Entscheidungsdatum: 30.08.2017
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein zivilrechtliches Erbschaftsverfahren.
Die Beschwerdeführerin (Klägerin des Ausgangsverfahrens) ist die Schwester des Lebensgefährten der Erblasserin, die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist die Schwester der Verstorbenen.
Es existierten zwei Testamente. Im Testament von 2003 war die Beschwerdeführerin (mit-)bedacht, im letzten Testament von 2008 war die Beklagte des Ausgangsverfahrens als Alleinerbin eingesetzt.
1. Im Ausgangsverfahren hatte die Beschwerdeführerin Klage auf Auskunft über den Nachlassbestand und Feststellung ihrer Miterbenstellung erhoben. Sie hatte dazu geltend gemacht, das zweite Testament von 2008 sei gefälscht; zudem sei die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig gewesen.
Das Landgericht wies nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens und unter Heranziehung des Ergebnisses eines weiteren Schriftsachverständigengutachtens, welches im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens angefertigt worden war, die Klage ab.
2. Die gegen die landgerichtliche Entscheidung eingelegte Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht nach weiterer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Testierfähigkeit zurück.
a) Zur Frage der Echtheit des Testaments nahm das Oberlandesgericht in den Entscheidungsgründen Bezug auf eine vorherige Senatsentscheidung in gleicher Sache, die den Fälschungseinwand der Klägerin betroffen hatte. Das vom Landgericht anschließend eingeholte Sachverständigengutachten habe die als hoch eingeschätzte Wahrscheinlichkeit der identischen Urheberschaft der beiden Testamente zur Gewissheit werden lassen.
b) Das rechtliche Gehör sei nicht verletzt. Der Vorwurf, man habe der Beschwerdeführerin die weitere Untersuchung des Originaltestaments durch einen Privatgutachter verwehrt, sei unberechtigt. Die Klägerin habe keinen Vorlage(anordnungs)anspruch aus § 421 ZPO, da sich das Testament nicht bei der Beklagten, sondern in den Nachlassakten befinde. Zudem scheide eine Gehörsverletzung aus, da sämtliche Prozessbevollmächtigen der Klägerin Akteneinsicht auch in die Beiakten des Nachlassgerichts erhalten hätten. Die Beschwerdeführerin hätte die Originale unschwer vor Ort beim Nachlassgericht einsehen können, habe jedoch keinen Anspruch auf Übersendung, da die Originale nicht in die unkontrollierte Verfügungsgewalt einer der Parteien gelangen sollten.
3. In der Begründung der Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision rügte die Beschwerdeführerin die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Weigerung, dem Privatgutachter die Originaltestamente zur Verfügung zu stellen, und legte ferner dar, dass nach Auffassung der Beschwerdeführerin die Beantwortung der Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof unter anderem im Interesse der Rechtsfortbildung erforderlich sei.
Gleiches gelte für die Rüge der Verletzung des Gehörsrechts durch die Zurückweisung des Antrags auf Einsicht in die dem Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit zugrundeliegenden Unterlagen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof durch Beschluss mit Formbegründung zurück.
Die Beschwerdeführerin rügt mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Rechtsstaatsprinzips sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot.
1. Fehlerhaft sei, dass das Oberlandesgericht die Originaltestamente aus den Nachlassakten nicht beigezogen und der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt habe. Die Rechtsauffassung des Gerichts, nach der die Beschwerdeführerin gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines privat beauftragten Sachverständigen beim Nachlassgericht Einsicht in die Originale nehmen könne, verletze sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, weil sie schon dem Landgericht gegenüber ausgeführt habe, dass zerstörungsfreie Untersuchungen durch diesen Gutachter nur mittels ortsfesten Geräten nach Ausfolgung der Originale möglich seien.
Sie habe in den Tatsacheninstanzen mehrfach die Überlassung der beiden Originaltestamente beantragt, um ein Privatgutachten zur Echtheit des Testaments erstellen zu können. Da die Dokumente auch nicht über ihre Prozessbevollmächtigten dem Privatgutachter überlassen worden seien, habe kein umfassendes Privatgutachten über die Echtheit angefertigt werden und die Beschwerdeführerin sich nicht angemessen zu dem Inhalt des gerichtlichen Sachverständigengutachtens äußern können. Hätte das Oberlandesgericht die Originale, insbesondere das des strittigen zweiten Testaments, zur Verfügung gestellt, hätte die Begutachtung eine Fälschung ergeben und das Oberlandesgericht zugunsten der Beschwerdeführerin geurteilt.
2. Weiter verletze die Nichtbeiziehung und Nichtüberlassung der kompletten Krankenakte zur Einsicht (beziehungsweise die Nichtüberlassung von Kopien) durch das Oberlandesgericht ebenso wie die Weigerung der Beiziehung der im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen erwähnten Krankenunterlagen ebenfalls den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und stelle sich zu-gleich als Verstoß gegen das Willkürverbot dar.
3. Der Bundesgerichtshof hätte schon aufgrund der Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG und wegen objektiver Willkür der Nichtzulassungsbeschwerde - sei es gemäß § 544 Abs. 6 oder Abs. 7 ZPO - stattgeben müssen; im Übrigen wäre die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht zu ziehen gewesen.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine Annahme liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
Soweit die Beschwerdeführerin die Nichtzurverfügungstellung des Originaltestamentes (1.) und der vollständigen Krankenakte (2.) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet (3.).
1. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, ihr sei das Testament nicht im Original für die Erstellung eines Privatgutachtens vor Ort zur Verfügung gestellt worden und ihr diesbezügliches Vorbringen sei vom Oberlandesgericht übergangen worden, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Subsidiaritätsgrundsatz gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Danach reicht es nicht aus, dass der Beschwerdeführer den fachgerichtlichen Rechtsweg lediglich formell erschöpft hat; er muss vielmehr darüber hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>; 81, 97 <102f.>; 107, 395 <414>; BVerfGK 19, 467 <472>).
Die Beschwerdeführerin hat sich mit ihrer Berufungsbegründung aber nur darauf gestützt, dass ihr die weitere Untersuchung der Originaltestamente verwehrt worden sei, so dass keine weitere Untersuchung durch ein Privatgutachten möglich gewesen sei. Dass eine solche Untersuchung im Rahmen der ihr angebotenen Einsichtnahme bei Gericht aus technischen Gründen nicht durchführbar sei, hat sie dort nicht geltend gemacht.
2. Hinsichtlich der Nichtbeiziehung und Nichtüberlassung der vollständigen oder teilweisen Krankenakte zur Einsicht durch das Oberlandesgericht ist eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf ein rechtsstaatliches Verfahren nicht substantiiert dargelegt.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet das Rechtsstaatsprinzip in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten elementare Verfahrensregeln, die für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz unerlässlich sind. Dazu gehört, dass das Gericht die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Das gilt grundsätzlich auch für konkrete Befundtatsachen, auf deren Feststellung ein Sachverständiger sein Gutachten gestützt hat. Den Parteien muss dabei die Möglichkeit gegeben werden, an dieser Prüfung mitzuwirken. Dazu müssen auch ihnen die konkreten Befundtatsachen, die das Gericht durch Übernahme des Sachverständigengutachtens verwerten will, zugänglich sein.
Ob und wieweit das Gericht und die Verfahrensbeteiligten die Kenntnis von Tatsachen, die ein Sachverständiger seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, für eine kritische Würdigung des Gutachtens tatsächlich benötigen, lässt sich nicht generell entscheiden. Die Frage muss vom Richter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Das Maß, in dem Tatsachen offengelegt werden müssen, damit ein Gutachten im Prozess verwertet werden darf, lässt sich ebenso wenig generell festlegen, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. BVerfGE 91, 176 <181 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 1997 - 1 BvR 587/95 -, NJW 1997, S. 1909).
In gleicher Weise ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die von einem Beteiligten verlangte Einsicht in die Krankenunterlagen - in Kopie, soweit nicht unbedingt das Original benötigt wird - nicht verwehrt werden darf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2000 - 3 Wx 436/99 -, juris, Rn. 14). Eine andere Beurteilung kommt jedoch in Betracht, wenn sich die vermissten Krankenunterlagen weitgehend in den Anlagen des schriftlichen Gutachtens befinden (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 U 20/95 -, BeckRS 1995, 06740, Rn. 11).
b) Hier geht die Beschwerdeführerin nicht darauf ein, dass die im Sachverständigengutachten in Bezug genommenen Inhalte aus der Krankenakte stets dem dokumentierten Inhalt nach schriftlich wiedergegeben waren. Weshalb die Beschwerdeführerin trotz der inhaltlichen Wiedergabe der tatsächlichen Grundlagen nicht in der Lage gewesen sein soll, mittels des Privatgutachters qualifiziert zu dem Sachverständigengutachten Stellung zu nehmen, ist nicht ersichtlich.
Für die in diesem Zusammenhang gleichfalls gerügte Verletzung des Willkürverbots ist ebenfalls nichts ersichtlich.
3. Die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Nichtzulassung der Revision hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschwert die Tatsache, dass der Beschluss nicht weiter begründet worden ist, zwar die Nachvollziehung der Entscheidung durch den Beschwerdeführer und mag für diesen unbefriedigend sein; sie stellt jedoch keinen Verfassungsverstoß dar. Dem Grundgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass jede - auch eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche - gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung zu versehen ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begründungszwang bei behördlichen Eingriffsakten (vgl. BVerfGE 6, 32 <44>; 40, 276 <286>) beruht auf der Erwägung, dass dem Betroffenen aus rechtsstaatlichen Gründen eine sachgemäße Verteidigung seiner Rechte ermöglicht werden muss. Dieser Gesichtspunkt lässt sich nicht auf eine den Rechtsweg abschließende Gerichtsentscheidung übertragen (BVerfGE 50, 287 <290>).
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.