Entscheidungsdatum: 11.01.2011
1. Ein Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass der Antragsteller auch nach Ablauf des bei Antragstellung angegebenen geplanten Aufenthaltszeitraums an seinem Besuchswunsch festhält.
2. Begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft stehen nach dem Visakodex der Erteilung eines einheitlichen, für das gesamte Gebiet der Mitgliedstaaten gültigen Visums zwingend entgegen.
3. In diesen Fällen verbleibt den Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. a Nr. i Visakodex die Befugnis, in Ausnahmefällen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit für ihr Hoheitsgebiet zu erteilen, etwa zum Besuch eines nahen Familienangehörigen, wenn dies mit Blick auf den besonderen Schutz familiärer Bindungen nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK (juris: MRK) und Art. 7 GR-Charta (juris: EUGrdRCh) erforderlich ist (hier: verneint).
Die Klägerin, eine marokkanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Schengen-Visums zum Besuch ihrer beiden im Bundesgebiet beim Vater lebenden minderjährigen Kinder.
Die Klägerin war bis Juni 2002 mit einem marokkanischen Staatsangehörigen verheiratet. Bei der Scheidung erhielt sie das Sorgerecht für die beiden - 1998 und 2001 geborenen - gemeinsamen Kinder. Der geschiedene Ehemann der Klägerin lebt seit Juli 2002 in Deutschland. Mit notarieller, richterlich beglaubigter Urkunde bewilligte die Klägerin im Dezember 2004 die Einreise ihrer beiden Kinder zum Vater nach Deutschland, wo dieser für sie sorgen sollte. Seit Juni 2005 leben die Kinder beim Vater und besitzen eine Aufenthaltserlaubnis.
Im Dezember 2007 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Botschaft in Rabat die Erteilung eines Schengen-Visums für einen Aufenthalt aus "touristischen Gründen" in Deutschland ab dem 25. Januar 2008. Diesen Antrag lehnte die Botschaft wegen Zweifeln am angegebenen Reisezweck ab. Hiergegen remonstrierte die Klägerin und machte geltend, sie wolle ihre beiden Kinder besuchen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2008 lehnte die Botschaft den Antrag erneut ab. Die Klägerin habe keine konkrete und glaubwürdige Rückkehrperspektive dargelegt. Damit lägen die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. e Schengener Grenzkodex - SGK - und des § 6 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Außerdem rechtfertigten die Gesamtumstände eine negative Ermessensausübung. Die Klägerin könne den Kontakt mit ihren Kindern durch Schriftwechsel, Telefonverkehr oder Besuche der Kinder in Marokko aufrechterhalten.
Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Erteilung eines Besuchsvisums verpflichtet. Das Begehren habe sich nicht erledigt, da es sich nicht auf einen bestimmten, bereits abgelaufenen Besuchszeitraum oder einen bestimmten Anlass beziehe. Die Erteilungsvoraussetzungen lägen vor. Die von der Beklagten aufgezeigten Zweifel an der Rückkehrbereitschaft seien nicht von solchem Gewicht, dass ein dauerhafter Verbleib im Bundesgebiet wesentlich wahrscheinlicher sei als eine Rückkehr. Das in § 6 Abs. 1 AufenthG eröffnete Ermessen sei insbesondere mit Blick auf das durch Art. 6 GG geschützte Umgangsrecht auf Null reduziert.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 18. Dezember 2009 die Klage - sowohl hinsichtlich der begehrten Verpflichtung als auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren hilfsweise für den Fall der Erledigung beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Antragsablehnung - abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das auf Erteilung eines Besuchsvisums gerichtete Begehren habe sich durch Zeitablauf erledigt. Der Visumantrag betreffe den Zeitraum vom 25. Januar 2008 bis zum 24. April 2008. Ein auf einen kalendarisch bestimmten oder bestimmbaren Zeitraum bezogenes Visumbegehren erledige sich nicht nur, wenn der Besuch zu einem zeitlich gebundenen oder seiner Natur nach nicht wiederkehrenden Ereignis stattfinden solle. Auch wenn der Ausländer prinzipiell an seinem Besuchswunsch festhalte, fehle es am erforderlichen Antrag.
Die Klage habe auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Ablehnung des Visumantrags sei nicht rechtswidrig gewesen. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. e SKG sei anzunehmen, wenn die Rückkehrbereitschaft fehle und beabsichtigt sei, das Visum zu einem anderen als dem angegebenen Aufenthaltszweck zu nutzen. Die Rückkehrprognose sei negativ, wenn die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Aufenthalts wesentlich höher einzuschätzen sei als die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Unterhalb dieser Schwelle verbleibende Zweifel seien im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen. Bei der Klägerin könne die Rückkehrprognose nur zu ihren Ungunsten ausfallen. Auch bei Berücksichtigung des Gewichts, das Art. 6 Abs. 1 GG ihrem Besuchswunsch verleihe, sei bei der gebotenen Gesamtschau mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie das Visum dazu nutzen würde, einen ihr sonst verwehrten Daueraufenthalt im Bundesgebiet zu begründen. Selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Schengener Grenzkodexes wäre die Ablehnung nicht rechtswidrig, da jedenfalls die von der Botschaft hilfsweise getroffene Ermessensentscheidung nicht fehlerhaft sei. Dem Einreisewunsch der Klägerin sei mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG hohes Gewicht beigemessen worden. Dass die Botschaft bei ihrer Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt sei, die Klägerin könne den Kontakt mit ihren Kindern auf andere Weise aufrechterhalten, sei nicht zu beanstanden, zumal sie nach eigenen Angaben über ein für marokkanische Verhältnisse mehr als ausreichendes Einkommen und Ersparnisse für Besuchsreisen der Kinder verfüge.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Verpflichtungsbegehren. Dieses habe sich nicht durch Zeitablauf erledigt. Sie habe auch einen Anspruch auf Erteilung eines Besuchsvisums, da eine Gesamtschau aller Umstände eine deutliche Rückkehrbereitschaft erkennen lasse.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat sich das Begehren der Klägerin nicht durch Zeitablauf erledigt. Die Klage ist aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung eines Schengen-Visums zum Besuch ihrer im Bundesgebiet lebenden Kinder hat und die Ablehnung der Beklagten nicht rechtswidrig ist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Damit stellt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts jedenfalls aus einem anderen Grund als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
1. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Klagen auf Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (hier: 18. Dezember 2009). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind nach der Rechtsprechung des Senats allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erteilung des streitgegenständlichen Visums ist daher nunmehr die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl EU vom 15. September 2009 Nr. L 243 S. 1) - Visakodex (VK). Diese Verordnung regelt seit dem 5. April 2010 (Art. 58 Abs. 2 VK) u.a. das Verfahren und die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für geplante Aufenthalte im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum (Art. 1 Abs. 1 VK). Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (vgl. den entsprechenden Hinweis am Ende der Verordnung). Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts verdrängt sie die bisherige nationale Regelung in § 6 Abs. 1 bis 3 AufenthG (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 B 16.09 - juris Rn. 22).
Diese während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung ist vorliegend beachtlich, weil das Berufungsgericht - entschiede es heute anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - den Visakodex berücksichtigen müsste. Dem steht nicht entgegen, dass die Ablehnung des Visumantrags und die Klageerhebung vor dem 5. April 2010 erfolgten. Der Visakodex enthält für diesen Fall keine ausdrückliche Übergangsregelung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist die zeitliche Geltung einer Rechtsvorschrift der Union nach allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 12. November 1981 - Rs. 212 - 217/80, Salumi - Slg. 1981, 2735 Rn. 8). Dabei differenziert der Gerichtshof zwischen Verfahrensvorschriften und materiell-rechtlichen Vorschriften. Während bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind, sind materiell-rechtliche Vorschriften im Allgemeinen dahin auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist. Diese Auslegung gewährleistet die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Danach muss die Gesetzgebung klar und für die Betroffenen vorhersehbar sein. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu verlegen; dies kann ausnahmsweise nur dann anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (EuGH, Urteile vom 12. November 1981 a.a.O. Rn. 9 f. m.w.N. und vom 10. Februar 1982 - Rs. 21/81, Bout - Slg. 1982, 381 Rn. 13).
Auch wenn damit bei materiell-rechtlichen Vorschriften vom Grundsatz der Nicht-Rückwirkung auszugehen ist, finden vorliegend die materiell-rechtlichen Regelungen des Visakodexes ausnahmsweise Anwendung. Bei der Erteilung eines Visums geht es nicht um einen Eingriff in eine bestehende Position, sondern um die Gewährung einer zukunftsgerichteten Begünstigung. Hier kommt den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zu, da der Betroffene regelmäßig mit Rechtsänderungen rechnen muss. Dies gilt auch für die Neuordnung des Systems der Schengen-Visa durch den Visakodex. Hierdurch sind mit Wirkung ab dem 5. April 2010 nicht nur das zu beachtende Verfahren und die einzuhaltenden Formvorschriften, sondern auch die materiellen Erteilungsvoraussetzungen neu und eigenständig gegenüber dem nationalen Recht geregelt worden. Damit dürfen die Mitgliedstaaten inzwischen ein Visum, das vom sachlichen Geltungsbereich des Visakodexes erfasst ist, nur noch unter Beachtung der dortigen materiell-rechtlichen Vorgaben erteilen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Erteilung eines Visums - wie hier - noch nach altem Recht abgelehnt worden ist und der Betroffene hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat.
2. Das angegriffene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich das Verpflichtungsbegehren der Klägerin durch Zeitablauf erledigt habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bezieht sich der Visumantrag der Klägerin aufgrund der im Antragsformular angegebenen Reisedaten nicht auf einen kalendarisch fest umrissenen, inzwischen abgelaufenen Zeitraum. Ein Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte vielmehr dahin auszulegen, dass der Antragsteller auch nach Ablauf des geplanten Aufenthaltszeitraums an seinem Besuchswunsch festhält. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts verletzt § 133 BGB.
Der Senat ist befugt, die Auslegung des Visumantrags durch die Vorinstanz im Revisionsverfahren am Maßstab dieser im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden gesetzlichen Auslegungsregel zu überprüfen. Der Inhalt eines bei der Behörde gestellten Antrags betrifft zwar vor allem die grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehaltene und im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) unterliegende Tatsachenfeststellung. Die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nach einhelliger Auffassung vom Revisionsgericht aber - ohne Rügevorbehalt - in ihrem Rechtsanwendungsteil darauf zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht, gegen gesetzliche Auslegungsregeln verstößt oder allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt (vgl. Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 137 Rn. 153 ff. und 168 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Ist die Auslegung des Berufungsgerichts dergestalt fehlerhaft, ist das Revisionsgericht zur eigenen Auslegung befugt.
Die Erteilung eines Visums ist antragsgebunden (§ 81 Abs. 1 AufenthG; Art. 9 ff. VK). Dabei kann der Antragsteller bei der Beantragung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften vorgeben, wann, wie oft und für wie lange er in den Schengen-Raum einreisen möchte. Stellt er einen Antrag, richtet sich dessen Inhalt daher in erster Linie nach seinem konkreten Begehren. Dieses ist nach § 133 BGB auszulegen. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Dieser Auslegungsgrundsatz gilt auch bei der Auslegung von Anträgen eines Bürgers gegenüber einer Behörde (Urteil vom 10. Juli 1963 - BVerwG 6 C 91.60 - BVerwGE 16, 198 <203>). Dabei ist maßgebend, wie die Behörde den Antrag bei objektiver Würdigung verstehen musste ("objektivierter Empfängerhorizont").
Weder den bei Antragstellung geltenden Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes noch dem zwischenzeitlich zu beachtenden Visakodex ist zu entnehmen, dass ein Schengen-Visum nur für einen kalendarisch bestimmten Zeitraum beantragt werden kann. Die Einschränkung, dass es nur für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum erteilt werden darf (Art. 1 Abs. 1 VK; § 6 Abs. 2 AufenthG), bezieht sich auf die Aufenthaltsdauer in Anknüpfung an den Zeitpunkt der ersten Einreise. Unerheblich ist auch, dass Anträge inzwischen frühestens drei Monate vor Antritt der geplanten Reise eingereicht werden können (Art. 9 Abs. 1 VK) und die Gültigkeitsdauer eines Visums fünf Jahre nicht überschreiten darf (Art. 24 Abs. 1 Satz 3 VK; § 6 Abs. 2 AufenthG). Dem ist lediglich zu entnehmen, dass ein Schengen-Visum nicht auf Vorrat, sondern nur im konkreten zeitlichen Zusammenhang mit einer geplanten Reise beantragt werden kann und - insbesondere bei mehreren beabsichtigten Einreisen - maximal mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgestellt werden darf.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch nicht aus den im Antragsformular anzugebenden geplanten Reisedaten, dass der Antragsteller bei Besuchsreisen nur ein Visum für einen bestimmten kalendarisch festgelegten Zeitraum beantragt. Mit diesen Angaben konkretisiert der Antragsteller zwar seinen Aufenthaltswunsch in zeitlicher Hinsicht. Dies erleichtert der Auslandsvertretung bei zeitnaher Erteilung des Visums die Entscheidung, ab wann und für welchen Zeitraum das Visum gültig sein soll. Kommt es bei der Erteilung zu Verzögerungen, ergibt sich allein aus dem Verstreichen der angegebenen Reisedaten indes nicht, dass sich das Begehren des Ausländers auf Erteilung eines Besuchsvisums damit erledigt. Liegen - wie hier - keine Anhaltspunkte für einen termingebundenen Besuchsanlass (z.B. Beerdigung, Hochzeit, Geburtstag) vor, ist der Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Besuchsaufenthalt demnach dahin auszulegen, dass der Antragsteller auch nach Ablauf der angegebenen Reisedaten weiterhin an seinem Besuchswunsch und dessen zeitnaher Verwirklichung festhält und den Beginn der Gültigkeit des beantragten Visums auf den Zeitpunkt der Erteilung hinausgeschoben wissen möchte.
Diese Auslegung des Antragsbegehrens führt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht zu einem Visum ohne zeitliche Begrenzung. Das Begehren bleibt weiterhin auf die Erteilung eines Visums mit der beantragten Aufenthaltsdauer gerichtet; lediglich der gewünschte Gültigkeitsbeginn ändert sich. Der Annahme, dass das Begehren in zeitlicher Hinsicht über den im Antragsformular angegebenen Reisezeitraum hinaus fortbesteht, steht auch nicht entgegen, dass die bei Visumanträgen zu Besuchszwecken von nahen Angehörigen regelmäßig vorgelegten Verpflichtungserklärungen nicht ohne jegliche zeitliche Begrenzung rechtsverbindlich bleiben und die erforderliche Auslandskrankenversicherung in aller Regel in zeitlicher Übereinstimmung mit dem geplanten Auslandsaufenthalt abgeschlossen wird. Kommt es bei der Erteilung des Visums zu Verzögerungen, hat der Antragsteller ggf. für eine Aktualisierung seiner Angaben und der von ihm zu erbringenden Nachweise zu sorgen, da die Auslandsvertretung ein Visum nur erteilen darf, wenn im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Gleiches gilt im Rahmen einer Verpflichtungsklage, bei der - wie oben dargelegt - grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist.
Auch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten praktischen Probleme stehen der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage nicht entgegen. Nach Rechtskraft eines stattgebenden Urteils ist die Beklagte verpflichtet, umgehend ein Visum mit der begehrten Gültigkeitsdauer zu erteilen. Sollten die Erteilungsvoraussetzungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung entfallen sein, hat sie über § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage. Der Visakodex steht der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage ebenfalls nicht entgegen. Wie sich aus Art. 32 Abs. 3 VK ergibt, der allerdings erst ab dem 5. April 2011 gilt (Art. 58 Abs. 5 VK), verweist das Unionsrecht hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine Ablehnung auf das innerstaatliche Recht.
In dieser Situation widerspräche es der Verpflichtung der Gerichte zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), das Visumbegehren allein wegen des Antragserfordernisses und der bei Antragstellung anzugebenden Reisedaten nach deren Ablauf als erledigt anzusehen. Dem Betroffenen würde damit eine Rechtsverfolgung mittels einer Verpflichtungsklage verwehrt, und er würde stattdessen auf die rechtsschutzschwächere Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung) verwiesen, die zudem ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse voraussetzt.
3. Die Klage hat aber dennoch keinen Erfolg, da die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen Anspruch auf Erteilung eines Schengen-Visums hat und die Ablehnung nicht rechtswidrig ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Auslandsvertretung nach dem Visakodex - wie bislang nach § 6 Abs. 1 AufenthG - auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen verbleibt oder ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein gebundener Anspruch auf Erteilung eines Visums besteht (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 23). Denn die Klägerin erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen weder für die Erteilung eines für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültigen einheitlichen Visums (Art. 2 Nr. 3 VK) noch für die Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit nur für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art. 2 Nr. 4 VK).
a) Nach Art. 23 Abs. 4 i.V.m. Art. 21 und Art. 32 VK setzt die Erteilung eines einheitlichen Visums - neben der Zuständigkeit der Auslandsvertretung (Art. 18 VK) und der formellen Zulässigkeit des Antrags (Art. 19 VK) - voraus, dass der Antragsteller in materieller Hinsicht die Einreisevoraussetzungen erfüllt und kein Verweigerungsgrund vorliegt (Art. 21, 32 VK).
Nach Art. 21 Abs. 1 VK ist bei der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c, d und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl EU Nr. L 105 S. 1) - Schengener Grenzkodex (SGK) - erfüllt. Danach muss ein Drittstaatsangehöriger u.a. den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c SGK) und darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. e SGK). Die Auslandsvertretung hat daher bei der Prüfung eines Antrags auf Erteilung eines einheitlichen Visums insbesondere zu beurteilen, ob beim Antragsteller das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums das Hoheitsgebiet zu verlassen (Art. 21 Abs. 1 Halbs. 2 VK). Sie muss das Visum nach Art. 32 Abs. 1 VK u.a. verweigern, wenn der Antragsteller als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung eingestuft wird (Buchst. a Nr. vi) oder begründete Zweifel an der vom Antragsteller bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf des beantragten Visums zu verlassen (Buchst. b).
Aufgrund dieser materiellen Vorgaben darf der Klägerin kein einheitliches Visum erteilt werden. Bei Zugrundelegung der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 14 f.), an die der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, bestehen konkrete Anhaltspunkte, die gegen die von der Klägerin behauptete Rückkehrbereitschaft sprechen. Die Klägerin hat - obwohl sie zu ihren Kindern will - im Visumverfahren zunächst angegeben, sie wolle zu touristischen Zwecken nach Deutschland einreisen, und damit den wahren Grund ihrer Einreise verschwiegen. Gegen ihre Rückkehrbereitschaft spricht auch, dass die bei ihren Kindern diagnostizierten neurotischen Störungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die Trennung von der Mutter zurückzuführen sind und sich durch einen kurzfristigen, von vornherein mit der Aussicht auf eine erneute Trennung belasteten Aufenthalt der Klägerin nicht bessern würden. Zudem erhärten Äußerungen des geschiedenen Ehemanns und eines der Kinder den Eindruck, dass sie dauerhaft im Bundesgebiet bleiben will. Dem stehen keine vergleichbar gewichtigen Bindungen in Marokko gegenüber (Miteigentum an dem von ihr bewohnten Gebäude, eigener Schneidereibetrieb, Mutter und beide Schwestern leben in Marokko). Außerdem hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon bei einem früheren Aufenthalt die Gültigkeitsdauer ihres Visums überschritten.
Unter den hier gegebenen Umständen ist unerheblich, dass sich die Feststellungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Rückkehrwilligkeit der Klägerin bei den Ausführungen zur Unbegründetheit ihres hilfsweise gestellten Feststellungsantrags finden und sich damit in zeitlicher Hinsicht vor allem auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (15. Februar 2008) beziehen. Denn das Berufungsgericht hat bei seinen Feststellungen - wie sich aus der Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bericht vom 16. Oktober 2008 ergibt - neuere Erkenntnisse mitberücksichtigt. Im Übrigen hat die Klägerin während des Gerichtsverfahrens bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (18. Dezember 2009) keine neuen Gründe geltend gemacht, die eine andere Würdigung ihrer Rückkehrwilligkeit rechtfertigen könnten. Damit haben im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (weiterhin) begründete Zweifel am Wahrheitsgehalt der von der Klägerin bekundeten Absicht bestanden, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf ein Visum mit beschränkter Gültigkeit nur für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 25 VK. Die Erteilung eines solchen Visums ist im Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums mit enthalten, da es gegenüber dem einheitlichen, für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültigen Visum in räumlicher Hinsicht ein Minus darstellt. Entsprechend sieht der Visakodex ein einheitliches Antragsformular vor. Liegen die Voraussetzungen für ein einheitliches Visum nicht vor, ist daher zu prüfen, ob (wenigstens) die Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit in Betracht kommt.
Der Erteilung eines räumlich nur für das Bundesgebiet gültigen Visums steht Art. 32 VK nicht entgegen. Aus dem Hinweis in Art. 32 Abs. 1 VK, dass das Visum in den Fällen des Art. 32 VK "unbeschadet" des Art. 25 Abs. 1 VK verweigert wird, ergibt sich, dass Art. 32 VK zwar die Erteilung eines einheitlichen Visums zwingend ausschließt. Trotz Vorliegen eines Verweigerungsgrundes ist es jedoch möglich, über Art. 25 Abs. 1 VK in bestimmten, abschließend aufgeführten Ausnahmefällen dennoch ein räumlich beschränktes Visum zu erteilen.
Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. a Nr. i VK wird ausnahmsweise ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt, wenn der betreffende Mitgliedstaat es aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält, von dem Grundsatz abzuweichen, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c, d und e SGK festgelegten Einreisevoraussetzungen erfüllt sein müssen. Wie dargelegt, ist nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. e SGK Voraussetzung für eine Einreise (u.a.), dass von dem Drittstaatsangehörigen keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne der Vorschrift ist auch dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des von ihm beantragten Visums zu verlassen. Es besteht ein erhebliches Interesse der Mitgliedstaaten der Europäischen Union an der Verhinderung illegaler Einwanderungen.
Auch bei Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung verbleibt den Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit, ausnahmsweise aus den in Art. 25 Abs. 1 Buchst. a VK aufgeführten Gründen ein auf das eigene Hoheitsgebiet beschränktes Visum zu erteilen. Hierbei können familiäre Bindungen des Antragstellers an berechtigterweise im Bundesgebiet lebende Familienangehörige sowohl aus humanitären Gründen als auch aufgrund internationaler Verpflichtungen berücksichtigt werden. Ausgehend von dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung einer ungesteuerten Einwanderung setzt die Erteilung eines beschränkten Visums auf der Tatbestandsseite aber voraus, dass auch mit Blick auf den besonderen Schutz familiärer Beziehungen nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta die Erteilung eines Besuchsvisums ausnahmsweise trotz der vom Antragsteller ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung erforderlich ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gewähren weder der Schutz der Familie nach Art. 6 GG noch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK einen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Dies gilt über Art. 52 Abs. 3 GR-Charta auch für das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 7 GR-Charta. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren familiäre Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen; der Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf eine solche angemessene Berücksichtigung seiner familiären Bindungen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <47 ff.>). Dies gilt auch bei Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für einen Ausländer zum Zwecke des Besuchs seiner in Deutschland beim anderen Elternteil lebenden minderjährigen Kinder. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Abwägung der betroffenen familiären Belange mit gegenläufigen öffentlichen Interessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots. Auch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta verpflichtet im Ergebnis zu einer solchen Abwägung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen. Dabei sind auch hier - einzelfallbezogen - die besonderen Umstände der Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 8.09 - Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr. 2 m.w.N.).
Bei dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass sowohl auf Unions- als auch auf nationaler Ebene ein erhebliches öffentliches Interesse an der Unterbindung rechtswidriger Einwanderungen besteht. Strebt ein Drittstaatsangehöriger einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet zum Zwecke der Familienzusammenführung mit einem Drittstaatsangehörigen an, müssen materiell die entsprechenden Einreisevoraussetzungen nach der Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie) und/oder dem nationalen Recht vorliegen. Zudem bedarf er für die Einreise und den Aufenthalt eines - von der Klägerin nicht beantragten - nationalen Visums für einen längerfristigen Aufenthalt (vgl. § 6 Abs. 4 i.V.m. §§ 27 ff. AufenthG). Bei begründeten Zweifeln an der Rückkehrwilligkeit des Ausländers kommt daher auch die Erteilung eines Besuchsvisums mit beschränkter Gültigkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht. Von einem Ausnahmefall ist vorliegend auch mit Blick auf die familiären Bindungen der Klägerin an ihre sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhaltenden minderjährigen Kinder nicht auszugehen.
Bei der Bewertung der familiären Beziehungen kommt es nicht auf die formal-rechtlichen familiären Bindungen an, entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Dabei ist unerheblich, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Geht es - wie hier - um den persönlichen Kontakt eines Elternteils mit dem Kind, ist zu berücksichtigen, dass dies - auch in Fällen, in denen dem Elternteil kein Sorgerecht zusteht - Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist. Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Die familiäre (Lebens-)Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes (BVerfG, Beschlüsse vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 - InfAuslR 2006, 122 m.w.N. und vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 - NVwZ 2009, 387 m.w.N.). Nach § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB gehört zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Entsprechend hat ein Kind gemäß § 1684 Abs. 1 BGB ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, und jeder Elternteil ist zum Umgang mit ihm nicht nur berechtigt, sondern im Interesse des Kindes auch verpflichtet. Diese gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Umgangsrechts eines Kindes mit beiden Elternteilen ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die die tatsächliche Ausübung des Umgangsrechts berühren, zu beachten. Dabei ist zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Hierzu sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Es ist zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine negative Entscheidung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Wohl des Kindes hätte. Auch ist zu berücksichtigen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu dem getrennt lebenden Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und ein Kind beide Eltern braucht (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze unterfällt der von der Klägerin mit ihrem Aufenthalt angestrebte persönliche Kontakt mit ihren Kindern dem Schutzbereich des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Art. 7 GR-Charta. Die Kinder haben bis 2005 bei der Klägerin in Marokko gelebt und wurden von ihr versorgt. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass trotz der von der Klägerin selbst herbeigeführten räumlichen Trennung weiterhin eine durch geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägte und von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen der Kinder getragene Verbundenheit und familiäre (Lebens-)Gemeinschaft besteht. Dennoch ist die Ablehnung der Erteilung eines Besuchsvisums hier nicht unverhältnismäßig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die bestehende räumliche Trennung von ihren Kindern selbst dadurch herbeigeführt, dass sie, obwohl sie 2002 nach der Scheidung der Ehe das Sorgerecht für die Kinder erhielt, 2005 der Übersiedlung der Kinder nach Deutschland zustimmte. Soweit die Kinder unter der hierdurch herbeigeführten Trennung von ihrer Mutter leiden, stand und steht es den Eltern frei, diese Entscheidung zum Wohl der Kinder wieder rückgängig zu machen. Im Übrigen sind die Klägerin und ihre beiden - im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - 11 bzw. 8 Jahre alten Kinder zur Aufrechterhaltung der familiären Bindungen nicht zwingend auf einen Besuch der Klägerin im Bundesgebiet angewiesen. Die Klägerin kann den Kontakt mit ihren Kindern von Marokko aus sowohl über das Internet als auch über Briefe und Telefonate aufrechterhalten. Außerdem können die Kinder ihre Mutter während der Ferien in Marokko besuchen. Beides ist der Familie angesichts des Alters der Kinder und des Umstandes, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Marokko über ein überdurchschnittliches Einkommen und nicht unerhebliche Ersparnisse verfügt, nicht unzumutbar.