Entscheidungsdatum: 19.04.2017
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Unterlassen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof durch das Oberverwaltungsgericht.
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die durch einen Planfeststellungsbeschluss zum Bau einer Hochwasserschutzmauer in Anspruch genommen wurden. Der Planfeststellungsbeschluss war nach einer negativen Vorprüfung im Einzelfall gemäß § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ergangen.
2. Die auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage der Beschwerdeführerin wies das Verwaltungsgericht ab.
Der Planfeststellungsbeschluss weise keine Verfahrensfehler auf, die Rechte der Beschwerdeführerin berühren könnten. Insbesondere sei sie mit ihrem Einwand, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei in rechtswidriger Weise unterblieben, gemäß § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen. Auch mit weiteren materiellen Einwänden gegen den Planfeststellungsbeschluss könne sie nicht mehr gehört werden, da sie diese nicht im ursprünglichen Anhörungsverfahren geltend gemacht habe. Im Übrigen habe die Planfeststellungsbehörde die Betroffenheit der Beschwerdeführerin ohne Rechtsfehler abgewogen. Etwaige Mängel könnten jedenfalls im Wege der Planergänzung behoben werden.
3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 6. Juni 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung ab.
a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht gegeben. Soweit die Beschwerdeführerin solche Zweifel auf die Europarechtswidrigkeit der vom Verwaltungsgericht angewandten Präklusionsvorschriften und die sich daraus ergebende Nichtberücksichtigung ihrer Einwände gegen eine fehlerhaft unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung stütze, könne der Senat ihr nicht beipflichten. Die Vorschriften zur Einwendungspräklusion seien nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch unter Berücksichtigung der angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2009 (C-263/08, Slg. 2009, I-9967) nicht europarechtswidrig. Ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergäben sich auch nicht aus den nach Ablauf der Begründungsfrist unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Europäischen Kommission vom 27. September 2012 vorgetragenen Zweifeln an einer Vereinbarkeit der Präklusionsvorschriften mit Europarecht.
b) Die Rechtssache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine entscheidungserhebliche ungeklärte Rechtsfrage habe die Beschwerdeführerin nicht aufgeworfen. Sofern sie die Anwendbarkeit nationaler Präklusionsvorschriften im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie für grundsätzlich klärungsbedürftig halte, sei bereits ober- und höchstgerichtlich geklärt, dass Einwendungspräklusionen nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2009 (C-263/08, Slg. 2009, I-9967) stünden. Da sich die Beschwerdeführerin mit dieser Rechtsprechung nicht auseinandersetze, habe sie einen weiteren Klärungsbedarf nicht dargelegt.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Indem es das Oberverwaltungsgericht unterlassen habe, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der Europarechtskonformität der vom Verwaltungsgericht angewandten Präklusionsvorschriften vorzulegen, habe es seine Vorlagepflicht verletzt. Jedenfalls seit Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission gegen die Bundesregierung sei die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vereinbarkeit nationaler Präklusionsvorschriften mit der Umweltrechtsbehelfs- und der UVP-Richtlinie nicht mehr vertretbar. Dem Oberverwaltungsgericht habe sich die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union daher aufdrängen müssen.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen; sie ist unzulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil ihr der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht. Danach obliegt es der Beschwerdeführerin einer Verfassungsbeschwerde, über das Gebot der Rechtswegerschöpfung hinaus alle im Rahmen des fachgerichtlichen Verfahrens gegebenen Möglichkeiten zu nutzen, um der Rechtsverletzung abzuhelfen (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 81, 22 <27>; 95, 163 <171>; 107, 395 <414>; stRspr). Eine Abhilfemöglichkeit im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes besteht nicht nur dann, wenn der Erfolg vorher feststeht; vielmehr ist jede Möglichkeit, der Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Verfahren abzuhelfen, zu nutzen, wenn ihr Erfolg zumindest möglich erscheint (vgl. BVerfGE 68, 376 <380 f.>; 70, 180 <185 f.>).
Diesen Anforderungen genügt die Prozessführung der Beschwerdeführerin im fachgerichtlichen Verfahren nicht. Denn die Beschwerdeführerin war gehalten, in ihrem Berufungszulassungsantrag darauf hinzuweisen, dass sich aus ihrer Sicht die Notwendigkeit einer Zulassung der Berufung aus der Pflicht des Oberverwaltungsgerichts ergebe, dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Präklusionsvorschriften im Anwendungsbereich der Umweltrechtsbehelfs- und UVP-Richtlinie weiter anwendbar seien (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2008 - 2 BvR 2680/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 611 <612>).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - hier im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - unter anderem daraus ergeben kann, dass eine bestimmte Frage in dem zuzulassenden Rechtsmittelverfahren der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren BVerfGE 82, 159 <196>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2008 - 2 BvR 2680/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 611 <612>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 -, NVwZ 2012, S. 426 <427>; BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1996 - 3 NB 2/94 -, NVwZ 1997, S. 178; für das finanzgerichtliche Verfahren BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Dezember 1992 - 2 BvR 557/88 -, NVwZ 1993, S. 883 <884>; für das zivilgerichtliche Verfahren BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, juris Rn. 24; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14 -, juris Rn. 13).
Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, auf diesen Zusammenhang zwischen dem Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung und der Erforderlichkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hinzuweisen und damit das Vorliegen dieses Zulassungsgrunds im Berufungszulassungsverfahren darzulegen. Vor dem Oberverwaltungsgericht hat sie vollständig darauf verzichtet, auf die Notwendigkeit der Vorlage an den Gerichtshof aufmerksam zu machen. Stattdessen hat sie sich darauf beschränkt darzulegen, weshalb ihrer Ansicht nach erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der materiellen Präklusion nach § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG mit den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts bestehen. Solche Rechtsfragen zeigen aber nur dann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des Berufungsrechts auf, wenn zugleich hinreichend substantiiert jedenfalls die Möglichkeit einer Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV dargelegt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2008 - 2 BvR 2680/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 611 <612>). Das hat die Beschwerdeführerin nicht getan.
2. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2011 (BVerfGE 129, 78). Danach genügt dem Grundsatz der Subsidiarität, wenn das Vorbringen bei rechtlicher Prüfung durch das Fachgericht eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof als naheliegend erscheinen lässt, weil die nationalen Gerichte von Amts wegen zu einer Vorlage gehalten sind; eine Obliegenheit von Rechtsmittelführern, eine Vorlage durch entsprechende Anträge oder Anregungen zu erreichen, besteht deshalb nicht (a.a.O. <93 f.>).
Diese Überlegungen sind auf den vorliegenden Fall eines Berufungszulassungsverfahrens nicht übertragbar. Der Entscheidung BVerfGE 129, 78 lag ein vor dem Bundesgerichtshof geführtes Revisionsverfahren zugrunde. Die dort mit der Verfassungsbeschwerde gerügte Nichtvorlage von Fragen an den Europäischen Gerichtshof bezog sich folglich auf ein Rechtsmittelhauptsacheverfahren vor dem Revisionsgericht, in dem das Revisionsgericht von Amts wegen gehalten war, entscheidungserhebliche und ungeklärte Fragen des Unionsrechts erforderlichenfalls nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Hier hingegen geht es um das dem Berufungshauptsacheverfahren vorgelagerte verwaltungsgerichtliche Zulassungsverfahren. In diesem Verfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die sich aus der angestrebten Vorlage einer Frage an den Europäischen Gerichtshof im Hauptsacheverfahren ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 1320/14 -, juris Rn. 13), im Zulassungsantrag durch einen entsprechenden Hinweis hierauf geltend zu machen. Im Zulassungsverfahren selbst besteht keine Vorlagepflicht des Obergerichts. Dieses ist vielmehr lediglich gehalten, auf Grundlage des Zulassungsantrags die gesetzlich normierten und behaupteten Zulassungsgründe zu prüfen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Damit basiert das Zulassungsverfahren auf der Obliegenheit der antragstellenden Person, die Zulassungsgründe im Einzelnen darzulegen. Dies gilt auch für die "grundsätzlichen Bedeutung" der Rechtssache und damit zusammenhängende Vorlagefragen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.