Entscheidungsdatum: 27.06.2014
1. Die Beschwerdeführenden erhielten Bescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Sie beantragten beim Amtsgericht Beratungshilfe; zwischenzeitlich hatten sie anwaltlich vertreten Widerspruch gegen den jeweiligen Bescheid erhoben, da Leistungen in zu geringer Höhe bewilligt worden seien. Alle Beschwerdeführenden sind Mitglieder im H… e.V., einem Verein zur Vertretung der Interessen sozial schwacher Personen und Gruppen, der nach seiner Satzung unter "Hilfe bei der Beantragung und Überprüfung von Bescheiden nach den SGB´s und anderen sozialrechtlichen und sozialgesetzlichen Normen" anbietet.
2. Ihre Anträge auf Beratungshilfe wurden abgelehnt und die dagegen eingelegten Erinnerungen zurückgewiesen. Das Amtsgericht führte zur Begründung aus, der Anspruch auf Bewilligung von Beratungshilfe scheitere daran, dass andere Möglichkeiten der Hilfe zur Verfügung gestanden hätten. Zum einen wäre es möglich gewesen, die Behörde um Erläuterung zu bitten, was ohne Weiteres zumutbar sei; zum anderen sei für ein Mitglied im H… e.V. dieses nach dem Vereinszweck eine geeignete Ansprechstelle für die Beratung. Eine anwaltliche Beratung sei dann nicht erforderlich.
3. Mit den Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Durch die Weigerung, Beratungshilfe zu gewähren, sei gegen die Rechtswahrnehmungsgleichheit verstoßen worden.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwingende Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Ihnen kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG, vgl. hierzu BVerfGE 90, 22 <24 f.>). Die wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragen lassen sich ohne Weiteres aus dem Grundgesetz und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantworten. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn die Verfassungsbeschwerden haben in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich unbegründet, soweit vorgetragen wird, es liege ein Verstoß gegen die Rechtswahrnehmungsgleichheit vor.
a) Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG den Anspruch auf grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich, somit auch im Hinblick auf die Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (vgl. BVerfGE 122, 39 <48 ff.>). Allerdings obliegt die Auslegung und Anwendung des Beratungshilfegesetzes in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGK 15, 438 <441>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2010 - 1 BvR 1974/08 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2012 - 1 BvR 2852/11 -, juris, Rn. 11). Dabei müssen Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichgestellt werden, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>; 122, 39 <51>) und insbesondere prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte brauchen oder diese selbst geltend machen können. Es verstößt nicht gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit, wenn keine Beratungshilfe zugesprochen wird, weil ausreichende Selbsthilfemöglichkeiten bestehen, aufgrund derer auch Bemittelte die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2010 - 1 BvR 623/10 -, juris, Rn. 12). Ob Rechtsuchende zumutbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2010 - 1 BvR 787/10 -, juris, Rn. 14) auf Möglichkeiten der Selbsthilfe verwiesen werden können, haben die Fachgerichte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Insbesondere kommt es darauf an, ob der dem Beratungsanliegen zugrunde liegende Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft, ob Rechtsuchende selbst über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2010 - 1 BvR 623/10 -, juris, Rn. 13) oder ob Beratung durch Dritte für sie tatsächlich erreichbar ist. Keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit ist jedoch die pauschale Verweisung auf die Beratungspflicht der den Bescheid erlassenden Behörde (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>; 18, 10 <13>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2010 - 1 BvR 623/10 -, juris, Rn. 13).
b) Nach diesen Grundsätzen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht den Antrag auf Beratungshilfe abgelehnt hat. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG wird Beratungshilfe nur gewährt, wenn nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe bei der Wahrnehmung von Rechten zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist. Eine solche Möglichkeit besteht nicht darin, wie vom Amtsgericht angenommen, Rechtsuchende pauschal darauf zu verweisen, die den Bescheid erlassende Behörde um Erläuterung zu bitten. Die Anforderungen der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG verbürgten Rechtswahrnehmungsgleichheit werden jedoch nicht verkannt, wenn Rechtsschutzsuchende auf die Möglichkeit zur Selbsthilfe der Beratung durch einen Verein verwiesen werden, der solche Beratungen zu seinen in der Satzung benannten Aufgaben zählt und in dem die Rechtsschutzsuchenden auch Mitglied sind (vgl. Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 12. Aufl. 2014, § 1 BerHG Rn. 63). Das Amtsgericht hat die grundgesetzlichen Gewährleistungen nicht verkannt, wenn es die unentgeltliche Beratung durch den Verein H… e.V. als den Beschwerdeführenden möglich und zumutbar erachtet und deshalb den jeweiligen Antrag auf Beratungshilfe zurückgewiesen hat.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.