Entscheidungsdatum: 09.05.2018
Die Vorlage ist unzulässig.
Das Vorlageverfahren betrifft Regelungen zur Zusatzversorgung der bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter.
1. Das Hamburgische Zusatzversorgungsgesetz (HmbZVG) trat zum 1. August 2003 in Kraft. Es löste das Erste Ruhegeldgesetz (1. RGG) ab, das die Altersversorgung der bis zum 31. März 1995 eingestellten Beschäftigten der Freien und Hansestadt Hamburg regelte. Diesem Gesetz lag ein Gesamtversorgungssystem zugrunde, durch das eine beamtengleiche Altersversorgung geschaffen werden sollte und das an externe Faktoren wie die gesetzliche Rente gekoppelt war. An seine Stelle trat nun ein Punktemodell, in dem ausschließlich ruhegeldfähige Beschäftigungszeiten und Bezüge maßgeblich sind. Der Gesetzgeber wollte so die Komplexität des Zusatzversorgungssystems verringern und finanzielle Belastungen vermeiden (vgl. LTDrucks 17/1659, S. 8).
Für die bis zum 31. März 1995 eingestellten Beschäftigten wurden Übergangsregelungen geschaffen. Sie erhalten bezüglich der bis zum Inkrafttreten des Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetzes erworbenen Ansprüche ein Grundruhegeld und bezüglich späterer Beschäftigungszeiten ein Zusatzruhegeld. Die Berechnung des Grundruhegeldes richtet sich nach dem Lebensalter der Beschäftigten. "Rentennahe" Beschäftigte, die vor dem 1. August 1948 geboren wurden, erhalten ein Grundruhegeld weitestgehend nach dem alten Recht (§ 30 HmbZVG). Für später geborene "rentenferne" Beschäftigte erfolgt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 HmbZVG die Berechnung nach Maßgabe von § 18 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Auch dieses Berechnungsverfahren beruht auf dem Gesamtversorgungssystem, ist aber vereinfacht und im Ergebnis für die Beschäftigten weniger günstig. An dieser Vorgabe orientiert sich auch § 79 Abs. 1 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS). Diese Norm bewertete der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Sie führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, da Beschäftigte mit längeren Ausbildungszeiten gegenüber solchen mit kürzeren benachteiligt würden. Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien auf ein zweites Berechnungsverfahren für die Anwartschaften von rentenfernen Jahrgängen, welches in § 79 Abs. 1a VBLS normiert wurde. Der Hamburger Gesetzgeber schuf mit § 31 Abs. 3 HmbZVG, der zum 1. November 2013 in Kraft trat, eine weitgehend gleichlautende Regelung. Ist das danach ermittelte Grundruhegeld höher als das nach § 31 Abs. 2 HmbZVG ermittelte, ist der höhere Wert maßgebend (Günstigkeitsprinzip).
2. Der 1949 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war von 1982 bis 2013 bei der Freien und Hansestadt Hamburg als Arbeitnehmer beschäftigt. Seit Februar 2013 erhält er eine Zusatzversorgung nach Maßgabe des Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetzes in Höhe von zunächst 233,28 €, wobei das Grundruhegeld nach § 31 Abs. 2 HmbZVG berechnet wurde. Im Jahr 2015 erhob er Klage beim Arbeitsgericht Hamburg, mit der er eine Berechnung seines Grundruhegeldes nach Maßgabe der Regelungen für rentennahe Beschäftigte erreichen will.
3. Das Arbeitsgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung am 29. März 2017 beschlossen, den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht folgende Frage zur Entscheidung vorzulegen:
Ist § 31 Abs. 2 und 3 des Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetzes (HmbZVG) in der Fassung vom 1. Oktober 2013 (GVBl S. 431) mit dem Grundgesetz vereinbar?
Die Kammer sei überzeugt, dass § 31 Abs. 2 und 3 HmbZVG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und daher verfassungswidrig sei. Der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 9. März 2016 (IV ZR 9/15) die inhaltlich identischen Bestimmungen in § 79 Abs. 1 und 1a VBLS als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG eingestuft. Die Kammer mache sich die Ausführungen des Bundesgerichtshofs "zu Eigen, soweit diese auf den vorliegenden Fall übertragbar sind" (S. 19 des Vorlagebeschlusses). Die Verfassungswidrigkeit von § 31 Abs. 2 und 3 HmbZVG könne auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden. Der Wortlaut der Regelung lege eindeutig fest, nach welchen Kriterien die Berechnung zu erfolgen habe.
Die Vorlage ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt.
1. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Es muss zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft haben (vgl. BVerfGE 127, 335 <355>). Das vorlegende Gericht muss den Sachverhalt darlegen und sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 141, 1 <11 Rn. 22>). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <336 f.>; 131, 1 <15>; 131, 88 <118>). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen (vgl. BVerfGE 88, 70 <74>; 131, 88 <118>). Das vorlegende Gericht muss insofern selbstständig und in eigener Verantwortung über die Vorlage entscheiden, was eine eigene Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm voraussetzt (vgl. BVerfGE 22, 373 <379>; 68, 337 <343 ff.>). Die eigene Darstellung der rechtlichen Erwägungen darf grundsätzlich nicht durch die Bezugnahme auf die Ausführungen eines anderen Gerichts ersetzt werden (vgl. BVerfGE 22, 175 <177>; 90, 145 <167>; 93, 121 <132>).
2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht. Zwar wird - wenn auch unter Verweis auf ältere Rechtsprechung - zutreffend dargelegt, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 GG unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen ergeben können (vgl. BVerfGE 129, 49 <69>). Jedoch kann diesen Ausführungen auch unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht entnommen werden, welcher Maßstab der verfassungsrechtlichen Bewertung der durch § 31 Abs. 2 und 3 HmbZVG hervorgerufenen Ungleichbehandlung hier konkret zugrunde gelegt worden ist. Ein Verweis auf eine Entscheidung eines anderen Gerichts ist zwar zulässig, muss aber so konkret sein, dass sich erkennen lässt, welcher Argumentation das vorlegende Gericht im Einzelnen folgt. Dazu genügt der Verweis auf eine Entscheidung, soweit diese übertragbar sei, nicht.
Insoweit ist auch nicht ausreichend dargelegt, dass der zur Prüfung gestellte § 31 Abs. 2 und 3 HmbZVG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Eigene rechtliche Erwägungen und die konkrete Darlegung, dass die Vorschrift in der Gesamtbetrachtung der Höhe der gewährten Zusatzversorgung eine zu beanstandende Ungleichbehandlung hervorruft (vgl. BVerfGE 131, 66 <82 f.>), fehlen. Desgleichen wird nicht dargelegt, warum der Auffassung anderer Arbeitsgerichte (ArbG Hamburg, Teilurteil vom 22. August 2014 -13 Ca 106/14 -; LAG Hamburg, Urteil vom 24. März 2015 - 2 Sa 65/14 -) nicht gefolgt wird, wonach die vorgelegte Norm als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar erachtet wird. Eine Auseinandersetzung mit anderer Rechtsprechung und Literatur fehlt. Soweit sie zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Vorlage nicht bekannt war, kann ein vorlegendes Gericht entsprechende Argumente auch nachtragen (vgl. BVerfGE 75, 329 <339>). Auch das ist hier nicht geschehen.
Schließlich fehlt jede fachrechtliche Aufbereitung des Regelungsgehalts der vorgelegten Norm. § 31 Abs. 2 und 3 HmbZVG ist jedoch Teil eines komplexen Regelungssystems, das aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.