Entscheidungsdatum: 09.10.2014
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist eine zivilrechtliche Streitigkeit um die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarfs des Vermieters.
1. Der Beschwerdeführer macht Eigenbedarf an einer in Berlin gelegenen Wohnung geltend, die er im April 2010 ersteigerte, um sie gemeinsam mit seinem heute acht Jahre alten, schwerbehinderten Sohn zu nutzen. Die Wohnung war bereits damals an die Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: die Beklagte) vermietet. Mit Schreiben vom 30. April 2010 kündigte der Beschwerdeführer das Mietverhältnis zum 31. Juli 2010. Zur Begründung führte er aus, dass er die bereits schwerbehindertengerecht ausgestattete Wohnung erworben habe, um seinem Sohn den Besuch des benachbarten Integrationskindergartens zu ermöglichen. Sein Sohn bedürfe wegen der Folgen einer frühkindlichen Hirnschädigung (Cerebralparese) ganztägiger Intensivpflege und einer Betreuung rund um die Uhr. Darüber hinaus werde ihm durch den Umzug nach Berlin, wo sich auch seine Arbeitsstätte befinde, eine tägliche Pendlerstrecke von 228 Kilometern erspart, die er von seinem gegenwärtigen Wohnort aus bewältigen müsse.
Die Beklagte widersprach der Kündigung und machte geltend, dass sie seit Juni 2008 an Multipler Sklerose leide. Diese unheilbare Erkrankung des zentralen Nervensystems sei mittlerweile so weit fortgeschritten, dass ihr ein erneuter Umzug nicht mehr zuzumuten sei.
Nach Klagestattgabe durch das Amtsgericht legte die Beklagte gegen das Räumungsurteil Berufung ein. Im Berufungsverfahren holte das Landgericht ein Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der Beklagten ein. Auf Grundlage dieses Gutachtens wies das Landgericht die Klage ab. Dem Beschwerdeführer stehe zwar ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Seite, weil er beabsichtige, die Wohnung selbst zu nutzen und gemeinsam mit seinem schwerbehinderten Sohn zu beziehen. Das Mietverhältnis sei aber nach § 574a Abs. 1 Satz 1 BGB einstweilen fortzusetzen, weil die Beendigung für die Beklagte eine ungerechtfertigte besondere Härte darstelle. Nach den Feststellungen des Sachverständigen führe ihr Auszug die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beklagten herbei. Hingegen sei dem Interesse des Beschwerdeführers letztlich mit jeder Wohnung in der Nähe seiner Arbeitsstätte gedient, weil die Versorgung seines Sohnes auch anderweitig sichergestellt werden könne. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer die Wohnung bereits in dem aktuell vermieteten Zustand erworben und daher nicht darauf habe vertrauen dürfen, dort selbst einzuziehen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Das Landgericht habe im Rahmen der Abwägung eine Fehlgewichtung vorgenommen, indem es einseitig auf die gesundheitlichen Belange nur der Beklagten abgestellt habe. Die beruflichen Belange des Beschwerdeführers und sein Interesse an der Pflege und Unterbringung seines schwerbehinderten Sohnes im benachbarten Integrationskindergarten seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Im Rahmen der Abwägung sei nicht beachtet worden, dass die Beklagte erst vor zwei Jahren in die Wohnung eingezogen sei; außerdem sei ihre Erkrankung noch nicht so weit fortgeschritten, dass ihr ein Umzug nicht zuzumuten sei. Das Landgericht hätte daher allenfalls von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Interessen ausgehen dürfen. Im Rahmen der Abwägung hätte dies aufgrund der Ausstrahlungswirkung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zum Vorrang seiner Belange als Eigentümer führen müssen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die maßgeblichen Fragen sind vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, so dass der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
1. Der Rechtsweg ist nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den mit der Beschwerdebegründung übersandten Anlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde nach § 544 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) angegriffen hat. Dieser Rechtsbehelf gehört zum Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 91, 93 <105 f.>; 110, 77 <83>).
Gründe, die für die Unzumutbarkeit der Verweisung auf diese Möglichkeit einer fachgerichtlichen Kontrolle sprechen könnten, ergeben sich aus der Beschwerdebegründung nicht und sind auch nicht ersichtlich. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen, es ist aber nicht zu erkennen, dass die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Mit Blick auf die erforderliche Rechtsmittelbeschwer bestehen gegen die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls keine Bedenken. Insbesondere wird der von § 26 Nr. 8 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) geforderte Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer von 20.000 € überschritten. Zur Ermittlung des Rechtsmittelstreitwerts ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Mieter - wie hier die Beklagte gestützt auf den Widerspruch nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB - die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit verlangt, in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Betrag der Jahresmiete abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2005 - III ZR 342/04 -, NJW-RR 2005, S. 867 <869>). Selbst auf der Grundlage nur der Kaltmiete in Höhe von monatlich 650 € ergibt sich hiernach eine Beschwer in Höhe von 27.300 €.
2. Darüber hinaus folgt die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auch daraus, dass die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt.
Um die hierfür nötige Möglichkeit der Verletzung eines Grundrechts - wie hier des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - darzulegen, muss die Beschwerdebegründung Fehler bei der Auslegung oder Anwendung des Rechts aufzeigen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsfreiheit, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 42, 143 <148 f.>; 67, 213 <223>; 68, 361 <372 f.>; 79, 292 <303>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht betont dies gerade für die Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters von Wohnraum (vgl. BVerfGE 68, 361 <372 f.>; 79, 292 <303>; 81, 29 <32 f.>). Bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der §§ 573 ff. BGB haben die Zivilgerichte neben dem Erlangungsinteresse des Vermieters auch das Bestandsinteresse des Mieters zu berücksichtigen, diese widerstreitenden Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>). Das dabei gefundene Ergebnis ist vom Bundesverfassungsgericht nur in eingeschränktem Umfang überprüfbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1999 - 1 BvR 29/99 -, NJW-RR 1999, S. 1097 <1098>).
a) Den demnach an sie zu stellenden Begründungsanforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Das Landgericht hat - insofern noch in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - zutreffend erkannt, dass der Beschwerdeführer vernünftige und nachvollziehbare Gründe für seinen Eigenbedarfswunsch angeführt hat. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ebenso wenig zu beanstanden wie die Annahme, dass auf Seiten der Beklagten ein Härtefall im Sinne von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, weil die Räumung der Wohnung mit der ernsthaften Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beklagten verbunden wäre. Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellung trotz der sachverständigen Beratung nicht tragfähig gewesen sein könnte, sind weder durch die Beschwerdebegründung aufgezeigt noch sind sie sonst ersichtlich. Auf Grundlage dieser Gefahrenprognose ist das Landgericht im Rahmen der Interessenabwägung nach § 574a Abs. 1 Satz 1 BGB zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt, zu dessen Korrektur aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Veranlassung besteht.
b) Rechtliche Bedenken sind allerdings hinsichtlich des - vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich gerügten - Umstandes angebracht, dass das Landgericht zumindest keine ausdrückliche Entscheidung über die Dauer der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574a Abs. 2 Satz 1 BGB getroffen hat, obgleich es hierzu nach § 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen verpflichtet war. Sollte das Landgericht - wofür der Hinweis am Ende der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils spricht - davon ausgegangen sein, dass der Wegfall der auf Seiten der Beklagten bestehenden Härten im Sinne von § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB ungewiss ist, hätte es durch Gestaltungsurteil aussprechen müssen, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortbesteht (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl. <2013>, § 574a BGB Rn. 24; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. <2014>, § 574a Rn. 8). Ungeachtet der Frage einer verfassungsrechtlichen Relevanz ist allerdings nicht ersichtlich und auch in der Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht dargetan, dass der Beschwerdeführer durch dieses Versäumnis beschwert sein könnte.
3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.