Entscheidungsdatum: 13.09.2017
Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) geltend, weil das Berufungsgericht bei seiner wertenden Gesamtschau, ob dem Kläger als Angehörigen der christlichen Minderheit in Pakistan Verfolgung drohe, nachdem einer seiner Brüder versucht habe, die Ehe mit einem muslimischen Mädchen einzugehen, keinerlei Erkenntnis- und Beweismittel, auch nicht den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Newsletter der NGO IGFM Nr. 5/2016 vom Mai 2016 berücksichtigt habe. Außerdem habe das Berufungsgericht die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 1 und 2 zu Unrecht abgelehnt und das klägerische Vorbringen willkürlich im Sinne einer unzulässigen Überraschungsentscheidung gewürdigt. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird weder ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör noch ein anderer Verfahrensfehler schlüssig dargelegt.
a) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers ersichtlich zur Kenntnis genommen, ist nach umfassender Würdigung seiner Angaben und seines Aussageverhaltens sowie der weiteren Erkenntnis- und Beweismittel aber zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht glaubwürdig und die Angaben zu seinem persönlichen Flucht- und Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft sind. Dies hat es im Einzelnen und nachvollziehbar dargelegt. Dabei hat es sich mit den vom Kläger vorgelegten Schreiben zweier Reverends auseinandergesetzt und die vom Kläger vorgelegte Kopie eines First Information Report (FIR) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel gewürdigt. Es ist daher nicht zutreffend, wenn die Beschwerde behauptet, es fehle schon an der gebotenen Gesamtschau bzw. zumindest einer hinreichenden Begründung, weil das Berufungsgericht "keinerlei" Erkenntnis- und Beweismittel berücksichtigt bzw. benannt habe. Auch der Umstand, dass sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich mit dem vom Kläger vorgelegten Newsletter der NGO IGFM auseinandergesetzt hat, in dem ein mit dem Vorbringen des Klägers vergleichbarer Vorfall geschildert wird, begründet unter den hier gegebenen Umständen keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Denn das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte Verfolgungsgrund für den Nachweis einer Verfolgungsgefahr nicht geeignet ist. Es ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist und sich das Gericht schon nicht davon überzeugen konnte, dass es sich beim Kläger um ein Familienmitglied der christlichen Familie handelt, die in dem von ihm vorgelegten FIR der Entführung eines muslimischen Mädchens bezichtigt wird. Damit musste sich das Berufungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob dem Kläger in Pakistan Verfolgung drohen würde, wenn sein Vortrag - zu der vorbezeichneten Frage und anderen Aspekten des geltend gemachten Verfolgungsschicksals - glaubhaft wäre. Insoweit unterscheidet sich der Fall von demjenigen, der dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2007 (- 10 B 91.07 - juris) zugrundelag, in dem es um die Frage ging, ob der Betroffene wegen verschiedener - feststehender - Merkmale individuell gefährdet ist.
b) Nachdem das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger nicht glaubwürdig und sein Vorbringen nicht glaubhaft ist, begründet auch die Ablehnung der von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 1 und 2 keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Diese waren auf die inhaltliche Richtigkeit des in dem Newsletter geschilderten Vorfalls und allgemein auf die Verfolgungsgefahr der Familie eines Christen in Pakistan in einer Situation, wie der vom Kläger beschriebenen, gerichtet. Denn die Ablehnung eines Beweisantrags führt nur dann zu einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach dem Rechtsstandpunkt des entscheidenden Gerichts erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 - 1 BvR 158/78 - BVerfGE 50, 32 <36>; BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 32). Dies ist hier - unabhängig von der Begründung der Ablehnung durch das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung, die dem Kläger Gelegenheit zur Reaktion auf die vermeintlich überraschende Begründung gab - nicht der Fall, weil das Berufungsgericht dem Kläger die von ihm behauptete Fluchtgeschichte schon nicht geglaubt hat. Insoweit unterscheidet sich der Fall von demjenigen, der dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2005 (- 10 B 34.05 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 10) zugrunde lag, da die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht unabhängig von den prozessualen Folgen seiner materiellen Rechtsauffassung auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung zur mangelnden Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache beruht.
c) Die angegriffene Entscheidung stellt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit welcher der Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Ansonsten besteht im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren. Ein Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 5 B 21.09 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 61 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung hier nicht erfüllt.
Das Berufungsgericht hat Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers u.a. damit begründet, dass er seinen Vortrag nach seiner Anhörung durch das Bundesamt in wesentlichen Teilen ausgewechselt hat. Insoweit räumt die Beschwerde selbst ein, dass der Kläger seine Angaben in zeitlicher Hinsicht sowohl bezüglich des Zeitpunkts seiner Ausreise (2009 statt 2013) als auch hinsichtlich des Zeitpunkts des angeblich verfolgungsauslösenden Vorfalls (März 2011 statt März 2013) und damit auch hinsichtlich des Umstands, ob er Pakistan vor oder nach diesem Vorfall verlassen hat, geändert hat. Im Übrigen hat das Berufungsgericht seine durchschlagenden Zweifel hinsichtlich des aktuellen Vorbringens - unbeschadet des Umstands, dass der Kläger in seiner Anhörung beim Bundesamt unrichtige Angaben gemacht hat - darauf gestützt, dass die vorgetragene Fluchtgeschichte sich in vagen, detailarmen Schilderungen erschöpft, in sich unstimmig und von gesteigertem Vortrag geprägt ist. Auch dies hat es im Einzelnen und nachvollziehbar dargelegt. Soweit die Beschwerde meint, das Berufungsgericht habe aus dem Vorbringen des Klägers nicht nur willkürliche, sondern überraschende Schlussfolgerungen getroffen, wendet sie sich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung, ohne in diesem Zusammenhang schlüssig einen Verfahrensfehler darzulegen; keine andere Beurteilung rechtfertigt der - vom Berufungsgericht ersichtlich zur Kenntnis genommene Umstand, dass der Kläger durchgängig eine drohende Verfolgung als Angehöriger der christlichen Minderheit und Reaktionen auf eine beabsichtigte Eheschließung mit einer Muslima geltend gemacht hatte.
2. Auch der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt ersichtlich nicht vor. Soweit die Beschwerde der Auffassung ist, der Vortrag eines Schutzsuchenden dürfe ohne Überprüfung auf Übereinstimmung bzw. Widersprüche mit aktuellen Herkunftslandinformationen nicht als unplausibel oder unglaubhaft gewertet werden, verkennt sie, dass die Überprüfung des Vorbringens auf Übereinstimmung bzw. Widersprüche mit aktuellen Herkunftslandinformationen grundsätzlich einen in sich stimmigen und widerspruchsfreien Vortrag voraussetzt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 2011/95/EU, zumal der von der Beschwerde angeführte Art. 4 Abs. 5 Buchst. c ausdrücklich bestimmt, dass für eine Ausnahme von der Nachweispflicht die Aussagen des Antragstellers nicht nur nicht in Widerspruch zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen stehen dürfen, sondern auch kohärent und plausibel sein müssen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.