Entscheidungsdatum: 14.08.2010
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Beratungshilfe nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz - BerHG).
I.
Der Beschwerdeführer beantragte beim Amtsgericht erfolglos Beratungshilfe für seinen Widerspruch wegen "falscher Einkommensanrechnung" bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Auf Nachfrage des Amtsgerichts zu den näheren Umständen reichte die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers eine Kopie des Bescheids ein, woraus sich ohne nähere Begründung ein Anrechnungsbetrag für sonstiges Einkommen in Höhe von 63,50 € für die Monate November 2008 bis März 2009 ergab. Zusätzlich führte die Rechtsanwältin aus, dass sich der Widerspruch gegen die Anrechnung der Eigenheimzulage als Einkommen richte. Der Antragsteller hätte im Jahr 2009 keine Eigenheimzulage erhalten. Diese Tatsache sei vor Erlass des Bescheids mitgeteilt worden.
Gegen die Zurückweisung des Antrags durch die Rechtspflegerin mit der Begründung, dass der Antragsteller die Fakten selbst hätte vortragen können, legte der Beschwerdeführer Erinnerung durch seine Rechtsanwältin ein. Sie wies erneut darauf hin, dass der Beschwerdeführer vor Erlass des Bescheids eine Mitteilung über die Eigenheimzulage abgegeben habe. Selbst bei ausgezahlter Eigenheimzulage sei höchst umstritten, in welchem Umfang diese anrechenbar sei.
Mit richterlichem Beschluss wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Der Richter entschied, dass ein Bemittelter die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen hätte, weil die Einwendungen hier einfache Tatsachenfragen darstellten, nämlich die Frage der Berücksichtigung einer im Jahre 2009 nicht gezahlten Eigenheimzulage. Sei die Zulage nicht gezahlt worden, was der Antragsteller vortrage, so komme es auf die Rechtsfrage der Anrechnung nicht an.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs.1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). Die Anrechenbarkeit von Einkommen sei ein konkretes rechtliches Problem. Es sei inhaltlich um die Frage gegangen, ob Beträge, die dem Beschwerdeführer nicht zugeflossen sind, als Einkommen anzurechnen sind und auf welche Monate eine im Vorjahr ausgezahlte Eigenheimzulage als Einkommen anrechenbar sei.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
Die Rechtswahrnehmungsgleichheit fordert eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des gerichtlichen wie außergerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 122, 39 <48 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 - 1 BvR 1517/08 -, NJW 2009, S. 3417). Dabei ist der Unbemittelte einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Ein kostenbewusster Rechtsuchender wird dabei insbesondere prüfen, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist.
Die Frage nach der Selbsthilfe mag einfachrechtlich im Rahmen des Beratungshilfegesetzes umstritten sein (generell ablehnend Schoreit, in: Schoreit/Groß, Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe, 9. Aufl. 2008, § 1 Rn. 52; für Berücksichtigung im Rahmen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses: Kalthoener/Büttner/ Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rn. 954, 960). Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist aber jedenfalls kein Verstoß gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit erkennbar, wenn ein Bemittelter deshalb die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würde.
Bei der Bewertung dieser Frage hat das Amtsgericht eine Abwägung im Einzelfall zu treffen. Pauschale Verweise auf die Beratungspflicht der Behörde sind insbesondere dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn die behördliche Beratung wegen Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde unzumutbar ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, S. 3417).
Betrifft der Widerspruch jedoch nach dem Vortrag des Beschwerdeführers lediglich einen - gegebenenfalls wiederholten - Hinweis auf eine einfach gelagerte Frage zum Sachverhalt, so widerspricht die Wertung des Amtsgerichts, dass ein Bemittelter die Einwände selbst vorgetragen hätte, der Rechtswahrnehmungsgleichheit nicht.
Das Bundesverfassungsgericht kann die Wertung des Amtsgerichts nur daraufhin überprüfen, ob es die Bedeutung oder Reichweite der Rechtswahrnehmungsgleichheit verkannt hat. Dabei ist von dem Vortrag auszugehen, den das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde legen konnte. Geht aus dem rechtlichen und tatsächlichen Vortrag eines vertretenen Beschwerdeführers vor dem Amtsgericht auch nach dessen Nachfrage nicht hinreichend hervor, dass der Antragsteller für seine Rechtswahrnehmung fremder Hilfe bedarf, so kommt es auf weitergehenden Vortrag in der Verfassungsbeschwerde nicht mehr an. Der Beschwerdeführer hat dann die Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht erfüllt. Dieser erfordert, dass der Beschwerdeführer alles getan hat, um Abhilfe im fachgerichtlichen Verfahren zu erhalten (vgl. BVerfGE 66, 337 <364>; 81, 22 <27 f.>).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.