Entscheidungsdatum: 01.03.2010
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss sog. nachgeheirateter Witwen von der berufsständischen Hinterbliebenenversorgung.
I.
Die Beschwerdeführerin heiratete den bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Versorgungswerk einer Ärztekammer, Versicherten erstmals am 25. Mai 1960. Die Ehe wurde am 16. Juni 1977 geschieden. Seit dem 1. Juli 1989 bezog der Versicherte Altersrente von der Beklagten. Am 19. August 1993 heiratete die Beschwerdeführerin den Versicherten erneut. Dieser starb am 10. September 2004.
Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens die Gewährung von Witwenrente. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 23 Abs. 3 Satz 1 ihrer Satzung, wonach der verwitwete Eheteil aus einer Ehe, die das Versorgungswerksmitglied erst nach Beginn der Altersrente geschlossen hat, keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung hat, ab. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die erste Ehe sei durch das Scheidungsurteil aufgelöst. Aus dieser Ehe sei keine Witwe, sondern nur eine geschiedene Ehefrau hervorgegangen. Dementsprechend könne sich die Beschwerdeführerin zur Begründung eines Witwenrentenanspruchs nicht darauf berufen, bereits während der ersten Ehe 17 Jahre lang mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammengelebt und während dieser Zeit auch Anteil an dessen Beitragszahlungen gehabt zu haben. Der Ausschluss eines Witwenrentenanspruches durch die Satzung aufgrund des Zeitpunkts der zweiten Eheschließung sei auch mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Nach ihrer Ansicht ist es mit diesen Grundrechten nicht zu vereinbaren, im Falle der Wiederheirat allein wegen der Scheidung eine Witwenrente unter Einbeziehung der Zeit der ersten Ehe grundsätzlich und in vollem Umfang auszuschließen. Unabhängig davon verstoße der Ausschluss von der Hinterbliebenenrente aufgrund des Umstandes, dass sie den Versicherten zu einem Zeitpunkt geheiratet habe, zu dem dieser bereits Altersrente bezogen habe, gegen das Grundgesetz. Es könne am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht als verhältnismäßig angesehen werden, einzelne Mitglieder nur deshalb zu benachteiligen, weil sie "zum falschen Zeitpunkt" geheiratet hätten. Alle Mitglieder hätten die gleichen Beiträge in das Versorgungswerk eingezahlt - unabhängig davon, ob oder wann sie verheiratet gewesen waren. Dementsprechend hätten auch alle Mitglieder den gleichen Anspruch auf Versorgung ihrer Ehepartner. Ein Differenzierungsgrund könne daher nicht in dem Umstand gesehen werden, dass nach dem Eintritt in den Ruhestand weder Pflichtbeiträge zu entrichten seien noch freiwillige Beiträge gezahlt werden könnten. Erst Recht verstoße der Ausschluss gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn auch denjenigen Mitgliedern eine Hinterbliebenenrente verweigert werde, die ihren geschiedenen Ehegatten wieder heiraten. Allein der Umstand der durch die Ehescheidung eingetretenen Zäsur rechtfertige nicht die Ungleichbehandlung. Auch Art. 6 Abs. 1 GG sei verletzt. Die Ausschlussklausel beeinträchtige das Eingehen der Ehe und ihren Bestand erheblich. Personen, die wie im vorliegenden Fall, den geschiedenen Ehegatten wieder heirateten, würden trotz langjähriger Ehe nur wegen der "Unterbrechung" und der Wiederheirat nach Rentenbezug schlechter gestellt. Mit dem Zweck der Hinterbliebenenversorgung, den Versorgungsbedarf des Überlebenden zu decken und damit mittelbar die Ehe zu fördern, sei es unvereinbar, die Versorgung - unabhängig von der Dauer der Ehe - vollständig auszuschließen, wenn die Heirat nach einem bestimmten Stichtag erfolgt ist. Indiz für die Verfassungswidrigkeit der Ausschlussklausel sei schließlich, dass andere Versorgungssysteme keine derart rigiden Ausschlussklauseln enthielten.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Regelung der Satzung der Beklagten des Ausgangsverfahrens, nach der der verwitwete Ehepartner aus einer Ehe, die das Versorgungswerksmitglied mit ihm erst nach Beginn seiner Altersrente geschlossen hat, keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung hat, ist mit dem Grundgesetz vereinbar; dies gilt auch für den Fall einer späteren Wiederheirat.
a) Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
aa) Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>; 107, 205 <214>; 109, 96 <123>; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271 <290>; 99, 367 <388>; 107, 27 <45> m.w.N.). Dabei erfolgt eine strengere Prüfung, wenn die Differenzierung personenbezogen und nicht lediglich verhaltensbezogen erfolgt (vgl. BVerfGE 99, 367 <388>) und wenn sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheitsrechte nachteilig auswirkt (vgl. BVerfGE 97, 271 <290 f.>; 99, 367 <388>; 107, 27 <46>). Außerhalb des so beschriebenen Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Normgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 97, 271 <291>). Die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (vgl. BVerfGE 92, 53 <69> m.w.N.; 97, 271 <291>).
Bei der hier streitigen Regelung hat der Normgeber einen größeren Spielraum, der vom Bundesverfassungsgericht nur am Maßstab des Willkürverbotes gemessen wird. Die Regelung knüpft nicht an bestimmte, einer Person unabänderlich anhaftende Umstände, sondern an eine bestimmte, zeitlich beschriebene Konstellation an, da der Zeitpunkt der Eheschließung das maßgebliche Unterscheidungskriterium ist (vgl. BVerfGE 3, 58 <159>). Insoweit kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erst festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. BVerfGE 99, 367 <389>).
bb) Für die Ungleichbehandlung von Hinterbliebenen, die den Versicherten nach seinem Eintritt in den Ruhestand geheiratet haben, und solchen, die bereits während des Erwerbslebens mit diesem verheiratet waren, kann nach diesen Maßstäben eine unsachliche Differenzierung nicht festgestellt werden. Vielmehr besteht ein hinreichend sachlicher Grund.
Zweck der Hinterbliebenenversorgung ist der Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Versicherten und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann (vgl. BVerfGE 48, 346 <359>; 66, 66 <76>; 97, 271 <287> m.w.N.). Damit soll die Versorgung insbesondere demjenigen Ehegatten, der während einer längeren Zeitspanne - gegebenenfalls unter Verzicht auf den Erwerb eigenen Einkommens und originär eigener Versorgungsansprüche - die Arbeit des anderen Ehegatten mitgetragen hat, zugute kommen (vgl. BVerfGE 3, 58 <159>; 21, 329 <348>). Eine Regelung, die die Gewährung von Hinterbliebenenrente dem Grunde oder der Höhe nach davon abhängig macht, ob und in welchem Umfang der Wegfall von Unterhaltsleistungen kompensiert werden muss, kann sich daher auf einen legitimen, im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG hinreichenden Differenzierungsgrund berufen. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Höhe der Hinterbliebenenrente von der Dauer der Ehe abhängig gemacht wird (vgl. BVerfGE 66, 66 <77>) oder von dem Ausmaß, in dem das Erwerbseinkommen des Versicherten oder seine Versichertenrente Grundlage des gemeinsamen Lebensbedarfes war (vgl. BVerfGE 48, 346 <359>). Dabei ist der Normgeber befugt, die möglichen Sachverhalte typisierend zu erfassen (vgl. BVerfGE 97, 271 <291>; 112, 268 <280>; 113, 167 <236> m.w.N.).
Die hier streitgegenständliche Satzungsregelung knüpft typisierend an das Ausmaß an, in dem der Wegfall des Unterhaltes kompensiert werden soll. Der Grund für diese Kompensation entfällt oder verringert sich nicht nur dann, wenn der überlebende Ehegatte selbst Erwerbseinkommen erzielt (vgl. BVerfGE 97, 271 <288, 291>), sondern auch, wenn der Ehegatte bereits von der Erwerbstätigkeit des Versicherten nicht profitiert hat und auch nicht im Rahmen frei gewählter Aufgabenverteilung (vgl. BVerfGE 61, 319 <347> m.w.N.; 68, 256 <268>) auf eigene Erwerbstätigkeit und den Erwerb eigener Versorgungsansprüche verzichtet hat. Dann besteht zwischen dem Fehlen eigener Versorgungsansprüche einerseits und dem Eheschluss andererseits kein kausaler Zusammenhang. So verhält es sich, wenn die Eheschließung erst nach Beendigung des Berufslebens des Versicherten erfolgt. Dies rechtfertigt es, den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung davon abhängig zu machen, dass der Versicherte und der Hinterbliebene bereits während der Erwerbstätigkeit des Versicherten miteinander verheiratet gewesen sind (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 11. September 1979 - 1 BvR 92/79 -, juris, Rn. 1). Eine solche Regelung berücksichtigt zwar nicht, dass auch die Versichertenrente dem Ehegatten des Versicherten in Form von Unterhaltsgewährung zugute kommen kann. Da aber bereits die satzungsmäßige Einräumung eines Anspruchs auf Hinterbliebenrente im Ermessen des Satzungsgebers stand, ist es nicht zu beanstanden, wenn er Hinterbliebenenrente nur für diejenigen Hinterbliebenen gewähren will, die zumindest zu einem Teil den Berufsweg des Versicherten als Ehegatten begleitet haben (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 11. September 1979 - 1 BvR 92/79 -, juris, Rn. 1).
Angesichts der Zulässigkeit typisierender Regelungen, die einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, für atypische Sachverhalte abweichende Rechtsfolgen vorzuhalten, entgegensteht, musste die Satzung auch nicht den hier vorliegenden, atypischen Fall, dass der Versicherte nach Beginn seiner Altersrente seine frühere, geschiedene Ehefrau erneut heiratet, gesondert mit anderer Rechtsfolge regeln.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die lebenslange Beitragsleistung des Versicherten führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass Gegenleistung dieser Beitragsleistung nur die originär eigene Rente des Versicherten ist. Die Hinterbliebenenversorgung beruht hingegen nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung (vgl. BVerfGE 97, 271 <284> m.w.N.). Die Hinterbliebenenrente hat hingegen Versorgungscharakter. Sie ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. BVerfGE 48, 346 <357 f.>; 97, 271 <285>).
cc) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund des Umstandes, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Satzungen anderer Versorgungswerke eine der hier streitigen Bestimmung vergleichbare Regelungen nicht enthalten und dass im Beamtenversorgungsrecht die Möglichkeit der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages besteht (§ 22 Abs. 1 BeamtVG), scheidet aus. Der Gleichbehandlungsanspruch ist auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt (vgl. BVerfGE 21, 54 <68>; 76, 1 <73>; 79, 127 <158>). Aus Art. 3 Abs. 1 GG kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt. Ebenso wie eine Regelung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht auf die berufsständische Versorgung übertragen werden muss (vgl. BVerfGE 97, 271 <297>), folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG auch kein Anspruch auf Angleichung der Regelungen über die berufsständische Versorgung an die des Beamtenrechts (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Oktober 1991 - 1 BvR 1281/91 -, NVwZ-RR 1992, S. 384 <385>). Entsprechend ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine unterschiedliche Behandlung desselben Sachverhaltes durch zwei verschiedene Hoheitsträger kein Indiz für die Verfassungswidrigkeit einer der gewählten Regelungen.
b) Die Satzungsregelung verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht, dem überlebenden Ehegatten einen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente einzuräumen (vgl. auch BVerfGE 112, 50 <66> zum Opferentschädigungsgesetz; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1/09 -, NJW 2009, S. 3316 <3318>).
Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt auch nicht deswegen vor, weil der Beschwerdeführerin durch die Versorgungsregelung ein Nachteil entstanden wäre, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätte. Dies ist nämlich nicht der Fall. Vielmehr hätte sie auch ohne erneute Eheschließung keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gegen das Ärzteversorgungswerk gehabt.
c) Die Satzungsregelung verletzt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schon deshalb nicht, da die Hinterbliebenenrente nicht in dessen Schutzbereich fällt (BVerfGE 97, 271 <284>).
2. Auch gegen die Auslegung und Anwendung der verfassungsgemäßen Satzungsregelung durch die Fachgerichte ist nichts zu erinnern. Das Bundesverfassungsgericht prüft - abgesehen vom Willkürverbot - insofern nur, ob eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 97, 12 <27>; BVerfGK 6, 46 <50>; 10, 13 <15>; 10, 159 <163>; stRspr). Dies ist nicht ersichtlich.
Die Fachgerichte haben auf den formellen Gesichtspunkt abgestellt, dass die Beschwerdeführerin am Tag des Beginns des Altersrentenbezuges durch den Versicherten nicht mit diesem verheiratet gewesen ist. Dies entspricht der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Satzungsbestimmung, die eine Berücksichtigung des Umstandes, ob der Versicherte und der Hinterbliebene bereits vor der Eheschließung zusammengelebt haben, nicht zulässt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.