(BinSchUO2008Anh II)
Technische Mindestvorschriften für Schiffe auf dem Rhein und auf Binnenwasserstraßen der Zonen 1, 2, 3 und 4 für Fahrzeuge, die ein Schiffsattest beantragen (Anhang II zur Binnenschiffsuntersuchungsordnung)

Ausfertigungsdatum: 06.12.2008


§ 15.03 BinSchUO2008Anh II Stabilität

1.
Der Antragsteller muss durch eine Berechnung, die auf Ergebnissen der Anwendung eines Standards für Intaktstabilität beruht, nachweisen, dass die Intaktstabilität des Schiffes angemessen ist. Alle Berechnungen müssen mit freiem Trimm und freier Tauchung durchgeführt werden. Die Leerschiffsdaten, die den Stabilitätsberechnungen zu Grunde liegen, sind durch einen Krängungsversuch zu ermitteln.
2.
Die Intaktstabilität muss für die folgenden Standardladebedingungen nachgewiesen sein:
a)
bei Beginn der Fahrt
100 % Fahrgäste, 98 % Brennstoff und Frischwasser, 10 % Abwasser;
b)
während der Fahrt geändert
100 % Fahrgäste, 50 % Brennstoff und Frischwasser, 50 % Abwasser;
c)
bei Fahrtende
100 % Fahrgäste, 10 % Brennstoff und Frischwasser, 98 % Abwasser;
d)
leeres Schiff
keine Fahrgäste, 10 % Brennstoff und Frischwasser, kein Abwasser.
Für alle Standardladebedingungen sind die Ballasttanks entweder leer oder voll anzunehmen, entsprechend ihrer üblichen Verwendung.
Zusätzlich muss für die folgende Ladebedingung der Nachweis für Nummer 3 Buchstabe d erbracht werden:
100 % Fahrgäste, 50 % Brennstoff und Frischwasser, 50 % Abwasser, sämtliche anderen Flüssigkeitstanks, einschließlich Ballast, zu 50 % gefüllt.
3.
Der Nachweis ausreichender Intaktstabilität durch eine Berechnung muss unter Anwendung der folgenden Bestimmungen für die Intaktstabilität und für die in Nummer 2 Buchstabe a bis d genannten Standardladebedingungen erbracht werden:
a)
Der maximale aufrichtende Hebelarm hmax muss bei einem Krängungswinkel φmax ≥ (φmom + 3°) auftreten und muss mindestens 0,20 m betragen. Wenn φf < φmax ist, muss der aufrichtende Hebelarm beim Flutungswinkel φf mindestens 0,20 m betragen.
b)
Der Flutungswinkel φf darf nicht kleiner sein als (φmom + 3°).
c)
Die Fläche A unter der Kurve der aufrichtenden Hebelarme muss in Abhängigkeit von der Lage von φf und φmax mindestens folgende Werte erreichen:

FallA
1φmax ≤ 15° oder φf ≤ 15°0,05 m·rad bis zum kleineren der Winkel φmax oder φf
215° < φmax < 30°φmax ≤ φf0,035 + 0,001 · (30 - φmax) m·rad bis zum Winkel φmax
315° < φf < 30°φmax > φf0,035 + 0,001 · (30 - φf) m·rad bis zum Winkel φf
4φmax ≥ 30° und φf ≥ 30°0,035 m·rad bis zum Winkel φ = 30°


Dabei ist

hmaxder maximale Hebelarm;
φder Krängungswinkel;
φfder Flutungswinkel, d. h. der Krängungswinkel, bei dem Öffnungen im Rumpf, in den Aufbauten oder Deckshäusern, die nicht wetterdicht verschlossen werden können, eintauchen;
φmomder maximale Krängungswinkel nach Buchstabe e;
φmaxder Krängungswinkel, bei dem der maximal aufrichtende Hebelarm auftritt;
Adie Fläche unter der Kurve der aufrichtenden Hebelarme.
d)
Die metazentrische Höhe zu Beginn GMo, korrigiert um den Effekt der freien Oberflächen in Flüssigkeitstanks, darf nicht weniger als 0,15 m betragen.
e)
Der Krängungswinkel φmom darf in beiden folgenden Fällen jeweils den Wert von 12° nicht überschreiten:
aa)
unter Ansatz des Krängungsmomentes aus Personen und Wind nach Nummer 4 und 5;
bb)
unter Ansatz des Krängungsmomentes aus Personen und Drehbewegung nach Nummer 4 und 6.
f)
Der Restfreibord darf unter dem Ansatz eines Krängungsmomentes aus Personen, Wind und Drehbewegung nach Nummer 4, 5 und 6 nicht weniger als 0,20 m betragen.
g)
Der Restsicherheitsabstand muss für Schiffe mit Fenstern oder anderen Öffnungen in der Außenhaut unterhalb des Schottendecks, die nicht wasserdicht verschlossen sind, unter dem Ansatz der drei Krängungsmomente aus Buchstabe f mindestens 0,10 m betragen.
4.
Das Moment aufgrund der einseitigen Ansammlung von Personen (MP) ist wie folgt zu berechnen:



In dieser Formel bedeuten:

P =Gesamtmasse der Personen an Bord in [t], berechnet über die Summe aus der maximal zulässigen Zahl der Fahrgäste und der maximalen Zahl von Bordpersonal und Besatzung unter normalen Betriebsbedingungen unter der Annahme einer durchschnittlichen Masse von 0,075 t pro Person;
y =seitlicher Abstand des Schwerpunkts der Personenmasse P von der Schiffsmittellinie in [m];
g =Gravitationsbeschleunigung (g = 9,81 m/s2);
Pi =Masse der auf der Fläche Ai angesammelten Personen mit:
P1 = n1 · 0,075 · Ai [t],
A1=
Fläche, auf der sich Personen befinden in [m2];
n1=
Personenzahl pro Quadratmeter mit:
ni = 3,75 für freie Decksflächen und Flächen mit beweglichem Mobiliar; für Flächen mit festeingebautem Sitzmobiliar, wie Bänken, ist ni unter Annahme einer Sitzbreite von 0,50 m und einer Sitztiefe von 0,75 m pro Person zu berechnen;
yi =seitlicher Abstand des Flächenschwerpunkts der Fläche Ai von der Schiffsmittellinie in [m].


Die Berechnung muss für eine Ansammlung der Personen sowohl an Steuerbord als auch an Backbord durchgeführt werden.
Die Verteilung der Personen muss vom Standpunkt der Stabilität aus gesehen die ungünstigste sein. Kabinen sind bei der Berechnung des Personenmoments als unbesetzt anzunehmen.
Für die Berechnung der Ladefälle ist der Höhenschwerpunkt einer Person mit 1 m über dem tiefsten Punkt des jeweiligen Decks auf 0,5 LWL ohne Berücksichtigung von jeglicher Deckskrümmung und bei Annahme einer Masse von 0,075 t pro Person zu berücksichtigen.
Eine detaillierte Ermittlung der Decksflächen, die von Personen besetzt sind, kann entfallen, wenn folgende Werte verwendet werden:

P =1,1 · Fmax · 0,075 für Tagesausflugsschiffe;
1,5 · Fmax · 0,075 für Kabinenschiffe.
In diesen Formeln bedeutet:
Fmax = höchstzulässige Zahl von Fahrgästen an Bord;
y =B/2 [m].
5.
Das Moment aus Wind (MW) ist wie folgt zu berechnen:

MW = pW • AW • (lW + T/2) [kNm]


In dieser Formel bedeuten:

pW =der spezifische Winddruck von 0,25 kN/m2;
AW =der Lateralplan des Schiffes über der Ebene der dem betrachteten Ladefall entsprechenden Einsenkung in [m2];
lW =der Abstand des Schwerpunkts des Lateralplanes AW von der Ebene der dem betrachteten Ladefall entsprechenden Einsenkung in [m].
Bei der Berechnung des Lateralplanes sind die vorgesehenen Einhausungen der Decks durch Planen oder ähnliche mobile Einrichtungen zu berücksichtigen.
6.
Das Moment aus Zentrifugalkraft (Mdr), hervorgerufen durch die Drehbewegung des Schiffes, ist wie folgt zu berechnen:

Mdr = cdr · CB · v2 · D/LWL · (KG - T/2) [kNm]


In dieser Formel bedeuten:
cdr =ein Koeffizient von 0,45;
CB =der Blockkoeffizient der Verdrängung (falls nicht bekannt, ist dieser 1,0 zu setzen);
vdie Maximalgeschwindigkeit des Schiffes in [m/s];
KGder Abstand des Schwerpunkts von der Oberkante Kiel in [m].


Wenn das Fahrgastschiff mit einem Antrieb entsprechend § 6.06 ausgerüstet ist, ist Mdr aus Groß- oder Modellversuchen oder aus entsprechenden Berechnungen abzuleiten.
7.
Der Antragsteller muss durch eine Berechnung, die auf dem Verfahren des wegfallenden Auftriebs beruht, nachweisen, dass die Leckstabilität des Schiffes angemessen ist. Alle Berechnungen müssen mit freiem Trimm und freier Tauchung durchgeführt werden.
8.
Die Schwimmfähigkeit im Leckfall muss für die in Nummer 2 angegebenen Standardladebedingungen nachgewiesen werden. Hierbei muss für drei Zwischenzustände der Flutung (25 %, 50 % und 75 % der Füllung des Endzustandes der Flutung) und für den Endzustand der Flutung der rechnerische Nachweis der genügenden Stabilität erbracht werden.
9.
Fahrgastschiffe müssen den 1-Abteilungsstatus und den 2-Abteilungsstatus einhalten.
Die folgenden Vorgaben sind für den Leckfall zu berücksichtigen:

1-Abteilungsstatus2-Abteilungsstatus
Ausdehnung des Seitenlecks
längs 1 [m]0,10 · LWL, jedoch nicht weniger als 4,00 m0,05 · LWL, jedoch nicht weniger als 2,25 m
quer b [m]B/50,59
senkrecht h [m]vom Schiffsboden nach oben ohne Begrenzung
Ausdehnung des Bodenlecks
längs l [m]0,10 · LWL, jedoch nicht weniger als 4,00 m0,05 · LWL, jedoch nicht weniger als 2,25 m
quer b [m]B/5
senkrecht h [m]0,59; Rohrleitungen, die entsprechend § 15.02 Nr. 13 Buchstabe c. verlegt sind, können als unbeschädigt angenommen werden.
a)
Für den Einabteilungsstatus können die Schotte als nicht beschädigt angenommen werden, wenn der Abstand zwischen zwei benachbarten Schotten größer ist als die Länge des Lecks. Längsschotte, die sich in einem Abstand von weniger als B/3 zu der Außenhaut, gemessen im rechten Winkel zur Schiffsmittellinie in der Ebene der größten Einsenkung, befinden, dürfen in der Rechnung nicht berücksichtigt werden. Eine Schottversetzung in einem Querschott, die länger ist als 2,50 m, gilt als Längsschott.
b)
Für den 2-Abteilungsstatus wird jedes Schott innerhalb der Leckausdehnung als beschädigt angenommen. Das bedeutet, dass die Lage der Schotte so gewählt werden muss, dass das Fahrgastschiff nach der Flutung von zwei oder mehreren angrenzenden Abteilungen in Längsrichtung schwimmfähig bleibt.
c)
Der niedrigste Punkt jeder nicht wasserdichten Öffnung (z.B. von Türen, Fenstern, Einstiegsluken) muss im Endzustand der Flutung mindestens 0,10 m über der Leckwasserlinie liegen. Das Schottendeck darf im Endzustand der Flutung nicht eintauchen.
d)
Die Flutbarkeit wird zu 95 % angenommen. Wird durch eine Berechnung nachgewiesen, dass die mittlere Flutbarkeit einer Abteilung kleiner als 95 % ist, so kann der errechnete Wert eingesetzt werden.
Die folgenden Werte dürfen nicht unterschritten werden:

Unterkunftsräume95 %
Maschinen- und Kesselräume85 %
Gepäck- und Vorratsräume75 %
Gepäck- und Vorratsräume Doppelböden, Treibstofftanks,
Ballasttanks und andere Tanks je nachdem, ob sie ihrer Bestimmung entsprechend für
das auf der Ebene der tiefsten Einsenkung schwimmende Schiff als voll
oder leer angenommen werden müssen0 oder 95 %.
e)
Falls ein Leck geringerer Ausdehnung als oben angegeben ungünstigere Bedingungen hinsichtlich Krängung oder Verlust an metazentrischer Höhe ergibt, muss ein derartiges Leck bei der Berechnung angenommen werden.
10.
In allen Zwischenzuständen der Flutung nach Nummer 8 müssen folgende Kriterien eingehalten werden:
a)
Der Krängungswinkel φ der Gleichgewichtslage des jeweiligen Zwischenzustandes darf 15° nicht überschreiten.
b)
Über die Krängung in der Gleichgewichtslage des jeweiligen Zwischenzustandes hinaus muss der positive Bereich der Hebelarmkurve einen aufrichtenden Hebel GZ ≥ 0,02 m aufweisen, ehe die erste ungeschützte Öffnung eintaucht oder ein Krängungswinkel φ von 25° erreicht ist.
c)
Nicht wasserdichte Öffnungen dürfen nicht eintauchen, bevor die Krängung in der Gleichgewichtslage des jeweiligen Zwischenzustandes erreicht ist.
d)
Für die Berechnung des freien Oberflächeneffektes in allen Zwischenzuständen der Flutung wird von der Bruttogrundfläche der beschädigten Räume ausgegangen.
11.
Im Endzustand der Flutung müssen die folgenden Kriterien unter Berücksichtigung des Krängungsmomentes nach Nummer 4 eingehalten werden:
a)
Der Krängungswinkel φE darf 10° nicht überschreiten.
b)
Über die Gleichgewichtslage hinaus muss der positive Bereich der Hebelarmkurve einen aufrichtenden Hebel GZR ≥ 0,02 m in Verbindung mit einer Fläche A ≥ 0,0025 m·rad aufweisen. Diese Mindestwerte der Stabilität sind bis zum Eintauchen der ersten ungeschützten Öffnung oder auf jeden Fall vor Erreichen eines Krängungswinkels von 25° einzuhalten.
c)
Nichtwasserdichte Öffnungen dürfen nicht eintauchen, bevor die Gleichgewichtslage erreicht ist. Falls derartige Öffnungen vor diesem Punkt eintauchen, müssen die Räume, die mit ihnen verbunden sind, in der Leckstabilitätsrechnung als geflutet angesehen werden.



Dabei ist:

φEder Krängungswinkel im Endzustand der Flutung unter Berücksichtigung des Moments nach Nummer 4;
φmder Winkel der verschwindenden Stabilität oder der Winkel, bei dem die erste ungeschützte Öffnung zu Wasser kommt, oder 25°; der niedrigere dieser Werte ist anzuwenden;
GZRder Resthebelarm im Endzustand der Flutung unter Berücksichtigung des Moments nach Nummer 4;
GZKder krängende Hebelarm aus dem Moment nach Nummer 4.
12.
Schließvorrichtungen von Öffnungen, die wasserdicht verschließbar sein müssen, sind entsprechend zu kennzeichnen.
13.
Werden Querflutöffnungen zur Verringerung von asymmetrischen Flutungen vorgesehen, müssen sie folgenden Anforderungen entsprechen:
a)
Für die Berechnung der Querflutung ist die IMO-Entschließung A.266 (VIII) anzu-wenden.
b)
Sie müssen selbsttätig wirken.
c)
Sie dürfen nicht mit Absperrarmaturen versehen sein.
d)
Die Zeit für den vollständigen Ausgleich darf 15 Minuten nicht überschreiten.