Entscheidungsdatum: 22.03.2018
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für seine beiden 15- beziehungsweise 17-jährigen Söhne.
1. a) Der Beschwerdeführer ist Vater zweier Söhne, die seit der Trennung ihrer Eltern im September 2014 bei der Mutter leben und jeglichen Kontakt mit ihrem Vater strikt ablehnen. Zwischen den Eltern waren diverse Verfahren anhängig.
b) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 23. Juni 2017 wies das Amtsgericht den Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die beiden Kinder ab. Aufgrund der Anhörung der Eltern sei davon auszugehen, dass eine Kommunikation zwischen ihnen möglich sei. Die Eltern seien verpflichtet, sich im Interesse ihrer Kinder zu einigen.
c) Nach Anhörung der Eltern, der Verfahrensbeiständin, des Jugendamts und der beiden Jugendlichen änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts mit angegriffenem Beschluss vom 21. Dezember 2017 dahingehend ab, dass es der Mutter die elterliche Sorge für beide Jungen - im Hinblick auf den jüngeren Sohn allerdings mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts - allein übertrug. Dies entspreche dem Kindeswohl am besten (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Unverzichtbare Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei, dass zwischen den Eltern objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft bestehe. Vorliegend finde zwischen den Eltern unstreitig seit mehr als einem Jahr überhaupt keine Kommunikation mehr statt. Eine Einigung über das Kindesvermögen habe nur unter fachlicher Anleitung in der mündlichen Verhandlung in der Scheidungssache erzielt werden können. Aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufs und des Verhaltens der Eltern in der mündlichen Verhandlung sei nicht zu erwarten, dass sie in der näheren Zukunft in der Lage sein würden, ihren Konflikt beizulegen, zeitnah erforderliche Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen und ihre Konflikte nicht auf dem Rücken ihrer Kinder auszutragen. Bei einer solchen Sachlage sei die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich.
Obwohl Konsens bezüglich des Aufenthalts der Kinder bei der Mutter bestehe, müsse für den älteren Sohn auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen werden. Denn er beabsichtige, noch während seiner Minderjährigkeit ein Studium aufzunehmen und den Wohnort zu wechseln. Wie er bei seiner Anhörung mitgeteilt habe, fürchte er - wie auch die Verfahrensbeiständin - aufgrund des früheren Verhaltens des Beschwerdeführers, dass dieser einem Wechsel des Wohnortes nicht zustimmen werde.
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG.
Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Begründung des alleinigen Sorgerechts der Mutter (mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts für den jüngeren Sohn) stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Elternrecht und das Persönlichkeitsrecht der Kinder dar. Das Oberlandesgericht habe den verfassungsrechtlichen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge vor der alleinigen Sorge mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kindeswohlprüfung verkannt. Das Oberlandesgericht habe ferner verkannt, dass allein das konkret festgestellte Kindeswohl maßgeblich für die Entscheidung über das Sorgerecht sei. Zur Begründung einer alleinigen Sorge reiche es nicht aus, dass die Eltern tief zerstritten seien, weil dies nichts über deren Unfähigkeit besage, in Angelegenheiten ihres Kindes zur gemeinsamen kindeswohlverträglichen Lösung zu gelangen. Das Oberlandesgericht habe unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine unzulässige Vorratsentscheidung getroffen.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer durch ein verfassungswidriges Gesetz oder durch verfassungswidrige Rechtsanwendung in seinen Grundrechten verletzt sein könnte.
1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.
a) Der Schutz des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG, der dem Vater wie der Mutter des Kindes gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169, 173>). Dabei hat der Staat aufgrund seines ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auferlegten Wächteramtes sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet (grundlegend BVerfGE 55, 171 <178 f.>; vgl. BVerfGE 127, 132 <146>; stRspr). Weil die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind für den Fall zuordnen, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung fehlen (vgl. BVerfGE 107, 150 <169>; 127, 132 <146 f.>). Die Gerichte setzen dies im Einzelfall unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechte durch die konkrete Regelung des Sorgerechts um (zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 26 m.w.N.). Dabei ist es - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen (vgl. BVerfGK 2, 185<188>).
Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge muss am Wohl des Kindes ausgerichtet sein (vgl. BVerfGE 55, 171 <179>). Die Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil setzt keine Kindeswohlgefährdung voraus, wie sie nach ständiger Rechtsprechung bei einer Trennung des Kindes von seinen Eltern nach Art. 6 Abs. 3 GG bestehen muss (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28> sowie zuletzt näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 27 m.w.N.). Das Wohl des Kindes ist aber auch bei Aufhebung der gemeinsamen Sorge und der Übertragung des Sorgerechts auf nur einen Elternteil oberste Richtschnur. Das Kind ist als ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss daher das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (grundlegend BVerfGE 55, 171 <179>; stRspr; zuletzt näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 27 m.w.N.).
Sorgerechtsentscheidungen müssen danach den Willen des Kindes einbeziehen. Die Grundrechte des Kindes gebieten, bei der gerichtlichen Sorgerechtsregelung den Willen des Kindes zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist (grundlegend BVerfGE 55, 171 <182>; vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 28 m.w.N.). Mit der Kundgabe seines Willens macht das Kind von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch. Hat der Kindeswille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, so kommt ihm im zunehmenden Alter des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Nur wenn die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsvollem Handeln berücksichtigt werden, kann das Ziel erreicht werden, das Kind darin zu unterstützen, zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu werden (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 28 m.w.N.).
b) Wenn die Familiengerichte nach der Trennung der Eltern auf Antrag eines Elternteils über die künftige Wahrnehmung der elterlichen Sorge zu entscheiden haben, bleibt es in erster Linie ihnen vorbehalten, zu beurteilen, inwieweit die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes entsprechen. Die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich hier grundsätzlich darauf, zu prüfen, ob die Fachgerichte eine auf das Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung getroffen und dabei die Tragweite der Grundrechte aller Beteiligten nicht grundlegend verkannt haben (vgl. BVerfGE 55, 171 <180 f.>; 72, 122 <138> sowie zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 - 1 BvR 1914/17 -, juris, Rn. 29 m.w.N.; anderes bei der Überprüfung von Entscheidungen, die das Sorgerecht zum Zweck der Trennung des Kindes von den Eltern entziehen <Art. 6 Abs. 3 GG>; vgl. BVerfGE 72, 122 <138 f.>; 136, 382 <391 Rn. 28 f.> m.w.N.; stRspr).
2. Gemessen hieran ist ein Verfassungsverstoß nicht ersichtlich.
Das Oberlandesgericht hat geprüft, ob zwischen den Eltern die notwendige Konsensfähigkeit besteht, diese jedoch - gestützt auf die eigenen Wahrnehmungen, die zuletzt getroffene Empfehlung der Verfahrensbeiständin und die Angaben der beiden Jugendlichen - aufgrund des bestehenden konfliktbehafteten Verhältnisses der Eltern und des unstreitigen Kommunikationsstillstandes zwischen ihnen seit mehr als einem Jahr vertretbar verneint. Da auch zwischen Vater und Söhnen keinerlei Kontakt mehr besteht, können gemeinsame Entscheidungen im Interesse der Jungen nur über Anwälte oder gar erst - wie im Hinblick auf die Kontoeröffnung des ältesten Sohnes und die ihm zu erteilende Erlaubnis, mit 17 Jahren den Führerschein zu erwerben - in gerichtlichen Verfahren herbeigeführt werden, was neues Konfliktpotential zwischen den Eltern schafft. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht konkret ausgeführt, dass im Hinblick auf den ältesten Sohn die Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums und des Wechsels seines Wohnortes anstehe.
Die angegriffene Entscheidung begegnet auch deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie dem Willen der Söhne entspricht, dem angesichts ihres fortgeschrittenen Alters von 15 beziehungsweise 17 Jahren vorliegend eine höhere Bedeutung zukommt. Beide Söhne haben sich gegenüber dem Oberlandesgericht mit nachvollziehbaren Gründen gegen die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ausgesprochen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.