Entscheidungsdatum: 22.09.2014
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für sein Kind und Anordnung von Vormundschaft.
1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines 2005 geborenen Sohnes. Er und die Mutter des Kindes waren gemeinsam sorgeberechtigt. Seit August 2012 leben die Eltern getrennt. Seither erheben beide Elternteile gegenseitige Vorwürfe, dass das Kind in der Obhut des jeweils anderen Elternteils von diesem seelisch und körperlich misshandelt werde.
Nachdem der Beschwerdeführer und die Mutter zunächst jeweils Anträge auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt hatten, leitete das Amtsgericht nach weiteren Misshandlungsvorwürfen im Februar 2013 von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB ein. Das Amtsgericht bestellte einen Verfahrensbeistand und ordnete die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern an. Im März 2013 legte die Sachverständige ihr Gutachten vor. Danach verfügen beide Eltern nur über eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit. Die Mutter habe keinen emotional unbefangenen Zugang zum Kind. Der Beschwerdeführer wiederum fokussiere sich ausschließlich auf das Fehlverhalten der Mutter und sei überzeugt davon, dass die Mutter das Kind gefährde. Dabei setze die Mutter des Beschwerdeführers - also die Großmutter väterlicherseits - den Beschwerdeführer massiv unter Druck und beeinflusse ihn. Das Kind sei massiv in den Familienkonflikt zwischen den Eltern eingespannt, habe dadurch bereits Anpassungsschwierigkeiten in der Schule und warte mit ersten Suizidgedanken auf. Der anhaltende Elternkonflikt führe bei dem Sohn zu einem stressreichen emotionalen Ausnahmezustand. So zeige er Loyalitätskonflikte, aggressive Verhaltensweisen, Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung zu Gleichaltrigen (z.B. Hauen und sexuelle Bemerkungen), geringes Selbstwirksamkeitserleben und internalisierende Verhaltensprobleme (z.B. Rückzug). Er habe sich der sehr abfälligen Sichtweise des Beschwerdeführers und der Großmutter gegenüber der Mutter angeschlossen. Die Ablehnung, die das Kind entwickelt habe, sei jedoch nicht erlebnisbasiert, sondern suggestiv beeinflusst durch den Beschwerdeführer. Insbesondere ließen sich die geschilderten Gewalterfahrungen durch die Mutter nicht nachvollziehen. Die Anpassung an eine nicht mit dem kindlichen Erleben in Einklang stehende Situation, welche zu einer Überdistanzierung von der Mutter bei gleicher Überidentifikation mit dem Beschwerdeführer führe, stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. In Anbetracht der Konfliktlage des Kindes würde die dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes zu einem Elternteil zwangsläufig zu dem Verlust des anderen Elternteils führen. Gegenwärtig sei daher eine Fremdunterbringung zu befürworten, da diese das Kind stabilisieren und ihm die Möglichkeit geben würde, eine gesunde und emotional stabile Beziehung zu beiden Elternteilen zu entwickeln, welche der Realität entspreche. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt gaben ebenfalls schriftliche Stellungnahmen ab, welche sich im Wesentlichen mit den Einschätzungen der Sachverständigen deckten. Der Beschwerdeführer machte deutlich, dass nötigenfalls - sollte es zu einer Sorgerechtsentziehung kommen - auch die Großmutter väterlicherseits als Vormund zur Verfügung stehe.
2. Nach Anhörung des Kindes, der Sachverständigen und aller übrigen Beteiligten entzog das Amtsgericht mit nicht angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2013 beiden Eltern die elterliche Sorge für das Kind und ordnete Vormundschaft an. Zur Begründung seiner auf § 1666 BGB gestützten Entscheidung bezog sich das Amtsgericht im Wesentlichen auf das Gutachten der Sachverständigen. Es liege eine erhebliche Kindeswohlgefährdung vor, welche nur durch eine Fremdunterbringung abgewendet werden könne. Der Sohn wurde sodann vom Jugendamt in Obhut genommen. Mit späterem Beschluss bestellte das Amtsgericht durch den Rechtspfleger den A. e.V. zum Vormund. Seit Mitte Mai lebt das Kind in einer betreuten Wohngruppe. Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 2. Mai 2013 legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein.
Das Kammergericht ordnete die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens an, insbesondere zu den Auswirkungen der Heimunterbringung und zu einer Folgenabwägung zwischen einer Heimunterbringung einerseits und dem dauerhaften Aufenthalt bei einem Elternteil andererseits. Im April 2014 legte die Sachverständige ihr Ergänzungsgutachten vor. Die Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass gegenwärtig nur eine Heimunterbringung in Betracht komme, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Die Beeinflussung des Kindes durch den Beschwerdeführer sei eine "psychische Kindesmisshandlung", da der Junge mittlerweile gegen seine eigenen Bedürfnisse agieren müsse. Gegenwärtig würde die Heimunterbringung als die weniger schädliche Lebensalternative angesehen. Eine von dem Sohn zwischenzeitlich begonnene Psychotherapie sei bei einem Verbleib in der Herkunftsfamilie nicht zielführend, da diese Situation ihn beschädige. Sein Verhalten gegenüber der Mutter sei nicht ablehnend, sondern ambivalent. Auf seine Mutter angesprochen, habe er geäußert, jetzt verstehe er sich mit ihr. Der Verfahrensbeistand, das Jugendamt, die Pflegeeinrichtung und die Umgangsbegleiter gaben ebenfalls schriftliche Stellungnahmen ab, aus denen eine innere Zerrissenheit des Kindes im Konflikt zwischen Beschwerdeführer und Mutter in vielen Situationen hervorgeht.
3. Nach Anhörung des Kindes, der Sachverständigen und aller übrigen Beteiligten wies das Kammergericht mit angegriffenem Beschluss vom 30. Juni 2014 die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Kammergericht stellte ergänzend und vertiefend zur amtsgerichtlichen Entscheidung und unter Bezugnahme auf das Ergänzungsgutachten sowie die weiteren Stellungnahmen und Anhörungen der Beteiligten klar, dass der massive Elternkonflikt zu einer erheblichen Kindeswohlgefährdung führe. Das Kind habe für den Beschwerdeführer Partei ergriffen. Dieser wiederum erkenne nicht, dass sich sein Sohn mit der väterlichen Sichtweise identifiziere und - um dem Beschwerdeführer zu gefallen - auch die Unwahrheit über vermeintliche Übergriffe der Mutter bei Umgängen erzähle. So sei die im Rahmen der gerichtlichen Anhörung aufgestellte Behauptung des Sohnes, die Mutter habe ihn beim letzten Umgang beschimpft und angespuckt, nachweislich unwahr, da keine der am Umgang sonst beteiligten Personen derartiges berichtet habe. Der Beschwerdeführer übernehme diese Äußerungen unreflektiert und meine, sich sodann schützend vor seinen Sohn stellen zu müssen. Dieses Verhalten sei für eine realitätsbezogene Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ungeeignet und führe zu einer erheblichen Kindeswohlgefährdung. Indem der Sohn als Ausdruck uneingeschränkter Loyalität gegenüber dem Beschwerdeführer die Mutter ablehne, obwohl er durchaus Bindungen an sie habe, schädige ihn dies in seiner Persönlichkeit. Bereits jetzt habe dies Auswirkungen auf den Bereich der Motivation und Selbstwirksamkeit des Kindes und führe zu den im Gutachten geschilderten Verhaltensauffälligkeiten. Eine sofortige Rückführung in die Herkunftsfamilie komme nicht in Betracht, da der Sohn gezwungen wäre, sich im Elternkonflikt erneut zu positionieren. Eine zwischenzeitlich begonnene Psychotherapie, bei der er reflektieren könne, ob die Mutter für den Streit und die Trennung die Verantwortung trage, könne nur gelingen, wenn er nicht beim Beschwerdeführer lebe. Die Unterbringung des Sohnes und die Entziehung der elterlichen Sorge des Beschwerdeführers, welche nicht dauerhaft sein solle, sondern das Ziel der Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt habe und auch Umgänge ermöglichen solle, sei für das Kind die weniger schädliche Alternative. Eine andere Maßnahme komme nicht in Betracht, um die Kindeswohlgefahr abzuwenden. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter, welche im Gegensatz zum Beschwerdeführer den Verbleib des Sohnes in der Einrichtung akzeptiere, scheide aus, da der Sohn die Mutter gegenwärtig ablehne und eine Sorgeübertragung auf die Mutter ihn in einen noch größeren unlösbaren Konflikt mit der Haltung zum Beschwerdeführer bringen würde. Ob die Großmutter väterlicherseits als Vormund in Betracht komme, sei nicht zu prüfen gewesen, da die Auswahl des Vormundes durch ein gesondertes Verfahren des Rechtspflegers erfolgt sei und damit außerhalb des Verfahrens- und Beschwerdegegenstandes liege.
4. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Weiterhin beantragt er Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren. Er meint, die besonderen Voraussetzungen für eine Sorgerechtsentziehung würden nicht vorliegen. Das Kammergericht habe außer Acht gelassen, dass die Mutter den Sohn körperlich und seelisch misshandelt habe. Es könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, dass sich dieser nur schützend vor seinen Sohn habe stellen wollen. Das Kind habe sich unmissverständlich für einen Verbleib bei dem Beschwerdeführer entschieden. Das Kammergericht habe sich nicht mit den besonders gravierenden Folgen einer Fremdunterbringung beschäftigt. Die Erforderlichkeit der angeordneten Maßnahme habe das Kammergericht nicht sorgfältig überprüft. So sei vor dem Sorgerechtsentzug eine Verhaltenstherapie für das Kind geplant gewesen, welche als mildere Maßnahme in Betracht gekommen wäre. Schließlich habe das Kammergericht nicht gewürdigt, dass auch die Großmutter väterlicherseits als mildere Maßnahme zum Vormund hätte bestellt werden können.
Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG.
1. Die Entscheidung betrifft das Elternrecht des Beschwerdeführers. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung der Kinder von ihren Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Sie ist nach Art. 6 Abs. 3 GG allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen, und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 18 ff. m.w.N.).
2. Die angegriffene Entscheidung des Kammergerichts hält die Entziehung wesentlicher Bestandteile des Sorgerechts durch das Amtsgericht aufrecht und greift darum mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht des Beschwerdeführers ein. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er den vorgenannten Anforderungen gerecht wird.
a) Nach umfassender und sorgfältiger Ermittlung des Sachverhalts, unter anderem durch Einholung von zwei ohne Weiteres nachvollziehbaren, mündlich ergänzend erläuterten Gutachten, Einholung diverser Stellungnahmen des Verfahrensbeistands, des Jugendamtes, der Heimeinrichtung und durch persönliche Anhörung aller Beteiligten, haben die Fachgerichte ohne Verfassungsverstoß angenommen, dass der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in so hohem Maße und mit so hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet, dass dies eine Fremdunterbringung rechtfertigt. Zwar reicht die Beeinflussung des Kindes durch einen Elternteil und die dadurch bei dem Kind hervorgerufene Verweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil für sich genommen regelmäßig nicht aus, um eine Unterbringung des Kindes bei Dritten zu veranlassen. Wegen des Fehlverhaltens eines Elternteils würde das Kind ansonsten praktisch beide verlieren (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1666 Rn. 147; Salgo, in: Festschrift für Dieter Schwab, 2005, S. 891 <906>). Die Gutachten der Sachverständigen, auf welche die Fachgerichte Bezug genommen haben, legen allerdings dar, dass der massive Elternkonflikt hier bereits zu erheblichen Schädigungen und im Einzelnen benannten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Suizidgedanken bei dem Kind geführt hat. Dieser Befund gibt Anlass zu einer Sorgerechtsmaßnahme nach § 1666 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, juris, Rn. 26) und vermag einen Eingriff in das elterliche Erziehungsgrundrecht auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.
Die Gerichte haben schlüssig und plausibel unter konkretem Rückgriff auf die Gutachten ausgeführt, dass sich das Kind in einem emotionalen Ausnahmezustand befindet, weil es permanent gegen sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse ankämpfen muss, da es den Beschwerdeführer aus Loyalität in dessen negativen Sichtweise gegenüber der Mutter bestätigten möchte und der Beschwerdeführer eine nicht realitätsbezogene Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zusätzlich fördert. Die Beobachtungen, welche die Sachverständige zur Interaktion zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer und der Mutter gemacht hat, werden von zahlreichen weiteren Stellen, die im direkten Kontakt mit dem Kind und seinen Eltern stehen, bestätigt (Verfahrenspfleger, Jugendamt, Heimeinrichtung, Umgangsbegleitung). Auch mit diesen Stellungnahmen setzen sich die Gerichte im Einzelnen auseinander. Den Einwand des Beschwerdeführers, die Mutter habe ihren Sohn misshandelt, so dass sich der Beschwerdeführer bloß schützend vor das Kind habe stellen wollen, haben die Fachgerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Fachgerichte haben unter Auswertung der Gutachten und sonstigen Stellungnahmen sorgfältig erörtert und aufgezeigt, dass der Sohn durchaus Bindungen zu seiner Mutter verspürt und Wünsche nach Wiedervereinigung der Eltern äußert, so dass das permanente und schädliche Ankämpfen des Kindes gegen seine eigenen Gefühle, wenn es dem Beschwerdeführer seine Loyalität durch Ablehnung der Mutter bekundet, deutlich zum Ausdruck kommt. Dass eine Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie zu weiteren erheblichen Schädigungen führen würde, ist nicht zuletzt auch angesichts des zur Akte gereichten kinderpsychiatrischen Befundberichts vom Oktober 2013 einleuchtend und hinreichend wahrscheinlich, wonach das Kind bereits jetzt an einer erheblichen Störung des Sozialverhaltens mit Anteilen einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Als Ursache dafür sieht die Sachverständige die familiäre Situation und das hochgradig konfliktbehaftete Elternverhältnis an, mit dem der Sohn bei einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie derzeit zwangsläufig wieder in Berührung kommen würde.
b) Die angegriffene Entscheidung genügt auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
aa) Die Sorgerechtsentziehung ist zur Erreichung des verfassungsrechtlich legitimen Zwecks, eine nachhaltige Gefährdung des Kindes in seinem körperlichen, geistigen und seelischen Wohl abzuwenden, geeignet.
(1) Geeignet ist eine Sorgerechtsentziehung, wenn sie die konkrete Gefahr, welche dem Kind bei einem Verbleib in der Familie droht, beseitigt oder abmildert. An der Geeignetheit fehlt es allerdings, wenn die Sorgerechtsentziehung und die dadurch vorbereitete Trennung des Kindes von den Eltern mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergehen, welche durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Folgen der Fremdunterbringung für das Kind nicht gravierender sein dürfen als die Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 38).
(2) Hier haben die Fachgerichte schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die nachhaltige Kindeswohlgefahr durch eine Heimunterbringung abgewendet werden kann, da das Kind unter Einbindung in eine Therapie die Gelegenheit erhält, zu einer realitätsbezogenen Wahrnehmung seiner Beziehung zum Beschwerdeführer und zu seiner Mutter zurückzukehren, ohne permanenter Beeinflussung durch den Beschwerdeführer ausgesetzt zu sein, welche bislang zu einem Ankämpfen gegen die eigene Erlebnis- und Gefühlswelt geführt und bereits Schädigungen und Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen hat.
(3) Auch hat sich die angegriffene Entscheidung mit den Folgen der Fremdunterbringung befasst und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Auseinandersetzung mit den Gutachten dargelegt, dass die Heimunterbringung bei einem Vergleich mit den Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie die weniger schädliche Alternative für das Kind ist. Zudem hat der Sohn in der gerichtlichen Anhörung selbst geäußert, noch länger in der Einrichtung bleiben zu wollen, um nachzudenken. Seine positive Einstellung gegenüber dem derzeitigen Aufenthalt spiegelt sich auch in einer Äußerung gegenüber dem Verfahrensbeistand wider, wonach er in der Einrichtung noch Zeit bis Weihnachten verbringen möchte. Vor Gericht hat er angegeben, sich in der Einrichtung wohlzufühlen. Zwar können die nachteiligen Folgen einer Fremdunterbringung (plötzliche Herausnahme aus einer gewohnten Umgebung, Verlust der Bezugsperson) durchaus gravierend sein. Im vorliegenden Fall kann jedoch in Anbetracht der durchaus differenzierten Äußerungen des Kindes davon ausgegangen werden, dass der Nutzen einer nicht auf Dauer angelegten und mit dem Ziel der Kindesrückführung verbundenen Herausnahme aus der Familie überwiegt und letztlich die Gesamtsituation des Kindes verbessert wird.
bb) Die Maßnahme ist auch erforderlich.
(1) Eine Maßnahme ist nur dann erforderlich, wenn aus den zur Erreichung des Zwecks gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also das die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird. Der Staat muss daher, bevor er Kinder von ihren Eltern trennt, nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 35). Dabei ist auch zu beachten, dass ein Eingriff in das Elternrecht regelmäßig durch eine Unterbringung des Kindes bei Verwandten abgemildert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2012 - 1 BvR 206/12 -, juris, Rn. 28).
(2) Hier hat sich das Gericht mit alternativen Maßnahmen ausführlich auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf die Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass die notwendige Psychotherapie des Sohnes bei Fortsetzung einer ihn beschädigenden Situation in der Familie des Beschwerdeführers nicht gelingen würde, da die Eltern mit dem Konflikt überfordert wären und sich das Kind erneut entgegen seiner eigenen Gefühls- und Erlebniswelt einzig und allein auf Seiten des Beschwerdeführers positionieren würde mit der Konsequenz einer erneuten Überidentifikation mit diesem bei gleichzeitiger Überdistanzierung von der Mutter. Weniger einschneidende Maßnahmen als die Fremdunterbringung, welche gleich geeignet sind, stehen nicht zur Verfügung. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das gesamte Sorgerecht entzogen wurde, nachdem der Beschwerdeführer ausweislich der Feststellungen der angegriffenen Entscheidung sein Verhalten nicht reflektiert und bei sich selbst keine Ursache für das Problem des Sohnes erkennt. Der Beschwerdeführer lehnt die Unterbringung seines Sohnes in der Einrichtung ab und verlangt dessen sofortige Rückkehr, so dass für die erforderliche Kooperation mit dem Jugendamt und Vormund im Falle des Verbleibs einzelner Sorgerechtsbefugnisse beim Beschwerdeführer keine hinreichende Grundlage gegeben wäre. Auch die Erwägungen des Kammergerichts, wonach eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter, welche mit einem Verbleib des Sohnes in der Einrichtung einverstanden ist, nicht in Betracht kommt, da dieser die Mutter gegenwärtig ablehnt, sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
(3) Schließlich dringt der Beschwerdeführer auch nicht mit dem Einwand durch, das Kammergericht habe nicht erwogen, als milderes Mittel die Großmutter als Vormund zu bestellen. Die Großmutter kann nach den übereinstimmenden Schilderungen von Verfahrensbeistand und Gutachterin nicht zur Stabilisierung der Lage beitragen, da sie ihrerseits den Beschwerdeführer beeinflusst und ihn in seinem Konflikt mit der Mutter bestärkt. Außerdem wohnen der Beschwerdeführer und die Großmutter unter derselben Anschrift. Die Großmutter lebt offenbar auch in derselben Wohnung, jedenfalls geht sie - wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigengutachtens ergibt - in der Wohnung des Beschwerdeführers ein und aus. Die gebotene räumliche Trennung zwischen Kind und Beschwerdeführer ließe sich auf diese Weise nicht sicherstellen.
cc) Die Maßnahme der Sorgerechtsentziehung ist angemessen. Die Trennung des Kindes von seinen Eltern steht zur Abwendung der Kindeswohlgefahr nicht außer Verhältnis.
dd) Ob es in der vorliegenden Konstellation mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer Sorgerechtsentziehung vereinbar ist, dass der Familienrichter des Amtsgerichts mit der Sorgerechtsentziehung nicht zugleich selbst nach § 6 RPflG über die Person des Vormundes entschieden hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Dies ist allerdings nicht frei von Zweifeln (vgl. Schneider/Faber, FuR 2012, S. 580 <581>; Harm/Mix/Opitz/Pütz/Rotax/Rütting, FamRZ 2012, S. 1849 <1853>), weil sowohl die Eignung als auch die Erforderlichkeit der Sorgerechtsentziehung sowie der Anordnung von Vormundschaft von der konkreten Vormundauswahl abhängen können. So sind Fallgestaltungen denkbar, in denen eine Sorgerechtsentziehung nur zum Zweck der Übertragung auf einen verwandten Vormund, nicht aber zwecks Übertragung auf einen außenstehenden Vormund eine geeignete Maßnahme darstellt, weil nur die Vormundschaft eines Verwandten die Nachteile der Trennung von den Eltern kompensieren könnte. Auch hängt die Erforderlichkeit der Auswahl eines außenstehenden Vormunds, wie gesehen, insbesondere davon ab, dass die Unterbringung des Kindes bei Verwandten nicht in Betracht kommt. Wenn die Bestimmung des Vormunds aber nicht bereits mit der Sorgerechtsentziehung erfolgt, lassen sich deren Geeignetheit und Erforderlichkeit insoweit nicht beurteilen. Die Vormundauswahl ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der Sorgerechtsentscheidung, von der abhängen kann, ob diese überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist.
Indessen liegt hier schon deshalb kein Verfassungsverstoß vor, weil zum Zeitpunkt der mit der Verfassungsbeschwerde allein angegriffenen Entscheidung des Kammergerichts der Rechtspfleger längst einen Vormund ausgewählt hatte. Da der Vormund ohne Verstoß gegen das Gebot der Auswahl naher Verwandter bestellt war, konnte das Kammergericht insoweit von der Verhältnismäßigkeit der Sorgerechtsentziehung ausgehen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.