Entscheidungsdatum: 12.03.2019
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2017 - 12 Sa 1024/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Parteien streiten über die Gewährung von Altersfreizeittagen.
Der im Dezember 1958 geborene Kläger ist seit August 1973 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Seit Dezember 2004 ist er als leitender Mitarbeiter der „Vertragsstufe 1“ tätig. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin sind an die Tarifverträge der chemischen Industrie gebunden. Nach Nr. 13 Satz 2 des Anstellungsvertrags des Klägers vom 1./20. Dezember 2004 finden auf sein Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie (MTV Akademiker) Anwendung. § 5 MTV Akademiker in seiner Fassung vom 2. Mai 2000 lautet auszugsweise:
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„§ 5 Arbeitszeit |
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4. Angestellte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, können unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse bezahlte Altersfreizeiten in Anspruch nehmen. Bei der Gewährung sind vom Arbeitgeber die allgemeinen Regelungen im Betrieb sinngemäß unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung des Angestellten anzuwenden. |
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5. … Die Regelung über Altersfreizeiten nach Ziffer 4 findet bei der Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keine Anwendung. …“ |
Der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 26. Juni 1992 idF vom 1. Dezember 1997 (MTV Chemie) enthält in seinem § 2a ebenfalls eine Regelung zu Altersfreizeiten. Danach erhalten Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche. Die Altersfreizeit vermindert sich entsprechend, wenn für den Arbeitnehmer ua. aufgrund von Einzelvereinbarung eine um bis zu zweieinhalb Stunden kürzere wöchentliche Arbeitszeit als die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gilt (§ 2a Nr. 1 Satz 2 MTV Chemie). Liegt die Arbeitszeit um mindestens zweieinhalb Stunden unter der tariflichen Arbeitszeit, entfällt die Altersfreizeit (§ 2a Nr. 1 Satz 3 MTV Chemie).
Die B AG schloss mit dem auf der Grundlage eines Zuordnungstarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG errichteten „Gesamtbetriebsrat B“ ua. mit Wirkung für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin am 12. Dezember 2012 die „Gesamtbetriebsvereinbarung Funktions- und aufgabenorientierte Arbeitszeit der Leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vertragsstufe 1“ (GBV). Diese bestimmt ua.:
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„6. Entlastung im Alter / Altersfreizeit |
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Für die Inanspruchnahmen von Altersfreizeiten findet die jeweils geltende Fassung des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie Anwendung. Gemäß der derzeit geltenden Fassung des § 5 Abs. 4 haben Leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf bezahlte Altersfreizeiten. Sie können diese unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse in Anspruch nehmen. Dies gilt, sofern keine individuelle Teilzeitvereinbarung getroffen wurde. |
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Die Abwicklung der Altersfreizeittage erfolgt zeitnah in Absprache zwischen der/dem Mitarbeiterin/Mitarbeiter und der/dem Vorgesetzten unter Berücksichtigung der persönlichen Belange der/des Mitarbeiterin/Mitarbeiters und der betrieblichen Erfordernisse. Die Kumulation von Altersfreizeittagen ist zu vermeiden. Andere Formen der Abwicklung als in ganzen freien Tagen sind in gemeinsamer Abstimmung möglich.“ |
Die Beklagte gewährt - wie bereits ihre Rechtsvorgängerin - den in Vollzeit tätigen leitenden Angestellten Altersfreizeiten iHv. einem Tag pro Kalendermonat.
Der Kläger arbeitet seit dem 1. September 2008 mit einem Umfang von 80 vH eines Vollzeitbeschäftigten. Im November und Dezember 2015 sprach er in mehreren E-Mails gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolglos die Möglichkeit an, als Teilzeitbeschäftigter Altersfreizeiten zu erhalten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe trotz seiner Teilzeittätigkeit ein Anspruch auf Gewährung von Altersfreizeiten zu. Die Regelung in Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV sei unwirksam. Sie verstoße gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG und verletze das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,
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1. |
die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersfreizeit in Höhe von 9,6 Arbeitstagen für das Jahr 2016 zu gewähren; |
2. |
festzustellen, dass ihm ein Anspruch auf Altersfreizeit in Relation seiner Teilzeittätigkeit von 80 vH pro Woche im Vergleich zu Vollzeitkräften, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, zusteht, mithin zur Zeit pro Jahr 4/5 von 12 Tagen Altersfreizeit bei Vollzeit, somit aufgerundet 10 Tage pro Jahr. |
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV sei wirksam. § 5 Nr. 4 MTV Akademiker lege den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht abschließend fest. Diese Norm erlaube den Betriebsparteien auch insoweit ergänzende Regelungen. Jedenfalls stehe § 2a Nr. 1 Satz 3 MTV Chemie als „allgemeine Regelung im Betrieb“ iSv. § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker dem Anspruch des Klägers entgegen. Der Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von den Altersfreizeiten sei gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision der Beklagten ist erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klageanträge sind zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem Jahr 2016 jährlich 9,6 bezahlte Arbeitstage als Altersfreizeiten zu gewähren.
I. Die Klageanträge sind - in der gebotenen Auslegung - zulässig.
1. Der Klageantrag zu 1. richtet sich auf die künftige Gewährung von 9,6 bezahlten Altersfreizeittagen „für das Jahr 2016“ und damit auf entsprechende Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung. Die im Antrag enthaltene Jahresangabe kennzeichnet lediglich das Jahr, in dem der geltend gemachte Anspruch auf Altersfreizeiten entstanden sein soll. Der Kläger erstrebt keine rückwirkende Befreiung von seiner Arbeitspflicht (vgl. auch BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - Rn. 11), sondern eine Gewährung der Altersfreizeittage erst ab Rechtskraft der Entscheidung.
Mit dem Klageantrag zu 2. begeht der Kläger die Feststellung, dass ihm gegen die Beklagte ab dem Jahr 2017 ein Anspruch auf Altersfreizeiten und damit auf bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht im Umfang von jährlich 9,6 Tagen zusteht. Dem insoweit vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Antragsverständnis ist der Kläger nicht entgegengetreten.
2. Damit sind die Klageanträge hinreichend bestimmt. Dies gilt auch für die Leistungsklage auf Gewährung bezahlter Arbeitsbefreiung (vgl. für Erholungsurlaub BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - Rn. 12).
a) Die Parteien streiten über eine Pflicht der Beklagten, dem Kläger Altersfreizeiten zu gewähren. Daher hat der Kläger ein Interesse an der begehrten Feststellung. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Antrag nicht deshalb unzulässig, weil sich künftig die rechtlichen Grundlagen für den begehrten Anspruch sowie der Umfang der vom Kläger zu leistenden Arbeit ändern können. Nach § 322 Abs. 1 ZPO erwächst bei einer Entscheidung nur der geltend gemachte prozessuale Anspruch in Rechtskraft. Dieser wird ua. durch den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt. Sollte sich dieser maßgeblich ändern, endet damit die Rechtskraft der Entscheidung.
b) Der mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit begründete Vorrang der Leistungsklage steht nicht entgegen. Da sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befand, ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig. Es besteht kein Zwang zu einer Leistungsklage überzugehen, wenn diese erst nachträglich im Laufe des Verfahrens möglich wird (vgl. BAG 23. September 2014 - 9 AZR 827/12 - Rn. 13 mwN).
II. Die Klageanträge sind begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem Jahr 2016 jährlich Altersfreizeiten im Umfang von 9,6 bezahlten Arbeitstagen zu gewähren.
1. Nach § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker kann der Kläger ab dem Jahr 2016 die Gewährung von Altersfreizeiten beanspruchen.
a) Der MTV Akademiker findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.
b) § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker sieht vor, dass Angestellte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse bezahlte Altersfreizeiten in Anspruch nehmen können. Diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt der Kläger seit Beginn des streitbefangenen Zeitraums. Er hat im Dezember 2015 sein 57. Lebensjahr vollendet.
c) Entgegen der Ansicht der Revision gewährt § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker einen Anspruch auf Altersfreizeiten dem Grunde nach. Dies ergibt die Auslegung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. etwa BAG 22. Mai 2012 - 1 AZR 103/11 - Rn. 12).
aa) Bereits der Wortlaut legt die Regelung einer verbindlichen Anspruchsberechtigung nahe. § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker sieht nicht lediglich vor, dass älteren Angestellten Altersfreizeiten gewährt werden können, sondern bestimmt, dass sie diese „in Anspruch“ nehmen können. Auch der Zusatz „unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse“ bezieht sich lediglich auf die Inanspruchnahme, relativiert aber nicht die grundsätzliche Anspruchsberechtigung der begünstigten Angestellten.
bb) Systematische Erwägungen bestätigen dieses Verständnis. In § 5 Nr. 5 Satz 3 MTV Akademiker haben die Tarifvertragsparteien Angestellte, die ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abschließen, von der Gewährung der Altersfreizeiten ausgenommen. Die ausdrückliche Herausnahme einer bestimmten Personengruppe aus dem Anwendungsbereich von § 5 Nr. 4 MTV Akademiker lässt den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Norm nicht nur unverbindliche Vorgaben für die Gewährung von Altersfreizeiten für ältere Arbeitnehmer machen, sondern eine grundsätzliche Anspruchsberechtigung für derartige Leistungen normieren wollten.
cc) Aus dem Umstand, dass § 5 Nr. 4 MTV Akademiker den Umfang der zu gewährenden Altersfreizeiten nicht festlegt, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Tarifvertragsparteien müssen die Arbeitsbedingungen nicht selbst abschließend und in allen Einzelheiten festlegen. Sie können - wie vorliegend - Rahmenbedingungen aufstellen und deren Konkretisierung Dritten, insbesondere dem Arbeitgeber oder den Betriebspartnern, überlassen (vgl. BAG 5. August 1999 - 6 AZR 22/98 - zu 2 a der Gründe, BAGE 92, 175; 9. Mai 1995 - 1 ABR 56/94 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 80, 104).
2. Die Teilzeitbeschäftigung des Klägers steht seinem Anspruch auf Altersfreizeiten nicht entgegen.
a) § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker gewährt allen unter den persönlichen Geltungsbereich des MTV Akademiker fallenden Angestellten einen Anspruch auf Altersfreizeiten. In Teilzeit beschäftigte Angestellte, die - wie der Kläger - kein Altersteilzeitarbeitsverhältnis geschlossen haben, sind vom Anspruch auf bezahlte Altersfreizeiten nicht ausgenommen. Auch dies zeigt die Auslegung der Norm.
aa) Bereits die sprachliche Fassung von § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker lässt keinen anderen Schluss zu. Danach hängt die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersfreizeiten nur vom Alter des Angestellten, nicht vom Umfang der zu leistenden Arbeitszeit ab. Soweit die Regelung ergänzend auf die „betrieblichen Erfordernisse“ abstellt, bezieht sich dies nur auf die Inanspruchnahme der Altersfreizeit durch den Angestellten; betriebliche Belange vermögen nicht den generellen Ausschluss aller Teilzeitbeschäftigten vom Anspruch auf Altersfreizeit zu begründen.
bb) Die Systematik unterstützt dieses Verständnis. Nach § 5 Nr. 5 Satz 3 MTV Akademiker sind Angestellte, die ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abschließen, ausdrücklich von der Gewährung der Altersfreizeiten ausgenommen. Ein nach den Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes abgeschlossenes Altersteilzeitarbeitsverhältnis erfordert, dass der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung schließt, aufgrund derer bis zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Altersrente die bisherige wöchentliche Arbeitszeit um die Hälfte reduziert wird (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltersteilzeitG). Da § 5 Nr. 5 Satz 3 MTV Akademiker lediglich an die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anknüpft, sind hiervon auch solche Arbeitnehmer erfasst, deren reduzierte Arbeitszeit während der gesamten Dauer der Altersteilzeit nicht unterschiedlich - im sog. Blockmodell -, sondern gleichmäßig verteilt ist. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, sollten teilzeitbeschäftigte Angestellte nicht unter § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker fallen. Ob die darin liegende unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen von Teilzeitarbeitnehmern angesichts der Besonderheiten des Altersteilzeitverhältnisses gerechtfertigt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
b) Aus Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Regelung ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.
aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn und soweit ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (st. Rspr., vgl. BAG 15. Mai 2018 - 1 ABR 75/16 - Rn. 17 mwN, BAGE 162, 379). Die Sperrwirkung greift nicht, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (BAG 15. Mai 2018 - 1 ABR 75/16 - aaO).
bb) Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin sind an die Tarifverträge der chemischen Industrie gebunden und fallen unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des MTV Akademiker. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
cc) Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV enthält Regelungen zur Altersfreizeit und damit zu einem Gegenstand, dessen sich bereits die Tarifparteien des MTV Akademiker angenommen haben. Da die GBV nach ihrer Nr. 2 für Leitende Mitarbeiter der „Vertragsstufe 1“ gilt, unterfallen ihr auch solche Arbeitnehmer, die vom persönlichen Geltungsbereich des MTV Akademiker erfasst sind.
dd) Ob § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker den Betriebsparteien die Befugnis einräumt, ergänzende Betriebsvereinbarungen zum Regelungsgegenstand Altersfreizeiten zu schließen, kann dahinstehen. Selbst bei Annahme, die Bestimmung enthielte eine Tariföffnungsklausel iSd. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, wäre der in Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV enthaltene Ausschluss Teilzeitbeschäftigter vom Anspruch auf Altersfreizeiten von dieser nicht umfasst. § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker ermöglicht lediglich nähere Regelungen zur Ausgestaltung der Altersfreizeiten, nicht jedoch eine von den tariflichen Vorgaben abweichende Bestimmung des dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreises.
(1) Gemäß § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker sind „Bei der Gewährung … vom Arbeitgeber die allgemeinen Regelungen im Betrieb sinngemäß … anzuwenden“. Nach dem sprachlichen Zusammenhang mit Satz 1 bezieht sich der Begriff „Gewährung“ auf die in Anspruch genommenen Altersfreizeiten und damit auf die Erfüllung der - dort dem Grunde nach geregelten - Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung älterer Angestellter unter Fortzahlung der Vergütung von ihrer Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen. Die Formulierung „bei“ lässt erkennen, dass sich eine den Betriebsparteien in § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker eingeräumte Befugnis für den Abschluss ergänzender Regelungen zu Altersfreizeiten nur auf den Umfang sowie die Modalitäten zur Erfüllung des bereits grundsätzlich in § 5 Nr. 1 Satz 1 MTV Akademiker verankerten Anspruchs bezieht. Hierzu gehören etwa Vorgaben zur Beantragung der Altersfreizeiten oder zur Lage der freien Arbeitstage. Keine Frage der „Gewährung“ eines von den Tarifvertragsparteien eingeräumten Anspruchs ist es hingegen, wenn dieser für eine bestimmte Personengruppe von vornherein ausgeschlossen wird.
(2) Der systematische Aufbau von § 5 Nr. 4 MTV Akademiker belegt dies ebenfalls. Während in Satz 1 der Bestimmung festgelegt ist, wem unter welchen Vorrausetzungen dem Grunde nach ein Anspruch auf Altersfreizeiten zusteht, verweist der nachfolgende Satz 2 der Norm für die weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Umfangs und der Erfüllung dieses Anspruchs auf die allgemeinen Regelungen im Betrieb.
(3) Gegen eine den Betriebsparteien in § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker eingeräumte weitergehende Regelungsbefugnis spricht zudem das Gebot der Normenklarkeit. Wollen die Tarifvertragsparteien den Betriebspartnern nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eine nicht nur die tariflichen Angelegenheiten ergänzende, sondern sogar eine hiervon abweichende Regelungsbefugnis einräumen, muss dies mit der gebotenen Deutlichkeit erfolgen. Aus der Tarifnorm muss sich hinreichend klar ergeben, dass die Betriebsparteien im Rahmen ihrer Rechtsetzung die im Tarifvertrag festgelegten Bedingungen abändern dürfen. Hieran fehlt es vorliegend.
ee) § 87 Abs. 1 BetrVG steht der danach aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG folgenden Sperrwirkung für abweichende Regelungen über den Kreis der für Altersfreizeiten anspruchsberechtigten Angestellten nicht entgegen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten und diese an den MTV Akademiker gebunden sind, liegt eine zwingende tarifliche Regelung iSv. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG vor.
c) Entgegen der Annahme der Revision hat die Unwirksamkeit von Nr. 6 Unterabs. 2 Satz 4 GBV nicht zur Folge, dass dann - als „Regelung(en) im Betrieb“ iSv. § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker - der in § 2a Nr. 1 Satz 3 MTV Chemie vorgesehene Anspruchsausschluss greift. § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker verweist auf Regelungen „im Betrieb“ und nicht auf die normativ geltenden oder kraft vertraglicher Bezugnahme auf die Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen des MTV Chemie. Zudem haben die Parteien des MTV Akademiker den Kreis der für Altersfreizeiten Anspruchsberechtigten in § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker selbst geregelt. Daher würde eine - unterstellte - Inbezugnahme von § 2a MTV Chemie jedenfalls nicht Nr. 1 Satz 2 und 3 dieser Norm umfassen.
3. Damit steht dem Kläger für die Zeit ab 2016 ein jährlicher Anspruch auf Altersfreizeiten im Umfang der zuletzt noch begehrten 9,6 Tage zu. Die Beklagte gewährt - im Rahmen des ihr durch § 5 Nr. 4 Satz 2 MTV Akademiker eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts - den vollzeitbeschäftigten Angestellten jährlich 12 Arbeitstage bezahlte Altersfreizeit. Da der Kläger nicht, wie in Nr. 3.2.3 GBV vorgesehen, an fünf Tagen, sondern nur an vier Tagen in der Woche arbeitet, steht ihm jedenfalls ein anteiliger Anspruch im Umfang von 9,6 Tagen pro Kalenderjahr zu. Unschädlich ist, dass die begehrte Befreiung von der Arbeitspflicht sich auch auf einen anteiligen Arbeitstag bezieht. Nach Nr. 6 Unterabs. 4 Satz 3 GBV muss eine Abwicklung der Altersfreizeit nicht zwingend in ganzen freien Tagen erfolgen.
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger seinen Anspruch auf Altersfreizeiten rechtzeitig iSv. § 5 Nr. 4 Satz 1 MTV Akademiker „in Anspruch“ genommen. Aus seinen E-Mails von Ende 2015 ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Kläger von diesem Recht Gebrauch machen wollte.
5. Sein Anspruch für die Jahre 2016 bis 2018 ist nicht durch Zeitablauf untergegangen. Weder der MTV Akademiker noch die GBV sehen eine § 7 Abs. 3 BUrlG vergleichbare Regelung und damit eine Bindung des Anspruchs an das Kalenderjahr vor. Nr. 6 Abs. 4 Satz 1 GBV verlangt lediglich eine zeitnahe Abwicklung, regelt aber keinen Verfall der Altersfreizeittage.
6. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers für das Jahr 2016 noch nicht erfüllt. Zwar hat sie dem Kläger für das Jahr 2016 9,6 freie Arbeitstage gewährt. Dies erfolgte - wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat - jedoch lediglich in Vollzug der noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Entscheidung. Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, dadurch sei keine Erfüllungswirkung eingetreten, weil die Beklagte nicht zu erkennen gegeben habe, den eingeklagten Anspruch endgültig iSv. § 362 BGB erfüllen zu wollen. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
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Schmidt |
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K. Schmidt |
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Ahrendt |
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Klebe |
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Ralf Stemmer |