Bundesverfassungsgericht

Entscheidungsdatum: 05.07.2016


BVerfG 05.07.2016 - 1 BvR 979/12

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Bedenken bzgl der Verhältnismäßigkeit der Pflicht älterer Arbeitsloser (§ 428 SGB III ) zur zeitnahen Erreichbarkeit gem § 1 Abs 1 Erreichbarkeits-Anordnung (EAO; juris: ErreichbAnO) - hier: unzureichende Substantiierung der Verfassungsbeschwerde bei Verwerfung der verwaltungsprozessualen Nichtzulassungsbeschwerde aus formellen Gründen (§ 160a Abs 2 S 3 VwGO) - mangelnde Rechtswegerschöpfung bzgl instanzgerichtlicher Entscheidungen bei unzureichender Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde


Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer
Entscheidungsdatum:
05.07.2016
Aktenzeichen:
1 BvR 979/12
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160705.1bvr097912
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
Vorinstanz:
vorgehend BSG, 22. März 2012, Az: B 11 AL 2/12 B, Beschlussvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 9. November 2011, Az: L 12 AL 115/10, Urteilvorgehend SG Osnabrück, 2. September 2010, Az: S 12 AL 276/06, Gerichtsbescheid
Zitierte Gesetze
§ 1 Abs 1 S 2 ErreichbAnO

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Der Sache nach beanstandet der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses der zeitnahen Erreichbarkeit für den Bezug von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen für ältere Arbeitslose.

I.

2

1. Für die Bestimmung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld finden hier die §§ 117 ff. SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz <AFRG>) vom 24. März 1997 (BGBl I S. 594 <625 f.>) und des Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (Erstes SGB III-Änderungsgesetz <1. SGB III-ÄndG>) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2970 <2971 f.>) Anwendung (SGB III a.F.).

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§ 117 Abs. 1 SGB III a.F. bestimmt, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld nur Arbeitnehmer haben, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). § 119 Abs. 1 SGB III a.F. bestimmt, dass eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F. insbesondere dann, wenn er eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf.

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An die Regelung des § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III a.F. (jetzt: § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III) anknüpfend, bestimmt die auf der Grundlage des § 152 Nr. 2 SGB III a.F. (jetzt: § 164 Nr. 2 SGB III) ergangene Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt: Bundesagentur für Arbeit) zur Pflicht der Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeitsanordnung vom 23. Oktober 1997 ; geändert durch die 1. Änderungsanordnung zur EAO vom 16. November 2001 und später durch die 2. Änderungsanordnung zur EAO vom 26. September 2008 ), dass der Arbeitslose sicherzustellen hat, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EAO). Grundsätzlich hat sich der Arbeitslose auch an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, zumindest aber im Nahbereich des zuständigen Arbeitsamtes aufzuhalten (vgl. § 2 EAO). Hiervon sind mit Zustimmung des Arbeitsamtes Ausnahmen nach § 3 und § 4 EAO möglich.

5

§ 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des Art. 1 AFRG vom 24. März 1997, BGBl I S. 594 <688>) enthält eine von den allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld teilweise abweichende, sozialpolitisch motivierte Besserstellung von Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben; ihre Inanspruchnahme steht im Belieben des Betroffenen. Er kann gegenüber dem Arbeitsamt erklären, nicht arbeitsbereit zu sein und nicht alle Möglichkeiten zu nutzen und nutzen zu wollen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, ohne hierdurch den Anspruch auf Arbeitslosengeld einzubüßen. Die ursprünglich auf Ansprüche, die vor dem Jahre 2001 entstanden waren, beschränkte Vorschrift wurde durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 27. Juni 2000 (BGBl I S. 910) zunächst bis zum 31. Dezember 2005 und durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2005 (BGBl I S. 3676 <3677>) bis zum 31. Dezember 2007 verlängert (vgl. § 428 Abs. 1 Satz 3 in der jeweils geltenden Fassung).

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2. Der 1943 geborene Beschwerdeführer ist niederländischer Staatsangehöriger; er war von 1966 bis zum 31. Dezember 2002 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Netzwerkspezialist. Sein letzter Beschäftigungsort war Hannover.

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a) Er meldete sich am 2. Januar 2004 unter konkreter Bezeichnung einer Wohnanschrift in Bad Bentheim bei der dortigen Agentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte das beantragte Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurden die Zahlungen ab dem 1. Januar 2005 eingestellt (Abmeldung aus dem Leistungsbezug). Zum 1. Januar 2006 meldete er sich unter der zuvor angegebenen Adresse in Bad Bentheim wieder arbeitslos und beantragte die Wiedergewährung von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte das beantragte Arbeitslosengeld mit einer restlichen Anspruchsdauer von 594 Tagen.

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Im März 2006 informierte das zuständige Hauptzollamt die Bundesagentur für Arbeit über den Verdacht, der Beschwerdeführer habe unter der angegebenen Adresse weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, sondern unterhalte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden. Nach ergänzenden Ermittlungen und einer Anhörung des Beschwerdeführers nahm die Bundesagentur für Arbeit die beiden Entscheidungen über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 18. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 zurück. Zur fehlerhaften Leistungsbewilligung sei es gekommen, weil der Beschwerdeführer in seinen Leistungsanträgen zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe, auf denen die Leistungsgewährung beruhe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setze unter anderem voraus, dass der Arbeitslose Vorschlägen der Agentur für Arbeit zeit- und ortsnah Folge leisten könne, weshalb er an jedem Werktag an seinem Wohnort persönlich durch Briefpost erreichbar sein müsse. Diese Voraussetzungen habe er nicht erfüllt. Denn er habe unter der von ihm angegeben Adresse überhaupt nicht gewohnt.

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Zuvor hatte sich der Beschwerdeführer, nachdem er vorübergehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, ab 14. April 2006 unter einer neuen Wohnanschrift in Bad Bentheim wieder arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Diesen Antrag lehnte die Bundesagentur für Arbeit mit weiterem Bescheid vom 18. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 mit der Begründung ab, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Der Beschwerdeführer habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch bestünde kein Restanspruch aufgrund des "alten Anspruchs", da der frühere Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld zurückgenommen worden sei.

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b) Die vom Sozialgericht verbundenen Klagen, die anschließende Berufung und die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision blieben ohne Erfolg.

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Mit dem unter c) angegriffenen Gerichtsbescheid vom 2. September 2010 wies das Sozialgericht die Klagen des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, die Bescheide über die Bewilligung von Arbeitslosengeld seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Der Beschwerdeführer habe während der streitigen Zeiten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, weil er sowohl bei der Antragstellung als auch nachfolgend nicht arbeitslos im Sinne der §§ 117 ff. SGB III gewesen sei. Es sei dem Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 119 Abs. 3 SGB III möglich gewesen, an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, weil er niemals unter der von ihm benannten Wohnanschrift in Bad Bentheim gewohnt habe. Der Beschwerdeführer sei unter der angegebenen Anschrift für die Bundesagentur für Arbeit auch postalisch nicht erreichbar gewesen. Insoweit sei unerheblich, dass er Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III bezogen habe, da hierdurch nur die subjektive Verfügbarkeit fingiert werde. Dies verstoße nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und gegen das Übermaßverbot, so dass auch die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begründet seien. Vor diesem Hintergrund sei schließlich auch die Ablehnung des Antrags auf Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes vom 14. April 2006 gerechtfertigt.

12

Die Berufung wies das Landessozialgericht mit dem unter b) angegriffenen Urteil vom 9. November 2011 zurück. Zur Begründung führte das Berufungsgericht ergänzend aus, es sei nicht ersichtlich und vom Beschwerdeführer auch nicht benannt, welches Grundrecht verletzt sein solle. Es teile auch nicht die Ansicht, dass ein sachlicher Grund für das Erfordernis der Erreichbarkeit fehle. Das Erfordernis der persönlichen Erreichbarkeit gelte nicht nur dann, wenn es im konkreten Fall von Bedeutung sei; es gelte im Übrigen auch im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Bedingungen des § 428 Abs. 1 SGB III.

13

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesozialgerichts machte der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend. Klärungsbedürftig sei insbesondere die Rechtsfrage, ob Arbeitslose, die Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erhielten, ihren Wohnsitz in einer ausländischen grenznahen Region hätten und über eine zusätzlich angemietete Wohnung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erreichbar seien, für die Bundesagentur für Arbeit "verfügbar" seien. In diesem Falle stelle sich die Rechtsfrage, inwieweit seitens der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise durch den Gesetzgeber in § 119 Abs. 5 SGB III "Verfügbarkeitsvoraussetzungen" postuliert werden dürften. Er halte dies jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für verfassungswidrig. Zwar habe das Bundessozialgericht in einer früheren Entscheidung vom 25. März 2003 - B 7 AL 204/02 B - erklärt, dass ein Grenzgänger nicht durch die Angabe einer Briefkastenadresse in Deutschland seine Verfügbarkeit herstellen könne. Sein Fall liege jedoch anders; zum einen habe er regelgerecht eine Wohnung angemietet gehabt, zum anderen gehe es bei ihm um den Bezug von Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen.

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Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit dem unter a) angegriffenen Beschluss vom 22. März 2012 als unzulässig verworfen; der allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei, wie näher ausgeführt wird, nicht in der nach § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.

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3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 14 in Verbindung mit Art. 2 GG, aus Art. 3 GG sowie aus Art. 20 Abs. 3 GG. Im Hinblick auf die Verwerfung seiner Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundessozialgericht als unzulässig trägt er vor, er habe sich in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde durchaus und unter spezieller Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld unter erleichterten Bedingungen mit einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. März 2003 (B 7 AL 204/02 B) auseinandergesetzt. Das Bundessozialgericht hätte sich auf der Grundlage seiner bisherigen Entscheidungspraxis entscheiden müssen, ob an dem bisherigen Verständnis der Erreichbarkeit beziehungsweise Verfügbarkeit festzuhalten sei. Insoweit verletzte die Entscheidung des Bundessozialgerichts - ebenso wie die angegriffenen Entscheidungen erster und zweiter Instanz - seine Rechte aus Art. 14 in Verbindung mit Art. 2 GG sowie aus Art. 3 GG und das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip.

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4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts und die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstag e.V. geäußert.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie ist unzulässig.

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1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts wendet, mit dem die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen wurde, hat der Beschwerdeführer seine Beschwerdebefugnis nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend schlüssig und substantiiert begründet.

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Danach muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345>; 108, 370 <386 f.>). Werden mehrere gerichtliche Entscheidungen, die auf verschiedenen Gründen beruhen, mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen, bedarf es der Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Entscheidung (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 128, 90 <99>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (BVerfGE 99, 84 <87>).

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Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Die materiellen Ausführungen des Beschwerdeführers gehen in Bezug auf den Beschluss des Bundessozialgerichts ins Leere, da das Bundessozialgericht keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, sondern die Nichtzulassungsbeschwerde aus formellen Gründen als unzulässig verworfen hat (vgl. BVerfGE 103, 172 <181 f.>; 128, 90 <99>). Eine Verletzung von Prozessgrundrechten durch das Bundessozialgericht rügt der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer jedenfalls nicht ausdrücklich. Auch konkludent lässt sich der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen, inwieweit durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts Art. 19 Abs. 4 GG oder ein sonstiges Prozessgrundrecht verletzt sein sollte oder mit welchen anderen verfassungsrechtlichen Anforderungen der Beschluss kollidieren könnte. Der Beschwerdeführer trägt lediglich formelhaft vor, er habe den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung hinreichend dargelegt; eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angegriffenen Beschluss des Bundessozialgerichts bleibt er schuldig. Er trägt auch nicht vor, das Bundessozialgericht habe die Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes überspannt.

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2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts richtet, hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Denn das Gebot der Rechtswegerschöpfung wird nicht bereits dadurch gewahrt, dass der Rechtsbehelf, hier die Beschwerde der Nichtzulassung der Revision zum Bundessozialgericht, fristgemäß eingelegt wird. Vielmehr gebietet § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, dass ein Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken (vgl. BVerfGE 84, 203 <208>; stRspr). Eine Verfassungsbeschwerde ist in der Regel unzulässig, wenn ein an sich gegebenes Rechtsmittel - hier die Nichtzulassungsbeschwerde -, durch dessen Gebrauch der behauptete Grundrechtsverstoß hätte ausgeräumt werden können, aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 <114>; BVerfGK 1, 222 <223>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2007 - 1 BvR 691/06 -, juris, Rn. 6). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Beschreitung des Rechtsweges von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig zu machen. Dies gilt insbesondere für Begründungs-, Darlegungs- und Bezeichnungserfordernisse im Verfahren vor dem Revisionsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 2000 - 1 BvR 1412/99 -, juris, Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. September 2008 - 1 BvR 1616/05 -, juris, Rn. 6). Der Beschwerdeführer muss von der ihm fachgerichtlich eingeräumten Rechtschutzmöglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09 -, juris, Rn. 8).

22

Zwar bestehen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit durchaus verfassungsrechtliche Zweifel daran, dass Arbeitslose, die Arbeitslosengeld nach § 428 SGB III beziehen wollen, zeitnah erreichbar sein müssen. Der Gedanke, dass es angesichts der Wertung des § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III bei der berechtigten vollständigen Aufgabe der Bereitschaft, Arbeit zu suchen und aufzunehmen, auch unschädlich für den Anspruch auf Arbeitslosengeld sein könnte, wenn Betroffene sich entgegen § 1 Abs. 1 EAO nicht an jedem Werktag in der (angegebenen) Wohnung aufhalten und dort nicht unmittelbar postalisch erreichbar sind, erscheint keineswegs fernliegend. Da sie mit einer Vermittlung durch die Agentur für Arbeit nicht rechnen müssen, eventuelle Arbeitsangebote sogar ablehnen dürfen, erscheint es im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, von ihnen zu verlangen, an jedem Werktag postalisch erreichbar zu sein. Fraglich erscheint auch, ob allein der Umstand, dass die Agentur für Arbeit weiterhin in der Lage sein soll "bei gegebenem Anlass" die objektiven Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld zu überprüfen (so der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung im Gesetzgebungsverfahren zu § 105c AFG ), eine derartige Forderung rechtfertigen kann. Solche Überprüfungen könnten wohl auch vorgenommen werden, ohne dass die Arbeitslosen ständig werktäglich in der Wohnung anwesend oder unverzüglich postalisch erreichbar bleiben. Andererseits kann die Aufgabe der Bereitschaft sich vermitteln zu lassen (subjektive Verfügbarkeit), nicht zugleich zur Fiktion aller übrigen Voraussetzungen der Verfügbarkeit führen, weil diese ja nun sowieso uninteressant geworden wären. Ansonsten könnten auch objektiv verhinderte Arbeitnehmer nach Erreichen des 58. Lebensjahres allein durch die Erklärung, nicht mehr zur Aufnahme von Beschäftigungen bereit zu sein, einen ihnen sonst nicht zustehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen (vgl. Winkler, in: Gagel, SGB III, Stand: März 2015, § 428 Rn. 10 und 8). Das Bundessozialgericht hat in diesem Spannungsfeld seine Rechtsprechung, dass auch die älteren Arbeitslosen, die nach § 428 SGB III der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen müssen, objektiv verfügbar und damit auch uneingeschränkt erreichbar sein müssen, abgemildert. Danach müssen solche Arbeitslose nicht notwendig unverzüglich und unmittelbar postalisch erreichbar sein; in ihrem Fall kann auch die postalische Erreichbarkeit durch einen Nachsendeantrag die Erreichbarkeit im Sinne des § 1 EAO herstellen (vgl. BSGE 95, 43 <45 ff. Rn. 7 ff.>).

23

Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bleibt vor diesem Hintergrund zu oberflächlich. Zu Recht kritisiert das Bundessozialgericht, dass sich der Beschwerdeführer nicht mit relevanter höchstrichterlicher Rechtsprechung auseinandergesetzt hat. Dessen Behauptung, er habe sich in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde sehr wohl mit dem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 25. März 2003 - B 7 AL 204/02 B - auseinandergesetzt, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Von einer inhaltlichen Beschäftigung kann keine Rede sein. Ganze elf Zeilen der Beschwerdeschrift sind der vorgenannten Entscheidung gewidmet, die sich in der Behauptung erschöpfen, dass sein Fall mit dem dort entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar sei. Weitere höchstrichterliche Entscheidungen, die die Voraussetzungen der Verfügbarkeit beziehungsweise Erreichbarkeit von Arbeitslosen zum Gegenstand haben, nennt die Beschwerdeschrift nicht, obwohl das Landessozialgericht in seinem Berufungsurteil eine Reihe solcher Entscheidungen benannt und zitiert hat. Jedenfalls auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juni 2005 (BSGE 95, 43 <45 ff.>) zur Lockerung der Erreichbarkeitsanforderungen für Bezieher von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs. 1 SGB III wäre einzugehen gewesen.

24

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass derjenige, der die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, darlegen muss, inwiefern die umstrittene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2006 - 1 BvR 1786/01 -, juris, Rn. 3), und sich deshalb mit der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts auseinandersetzen muss (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2006 - 1 BvR 1786/01 -, juris, Rn. 4 und vom 14. April 2010 - 1 BvR 2856/07 -, juris, Rn. 6), weil bereits bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage unter Umständen entgegenstehen kann (vgl. BVerfGK 12, 341 <344>; 15, 127 <131>).

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.