Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.09.2017


BGH 20.09.2017 - XII ZR 76/17

Räumungsvollstreckung: Einstweilige Einstellung der Vollstreckung bei Vorwegnahme des Prozessergebnisses


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.09.2017
Aktenzeichen:
XII ZR 76/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:200917BXIIZR76.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 27. Juli 2017, Az: 2 U 174/16, Urteilvorgehend LG Frankfurt, 16. Dezember 2016, Az: 2-12 O 437/15nachgehend BGH, 18. April 2018, Az: XII ZR 76/17, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Antrag des Beklagten, die vorläufige Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juli 2017 und aus Ziffern 1 und 2 des Urteils der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2016 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Landgericht hat den Beklagten unter anderem verurteilt, die von ihm aufgrund eines zwischenzeitlich gekündigten Geschäftsbesorgungsvertrags mit der ehemaligen Mieterin in Besitz gehaltenen Geschäftsräume auf der Galopprennbahn in F. zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat, und das Urteil des Landgerichts ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Revision hat es zugelassen.

2

Nach Einlegung der Revision beantragt der Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts sowie aus der Räumungs- und Herausgabeverpflichtung aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen einzustellen.

II.

3

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet und daher zurückzuweisen.

4

Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

5

1. Die Interessen des Schuldners werden nach der in § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen gesetzlichen Wertentscheidung grundsätzlich hintangestellt, da seine Rechte durch ein in zwei Tatsacheninstanzen geführtes Erkenntnisverfahren hinreichend gewahrt erscheinen. Demgegenüber gebührt den Interessen des Gläubigers, dem das Gesetz die Vollstreckung aus einem erwirkten Titel gestattet, auch wenn dieser noch nicht rechtskräftig ist, in der Regel der Vorrang (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 1994 - XII ZR 150/94 - juris Rn. 8 mwN). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (Senatsbeschluss vom 24. November 2010 - XII ZR 31/10 - NJW-RR 2011, 705 Rn. 7; BGH Beschluss vom 25. April 2012 - I ZR 136/11 - NJW-RR 2012, 1088 Rn. 5). Dabei ergibt sich allein aus dem Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO (BGH Beschluss vom 4. September 2014 - I ZR 30/14 - ZUM 2015, 53 Rn. 9 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats stellt daher die Verpflichtung zur Räumung für sich genommen keinen unersetzlichen Nachteil i.S.v. § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (vgl. zu § 712 Abs. 1 ZPO Senatsbeschluss vom 31. Juli 2013 - XII ZR 114/13 - GuT 2013, 217 Rn. 8).

6

2. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte nicht glaubhaft gemacht (§ 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO), dass die Vollstreckung ihm einen über eine Vorwegnahme des Prozessergebnisses hinausgehenden nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Zwar hat die Klägerin bereits für das streitgegenständliche Gelände einen Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen und beabsichtigt, unmittelbar nach der Räumung das Grundstück an den Erbbauberechtigten zu übergeben, damit dieser mit den geplanten Baumaßnahmen beginnen kann. Auch wenn insoweit mit der Vollstreckung endgültige Verhältnisse geschaffen werden, die im Falle eines Erfolges der Revision bestehenbleiben würden, bewirkt dies allein keinen unersetzlichen Nachteil für die Beklagten im Sinne von § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 1994 - XII ZR 150/94 - juris Rn. 8 mwN).

7

Ebenso wenig stellt es einen unersetzlichen Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar, dass der Beklagte mit Durchführung der Zwangsvollstreckung den Rennbahnbetrieb einstellen muss. Der Beklagte verfügt nach seinem eigenen Vortrag ohnehin nicht über die notwendigen Mittel, Rennveranstaltungen durchzuführen oder die hierfür notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen an dem Rennbahngelände durchzuführen.

8

3. Der Einstellung der Zwangsvollstreckung mit oder ohne Sicherheitsleistung steht zudem ein überwiegendes Interesse der Klägerin entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Tatsacheninstanzen zu ihren Gunsten entschieden haben. Zudem hat die Klägerin erhebliche materielle Folgen zu befürchten, falls die Räumung des Grundstücks nicht zeitnah erfolgt. § 15.3 des Erbbaurechtsvertrags vom 12. November 2014 enthält ein Rücktrittsrecht des Erbbauberechtigten für den Fall, dass ihm das Grundstück nicht rechtzeitig überlassen werden kann. Darüber hinaus drohen der Klägerin erhebliche Schadensersatzforderungen des Erbbauberechtigten, der bereits hohe Investitionskosten für das geplante Bauvorhaben getätigt hat.

9

4. Schließlich kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht in Betracht, weil die Revision des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte (vgl. BGH Beschluss vom 23. März 2016 - VIII ZR 26/16 - WuM 2016, 305 Rn. 5 mwN).

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Botur     

      

Guhling