Entscheidungsdatum: 06.03.2014
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste 1995 mehrfach mit gefälschten Personaldokumenten nach Deutschland ein. Auf einen ebenfalls unter falschem Namen gestellten Asylantrag wurde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person festgestellt. Er erhielt im März 1996 unter diesem Namen eine Aufenthaltsbefugnis, die im Februar 2005 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG bis August 2005 verlängert wurde; im Anschluss daran erhielt der Kläger Fiktionsbescheinigungen. Ebenfalls im Februar 2005 wurde die Flüchtlingsanerkennung bestandskräftig widerrufen. Im März und April 2005 beantragte er, nunmehr unter seinem richtigen Namen, die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Dies sowie einen hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2. Dezember 2011 ab und wies den Kläger aus. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung aufgehoben, die Klage auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis, hilfsweise der Aufenthaltserlaubnis, indes abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Die Grundsatzrüge des Klägers greift nicht durch.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Beantwortung nicht zugänglich ist.
Die Frage,
"ob dem Tatbestandsmerkmal des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis
ist bereits geklärt bzw. ohne weiteres klärungsfähig, soweit sie einer abstrakten Beantwortung zugänglich ist; hiervon abgesehen würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Nach § 26 Abs. 4 AufenthG kann eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn der Adressat seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt und wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG sowie die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen, soweit sie nicht durch spezielle Regelungen verdrängt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen der Niederlassungserlaubnis ist, wenn der Antragsteller Verpflichtungsklage erhoben hat, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Tatsachengerichts, im vorliegenden Fall also des Verwaltungsgerichtshofes (25. Juni 2013). Ist in diesem Zeitpunkt die erforderliche Aufenthaltserlaubnis nicht mehr vorhanden und fehlt es daher am Erfordernis des unbestrittenen, gesicherten Aufenthaltsrechts, so besteht ein Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht. Eine Ausnahme hiervon kommt nur in Betracht, wenn der erforderliche Aufenthaltstitel zwar abgelaufen, über seine Verlängerung jedoch noch nicht entschieden ist und wenn der Antragsteller für die Dauer des Verlängerungsverfahrens über eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AufenthG verfügt. Nach dem Sinn dieser Bescheinigung gilt dies allerdings nur, wenn es zu einer Verlängerung des Aufenthaltstitels tatsächlich kommt. Besteht hingegen -wie im vorliegenden Fall - kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, kann die Zeit der Fiktionswirkung nicht auf die für die Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis angerechnet werden (Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 6.09 - BVerwGE 136, 211 = Buchholz 402.242 § 26 AufenthG Nr. 5 jeweils Rn. 18 ff.).
Die von der Beschwerde möglicherweise sinngemäß aufgeworfene Frage, ob Zeiten einer Fiktionsbescheinigung auch dann anrechenbar sein können, wenn es nicht zu der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kommt - insbesondere dann, wenn zwar das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, nicht aber ihr Nachweis bei Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bejaht werden kann -, ist mit dieser Rechtsprechung bereits im verneinenden Sinne beantwortet, ohne dass neuerlicher Klärungsbedarf geltend gemacht oder erkennbar ist. Denn der Funktion der Fiktionsbescheinigung, den zur Verlängerung anstehenden Titel bis zu der Verlängerung als fortbestehend behandeln zu können, bedarf es nicht, wenn das Verlängerungsbegehren scheitert. Soweit die Beschwerde darüber hinaus die Frage aufwirft, ob zwischen dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und ihrem Nachweis vor dem maßgeblichen Zeitpunkt unterschieden werden muss und ob in der dargestellten Konstellation eine Anrechnung der Fiktionszeiten möglich ist, lässt sich auch diese Frage auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten. Eine Anrechnung der Fiktionszeiten kommt - wie ausgeführt - auch in solchen Fällen nur dann in Betracht, wenn der abgelaufene Aufenthaltstitel tatsächlich verlängert wird. Ob zu einem früheren Zeitpunkt die Erteilungsvoraussetzungen vorgelegen haben, ohne ausnahmslos beweisbar zu sein, spielt dabei keine Rolle. Ohne Bedeutung ist es auch, ob die Fiktionszeit erst dazu führt, dass das Erfordernis der siebenjährigen Dauer der Aufenthaltserlaubnis erstmalig erfüllt wird ("Hineinwachsen" in diese Tatbestandsvoraussetzung) oder ob sie nur dazu dient, das Bestehen der bereits hinreichend langen Dauer der Aufenthaltserlaubnis auch im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt zu fingieren.
Die Annahme der Beschwerde, die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG habe in der hier vorliegenden Konstellation keine "rechtsbegründende", sondern lediglich "besitzstandswahrende" Wirkung, trifft auch in der Sache nicht zu. Denn die Beschwerde geht zu Unrecht davon aus, dass die Frage der Identität des Klägers bei Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bereits "geklärt" gewesen und später nur noch der ausstehende Nachweis dieser Identität geführt worden sei. Eine solche Unterscheidung wird dem Erfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG nicht gerecht. Vielmehr ist die Identität des Ausländers so lange ungeklärt, bis ein gültiges Ausweispapier oder doch gleich beweiskräftige Unterlagen als Nachweis der Identität vorgelegt werden kann; eine spätere Klärung der Identität entfaltet in Bezug auf die materiellrechtliche Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG keine Rückwirkung.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde sich mithin in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn im Zeitpunkt des Ablaufs der Aufenthaltserlaubnis (20. August 2005) lagen alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerade nicht vor, wie dies die Fragestellung voraussetzt. Vielmehr fehlte es jedenfalls an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG, da im August 2005 die Identität des Klägers noch nicht geklärt war. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt zwar schon seinen richtigen Namen angegeben - wenn man von der leichten Abweichung in der Schreibweise zwischen "Hamza" und Hamzah" absieht -, aber noch nicht belegt. Sowohl seinen irakischen Personalausweis, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst an das Landeskriminalamt gesandt wurde, als auch weitere Personalpapiere legte er erst nach dem 20. August 2005 vor. Noch im Frühjahr 2006 gelangten Bescheinigungen über die gesetzliche Krankenversicherung unter mehreren Namen zu den Ausländerakten; die erste auf den wirklichen Namen des Klägers lautende Fiktionsbescheinigung wurde im März 2006 ausgestellt. Angesichts der langjährigen Täuschung der Behörden über seine Identität bestand hier auch Anlass zu besonderer Sorgfalt bei deren Klärung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.