Entscheidungsdatum: 08.12.2010
1. Verpflichtet sich der Mieter in einem Mietaufhebungsvertrag zu Ausgleichszahlungen, falls der Vermieter bei einer Weitervermietung des Mietobjekts nur eine geringere als die vom Mieter geschuldete Miete erzielen kann, wird dieser Anspruch bei einer späteren Zwangsverwaltung des Grundstücks nicht von der Beschlagnahme erfasst .
2. Tritt der Vermieter diese Forderung vor der Anordnung der Zwangsverwaltung über das Mietgrundstück an einen anderen ab, stellt dies keine Vorausverfügung über eine Mietforderung i.S. von § 1124 Abs. 2 BGB dar .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 20. März 2009 aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 6. August 2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, in die Auszahlung des beim Amtsgericht L. zum Az.: HL … hinterlegten Betrages in Höhe von 3.634,47 € an die Klägerin einzuwilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Freigabe eines beim Amtsgericht hinterlegten Geldbetrages.
Die Schwiegermutter der Klägerin (nachfolgend: Vollstreckungsschuldnerin) vermietete im Januar 2003 mit einem bis zum 31. März 2013 befristeten Mietvertrag in einer in ihrem Eigentum stehenden Immobilie Gewerberäume zum Betrieb eines Restaurants. Nachdem der Mieter bereits im Sommer 2004 den Betrieb des Restaurants eingestellt hatte, schlossen die Mietvertragsparteien eine Vereinbarung, in der sich der Mieter verpflichtete, die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Nettomiete und der erzielten bzw. künftig zu erzielenden und gezahlten Nettomiete des neuen Mieters bzw. späterer neuer Mieter an die Vollstreckungsschuldnerin zu zahlen. Diese vermietete ab 1. August 2004 das Restaurant zu einem niedrigeren Mietzins weiter.
Mit schriftlicher Vereinbarung vom 15. Dezember 2005 verkaufte die Vollstreckungsschuldnerin neben weiteren Forderungen ihre Ansprüche aus dieser Vereinbarung mit dem ehemaligen Mieter an die Klägerin. Gleichzeitig erklärte sie die Abtretung der Forderungen.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2006 ordnete das Amtsgericht die Zwangsverwaltung für das Grundstück an und bestellte die Beklagte zur Zwangsverwalterin. Die Zwangsverwaltung wurde mit Wirkung zum 11. März 2008 aufgehoben, nachdem das Grundstück zwangsversteigert worden war. In dem Aufhebungsbeschluss wurde der Beklagten aufgegeben, ihre Tätigkeit fortzusetzen und noch die Nutzungen aus der Zeit vor der Wirksamkeit des Zuschlagsbeschlusses einzuziehen.
Da der ehemalige Mieter des Restaurants ab September 2006 keine Zahlungen mehr leistete, erhob die Klägerin gegen ihn Klage auf Zahlung der rückständigen Ausgleichszahlungen. Nachdem der Mieter in diesem Verfahren einen die Klagesumme übersteigenden Geldbetrag hinterlegt hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von der Beklagten die Freigabe des hinterlegten Betrages. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Freigabeverlangen weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abänderung des Urteils des Amtsgerichts dahingehend, dass der Klage stattgegeben wird.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin zwar Inhaberin der streitgegenständlichen Forderungen geworden sei. Zum Einzug dieser Forderungen sei jedoch allein die Beklagte in ihrer Funktion als Zwangsverwalterin berechtigt. Die Abtretung der streitgegenständlichen Forderungen an die Klägerin sei gemäß §§ 1123, 1124 Abs. 2 BGB, §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 146 ZVG gegenüber der Beklagten unwirksam, weil diese Forderungen von der Beschlagnahme des Grundstücks erfasst worden seien. Zwar seien Forderungen auf Ersatz eines Mietausfallschadens nicht in den §§ 1123, 1124 BGB, in denen die vom hypothekarischen Haftungsverband erfassten Forderungen aufgezählt sind, genannt. Es sei jedoch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im vorliegenden Fall geboten. Der vertraglich vereinbarte Mietausfallanspruch trete in Form eines Schadensersatzanspruches an die Stelle des Teils der Mieteinkünfte, um den die nunmehr erzielbare Miete im Verhältnis zur bisherigen Miete geringer ist. Es sei sachgerecht, den Mietausfallanspruch einer Mietzinsforderung gleichzustellen. Der Vermieter wolle mit einer solchen Vereinbarung einem Mietausfall entgegenwirken. Die Differenzzahlung diene der Erhaltung der ursprünglichen Ertragslage und stelle aus diesem Grund einen Mietersatz dar, der der Miete gleichzustellen sei. Für die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 1123 ff. BGB spreche auch, dass das Gesetz mit der Beschlagnahme der Mietforderung dem Zwangsverwalter die voraussichtlich aus dem bestehenden Mietvertrag zu erwartenden Einnahmen zur Verwertung zuweisen wolle. Würden die als Mietersatz gedachten Leistungen des ehemaligen Mieters nunmehr weiterhin allein der Vermieterin und Vollstreckungsschuldnerin zukommen, würde dies dem Zweck der Zwangsverwaltung, den Gläubigern Befriedigung aus den Nutzungen des Grundstücks zu verschaffen, widersprechen. Eine nicht beabsichtigte Gläubigerbenachteiligung könne nur vermieden werden, wenn die Mietausfallleistungen vollstreckungsrechtlich den Mietforderungen gleichgestellt würden.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages.
1. Im Streit zweier Forderungsprätendenten über die Auszahlung hinterlegten Geldes steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, da dieser auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt hat (BGH Urteile vom 15. Oktober 1999 - V ZR 141/98 - NJW 2000, 291, 294 und vom 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06 - NJW 2008, 2702 Rn. 17). Wer der tatsächliche Rechtsinhaber ist, entscheidet sich ausschließlich nach dem maßgeblichen materiellen Recht (BGH Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 141/98 - NJW 2000, 291, 294; MünchKommBGB/Wenzel 5. Aufl. § 372 Rn. 29).
2. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Klägerin die Mietausfallforderungen von der Vollstreckungsschuldnerin wirksam durch Abtretung erworben. Sie ist gegenüber der Beklagten auch zur Geltendmachung dieser Ansprüche berechtigt.
a) Soweit das Berufungsgericht im Gegensatz zu der erstinstanzlichen Entscheidung annimmt, dass der Klägerin durch die Vereinbarung vom 15. Dezember 2005 die Mietdifferenzforderungen der ehemaligen Grundstückseigentümerin gegen den früheren Mieter für den Zeitraum von September 2006 bis April 2007 wirksam abgetreten wurden, ist revisionsrechtlich hiergegen nichts zu erinnern.
b) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die vorgenannte Abtretung sei eine Vorausverfügung über eine Mietforderung und daher gegenüber der Beklagten gemäß §§ 146 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG i.V.m. §§ 1123 Abs. 1, 1124 Abs. 2 BGB unwirksam.
aa) Nach §§ 146, 20 Abs. 2 ZVG bestimmt sich der Umfang der Beschlagnahme im Rahmen einer Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des materiellen Rechts über den Haftungsumfang bei Grundpfandrechten (§§ 1120 ff. BGB). Da die Zwangsverwaltung nach § 148 Abs. 1 ZVG auch Miet- und Pachtforderungen i. S. von § 1123 BGB erfasst, richtet sich die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des Vollstreckungsschuldners im Rahmen einer Zwangsverwaltung nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 BGB, wenn - wie hier - ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt. Eine Vorausverfügung setzt daher die Existenz einer Miet- bzw. Pachtzinsforderung gegen den Schuldner voraus, auf die durch ein Rechtsgeschäft eingewirkt wird (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2003 - XII ZB 16/00 - NZM 2003, 871, 872).
bb) Diese Voraussetzung ist bei dem an die Klägerin abgetretenen Anspruch auf Ersatz der Mietdifferenz indes nicht erfüllt. Denn dieser Anspruch stellt weder eine Mietforderung i. S. von § 1123 Abs. 1 BGB dar noch können die Vorschriften über die Beschlagnahme auf diesen Anspruch entsprechend angewendet werden.
(1) Als Mietforderung i. S. von § 1123 Abs. 1 BGB wäre der Zahlungsanspruch der Vollstreckungsschuldnerin nur dann zu qualifizieren, wenn die Mietvertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung die Absicht gehabt hätten, unter Fortbestand des ursprünglichen Mietvertrages lediglich die Mietzahlungen neu zu regeln. Die Parteien haben jedoch, wovon offensichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, mit der Vereinbarung den ursprünglichen Mietvertrag einverständlich aufgehoben. Zwar wird in der Vereinbarung nicht ausdrücklich von einer Aufhebung oder Beendigung des Mietvertrages gesprochen. An mehreren Stellen des Vertragstextes ist jedoch erkennbar, dass die Parteien das Mietverhältnis insgesamt abwickeln wollten. Aus der Präambel des Vertragstextes ergibt sich, dass zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt neben dem Mietausfallschaden noch weitere Ersatzansprüche der Vollstreckungsschuldnerin gegenüber dem Mieter hinsichtlich Schönheitsreparaturen und zweier Wasserschäden im Streit standen, die durch die Zahlungsverpflichtung des Mieters ebenfalls ausgeglichen werden sollten. In Ziffer 3 der Vereinbarung wurde von den Parteien eine Regelung zur abschließenden Abrechnung der Betriebskosten und der Kaution getroffen. Zudem wurde am Ende des Vertragstextes festgehalten, dass im Übrigen zwischen den Parteien aus dem Mietverhältnis keine weiteren gegenseitigen Forderungen mehr bestehen. Insbesondere aus der Abrede über die Abrechnung der Betriebskosten und der Kaution sowie der vereinbarten Abgeltungsklausel wird erkennbar, dass die Parteien einen Mietaufhebungsvertrag schließen wollten.
(2) Da die Vertragsparteien den Mietvertrag einverständlich aufgehoben haben, stellt der Anspruch der Vollstreckungsschuldnerin gegen ihren ehemaligen Mieter keine Mietforderung i. S. von § 1123 Abs. 1 BGB dar (vgl. Staudinger/Wolfsteiner [2009] § 1123 BGB Rn. 3, 6 ff.). Die Zahlungsverpflichtung des Mieters beruht vielmehr auf einer eigenständigen vertraglichen Grundlage, die vergleichbar einer Schadensersatzforderung insbesondere den Mietausfallschaden der Vollstreckungsschuldnerin aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages ausgleichen sollte. Eine solche Forderung wird von der Beschlagnahme nach §§ 148 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 2, 21 Abs. 2 ZVG, § 1123 BGB nicht erfasst.
(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beschlagnahme auch nicht durch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf die Mietausgleichsforderung ausgeweitet werden.
Die Zwangsverwaltung verfolgt den Zweck, die Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers aus den Nutzungen des Grundstücks zu erreichen (Stöber ZVG 19. Aufl. § 146 Rn. 2.2; Böttcher ZVG 5. Aufl. § 146 Rn. 3). Deshalb erweitert § 148 ZVG den Umfang der Beschlagnahme gegenüber dem Zwangsversteigerungsverfahren neben Versicherungsforderungen und sonstigen subjektiv-dinglichen Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen i. S. von § 1126 BGB insbesondere auf die Erzeugnisse des Grundstücks und die Erträge, die durch eine Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks erzielt werden (Stöber aaO § 148 Rn. 1.2). Durch die gesetzliche Regelung wird deutlich, dass im Zwangsverwaltungsverfahren zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers nur die durch die Nutzung des Grundstücks zu erzielenden Erträge zur Verfügung stehen sollen. Auf andere Forderungen des Vollstreckungsschuldners, selbst wenn sie im Zusammenhang mit dem Grundstück stehen, kann der Vollstreckungsgläubiger dagegen nicht zugreifen (vgl. BGH Urteil vom 29. Juni 2006 - IX ZR 119/04 - NJW-RR 2007, 265 ff. zu §§ 987 Abs. 2, 990 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Erweiterung der Beschlagnahme über den gesetzlichen Umfang hinaus kommt daher nur für Forderungen in Betracht, die an Stelle einer Miet- oder Pachtforderung einen Ausgleich für die Nutzung des Grundstücks durch Dritte darstellen (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2003 - XII ZR 16/00 - NZM 2003, 871 f. zu §§ 557 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB aF; BGH Urteil vom 29. Juni 2006 - IX ZR 119/04 - NJW-RR 2007, 265 Rn. 11 zu § 584 b BGB). Die Einbeziehung dieser Forderungen in den Haftungsverband rechtfertigt sich dadurch, dass es sich um Ersatzansprüche handelt, die an die Stelle des Anspruchs auf Mietzahlung treten, weil ein Dritter in einem Zeitraum nach der Beschlagnahme rechtsgrundlos das Grundstück nutzt. Die nach § 152 Abs. 1 ZVG bestehende Aufgabe des Zwangsverwalters, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch solche Ansprüche zu verfolgen (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2003 - XII ZB 16/00 - NZM 2003, 871, 872).
Die von der Vollstreckungsschuldnerin an die Klägerin abgetretene Mietausfallforderung ist mit den genannten Nutzungsersatzansprüchen nicht vergleichbar. Denn die von dem ehemaligen Mieter geschuldeten Zahlungen sind kein Äquivalent für eine Nutzung des Grundstücks im Zeitraum nach der Beschlagnahme. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Mieter spätestens im August 2004 die Gewerberäume geräumt und an die Vollstreckungsschuldnerin herausgegeben. Das ursprüngliche Mietverhältnis war somit fast zwei Jahre vor der Anordnung der Zwangsverwaltung vollständig beendet. Die von dem Mieter geschuldete Ausgleichszahlung ist daher kein Ertrag, der durch die Nutzung des Grundstücks erwirtschaftet wird, sondern ein Anspruch der Vollstreckungsschuldnerin, mit dem der Schaden ausgeglichen werden soll, der ihr durch die vorzeitige Beendigung des auf zehn Jahre befristeten früheren Mietvertrages entsteht. Der Umstand allein, dass dieser Anspruch im Zusammenhang mit einer - zudem vor der Beschlagnahme beendeten - Vermietung des Grundstücks steht, genügt nicht, um die Mietausfallforderung allein dem Zugriff des Gläubigers vorzubehalten, der die Zwangsverwaltung betreibt.
3. Nach alldem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages gerichtete Klage als begründet erweist, ist auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Amtsgerichts, das die Klage abgewiesen hat, entsprechend abzuändern.
Hahne |
Frau Bundesrichterin Weber-Monecke |
Wagenitz |
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Hahne |
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Dose |
Günter |