Entscheidungsdatum: 24.06.2015
Zur Entschädigungspflicht nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein Bauwerk, das sich der Grundstückseigentümer nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses vorübergehend zu Ertragszwecken nutzbar machen will.
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 20. Juni 2014 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der an Rechtsanwalt W. J. zu zahlende Betrag erst ab dem 17. Dezember 2010 zu verzinsen ist.
Von Rechts wegen
Der Kläger verlangt von der beklagten Baugenossenschaft eine Entschädigung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein auf deren Grundstück errichtetes Bauwerk.
Der Kläger erwarb am 19. Juni 1990 eine Garage auf dem Grundstück der Beklagten. Am 11. September 1990 schlossen die Parteien einen Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit gegen ein jährliches Pachtgeld von 50 DM. Mit Schreiben vom 22. November 2006 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag zum 28. Februar 2007. In der Kündigungserklärung gab sie an, dass beabsichtigt sei, "das Grundstück über einen Zeitraum von ca. drei Jahren als Parkplatz/Garagenfläche und anschließend mit einer erneuten Wohnbebauung zu nutzen". Dem Kläger bot sie eine Fortnutzung der Garage über den 28. Februar 2007 hinaus gegen Zahlung einer monatlichen Miete von 50 € unter Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bis zum frühesten Beendigungstermin 31. März 2010 an. Der Kläger ging nicht auf das Angebot ein, sondern gab die Garage an die Beklagte zurück, die sie sodann anderweitig vermietete.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung von 3.500 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 3.400 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Das Rechtsmittel ist bis auf einen Teil der Zinsforderung nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers folge aus § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass eine andere und höherwertige Bebauung des Grundstücks möglich wäre. Sie müsse sich vielmehr auf die von ihr seit Wirksamkeit der Kündigung tatsächlich ausgeübte Nutzung des Grundstücks als Parkplatz bzw. Garagenfläche verweisen lassen. Aufgrund der anhaltenden tatsächlichen Nutzung und Verwertung der Garage sei der Beklagten durch die Rückgabe des mit der Garage bebauten Grundstücks ein Ertrag zugeflossen, der einen Anspruch auf Entschädigung begründe.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte in ihrer Kündigung mitgeteilt habe, das Grundstück nach einem Zeitraum von ca. drei Jahren mit einer neuen Wohnbebauung versehen und nutzen zu wollen. Die Umsetzung einer Nutzungsänderung müsse nämlich ernsthaft verfolgt werden. Daran fehle es, da eine Neubebauung des Grundstücks bisher weder erfolgt noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ca. sieben Jahre nach der Rückgabe, absehbar gewesen sei. Die Beklagte habe vortragen, dass sie sich nach Beendigung des Pachtverhältnisses entschlossen habe, statt der geplanten Neubebauung des Grundstücks zunächst die Sanierung eines anderen Wohnareals voranzutreiben.
Bei der Bemessung der Entschädigung sei auf die Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks durch die Garage abzustellen. Diese betrage nach dem Ertragswertverfahren 3.400 €.
2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien wurde die Garage vom Rechtsvorgänger des Klägers unter Begründung von Baulichkeiteneigentum nach dem Recht der früheren DDR auf dem Grundstück der Beklagten errichtet. Dadurch wurde zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Nutzungsverhältnis nach den §§ 312 ff. ZGB-DDR begründet. Auf dieses Nutzungsverhältnis sind gemäß § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Miet- oder den Pachtvertrag anzuwenden, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nichts anderes bestimmt.
b) Mit der auf Kündigung beruhenden Beendigung des Vertragsverhältnisses ging das Baulichkeiteneigentum kraft Gesetzes auf die Beklagte als Grundstückseigentümerin über (§ 11 Abs. 1 SchuldRAnpG). Als Ausgleich für den Rechtsverlust hat die Beklagte dem Kläger gemäß § 12 Abs. 1 SchuldRAnpG eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten. Da die Beklagte als Grundstückseigentümerin den Vertrag mit Wirkung für einen Zeitpunkt gekündigt hat, zu dem die Kündigungsschutzfrist (§ 23 Abs. 6 Satz 1 SchuldRAnpG) bereits mindestens sieben Jahre verstrichen war (§ 12 Abs. 2 Satz 2 SchuldRAnpG), kann der Kläger gemäß § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine Entschädigung nur verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist.
c) Da § 12 Abs. 1 und 3 SchuldRAnpG keine Regeln enthält, wie die Ver-kehrswerterhöhung festzustellen ist, kann auf die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 (ImmoWertV, BGBl. I S. 639) zurückgegriffen werden, die anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken enthält. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Wahl der Ermittlungsmethode im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Die von ihm gewählte Wertermittlungsmethode muss jedoch nach den Besonderheiten des konkreten Falles geeignet sein, den vollen Verkehrswert für den zu bewertenden Gegenstand zu erfassen, ohne das Wertbild zu verzerren. Auf das Ertragswertverfahren abzustellen ist sinnvoll und damit sachgerecht, wenn das zu bewertende Grundstück dazu bestimmt ist, nachhaltige Erträge zu erzielen wie etwa bei Mietwohnhäusern, Geschäfts- und Gewerbegrundstücken. Dem Käufer eines derartigen Grundstücks kommt es nämlich in erster Linie darauf an, welche Rendite ihm das eingesetzte Kapital in Gestalt der durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Erträge erwirtschaftet (Senatsurteil vom 15. Januar 2014 - XII ZR 83/13 - MDR 2014, 522 Rn. 13).
d) Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung nach dem Schuld-rechtsanpassungsgesetz hängt somit davon ab, ob das Bauwerk für die Beklagte weiter nutzbar ist. Wie der Entwurfsbegründung zu entnehmen ist(BT-Drucks. 12/7135 S. 47), liegt der gesetzlichen Regelung die Einschätzung zugrunde, dass der zu entschädigende Wertzuwachs wesentlich von der künftigen Art der Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks abhängt. Dem Grundstückseigentümer ist aus entschädigungsrechtlicher Sicht eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt, die Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks zu ändern, um das Grundstück einer angemessenen wirtschaftlichen Verwendung zuzuführen. Auch kann unter Beibehaltung der bisherigen Grundstücksnutzung ein nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand befindliches Bauwerk unter Kostenbeteiligung des Nutzers abgerissen (vgl. § 15 SchuldRAnpG) und durch ein neues ersetzt werden. In diesen Fällen fließt dem Grundstückseigentümer durch das Bauwerk kein tatsächlich für ihn realisierbarer Wert zu, so dass ein nicht fortzunutzendes Bauwerk den Verkehrswert nach den Maßstäben des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG nicht erhöht. Durch die Einbeziehung der Dispositionsfreiheit des Grundstückseigentümers in Bezug auf die weitere Nutzung des Grundstücks ist dem Verkehrswert im Sinne des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine von § 194 BauGB abweichende Bedeutung beigegeben, da jene Vorschrift allein auf den Veräußerungswert (Marktwert) ohne Rücksicht auf künftige Nutzungsabsichten durch den bisherigen Grundstückseigentümer abstellt (Senatsurteile vom 15. Januar 2014 - XII ZR 83/13 - MDR 2014, 522 Rn. 15 mwN und vom 9. April 2014 - XII ZR 161/13 - NJW 2014, 3027 Rn. 16 ff.).
e) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihr Kündigungsschreiben mit dem Angebot auf Abschluss eines - frühestens nach drei Jahren durch sie kündbaren - Mietvertrags verbunden. Nachdem der Kläger das Angebot abgelehnt hatte, vermietete die Beklagte die Garage anderweitig. Damit hat sie sich das Bauwerk zu Ertragszwecken nutzbar gemacht und schuldet demzufolge eine Entschädigung, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht war. Dass die Beklagte sich vorbehielt, das Grundstück nach einiger Zeit einer anderen Nutzung zuzuführen, ändert an ihrem im Moment der Rücknahme bestehenden Fortnutzungswillen für Vermietungszwecke nichts.
Ob auch eine von vornherein nur auf kurze Dauer angelegte Zwischennutzung des Bauwerks bei bereits feststehender alsbaldiger Nutzungsänderung des Grundstücks eine Entschädigungspflicht auslösen würde, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn die von der Beklagten konkret angebotene Vermietung der Garage für wenigstens drei Jahre lässt eine solche Bewertung nicht zu.
f) Die erstmals mit der Revision erhobene Rüge der Verletzung der im Zeitpunkt des Bewertungsstichtags geltenden Bewertungsvorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 WertV, wonach bestimmte Teilflächen nicht bei der Position "Verzinsungsbetrag des Bodenwerts" hätten angesetzt werden dürfen, greift schon deshalb nicht durch, weil in allen Vergleichsberechnungen derselbe Verzinsungsbetrag angesetzt wurde, so dass sich mögliche Fehler bei der Berechnung des Verzinsungsbetrags in der anschließend durchgeführten Differenzrechnung aufheben.
3. Die Verzinsung der von der Beklagten zu erstattenden vorgerichtlichen Anwaltskosten tritt erst ab dem Tag nach Zustellung der Klageschrift am 16. Dezember 2010 ein, da vorheriger Verzug insoweit weder festgestellt noch dargelegt ist.
Dose Günter Nedden-Boeger
Botur Guhling