Entscheidungsdatum: 14.03.2018
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Kostenentscheidung nach Erledigung eines sozialgerichtlichen Verfahrens.
1. Die Bundesagentur für Arbeit, Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragsgegnerin), lud den Beschwerdeführer, nachdem er sich arbeitsuchend gemeldet hatte, auf der Grundlage von § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ein, um seine aktuelle berufliche Situation mit ihm zu besprechen. Da der Termin vormittags stattfinden sollte und er wegen seines zu diesem Zeitpunkt noch fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses verhindert war, legte der Beschwerdeführer Widerspruch gegen die Meldeaufforderung ein und beantragte am gleichen Tag - anwaltlich vertreten und ohne zuvor (telefonisch) Kontakt mit der Antragsgegnerin aufgenommen zu haben - auf der Grundlage von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, die wegen § 336a Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht von Gesetzes wegen eintritt. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben noch vom gleichen Tage den Termin verschoben hatte, erklärte der Beschwerdeführer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für erledigt und stellte Kostenantrag.
Mit dem angegriffenen Beschluss entschied das Sozialgericht, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeführers nicht zu erstatten habe. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, nach Erledigung des Verfahrens habe das Gericht nach freiem richterlichen Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden (§ 193 SGG). Danach erscheine es nicht angemessen, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeführers erstatte. Denn der zeitgleich mit der Widerspruchseinlegung gestellte Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig gewesen. Zwar bedürfe es nach allgemeiner Ansicht für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG keines vorherigen Antrags an die Behörde nach § 86a Abs. 3 SGG. Allerdings sei auch für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zu fordern, das dann entfalle, wenn sich der Antragsteller - wie hier - vor Inanspruchnahme des Gerichts nicht an die Behörde gewandt habe.
Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Anhörungsrüge, die erfolglos blieb.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer in erster Linie einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung setze nicht voraus, dass sich der Betroffene zunächst an die Verwaltung wende, um eine Entscheidung über eine behördliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung herbeizuführen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 6 KA 4/07 R -, SozR 4-1935 § 17 Nr. 1). Ein Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, wäre im Übrigen von vorneherein aussichtslos gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es abwegig, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens nicht zu tragen haben solle. Die anwaltlichen Berufspflichten seines Bevollmächtigten hätten es vielmehr gerade geboten, "durch Erhebung eines Eilantrages" zu dem wenige Tage später stattfindenden Meldetermin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs "erstmalig herzustellen". Unter diesen Umständen anzunehmen, es habe kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden, sei sachfremd.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend substantiiert und damit nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargelegt, dass er in seinen Grund- oder grundrechtsgleichen Rechten, namentlich aus Art. 3 Abs. 1 GG, verletzt sein kann.
Ein Richterspruch ist nur dann willkürlich und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht; dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 70, 93 <97>; 96, 189 <203>; 112, 185 <215>; stRspr).
Danach ist es für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Kostenentscheidung unerheblich, dass im konkreten Einzelfall unter Einbeziehung des bei einer Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bestehenden richterlichen Ermessens möglicherweise auch eine Anordnung der Kostenerstattung zu Gunsten des Beschwerdeführers denkbar gewesen wäre; Anhaltspunkte für eine Willkürlichkeit der getroffenen Entscheidung bestehen dennoch nicht.
Das Sozialgericht war mit der Frage konfrontiert, wie (kostenrechtlich) mit einem Verfahren umzugehen ist, das darauf zurückgeht, dass der Betroffene, der mit einem erkennbar fehlerhaften Verwaltungsakt konfrontiert ist, aus dem sich kurzfristig Belastungen ergeben, sich sofort mit einem Eilantrag an das Gericht wendet, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen, unmittelbar bei der Behörde die Korrektur des (möglicherweise auf einem Versehen beruhenden) Verwaltungsaktes zu erreichen. Neben einer Entscheidung zu Gunsten der Betroffenen und einer unmittelbar auf kostenrechtliche Erwägungen zielenden Argumentation, die in derartigen Fällen eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Antragstellers unter Veranlassungsgesichtspunkten ablehnt, wenn die Behörde zu einer unverzüglichen Korrektur bereit ist, findet sich hierzu in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur - wenn auch in erster Linie auf Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG bezogen - verbreitet auch die Rechtsauffassung, die vorliegend das Sozialgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat: Danach fehlt es schon für den Sachantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Betroffene nicht zuvor die Behörde mit seinem Rechtsschutzanliegen befasst hat, obwohl dies zumutbar gewesen wäre (vgl. ausdrücklich zu § 86b Abs. 1 SGG z.B. Burkiczak, in: jurisPK-SGG, § 86b Rn. 132 ff.; Frehse, in: Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 86b Rn. 6 und auch die vom Beschwerdeführer zitierte Kommentierung von Düring, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 86b Rn. 3; vgl. außerdem Bayerisches LSG, Beschluss vom 5. Januar 2015 - L 15 VK 8/14 ER -, juris, Rn. 14 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2013 - L 7 AS 370/13 B ER -, juris, Rn. 2 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Mai 2010 - L 11 B 14/09 KA ER -, juris, Rn. 37; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 86b Rn. 19).
Das Bundesverfassungsgericht hat dies gebilligt (vgl. BVerfGK 16, 347 <348>): Danach überspanne die von den Fachgerichten angenommene Notwendigkeit, wonach sich der Beschwerdeführer erneut an den Leistungsträger wenden müsse, bevor er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehme, die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Anforderungen auch nicht mit Blick auf den Umstand, dass die Behörde dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit Leistungen nicht ohne Weiteres gewährt habe. Zwar bezog sich auch diese Entscheidung auf eine Leistungssituation. Der Beschwerdeführer im hiesigen Verfahren hätte sich aber jedenfalls mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit deren Sachgrund auf Situationen übertragbar ist, in denen es in Anbetracht eines eingreifenden Verwaltungsakts wie einer Meldeaufforderung nach § 309 SGB III sinnvoll und zumutbar erscheint, kurzfristig, gegebenenfalls telefonisch, zu klären, ob der Behörde ein Versehen unterlaufen ist, etwa weil sie übersehen hat, dass der Betroffene wegen eines absehbaren wichtigen Grundes am Meldetermin verhindert ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich schon die Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit den vom Bundesverfassungsgericht - wenn auch zu Art. 19 Abs. 4 GG, den der Beschwerdeführer nicht rügt - entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäben als unzureichend; umso weniger ist unter diesen Umständen eine mögliche Willkür der angegriffenen Entscheidung plausibel dargelegt.
Auch die unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 6 KA 4/07 R -, SozR 4-1935 § 17 Nr. 1) gegen die angegriffene Entscheidung vorgebrachte Kritik, diese verkenne, dass ein gerichtlicher Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht voraussetze, dass der Betroffene zuvor eine behördliche Entscheidung nach § 86a Abs. 3 SGG herbeigeführt habe, lässt eine mögliche Willkürlichkeit der Entscheidung nicht erkennen. Dieses Argument hat das Sozialgericht durchaus gesehen, allerdings jedenfalls nicht willkürlich zwischen der (fehlenden) Notwendigkeit eines vorhergehenden förmlichen Antrags nach § 86a Abs. 3 SGG an die Verwaltung und dem (davon unabhängig notwendigen) allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis unterschieden, das es notwendig machen kann, vorab Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, wenn dies die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit einiger Wahrscheinlichkeit entbehrlich machen und der Betroffene sein Rechtsschutzziel somit auch ohne gerichtliche Hilfe unschwer erreichen kann. Auch das Bundessozialgericht unterscheidet im Übrigen in der vom Beschwerdeführer herangezogenen Entscheidung zwischen der (fehlenden) Notwendigkeit eines Antrags nach § 86a Abs. 3 SGG und dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Eine ausdrückliche Erklärung der Behörde, den streitigen Verwaltungsakt nicht vollstrecken zu wollen, die das Bundessozialgericht als Grund nennt, aus dem es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen könne, lag hier vor Einleitung des gerichtlichen Eilverfahrens zwar nicht vor; aber der zusätzliche argumentative Schritt, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis auch dann fehlen kann, wenn es auf Grund der konkreten Umstände nicht fernliegend erscheint, dass die Behörde eine solche Erklärung kurzfristig abgeben könnte, und der Betroffene dennoch einen Versuch, diese herbeizuführen, nicht unternimmt, ist jedenfalls nicht so groß, dass die Entscheidung des Sozialgerichts als willkürlich erscheinen könnte.
Aus ähnlichen Gründen führen auch die Argumente des Beschwerdeführers nicht weiter, für ihn sei zu keiner Zeit erkennbar gewesen, dass er sein Begehren auch außergerichtlich durchsetzen könne, und er habe auf Grund des alsbald anstehenden Termins eine Entscheidung über den Widerspruch nicht abwarten können. Zwar entsprach es sicherlich den von ihm angeführten anwaltlichen Berufspflichten seines Bevollmächtigten und auch den sich aus der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs ergebenden Konsequenzen, sich noch vor dem Meldetermin um Klärung zu bemühen; warum dazu aber nicht das Bemühen um Abhilfe per Telefon oder Fax gehört haben und es unzumutbar gewesen sein könnte, vor der Anrufung des Gerichts zumindest einen entsprechenden Versuch zu unternehmen, erschließt sich nicht.
Die übrigen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände gegen die angegriffene Kostenentscheidung betreffen Fragen des Einzelfalles, die eine mögliche Willkür dieser Entscheidung nicht erkennen lassen.
Bei der Rüge der behaupteten Rechtsstaatswidrigkeit, die sich aus dem vermeintlichen Widerspruch zwischen der ihm günstigen Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren einerseits und der angegriffenen Entscheidung andererseits ergeben soll, beachtet der Beschwerdeführer nicht, dass sich nur im gerichtlichen Verfahren die im Rahmen der Zulässigkeit zu thematisierende (und vom Sozialgericht willkürfrei verneinte) Frage nach der Notwendigkeit der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe stellte.
Mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge setzt sich der Beschwerdeführer nicht eigenständig auseinander, so dass die Verfassungsbeschwerde insofern schon aus diesem Grunde nicht ausreichend substantiiert ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.