Entscheidungsdatum: 14.04.2016
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind zivilgerichtliche Entscheidungen über eine Mieterhöhung und mittelbar gegen die Berliner Verordnung über die so genannte Kappungsgrenze für Mieterhöhungen gemäß § 558 Abs. 3 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer 56 m2 großen Zweizimmerwohnung in Berlin-Wedding, die er seit dem 15. September 2007 an den Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) vermietete. Im Ausgangsverfahren nahm er den Beklagten auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlich zu zahlenden (Netto-)Miete von 227,36 € auf 272,72 € ab Januar 2014 in Anspruch, was einer Erhöhung von 20 % auf Grundlage des Berliner Mietspiegels für das Jahr 2013 entsprach. Der Beklagte erkannte den Klageanspruch hinsichtlich einer Mieterhöhung um 15 % an, worauf insoweit ein Anerkenntnisurteil erging. Im Übrigen, also wegen der weitergehenden Mieterhöhung in Höhe von 5 %, was bezogen auf die Monatsmiete eine Erhöhung um weitere 11,26 € ergibt, hatte die Klage weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Landgericht Erfolg. Das Landgericht ließ die Revision zu, die vom Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gilt für die vom Beschwerdeführer begehrte Mieterhöhung die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB. Sie sei auf dem gesamten Stadtgebiet von Berlin durch die Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB (Kappungsgrenzen-Verordnung) vom 7. Mai 2013 (GVBl
2. Die Vorschriften des § 558 Abs. 3 BGB über Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete sind durch das am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz) vom 11. März 2013 (BGBl I S. 434) geändert worden und lauten seitdem wie folgt:
(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. 2Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. 3Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.
(2) …
(3) 1Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
(4) bis (6) …
Die Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung lautet wie folgt:
Auf Grund des § 558 Absatz 3 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 831), wird verordnet:
§ 1 Gebietsbestimmung
Berlin ist eine Gemeinde im Sinne § 558 Absatz 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
§ 2 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
(2) Mit Ablauf des 10. Mai 2018 tritt diese Verordnung außer Kraft.
Die Ausweisung des gesamten Stadtgebiets als eine Gemeinde im Sinne des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB begründete der Senat von Berlin damit, dass sich die ortsüblichen Vergleichsmieten in einzelnen Wohnungssegmenten nicht einheitlich entwickelt hätten. Insbesondere Mieten für kleine Wohnungen bis 40 m2 Wohnfläche und Wohnungen mit so genannter Minderausstattung (Sammelheizung oder Bad) seien überdurchschnittlich stark angestiegen. Diese Entwicklung betreffe bestimmte Wohnungstypen und sei in sämtlichen Stadtbezirken festzustellen. Daher könne die Bezugsebene für die Bedarfsermittlung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB nur das gesamte Stadtgebiet sein.
Hierauf bezogene Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung teilte der Bundesgerichtshof nicht. Auch wenn der Berliner Senat das gesamte Stadtgebiet global ausgewiesen habe, habe er sich bei Erlass der Verordnung noch im Rahmen des ihm vom Gesetzgeber zuerkannten Beurteilungsspielraums bewegt. Eine nach einzelnen Stadtbezirken differenzierende Betrachtungsweise sei nicht geboten gewesen.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Die Auslegung von § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB durch den Bundesgerichtshof verletze seinen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Der Bundesgerichtshof habe zu weitgehende Beurteilungsspielräume des Verordnungsgebers in Bezug auf die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB angenommen. Der Berliner Senat sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu einer Differenzierung nach einzelnen Stadtbezirken verpflichtet gewesen. Eine Globalausweisung des gesamten Stadtgebiets sei nicht erforderlich gewesen, weil nicht alle Stadtteile in gleicher Weise von Wohnungsnot betroffen seien. Aus örtlicher Sicht sei die Annahme fernliegend, dass beispielsweise eine in Spandau bestehende Mangellage jederzeit einen ansonsten ausgeglichenen Wohnungsmarkt in Marzahn bedrohen könne. Überhaupt erscheine wenig plausibel, eine Metropole mit 3,4 Millionen Einwohnern als eine Gemeinde im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB einheitlich so zu behandeln, als ob auf dem gesamten Stadtgebiet gleichermaßen ein Mangel an Mietwohnungen herrsche.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen Fragen auf und ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt.
Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BVerfGG).
1. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungs-beschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinander-zusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>; 130, 1 <21>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>; stRspr).
2. a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, soweit der Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf wirkungsvollen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rügt, weil der Bundesgerichtshof dem Verordnungsgeber einen zu weitgehenden Spielraum bei der Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB zugestanden habe. Der Beschwerdeführer gibt insoweit schon nicht die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wieder und geht von einem unzutreffenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab aus.
Die Notwendigkeit der Anerkennung einer fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen untergesetzliche Rechtssätze folgt zwar aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Auch die Rechtssetzung durch die Exekutive in Form von Rechtsverordnungen und Satzungen ist Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einbezogen (vgl. BVerfGE 31, 364 <367 f.>; 115, 81 <92>). Dies schließt jedoch nicht aus, dass durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume die Rechtskontrolle durch die Fachgerichte einschränken (vgl. BVerfGE 15, 275 <282>; 61, 82 <111>; 84, 34 <53 ff.>; 88, 40 <56>; 103, 142 <157>; 113, 273 <310>; 129, 1 <21 f.>; stRspr). Die Exekutive kann aufgrund so genannter normativer Ermächtigung Entscheidungsbefugnisse haben (vgl. BVerfGE 49, 89 <139 f.>; 61, 82 <114 f.>; BVerfGK 16, 418 <433>). Wann und in welchem Umfang dies der Fall ist, haben die Fachgerichte durch Auslegung der betreffenden gesetzlichen Regelung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 49, 89 <139 f.>; 84, 34 <49 f.>; BVerfGK 16, 418 <434> m.w.N.). Für die Kontrolle dieser Entscheidungsbefugnisse durch das Bundesverfassungsgericht gelten dann diejenigen Maßstäbe entsprechend, die bei der Überprüfung von Prognoseentscheidungen des Gesetzgebers zugrunde zu legen sind (vgl. BVerfGE 53, 135 <145>; 106, 1 <17>; stRspr).
Diesen Prüfungsmaßstab vollzieht die Beschwerdebegründung nicht nach, indem sie die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot für die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG heranzieht. Dies greift schon deshalb zu kurz, weil mit der Verfassungsbeschwerde die Verordnungsermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB als solche nicht angegriffen wird. Auch die weiteren Ausführungen lassen nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer vom richtigen Prüfungsmaßstab ausgeht, indem er die Grundsätze zur Ermittlung von Beurteilungsspielräumen der Verwaltung bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe heranzieht. Auch dabei geht es zwar um eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte; allerdings ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab bei der Normsetzung ein anderer, weil es hier nicht um Einzelfallentscheidungen, sondern den Erlass abstrakt-genereller Regelungen geht.
b) Auch dass der Bundesgerichtshof durch die Anwendung der von ihm angenommenen Beurteilungsspielräume des Verordnungsgebers auf den konkret zu entscheidenden Fall, also die Subsumtion der Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung unter § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB, gegen Grundrechte des Beschwerdeführers verstoßen haben könnte, wird von ihm nicht schlüssig dargelegt. Insoweit fehlt es an Vortrag dazu, dass die angegriffene Entscheidung auf der behaupteten Grundrechtsverletzung beruhen könnte.
Selbst wenn der Verordnungsgeber unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit oder wegen der in § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB angelegten Differenzierung zwischen der Gemeinde insgesamt und Teilen von ihr verpflichtet gewesen sein sollte, nach einzelnen Stadtbezirken zu differenzieren und eine "Globalausweisung" des gesamten Stadtgebiets nicht vornehmen durfte, kann der Verfassungsbeschwerde kein Erfolg beschieden sein. Denn der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass die in seinem Eigentum befindliche, im Stadtteil Wedding gelegene Wohnung von einer differenzierten Gebietsausweisung profitiert hätte. Aus der Beschwerdebegründung ist nicht zu ersehen, dass nicht auch in Wedding die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB besonders gefährdet ist. Dass die Kappungsgrenzen-Verordnung mit Blick auf einen anderen Stadtteil mit den Vorgaben von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht in Einklang stehen mag, kann der Verfassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn selbst eine stattgebende Entscheidung würde nicht ohne weiteres dazu führen, dass der Beschwerdeführer in den Genuss der gesetzlichen Regelkappungsgrenze von 20 % gemäß § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB käme. Vielmehr hätte das Bundesverfassungsgericht dann zu prüfen, ob nicht lediglich eine Unvereinbarkeitserklärung der Kappungsgrenzen-Verordnung und deren vorläufige Weitergeltung bis zu einer Neuregelung in Betracht kommt, um das Entstehen einer unerträglichen Regelungslücke zu vermeiden (vgl. BVerfGE 125, 175 <256> m.w.N.; zur Anwendbarkeit auf Rechtsverordnungen vgl. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 36
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.