Entscheidungsdatum: 28.07.2016
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
I.
Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen wenden sich - vertreten durch ihre Eltern - gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die ihre Unterlassungsklagen zurückgewiesen (Verfahren 1 BvR 335/14, 1 BvR 1621/14, 1 BvR 1635/14) und der einen Beschwerdeführerin die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens in gleicher Sache auferlegt haben (Verfahren 1 BvR 2464/15).
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Adoptivtöchter eines bekannten Fernsehmoderators und seiner Ehefrau. Die Eheleute adoptierten beide Beschwerdeführerinnen in den Jahren 1997 beziehungsweise 2000 in jungem Alter aus einem sibirischen Waisenhaus. Die Beschwerdeführerinnen sollen fernab von medialer Aufmerksamkeit aufwachsen; sie tragen den Geburtsnamen ihrer Adoptivmutter.
2. Die Gegner der zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren sind Presseverlage, die in Ausgaben ihrer Illustrierten unterhaltende Artikel über öffentliche Auftritte des Fernsehmoderators veröffentlichten. Die Artikel erwähnten in je einem Satz, dass die Beschwerdeführerinnen, die dort mit Vornamen und Alter bezeichnet werden, Adoptivtöchter des Fernsehmoderators und seiner Ehefrau sind. Das Adoptivkindverhältnis hatten zuvor in Bezug auf das eine Kind von 2000 bis 2009 elf Presseberichte verschiedener Publikationen genannt, in Bezug auf das andere zwölf Berichte aus einem Zeitraum von 2000 bis 2011.
3. Die Beschwerdeführerinnen betrieben Unterlassungsverfahren gerichtet auf Untersagung der Veröffentlichung, dass die Beschwerdeführerinnen Kinder des Fernsehmoderators seien. Der Bundesgerichtshof wies die Klagen letztinstanzlich mit den in den Verfahren 1 BvR 335/14, 1 BvR 1621/14 und 1 BvR 1635/14 angegriffenen Urteilen ab. Auf dieser Grundlage erlegte das Hanseatische Oberlandesgericht mit dem im Verfahren 1 BvR 2464/15 angegriffenen Beschluss der einen Beschwerdeführerin die Kosten eines vorangegangenen, gemäß § 927 ZPO wieder aufgegriffenen einstweiligen Verfügungsverfahrens auf.
4. Der Bundesgerichtshof nahm in seinen klageabweisenden Urteilen ein Überwiegen der Pressefreiheit der Verlage an. Zwar berühre die Veröffentlichung ihrer Abstammung, ihres Vornamens und ihres Alters das Recht der Beschwerdeführerinnen auf informationelle Selbstbestimmung, die wegen ihrer Minderjährigkeit besonders schutzbedürftig seien. Gleichwohl sei das Gewicht des Eingriffs durch die Weiterverbreitung einer bereits bekannten Information verringert. Die Beschwerdeführerinnen hätten bereits ihre Anonymität verloren; die Sicht der Öffentlichkeit werde durch vielfältige bereits vorhandene Information geprägt. So sei bereits aus zahlreichen, auch im Internet zugänglichen Presseberichten seit dem Jahr 2000 bekannt, dass die Beschwerdeführerinnen Kinder des Fernsehmoderators seien.
5. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Beschwerdeführerinnen hätten von den vorherigen Veröffentlichungen zu ihrer Person nichts gewusst und ihnen nicht zugestimmt. Wenn Berichte aus beliebiger Quelle, die ihrerseits in die informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerinnen eingriffen, die Anonymität der Beschwerdeführerinnen aufheben könnten, führe dies zu einer informationellen Fremdbestimmung.
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihnen kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen nicht die von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerinnen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Abwägung die Tragweite des besonderen Persönlichkeitsschutzes Minderjähriger nicht verkannt und der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit den Vorrang gegeben.
a) Das durch die Veröffentlichung ihrer Verwandtschaft zu dem Fernsehmoderator betroffene Recht der Beschwerdeführerinnen auf informationelle Selbstbestimmung ist als Teil des in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistet. Es umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis der Person, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>). Allerdings gewährt es kein unbeschränktes dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen, sondern findet seine Grenze in den Rechten Dritter, insbesondere der Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. BVerfGE 84, 192 <195>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Januar 2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09 -, NJW 2012, S. 1500).
Da Kinder und Jugendliche sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen, sind sie in der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte besonders schutzbedürftig (vgl. BVerfGE 101, 361 <385>; 119, 1 <24> - zum Privatsphärenschutz). Ihre Persönlichkeitsentwicklung kann durch Presseberichterstattung empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen. Daher muss auch für Kinder prominenter Eltern ein von medialer Beobachtung und Kommentierung geschützter Freiraum bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Juni 2006 - 1 BvR 456/04, 1 BvR 1009/04 -, juris). Wie der Bundesgerichtshof herausstellt, ist das Schutzbedürfnis der Beschwerdeführerinnen, die sich weder durch eigenes Verhalten noch durch ihre Eltern der Öffentlichkeit ausgesetzt haben, besonders ausgeprägt (vgl. BVerfGK 8, 173 <176 f.>).
b) Von insoweit zutreffenden Maßstäben ausgehend liegt die Abwägungsentscheidung des Bundesgerichtshofs, die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Nennung als Adoptivtöchter des Fernsehmoderators in der Wortberichterstattung hinzunehmen, im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
aa) Die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass die Sicht der Öffentlichkeit auf die Beschwerdeführerinnen bereits durch die gleichlautenden Vorveröffentlichungen mitgeprägt worden sei und dass die Beschwerdeführerinnen durch die beanstandete Wortberichterstattung weder erst- noch abermals ihre Anonymität verloren hätten, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gegenstand der Berichterstattung war ausschließlich eine Information, die - von den Beschwerdeführerinnen nicht durchgehend beanstandet - bereits über mehrere Jahre breiten Empfängerkreisen bekannt gemacht worden war, von diesen ihrerseits weitergegeben werden konnte und im Internet allgemein zugänglich ist.
Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Folgerung des Bundesgerichtshofs keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die erneute Veröffentlichung der bereits zugänglichen Information in geringerem Maße in die informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerinnen eingreift als eine erstmalige Veröffentlichung.
Keiner Klärung bedarf dabei die Frage, wieweit eine auch länger zurückliegende Berichterstattung, die allein durch die Möglichkeiten moderner Informationstechnik auffindbar bleibt, als Grundlage für eine "informationelle Vorprägung" des maßgeblichen Publikums in Frage kommt. Der Bundesgerichtshof geht mit schlüssiger Begründung davon aus, dass die zuletzt vor zwei Jahren veröffentlichte Information über das Kindschaftsverhältnis weiterhin aktuell ist.
bb) Die Verfassungsbeschwerden haben auch nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführerinnen durch die beanstandete Berichterstattung inhaltlich in höherem Umfang beeinträchtigt werden als - wie der Bundesgerichtshof annimmt - durch den Umstand der erneuten Veröffentlichung selbst. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerinnen sich als Folge der Berichterstattung speziellen Verhaltenserwartungen ausgesetzt sehen könnten oder ihnen nicht unbefangen begegnet werden mag (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2003 - 1 BvR 1964/00 -, NJW 2003, S. 3262 <3263>). Auch ist eine optische Erkennbarkeit der Beschwerdeführerinnen für die breitere Öffentlichkeit nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich allein um die Veröffentlichung von Vorname, Abstammung und Alter der Beschwerdeführerinnen.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.