Entscheidungsdatum: 16.08.2011
1. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist neben der Erfüllung der dort genannten speziellen Voraussetzungen auch erforderlich, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist.
2. Ist der Ausländer nur deshalb auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) angewiesen, weil er mit seinen deutschen Familienangehörigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, könnte er aber mit seinem Erwerbseinkommen seinen eigenen Bedarf decken, so ist bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu machen.
Die Klägerin, eine 1960 geborene iranische Staatsangehörige, erstrebt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus familiären Gründen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Die Klägerin reiste 1996 mit ihrem Sohn nach Deutschland ein, um hier mit ihrem damaligen iranischen Ehemann zusammenzuleben. Sie erhielt von August 1996 bis Juli 1999 befristete Aufenthaltserlaubnisse zur Führung der familiären Lebensgemeinschaft. Im Oktober 1997 wurde ein weiterer Sohn geboren. Mittlerweile sind beide Söhne deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist geschieden.
Im Juni 1999 zog die Klägerin mit beiden Kindern wegen Misshandlungen durch ihren damaligen Ehemann aus der Familienwohnung aus. Auf ihren Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde ihr im April 2000 eine eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis nach § 19 AuslG erteilt und in der Folgezeit jeweils um zwei bzw. drei Jahre verlängert. Ab Juli 2005 wurden die der Klägerin weiter erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse auf § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG gestützt.
Im Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG. Sie wies darauf hin, dass sie als Küchenhelferin im Kindergarten erwerbstätig sei und mit diesen Einkünften ihren eigenen Lebensunterhalt sichern könne. Zwar beziehe sie ergänzend Arbeitslosengeld II, um auch den Lebensunterhalt für ihre beiden Kinder bestreiten zu können. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG komme es aber nur auf die Sicherung des Lebensunterhalts des Nachziehenden an, nicht dagegen auch auf die Sicherung des Lebensunterhalts für Familienangehörige mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Februar 2009 ab und berief sich darauf, dass auch der Unterhalt der Kinder gesichert sein müsse. Ein atypischer Fall, der ein Absehen von der Sicherung des Lebensunterhalts rechtfertigen könne, liege nicht vor.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die beantragte Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, erfordere. Hierfür reiche aber aus, dass der die Niederlassungserlaubnis begehrende Ausländer seinen eigenen Lebensunterhalt sichern könne. Auf die familiäre Bedarfsgemeinschaft sei nur dann abzustellen, wenn die begehrte Aufenthaltsverfestigung die fiskalischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtige. Das sei dann der Fall, wenn die Aufenthaltsverfestigung des jeweiligen Antragstellers zugleich aufenthaltsrechtliche Wirkungen für dessen Familienangehörige habe. Demgegenüber seien die fiskalischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland dann nicht nachteilig betroffen, wenn der aufenthaltsrechtliche Status der Familienangehörigen von der Rechtsstellung des Ausländers unabhängig sei, der die Aufenthaltsverfestigung begehre. Das sei hier der Fall. Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, dass der Verdienst der Klägerin ausreiche, um ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Bei einem Nettoverdienst von 885,95 € verblieben nach Abzug des Freibetrags nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II (heute: § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) in Höhe von 100 € und des auf sie entfallenden Teils der Kosten für Unterkunft und Heizung von 133,96 € der Klägerin für sich selbst 651,99 € und damit nahezu das Doppelte des Regelsatzes für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie ist der Auffassung, dass bei der Sicherung des Lebensunterhalts auf die familiäre Bedarfsgemeinschaft abzustellen sei. Denn § 28 Abs. 2 AufenthG setze die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft voraus. Art. 6 GG werde durch die Versagung der Niederlassungserlaubnis nicht verletzt. Die Klägerin könne die familiäre Lebensgemeinschaft mit ihren Kindern auch ohne einen Titel zum Daueraufenthalt fortsetzen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten angeschlossen.
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt es für die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG zwar nicht, dass die Klägerin mit ihrem Einkommen ihren eigenen Bedarf decken könnte, für den Lebensunterhalt ihrer Kinder aber auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) angewiesen ist; denn insoweit ist für die Berechnung auf die Regelungen über die Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II abzustellen. Die Entscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorliegt.
Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Klagen auf Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (hier: 23. Juni 2010). Zugrunde zu legen sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten.
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegen. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist dem ausländischen Familienangehörigen eines Deutschen im Sinne von § 28 Abs. 1 AufenthG in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsgrund vorliegt und er sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.
2. Das Berufungsgericht hat weiterhin zu Recht angenommen, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG neben den dort genannten Voraussetzungen auch das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, erfordert.
Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Dieser greift vielmehr mit dem Tatbestandsmerkmal des Nichtvorliegens eines Ausweisungsgrundes ausdrücklich nur eine der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) auf, lässt alle anderen hingegen unerwähnt. Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Norm sprechen jedoch dafür, dass für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch das in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geregelte Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts erfüllt sein muss.
Der Gesetzgeber hat nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes die Fälle, in denen er von der Erfüllung bestimmter allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen abweichen wollte, ausdrücklich im Wortlaut der jeweiligen Vorschrift kenntlich gemacht (beispielsweise in § 29 Abs. 4, § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 AufenthG). Eine entsprechende Regelung hat er auch in § 28 Abs. 1 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Ehegatten eines Deutschen, das minderjährige ledige Kind eines Deutschen bzw. den Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge getroffen. Im Gegensatz dazu fehlt in § 28 Abs. 2 AufenthG für den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis eine entsprechende Formulierung. Daraus folgt, dass neben den in § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Tatbestandsmerkmalen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG - insbesondere die Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - erfüllt sein müssen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 6. Juli 2006 - 18 E 1500/05 - InfAuslR 2006, 407; OVG Bremen, Beschluss vom 13. August 2009 - 1 S 223.09 - InfAuslR 2010, 25; OVG Bautzen, Beschluss vom 3. Februar 2010 - 3 D 70.09 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2011 - 12 B 20.08 - juris; Hailbronner, Ausländerrecht Kommentar, Stand: Februar 2008, § 28 AufenthG Rn. 27; Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Mai 2008, § 28 Rn. 245; Huber, Aufenthaltsgesetz, § 28 Rn. 10 f.; Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht Kommentar, 9. Aufl. § 28 AufenthG Rn. 20). Dem steht nicht entgegen, dass § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausdrücklich das Fehlen eines Ausweisungsgrundes als Erteilungsvoraussetzung erwähnt, die anderen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG jedoch unerwähnt lässt. Vielmehr wird durch diese Formulierung die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verschärft, weil von einem Ausweisungsgrund auch bei einer atypischen Fallgestaltung nicht mehr abgesehen werden kann. Daraus kann nicht auf eine Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, er habe durch die Verschärfung einer Regelerteilungsvoraussetzung auf die Erfüllung der übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen verzichten wollen. Für das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts als Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG spricht auch die Bedeutung, die der Gesetzgeber der Unterhaltssicherung generell beimisst. Er sieht hierin eine Erteilungsvoraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse und zugleich die wichtigste Voraussetzung, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 3.08 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 5 Rn. 11). Angesichts dieser gesetzgeberischen Wertung kann nicht angenommen werden, dass von der Unterhaltssicherung bei Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt nach § 28 Abs. 2 AufenthG abgesehen werden sollte. Der Gesetzgeber hat allerdings die Niederlassungserlaubnis bei familiärer Lebensgemeinschaft mit Deutschen insofern gegenüber einer solchen mit Ausländern privilegiert, als für die Unterhaltssicherung § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und nicht § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG maßgeblich ist. Das hat zur Folge, dass für die Familienangehörigen Deutscher die Sicherung des Lebensunterhalts nur eine Regelerteilungsvoraussetzung darstellt und nicht wie für die Familienangehörigen von Ausländern eine zwingende Voraussetzung.
3. Allerdings verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts Bundesrecht, indem sie für die Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nur auf den eigenen Bedarf der Klägerin abstellt, nicht aber auf den Gesamtbedarf der aus der Klägerin und ihren beiden Kindern bestehenden Bedarfsgemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Lebensunterhalt eines Ausländers im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG nämlich nicht schon dann gesichert ist, wenn der Ausländer mit seinem Erwerbseinkommen seinen eigenen Bedarf decken könnte, er für seinen Ehepartner und seine Kinder aber auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) angewiesen ist (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 21.09 - InfAuslR 2011, 182 Rn. 14 ff. - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Vielmehr sind für die Berechnung, ob ein Anspruch auf öffentliche Leistungen besteht, grundsätzlich die sozialrechtlichen Regelungen über die Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 SGB II maßgeblich.
In dem vom Senat entschiedenen Fall ging es zwar um eine Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 AufenthG und nicht - wie hier - um eine solche aus familiären Gründen. In dem Urteil wird jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass sich aus der Verweisung des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf das Sozialrecht allgemein - und nicht nur für besondere Fallkonstellationen wie den Familiennachzug - ergibt, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei einem erwerbsfähigen Ausländer auch den Lebensunterhalt des mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Ehepartners und der unverheirateten Kinder bis zum 25. Lebensjahr umfasst (Urteil vom 16. November 2010 a.a.O. Rn. 16). Zur Begründung hat der Senat maßgeblich auf Sinn und Zweck der Regelung abgestellt, die dazu dient, (neue) Belastungen für die öffentlichen Haushalte zu vermeiden. Und er hat darauf hingewiesen, dass eine Niederlassungserlaubnis die Berechtigung zum Daueraufenthalt begründet und daher vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 4 AufenthG und § 9 Abs. 2 AufenthG von erhöhten Integrationsvoraussetzungen abhängig gemacht wurde, die über die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG hinausgehen (Urteil vom 16. November a.a.O. Rn. 17).
Für Aufenthaltstitel zum Zweck des Familiennachzugs hat der Senat in seinem Urteil vom gleichen Tag in der Sache BVerwG 1 C 20.09 (zur Aufnahme in die Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 22 f.) ausgeführt, dass sich auch aus der in § 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG getroffenen Regelung ergibt, dass bei der Sicherung des Lebensunterhalts auf den Gesamtbedarf der Kernfamilie des Ausländers abzustellen ist. Nach dieser Vorschrift werden bei der Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug "Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt". Die Verwendung des Begriffs "Haushaltseinkommen" macht deutlich, dass der Gesetzgeber insoweit von einer einheitlichen Betrachtung der häuslichen Familiengemeinschaft ausgeht. Ferner hat der Senat ausgeführt, dass nur das Abstellen auf die familiäre Bedarfsgemeinschaft der Lebenswirklichkeit gerecht wird. Es wäre lebensfremd, wenn man annähme, ein Ausländer, der Alleinverdiener ist, würde von seinem Einkommen zunächst seinen eigenen Bedarf decken und seiner Familie lediglich die verbleibenden Mittel zukommen lassen. Als wirklichkeitsfremd hat er daher die fiktive Berechnung angesehen, ob der einzelne Ausländer - für sich gesehen - seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten könnte (Urteil vom 16. November 2010 a.a.O. Rn. 19).
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Soweit im Einzelfall oder in einer typisierten Gruppe von Einzelfällen eine Ausnahme vom Abstellen auf die familiäre Bedarfsgemeinschaft zu machen ist, kann dem durch Annahme einer Abweichung vom Regelfall Rechnung getragen werden.
4. Der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig, weil eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorliegt. Von einer solchen Ausnahme ist bei besonderen, atypischen Umständen auszugehen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen (vgl. Urteil vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 27). Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. Urteil vom 30. April 2009 a.a.O. Rn. 15). Besondere Umstände, die eine Ausnahme vom Regelfall begründen, liegen hier in der Tatsache, dass das Einkommen der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausreicht, ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern, und die Bedarfslücke nur durch den Unterhaltsbedarf ihrer beiden deutschen Kinder entsteht. Für die Kinder bedeutet die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an ihre Mutter aber keine Verfestigung des Aufenthalts, da sie als Deutsche ohnehin Anspruch auf dauerhaften Verbleib in der Bundesrepublik haben.
Der Senat hat als einen Grund für das Abstellen auf die Bedarfsgemeinschaft - wie bereits dargelegt - die Vermeidung zusätzlicher Belastungen der öffentlichen Haushalte angeführt, die auch durch eine Verfestigung des Aufenthalts hilfebedürftiger ausländischer Familienangehöriger eintritt (Urteil vom 16. November 2010 a.a.O. Rn. 18). Dieser Grund für das Abstellen auf die familiäre Bedarfsgemeinschaft liegt bei deutschen Familienangehörigen nicht vor. Das Aufenthaltsrecht eines Deutschen im Land seiner Staatsangehörigkeit kann nicht weiter verfestigt werden. Deutsche sind auch dann nicht zur Ausreise verpflichtet, wenn sie Sozialleistungen beziehen. Daher führt die mit einer Niederlassungserlaubnis verbundene Verfestigung des Aufenthalts der Klägerin nicht zu einer Verstetigung der Belastung öffentlicher Haushalte durch die Verpflichtung zur Gewährung von Sozialleistungen. In der aus der Klägerin und ihren Kindern bestehenden Bedarfsgemeinschaft ist sie die einzige Ausländerin. Sie erzielt aber ein ihren Bedarf deckendes Einkommen. In diesem Fall greift die allgemeine Regel nicht, dass die Verfestigung des Aufenthalts eines Mitglieds der auf Sozialleistungen angewiesenen Bedarfsgemeinschaft zu einer zusätzlichen Belastung der öffentlichen Haushalte führt und daher der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entgegensteht. Der gleiche Gedanke lag auch der Rechtsprechung des Senats zur einschränkenden Auslegung des Versagungs- und Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 6 AuslG 1990 (jetzt: § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG) wegen Sozialhilfebezugs unterhaltsberechtigter Familienangehöriger zugrunde. In seinem Urteil vom 28. September 2004 (BVerwG 1 C 10.03 - BVerwGE 122, 94 <101>) hat der Senat ausgeführt, dass die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG die durch diesen Ausweisungstatbestand geschützten fiskalischen Interessen dann nicht beeinträchtigt, wenn ein deutscher Familienangehöriger des Ausländers Sozialhilfe bezieht. Der Verweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verliert durch die vorstehend näher beschriebene Ausnahme im Fall einer durch deutsche Familienangehörige entstehenden Bedarfslücke nicht seine Bedeutung, da weiterhin der Lebensunterhalt des die Niederlassungserlaubnis begehrenden Ausländers selbst - sowie gegebenenfalls weiterer in die Bedarfsgemeinschaft einbezogener ausländischer Familienangehöriger - gesichert sein muss.
Da eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG schon aus den vorstehend dargelegten Gründen zu machen ist, kam es für die Entscheidung des Senats nicht mehr auf die von der Revision aufgeworfene Frage an, ob eine Ausnahme auch dann vorläge, wenn der Lebensunterhalt der familiären Bedarfsgemeinschaft nur deshalb nicht gedeckt wäre, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin - was bisher nicht festgestellt ist - seinen Unterhaltspflichten gegenüber den gemeinsamen Kindern nicht nachkommt.