern jüdischer Nationalität abstammte und selbst jüdischer Nationalität war. Daraus ergibt sich aber nur, dass die Mutter des Klägers zu 1 von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt. Da der Großvater des Klägers zu 1 mütterlicherseits moldawischer Nationalität war, stand ihr nach dem sowjetischen Nationalitätenrecht bezüglich ihrer eigenen Nationalität bei Erhalt des ersten sowjetischen Inlandspasses mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ein Wahlrecht zwischen der jüdischen Nationalität ihrer Mutter und der moldawischen Nationalität ihres Vaters zu. Dass die Mutter des Klägers zu 1 dieses Wahlrecht zugunsten der jüdischen Nationalität ausgeübt hat, wurde nicht durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden nachgewiesen. Soweit sie in der - 1999 neu ausgestellten - Geburtsurkunde des Klägers zu 1 mit jüdischer Nationalität eingetragen ist, reicht dies in zeitlicher Hinsicht nicht aus.

22

Die Ablehnung der Erteilung einer Aufnahmezusage verletzt daher mit Blick auf die bestehende Verwaltungspraxis nicht den Anspruch der Kläger auf Gleichbehandlung. Insoweit unterscheidet sich der Fall des Klägers zu 1 auch von dem seiner Mutter und seines Bruders, die beide in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Denn seine Mutter konnte anhand der vorgelegten - vor 1990 ausgestellten - Personenstandsurkunden nachweisen, dass sie von einem Elternteil jüdischer Nationalität abstammt, und sein Bruder fand lediglich als in das Aufnahmeverfahren der Mutter einbezogener Familienangehöriger Aufnahme.

23

Dahinstehen kann, ob die in der Anordnung festgelegten Aufnahmevoraussetzungen in ihrer konkreten Anwendung durch das Bundesamt inhaltlich zumindest einer verwaltungsgerichtlichen Willkürkontrolle unterliegen. Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Nach den obigen Darlegungen liegt die Aufnahme bestimmter Gruppen von Ausländern nach § 23 Abs. 2 AufenthG im weiten politischen Ermessen der Exekutive. Die Beschränkung der Aufnahme auf Ausländer, die bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen, und der damit verbundene Ausschluss von Ausländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, kann daher allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen willkürlich sein, wenn für die vorgenommene Differenzierung keinerlei nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

24

Nach der tatsächlichen Handhabung der Anordnung werden gegenwärtig nur Personen aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen, die durch staatliche, vor 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden entweder ihre eigene jüdische Nationalität oder die eines Elternteils nachweisen können. Hierdurch ist der Kreis der Aufnahmeberechtigten von vornherein auf Personen begrenzt, die in der Sowjetunion wegen der in ihren Personenstandsdokumenten eingetragenen jüdischen Nationalität entweder selbst in besonderem Maße der Gefahr antisemitischer Pressionen ausgesetzt waren oder als Abkömmlinge ersten Grades einen besonders engen familiären Bezug zum Schicksal dieses Personenkreises haben. Dass der Nachweis der jüdischen Nationalität inzwischen nur noch durch vor 1990 ausgestellte Urkunden erbracht werden kann, stellt zwar gegenüber der früheren Regelung im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 eine Änderung dar. Der zwingende Ausschluss neuerer Urkunden ist aber darauf zurückzuführen, dass nach den langjährigen Erfahrungen des Auswärtigen Amtes nach 1990 ausgestellten Personenstandsurkunden nur eine geringe Beweiskraft zukommt. Etwaigen sich aus den Aufnahmevoraussetzungen ergebenden familiären Härten wird im Übrigen durch die Erstreckung der Aufnahme auf (nichtjüdische) Ehegatten und minderjährige ledige Kinder Rechnung getragen (vgl. I 4 der Anordnung).