Entscheidungsdatum: 20.03.2013
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Versagung der Umsatzbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) für eine Freiberufler-Kapitalgesellschaft verfassungsgemäß ist.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Bis Dezember 2003 entrichtete die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuer für die von ihr getätigten Umsätze wie in § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG als Regelfall vorgesehen nach vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Besteuerung), das heißt mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem sie die jeweilige umsatzsteuerpflichtige Leistung ausführte (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG). Anfang 2004 beantragte die Beschwerdeführerin, ihre Umsätze gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. nach vereinnahmten Entgelten abführen zu dürfen (sog. Ist-Besteuerung), also erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem sie die Zahlung für eine erbrachte Leistung tatsächlich erhält (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b UStG). Die Beschwerdeführerin versprach sich Liquiditäts- und Zinsvorteile von der mit der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten regelmäßig verbundenen späteren Zahlung der Umsatzsteuer.
2. § 20 UStG in seiner aktuellen Fassung, die mit der im Ausgangsverfahren maßgeblichen inhaltlich übereinstimmt, gestattet die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten in Satz 1 Nr. 1 Unternehmern, deren Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr 500.000 € nicht überstiegen hat, in Satz 1 Nr. 2 Unternehmern, die nach § 148 AO von einer durch die Steuergesetze begründeten Buchführungspflicht befreit sind und in Satz 1 Nr. 3 Unternehmern, die Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführen. Im Streitjahr 2004 des Ausgangsverfahrens galt für die Beschwerdeführerin gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. noch ein Grenzbetrag von 125.000 €.
Die gesetzliche Regelung der beiden umsatzsteuerlichen Erhebungsformen (Soll-Besteuerung und Ist-Besteuerung) erfolgte im Jahr 2004 in Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG, inzwischen abgelöst durch Art. 63 ff. der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Richtlinie 2006/112/EG). Nach Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird. Nach Unterabsatz 3 dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten abweichend hiervon unter anderem vorsehen, dass der Steueranspruch "für bestimmte Umsätze oder für Gruppen von Steuerpflichtigen … spätestens bei der Vereinnahmung des Preises" entsteht (vgl. Art. 66 der Richtlinie 2006/112/EG).
3. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Ist-Besteuerung blieb vor dem Finanzamt und dem Finanzgericht ohne Erfolg.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. Juli 2010 wies der Bundesfinanzhof die Revision der Beschwerdeführerin zurück. Dabei wich er in der Begründung von der des Finanzgerichts und seiner eigenen früheren Rechtsprechung ab (vgl. BFH, Urteil vom 22. Juli 1999 - V R 51/98 -, BFHE 189, 211).
Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. lägen nicht vor, wenn der Unternehmer hinsichtlich dieser Umsätze buchführungspflichtig sei.Im Hinblick auf den Normzweck, solchen Unternehmern, die aufgrund der steuerrechtlichen Regelungen keine Bücher führen müssten, die Ist-Besteuerung zu ermöglichen, um sie nicht allein wegen der Umsatzsteuer zur Buchführung zu verpflichten, wäre es nicht zu rechtfertigen, allein auf die Buchführungspflicht abzustellen und unberücksichtigt zu lassen, ob der Unternehmer für die § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. unterliegenden Umsätze auf freiwilliger Grundlage Bücher führe. Daher komme eine Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. auch bei Fehlen einer Buchführungspflicht nicht in Betracht, wenn der Unternehmer für die in dieser Vorschrift genannten Umsätze freiwillig Bücher führe.
Diese restriktive Auslegung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. verstoße weder gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 77/388/EWG) noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze. Die Anknüpfung an die Buchführungspflicht beziehungsweise die freiwillige Buchführung beruhe mit dem Ziel der Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungspflichten auf sachlichen Gründen. Führe der Unternehmer die für die Soll-Besteuerung erforderlichen Aufzeichnungen, bleibe für die Ist-Besteuerung kein Raum, unabhängig davon, ob diese Aufzeichnungen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt würden.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot, Gebot der Rechtsformneutralität), Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit).
1. Die mit der Ablehnung ihres Antrags auf Ist-Versteuerung einhergehende Verpflichtung der Beschwerdeführerin, ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten zu besteuern, verletze den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Versteuerung nach vereinbarten Entgelten führe dazu, dass ein Unternehmer die Umsatzsteuer für innerhalb eines Kalendermonats erbrachte steuerpflichtige Leistungen vorfinanzieren müsse, soweit die Gegenleistungen (Entgelte) nicht bis zum 10. des Folgemonats vereinnahmt würden. Die so entstehenden Vorfinanzierungskosten der Beschwerdeführerin beliefen sich auf mehr als 100.000 € pro Jahr.
Die Ungleichbehandlung knüpfe an die Rechtsform an. Steuerberater und andere Freiberufler, die als Einzelunternehmer oder in der Rechtsform einer Personengesellschaft (nach §§ 705 ff. BGB oder dem PartGG) tätig seien, seien nicht buchführungspflichtig und könnten die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. vornehmen. Bildeten Steuerberater oder andere Freiberufler hingegen eine GmbH, sollten sie nach der angegriffenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht unter § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. fallen. Durch die Ungleichbehandlung entstünden der Beschwerdeführerin Wettbewerbsnachteile, weil ihre Kosten höher seien. Die aufzubringende Umsatzsteuer werde durch die Zinskosten ihrer Vorfinanzierung erhöht.
Für die Ungleichbehandlung bestehe keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Aus dem Wesen der Umsatzsteuer folge zwingend, dass, soweit das Umsatzsteuerrecht nach Umsatzarten und Unternehmern unterscheide und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfe, diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden müssten. Die Rechtsform, in der eine Leistung von einem Unternehmer erbracht werde, sei kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung und rechtfertige folglich bei steuerpflichtigen Umsätzen auch nicht eine besondere Belastung im Zusammenhang mit der Entrichtung der Steuer.
Sonstige sachliche Gründe seien nicht erkennbar. Die Aussage des Bundesfinanzhofs, dass "für eine Ist-Besteuerung kein Raum" bleibe, wenn die für eine Soll-Besteuerung erforderlichen Aufzeichnungen über die Forderungen vorlägen, sei keine Begründung.
2. Auch die Vereinigungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG sei verletzt. Das Gebot der Rechtsformneutralität ergebe sich neben Art. 3 Abs. 1 GG auch aus Art. 9 Abs. 1 GG. Die Vereinigungsfreiheit garantiere das Recht, bei einem gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigwerden diejenige Rechtsform zu wählen, die den Beteiligten als richtige und angemessene erscheine. Folglich dürfe die Wahl nicht durch steuerrechtliche Vorgaben beeinträchtigt werden. Die Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. durch den Bundesfinanzhof greife in das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit ein. Der Zwang zur Vorfinanzierung eines erheblichen Teils der Umsatzsteuer sei geeignet, Freiberufler davon abzuhalten, sich in der Rechtsform der GmbH zu organisieren oder die Gesellschafter einer Freiberufler-GmbH zu einer Umwandlung in eine Personengesellschaft zu veranlassen, obwohl sie die Rechtsform der Kapitalgesellschaft an sich für besser geeignet hielten. In der Sache verkenne der Bundesfinanzhof die elementaren Unterschiede zwischen den Besteuerungszwecken und -prinzipien des Ertragsteuerrechts und des Umsatzsteuerrechts. Im Bereich der Umsatzsteuer lasse sich für eine Differenzierung nach der Rechtsform im Rahmen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. keine Rechtfertigung finden.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da kein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG vorliegt. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und hat im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und sinngemäß von Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG rügt, weil sie insoweit nicht den Begründungsanforderungen nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügt.
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Übrigen steht nicht entgegen, dass sie sich gegen umgesetztes Unionsrecht und dessen Anwendung richtet. Die substantiiert begründeten Rügen der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG, auf die sich die Beschwerdeführerin gemäß Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann, betrifft mit dem Verhältnis von Soll-Besteuerung einerseits zur Ist-Besteuerung andererseits einen Bereich, in dem Art. 10 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG - ebenso wie mittlerweile die Richtlinie 2006/112/EG - den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt, innerhalb dessen die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nicht zurückgenommen ist (vgl. BVerfGE 118, 79 <95 ff.>; 121, 1 <15>; 125, 260 <306 f.> und 129, 186 <198 f.>).
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde nicht bereits unzulässig ist, hat sie in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 9 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
a) aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 107, 27 <46>; 126, 400 <416>; 129, 49 <69>).
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416>; 129, 49 <68>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; 129, 49 <69>). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>).
Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 123, 1 <19>; 127, 224 <245>). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 117, 1 <30>; 122, 210 <230 f.>; 127, 224 <245>). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>; 120, 1 <29>; 123, 1 <19>; vgl. zu den besonderen sachlichen Gründen BVerfGE 127, 224 <245> und zum materiellen Umsatzsteuerrecht BVerfGE 101, 132 <138 f.>; 101, 151 <155 f.>).
Die Rechtsform, in der eine Leistung von einem Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbracht wird, ist kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung (BVerfGE 101, 151 <156>; vgl. zur rechtsformbezogenen Gewerbesteuerpflicht BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2010 - 1 BvR 2130/09 -, NJW 2010, S. 2116). Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund zielt auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (vgl. BVerfGE 101, 151 <156 f.>).
bb) Hiervon ausgehend führt die Umsatzbesteuerung der Beschwerdeführerin nach dem Grundsatz der Soll-Besteuerung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) gemäß der vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Auslegung des § 20 UStG nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin.
(1) Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Prüfung ist § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. in der Auslegung durch den Bundesfinanzhof.
Danach knüpft § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. die Möglichkeit der Ist-Besteuerung an das Nichtvorhandensein einer Buchführung bei dem Unternehmen. Aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Zusammenhang der in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG a.F. genannten Varianten leitet der Bundesfinanzhof zunächst ab, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. mit der Verweisung auf Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG lediglich die Art der Umsätze bezeichnet, im Übrigen jedoch nicht an die Rechtsform, in der diese getätigt werden, sondern an die Buchführungspflicht anknüpft. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. bezwecke nach der Gesetzesbegründung, den aufgrund der Neuregelung in § 141 AO nicht mehr der steuerrechtlichen Buchführungspflicht unterliegenden Umsätzen der Angehörigen der freien Berufe, die zuvor mit diesen Umsätzen aufgrund einer Befreiung von der steuerrechtlichen Buchführungspflicht nicht buchführungspflichtig waren, die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten weiterhin zu ermöglichen, auch wenn sie die Umsatzgrenze des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. überschritten. Die Führung gesonderter Aufzeichnungen allein für Zwecke der Umsatzsteuer habe dadurch vermieden werden sollen. Im Hinblick auf diesen Normzweck wird sodann nach dem Verständnis des Bundesfinanzhofs die Ist-Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. nur solchen Unternehmern ermöglicht, die weder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung noch freiwillig Bücher führen.
Die Feststellung des Sachverhalts sowie die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode sind Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht umfassend auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Kontrolle auf die Prüfung, ob das Fachgericht bei der Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>; 96, 375 <394 f.>; 111, 54 <81 f.>; 122, 248 <257 f.>). Es ist nicht erkennbar und von der Beschwerdeführerin auch nicht substantiiert gerügt, dass die Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. durch den Bundesfinanzhof willkürlich wäre oder die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritte.
Indem der Bundesfinanzhof auch freiwillig Bücher führende Freiberufler-Personenunternehmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausklammert, legt er die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. in einer restriktiven Weise aus. Können verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die weite Interpretation einer Vorschrift bestehen, durch eine vom zuständigen Fachgericht vertretene einengende Auslegung des Gesetzes behoben werden, hat das Bundesverfassungsgericht diese seiner Prüfung zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 26, 41 <43>; 87, 209 <226 f.>; 92, 1 <18>; 126, 170 <196 f.>).
(2) Die nach diesem Verständnis des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. dem Gesetz zu entnehmende Unterscheidung zwischen Unternehmern, die mit Rücksicht auf ihre obligatorische oder freiwillige Buchführung der Soll-Besteuerung unterliegen, und jenen, denen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. die Option der Ist-Besteuerung offen steht, ist innerhalb der Gleichheitsprüfung nicht an einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen. Das Differenzierungskriterium der Buchführung ist ein verfügbares Merkmal. Durch die Soll-Besteuerung, die nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. im Verständnis der angegriffenen Rechtsprechung für die Beschwerdeführerin wegen der für sie obligatorischen Buchführungspflicht unvermeidbar ist, wird ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit allenfalls am Rande berührt. Vereinigungsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit sind in qualitativer Hinsicht eher geringfügig betroffen.
Dem Gesetzgeber steht zudem bei der Ausgestaltung des Besteuerungsverfahrens ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Denn die Vorschrift des § 20 UStG befreit nicht von der Umsatzsteuer; sie enthält kein materielles Steuerrecht, sondern eine Regelung zur Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer, die allerdings im Ergebnis zu kalkulatorischen Zinsaufwendungen führen kann. Sie wirkt sich nicht auf die Höhe des von den Mandanten (Leistungsempfänger) an die Beschwerdeführerin (Unternehmerin) zu entrichtenden Umsatzsteuerbetrags aus, sondern regelt allein die verfahrensrechtliche Art und Weise, wann eine betragsmäßig unstreitige Umsatzsteuer vom leistenden Unternehmer in die beim Finanzamt einzureichenden Voranmeldungen einzubeziehen ist. Die Soll-Besteuerung betrifft infolgedessen keine Frage der materiellen Umsatzbesteuerung. Sie wirkt sich für den die Umsatzsteuer zahlenden Leistungsempfänger nicht unmittelbar aus, wenn auch die durch die Soll-Besteuerung verursachten Vorfinanzierungskosten die Preis- beziehungsweise Honorarkalkulation der betroffenen Unternehmer beeinflussen können.
(3) Die vom Bundesfinanzhof dem Gesetz durch Auslegung entnommenen Gründe für die Ungleichbehandlung vermögen die Differenzierung von Soll-Besteuerung und Ist-Besteuerung in verfassungsrechtlich hinreichender Weise zu tragen. Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dabei die vom Bundesfinanzhof aus dem Unionsrecht und dem insofern übereinstimmenden nationalen Umsatzsteuerrecht gewonnene Feststellung, dass die Soll-Besteuerung nach vereinbarten Entgelten der gesetzliche Regelfall, die Ist-Besteuerung hingegen die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme hiervon ist (vgl. das angegriffene Urteil des BFH, juris, Rn. 37). Die Unternehmen mit ohnehin vorhandener Forderungsbuchhaltung auf diesen von ihnen ohne weiteren technischen Aufwand erfüllbaren Regelfall der Soll-Besteuerung zu verpflichten, die Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. dagegen nur dann zuzulassen, wenn die für die Soll-Besteuerung notwendigen Unterlagen im Buchführungswesen des Unternehmens nicht vorhanden sind und deshalb eigens für die Zwecke der Soll-Besteuerung (§ 16 UStG) erstellt werden müssten, ist nicht sachwidrig und entspricht dem Verfahrenscharakter dieser Regelung.
Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. führt nach ihrer für die verfassungsrechtliche Prüfung maßgeblichen Auslegung durch den Bundesfinanzhof nicht zu einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung. Die Differenzierung erfolgt danach nicht im Anschluss an die vom Unternehmer gewählte Rechtsform, sondern abhängig vom Vorliegen einer Buchführung (freiwillige oder obligatorische Buchführung einerseits, keine Buchführung andererseits). Nach Maßgabe der angegriffenen Rechtsprechung ist die Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. auch bei einer freiwilligen Forderungsbuchhaltung zu versagen. Differenzierungskriterium ist danach die - sei es freiwillig, sei es verpflichtend - vorhandene oder aber nicht vorhandene Forderungsbuchhaltung. Freiberufler-Kapitalgesellschaften mit Forderungsbuchhaltung und Freiberufler-Personenunternehmen mit Forderungsbuchhaltung werden vom Bundesfinanzhof bei der Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. gleich behandelt.
Angesichts des relativ niedrigen Rechtfertigungsbedarfs ist die Ungleichbehandlung daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
b) Eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit liegt ebenfalls nicht vor. Soweit sich die Rüge der Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG in weiten Teilen auf gleichheitsrechtliche Aspekte bezieht, wird auf die obigen Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG verwiesen. Dies gilt auch für den Einwand einer Verletzung des Gebots der Rechtsformneutralität.
3. Das mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffene erstinstanzliche Urteil ist durch das Revisionsurteil des Bundesfinanzhofs prozessual überholt. Soweit das Finanzgericht im angegriffenen Urteil noch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Juli 1999 - V R 51/98 - (BFHE 189, 211) rekurriert hat, bedarf dies in Anbetracht der neueren, nicht mehr rechtsformbezogen differenzierenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung mehr.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.