Entscheidungsdatum: 30.06.2010
Zu den Voraussetzungen einer Teilkündigung eines Nutzungsvertrages an einem Erholungsgrundstück nach § 23a SchuldRAnpG .
1. Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 21. Mai 2008 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Oktober 2007 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten darüber, ob die von den Klägern gemäß § 23 a Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) erklärte Teilkündigung eines Nutzungsvertrages über ein Erholungsgrundstück in Brandenburg wirksam ist.
Die Kläger, die Eigentümer des im Grundbuch von B. Bl. 11 eingetragenen Grundstücks Gemarkung B. Flur 1, Flurstück 10/1 sind, verpachteten dieses Grundstück in zwei Teilflächen. Sie schlossen am 8. Juli 1979 mit den Beklagten einen unbefristeten Pachtvertrag über eine Teilfläche des Grundstücks von 617,49 qm. Am selben Tag schlossen sie mit dem Vater des Beklagten zu 2 einen unbefristeten Pachtvertrag über die andere Teilfläche des Grundstücks von 617,83 qm. Nach § 8 Abs. 2 der gleich lautenden, vorformulierten Verträge erklärten sich die Kläger bereit, nach dem Tod des Pächters einen Vertrag mit dessen Erben abzuschließen, wenn dieser Bürger der DDR ist und das Grundstück für persönliche Erholungsbedürfnisse nutzt.
Der Beklagte zu 2 ist Alleinerbe seines am 15. Juni 1982 gestorbenen Vaters. Er nutzt seitdem das von ihm gepachtete Grundstück gemeinsam mit der Beklagten zu 1.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 erklärten die Kläger gestützt auf § 23 a SchuldRAnpG gegenüber den Beklagten die Kündigung des mit dem Vater des Beklagten zu 2 abgeschlossenen Pachtvertrages vom 8. Juli 1979 und kündigten mit Schriftsatz vom 26. Februar 2007 erneut. Mit der Klage verlangen sie Räumung und Herausgabe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Beklagten zu 2 zur Herausgabe und Räumung verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte zu 2 seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZOV 2008, 155 veröffentlicht ist, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Über das an den Vater des Beklagten zu 2 verpachtete Grundstück sei nach dessen Tod konkludent ein inhaltsgleicher Pachtvertrag zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 2 abgeschlossen worden. Dieser Vertrag sei jedenfalls durch die Kündigung der Kläger vom 26. Februar 2007 zum 31. Oktober 2007 beendet worden. Denn die Kläger seien gemäß § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG zur Teilkündigung berechtigt gewesen. Das Pachtverhältnis umfasse in Bezug auf den Beklagten zu 2 eine Fläche von über 1.000 qm. Dem stehe nicht entgegen, dass er sein Nutzungsrecht aus zwei Verträgen ableite und dass an einem dieser beiden Verträge auch seine Ehefrau, die Beklagte zu 1, als Pächterin beteiligt sei. Entscheidend sei vielmehr die wirtschaftliche Betrachtung des Nutzungsverhältnisses über die gesamte Fläche. Denn der zum Schutz des Eigentümers eingeführte § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG knüpfe das Teilkündigungsrecht entscheidend an den Umstand, dass ein Pächter sein vertragliches Nutzungsrecht an einer überdurchschnittlich großen Fläche ausübe. Eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift dahin, dass bei zusammenhängenden, in getrennten Verträgen an einen Vertragspartner verpachteten Grundstücken, deren Gesamtfläche 1.000 qm übersteige, nur die Größe jedes einzelnen Grundstücksteils zugrunde gelegt werden dürfe, sei unter dem Gesichtspunkt der Verfassungskonformität der Regelung nicht zulässig. Mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG sei es nicht vereinbar, den Eigentümer in den Fristen des § 23 SchuldRAnpG von der Nutzung eines großen Grundstücks gänzlich auszuschließen, obwohl bei einer Teilkündigung eines abtrennbaren Teils dem Nutzer noch eine so große Teilfläche verbleibe, dass er die bisherige Nutzung ohne unzumutbare Einbußen fortsetzen könne. Der auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999 (BVerfG 1 BvR 995/95) mit § 23 a SchuldRAnpG gefundene Interessenausgleich zwischen Pächter und Eigentümer sei grundsätzlich nicht davon abhängig, aus welcher vertraglichen Konstellation der Pächter sein Nutzungsrecht an einem großen Grundstück herleite. Die Belastung des Eigentums sei nicht deshalb geringer, weil die Grenze von 1.000 qm erst durch separaten Vertrag über einen zweiten Grundstücksteil überschritten werde.
Auch führe der Umstand, dass bezüglich der beiden Nutzungsverträge auf Pächterseite nur eine personelle Teilidentität bestehe, nicht zu einer Unterschreitung der in § 23 a SchuldRAnpG festgelegten Grenze. So wenig die Beteiligung einer Personenmehrheit auf Nutzerseite Einfluss auf das Erreichen dieser Grenze habe, so wenig führe die gemischt gemeinschaftlich/einseitige Nutzung zu einer Anhebung der Grenze.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise und von den Parteien nicht angegriffen davon aus, dass zwischen dem Beklagten zu 2 als Alleinerbe seines Vaters und den Klägern ein Pachtvertrag mit dem gleichen Inhalt zustande gekommen ist, wie er zwischen seinem Vater und den Klägern bestand.
2. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die Kläger hätten den Vertrag wirksam gemäß § 23 a SchuldRAnpG gekündigt.
Nach § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG kann der Grundstückseigentümer den Vertrag über ein Nutzungsrecht an einem Erholungs- und Freizeitgrundstück, das sich nach dem Vertrag auf eine Fläche von mindestens 1.000 qm erstreckt, abweichend von § 23 SchuldRAnpG hinsichtlich einer Teilfläche kündigen, soweit dem Nutzer mindestens eine Gesamtfläche von 400 qm verbleibt und der Nutzer die bisherige Nutzung ohne unzumutbare Einbußen fortsetzen kann.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG nicht dahin ausgelegt werden, dass die Voraussetzungen für eine Teilkündigung auch dann vorliegen, wenn - wie hier - zwei Verträge mit nur teilweise identischen Nutzern über zwei aneinandergrenzende Flächen, die zusammen 1.000 qm erreichen, abgeschlossen worden sind.
a) Nach dem Wortlaut des § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG und seiner Überschrift, die von der Kündigung einer “Teilfläche“ und von einer "Teilkündigung" ausgehen, erfasst die Vorschrift nur die Fälle, in denen sich das Nutzungsrecht an einer Fläche von mindestens 1000 qm aus einem Vertrag ergibt. Danach gilt § 23 a Abs. 1 SchuldRAnpG in den Fällen, in denen sich ein solches Recht aus mehreren Verträgen ergibt, nicht unmittelbar.
b) In diesen Fällen ist jedoch § 23 a SchuldRAnpG analog anwendbar, wenn die Nutzer in den verschiedenen Verträgen identisch sind. Insoweit enthält das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke und gebietet der Normzweck eine entsprechende Anwendung.
aa) Mit der Einfügung von § 23 a SchuldRAnpG durch das Gesetz zur Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes vom 17. Mai 2002 (BGBl. I S. 1580) hat der Gesetzgeber den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999 (BVerfGE 101, 54) umgesetzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat § 23 Abs. 1 bis 3, 5 und 6 SchuldRAnpG für mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, soweit er nicht die Möglichkeit vorsieht, bei besonders großen Erholungs- und Freizeitgrundstücken die Verträge hinsichtlich einer Teilfläche zu kündigen. Es hat u.a. ausgeführt, § 23 SchuldRAnpG sei im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Kündigungsbeschränkungen nach § 23 Abs. 2 und 3 SchuldRAnpG brächten die gegenläufigen Interessen von Grundstückseigentümern und -nutzern in einen im Wesentlichen gerechten, die Belange der Grundstückseigentümer nicht unangemessen beschränkenden Ausgleich.
Verfassungsrechtlich keinen Bestand haben könne § 23 SchuldRAnpG allerdings insoweit, als er dem Eigentümer für besonders große Erholungs- und Freizeitgrundstücke nicht die Möglichkeit einer Teilkündigung eröffne (BVerfGE 101, 54, 84 ff.). Gerade wenn es dem Grundstückseigentümer grundsätzlich zugemutet werde, im Interesse des Nutzers auf die eigene Nutzung und anderweitige Verwertung des eigenen Grund und Bodens unter Umständen auf Lebzeiten zu verzichten, sei es verfassungsrechtlich geboten, ihm den Zugang zu einer Nutzung und Verwertung zu ermöglichen, soweit dies ohne nachhaltige Beeinträchtigung der Nutzerinteressen oder von Gemeinwohlbelangen geschehen könne. Das sei bei dem Nutzer überlassenen großen Grundstücken der Fall, wenn Teile des Grundstücks abtrennbar und die verbleibende Grundstücksfläche immer noch so groß sei, dass der Nutzer auf ihr die bisherige Nutzung ohne unzumutbare Einbußen fortsetzen könne. Auch nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik habe bei großen Erholungsgrundstücken und einem nur für eine Teilfläche gegebenen Nutzungsbedarf des Eigentümers die Möglichkeit einer Grundstücksteilung und einer entsprechenden Änderung des Nutzungsvertrags gemäß § 78 ZGB bestanden (OG NJ 1983, 507). Es sei kein Grund erkennbar, der es rechtfertigen könne, unter der Geltung des Art. 14 GG und des Gebots eines gerechten und angemessenen Interessenausgleichs eine andere Bewertung der Belange vorzunehmen.
bb) Mit § 23 a SchuldRAnpG wollte der Gesetzgeber diesen vom Bundesverfassungsgericht geforderten Interessenausgleich herstellen. Den Fall, dass der Eigentümer einer mindestens 1.000 qm großen Grundstücksfläche diese in mehrere Flächen aufteilt und in mehreren Verträgen demselben Nutzer überlässt, hat der Gesetzgeber nicht bedacht.
Dieser Sachverhalt, bei dem der Nutzer aus mehreren selbständigen Verträgen die gleichen Nutzungsrechte an einer Gesamtfläche von mindestens 1.000 qm herleitet, ist im Ergebnis dem Sachverhalt gleichzustellen, den § 23 a SchuldRAnpG regelt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass des § 23 a SchuldRAnpG, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gelangt wäre.
c) Das gilt allerdings nicht für den Fall, dass keine Personenidentität zwischen den Nutzern der beiden verpachteten Teilflächen besteht, sondern ein Nutzer - wie hier der Beklagte zu 2 - aus mehreren Verträgen unterschiedliche Nutzungsrechte an den verschiedenen Teilflächen hat. In diesen Fällen fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit dem in § 23 a SchuldRAnpG geregelten Sachverhalt. Auch gebieten Normzweck und Interessenlage dann keine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift.
§ 23 a SchuldRAnpG bezweckt den Interessenausgleich zwischen dem Eigentümer eines besonders großen Erholungsgrundstücks und dem Nutzer eines solchen Grundstücks. Dem Nutzer soll ein Teil des Grundstücks genommen werden können, wenn die verbleibende Grundstücksfläche ihm die Fortsetzung der bisherigen Nutzung ohne unzumutbare Einbußen ermöglicht (BVerfGE 101, 54, 85). Wird dem Nutzer - wie hier dem Beklagten zu 2 - die Teilfläche gekündigt, an der ihm das alleinige Nutzungsrecht zusteht und verbleibt ihm danach noch eine Teilfläche, die er nur gemeinsam mit einem Dritten nutzen darf, so wird sein bisheriges alleiniges Nutzungsrecht an der einen Teilfläche nicht eingeschränkt, es wird vielmehr beendet. Der Nutzer kann insoweit die bisherige Nutzung nicht fortsetzen. Sein durch das Nutzungsrecht des Dritten beschränktes Nutzungsrecht an der anderen Teilfläche kann diesen Verlust nicht aufwiegen.
Eine solche Aufgabe des durch § 23 SchuldRAnpG gewährleisteten Bestandsschutzes des Nutzers ist zugunsten des Rückerlangungsinteresses des Eigentümers verfassungsrechtlich nicht geboten. Nur in den Fällen, in denen der Nutzer an einer Gesamtfläche von mindestens 1.000 qm ein gleichartiges Nutzungsrecht hat und nach Abtrennung einer Teilfläche die verbleibende Fläche immer noch so groß ist, dass er auf ihr die bisherige Nutzung ohne unzumutbare Einbußen fortsetzen kann, verlangen Art. 14 GG und das Gebot eines gerechten und angemessenen Interessenausgleichs, dem Eigentümer die Möglichkeit einer Teilkündigung einzuräumen (BVerfGE 101, 54, 85).
III.
Da den Klägern somit kein Teilkündigungsrecht bezüglich des mit dem Beklagten zu 2 allein bestehenden Nutzungsvertrages zusteht, war das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es den Beklagten zu 2 zur Räumung und Herausgabe verurteilt hat und die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.
Hahne Weber-Monecke Vézina
Dose Klinkhammer