Entscheidungsdatum: 12.06.2013
1. Ein Ehegatte, der nicht Partei des Mietvertrages ist, ist nicht Dritter i.S.d. §§ 540, 553 BGB, solange es sich bei der von ihm bewohnten Wohnung um eine Ehewohnung handelt.
2. Eine Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung nicht schon dadurch, dass der (mietende) Ehegatte die Wohnung dem anderen - ggf. auch für einen längeren Zeitraum - belassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt, sondern erst mit der endgültigen Nutzungsüberlassung.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Hamburg vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Parteien haben über die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung gestritten.
Im Jahr 1999 mieteten die Beklagten zu 1 und 2 eine Wohnung. Nachdem der Beklagte zu 1 aus der Wohnung ausgezogen war, zog der Beklagte zu 3 dort ein. Der Bitte der Beklagten, den Beklagten zu 1 durch den Beklagten zu 3 als Mieter auszutauschen, kam die damalige Vermieterin nicht nach. Im Jahr 2001 heirateten die Beklagten zu 2 und 3. Im Jahr 2006 zog die Beklagte zu 2 aus der Wohnung aus und beantragte die Scheidung. Nachdem die Klägerin, als neue Vermieterin die Beklagten zu 1 und zu 2 im März 2010 wegen unerlaubter Untervermietung abgemahnt hatte, teilte der Beklagte zu 3 unter Beifügung der Heiratsurkunde mit, dass er mit der Beklagten zu 2 verheiratet sei und den Mietvertrag übernehmen wolle. Dies lehnte die Klägerin ab. Sie kündigte das Mietverhältnis mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2010 wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung an einen Dritten.
Nachdem die Beklagten zu 2 und 3 im Scheidungstermin vom 27. Mai 2010, in dem das Scheidungsurteil rechtskräftig geworden ist, eine Alleinnutzung der Wohnung durch den Beklagten zu 3 vereinbart und dies der Klägerin mitgeteilt hatten, hat diese am 3. Juni 2010 Klage gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten eingereicht und erneut die Kündigung ausgesprochen. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landgericht zugelassenen Revision. Die zunächst auch gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Revision hat die Klägerin zurückgenommen. Nachdem der Beklagte zu 3 während des Revisionsverfahrens aus der streitbefangenen Wohnung ausgezogen war, haben die - im Rechtsstreit verbliebenen - Parteien diesen hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabeantrages übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Revision, mit der die Klägerin noch die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt, ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 2 und 3 keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten, da es nach den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen bereits an einer Pflichtverletzung i.S.v. § 280 BGB fehlt (zu den Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs vgl. BGH Beschluss vom 25. September 2007 - IV ZB 22/07 - NJW-RR 2008, 374 Rn. 6).
1. Seitens der Beklagten zu 2, die neben dem Beklagten zu 1 ursprünglich Mieterin der Wohnung war, fehlt es an einer vertragswidrigen Überlassung der Wohnung an einen Dritten i.S.v. §§ 540, 553 BGB und damit an einem Kündigungsgrund nach §§ 569, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
a) Dritter im Sinne des § 540 BGB ist grundsätzlich jede Person, die nicht Partei des Mietvertrages ist. Hiervon ausgenommen ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem ausdrücklichen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehungen (BGHZ 157, 1, 5 = FamRZ 2004, 91, 92). Kein Dritter im Sinne des § 540 BGB ist namentlich der Ehegatte des Mieters (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB § 540 Rn. 5; NK-BGB/Klein-Blenkers 2. Aufl. § 540 Rn. 5; NK-BGB/Hinz 2. Aufl. § 553 Rn. 10; Blank in Schmidt-Futterer MietR 11. Aufl. § 540 Rn. 24). Das gilt entgegen der Auffassung der Revision grundsätzlich auch, wenn der Ehegatte, der allein Mietvertragspartei ist, anlässlich der Trennung der Ehegatten aus der Wohnung auszieht und sie dem anderen Ehegatten, der nicht Mietvertragspartei ist, (zunächst) allein überlässt. Maßgeblich ist insoweit allein die Frage, ob es sich nach wie vor um eine Ehewohnung handelt. Solange dies der Fall ist, ist der in der Wohnung verbliebene Ehegatte kein Dritter im Sinne der §§ 540, 553 BGB.
Die Qualifizierung als Ehewohnung hängt nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben bzw. der in der Wohnung verbliebene Ehegatte auch Mietvertragspartei ist. Die Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung deshalb nicht schon dadurch, dass der (mietende) Ehegatte die Wohnung dem anderen - ggf. auch für einen längeren Zeitraum - überlassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt (so aber Blank in Schmidt-Futterer MietR 11. Aufl. § 540 BGB Rn. 26). Erst wenn der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, diese endgültig aufgibt, verliert sie ihren Charakter als Ehewohnung (Johannsen/Henrich/Götz Familienrecht 5. Aufl. § 1361 b BGB Rn. 11 mwN). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Überlassung an den anderen Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrunde liegt.
Eine andere Sichtweise würde - worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Wohnungszuweisung (nach § 1361 b BGB während des Getrenntlebens und nach § 1568 a BGB für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung) unterlaufen. Denn oftmals hat einer der Ehegatten vor einer gerichtlichen Zuweisung die Ehewohnung bereits verlassen. Wäre dieser zufällig der alleinige Mieter, könnte der Vermieter das Mietverhältnis wegen vertragswidriger Überlassung an einen Dritten noch vor einer Entscheidung über eine Zuweisung der Wohnung kündigen; eine Wohnungszuweisung wäre dann nicht mehr möglich.
b) Gemessen hieran ist die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, die eine vertragswidrige Überlassung der Wohnung an einen Dritten verneint hat, nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens nach Durchführung der Beweisaufnahme festgestellt, dass die Beklagte zu 2 die Wohnung endgültig erst im Frühjahr 2010 aufgegeben und dem Beklagten zu 3 zur Nutzung überlassen hat. Bis zur endgültigen Einigung der Eheleute darüber war den - revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden - Feststellungen des Berufungsgerichts zufolge das Scheidungsverfahren der Beklagten zu 2 und 3 von zahlreichen Auseinandersetzungen geprägt, die auch die frühere gemeinsame Ehewohnung zum Gegenstand hatten. Vor allem habe die Beklagte zu 2 mit der gemeinsamen Tochter deshalb in die streitbefangene Wohnung zurückkehren wollen, weil diese größer gewesen sei als die von ihr seinerzeit bewohnte Wohnung. Danach ist das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis, dass die Weiternutzung der Wohnung durch den Ehepartner, der nicht Mieter sei, in der Trennungsphase keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten darstellt, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Ebenso wenig vermag die mit der Klageschrift vom 3. Juni 2010 erneut - also nach Rechtskraft der Scheidung und Vereinbarung der endgültigen Überlassung der Wohnung an den Beklagten zu 3 - ausgesprochene Kündigung den geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch zu rechtfertigen. Zwar hat die Wohnung mit der Vereinbarung der Eheleute vom 27. Mai 2010 ihren Charakter als Ehewohnung verloren, weil sie nunmehr endgültig dem Beklagten zu 3 überlassen worden ist. Dies bewirkt gleichwohl keine vertragswidrige Überlassung der Wohnung an einen Dritten. Denn mit der Mitteilung an die Klägerin, dass die Wohnung an den Beklagten zu 3 überlassen worden ist, ist dieser gemäß § 1568 a Abs. 3 Nr. 1 BGB anstelle der Beklagten zu 2 in den Mietvertrag eingetreten.
Dem Vertragseintritt nach § 1568 a Abs. 3 Nr. 1 BGB steht die bereits vor Scheidung der Ehe ausgesprochene Kündigung durch die Klägerin vom 12. Mai 2010 nicht entgegen, da diese - wie oben erörtert - unwirksam ist.
Schließlich begegnet die Regelung des § 1568 a Abs. 3 Nr. 1 BGB entgegen der Auffassung der Revision keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2006 (FamRZ 2006, 1596) nicht maßgeblich darauf abgestellt hat, dass die Zuweisung der Ehewohnung auf Grundlage richterlicher Rechtsgestaltung erfolgt ist. Vielmehr hat es ausgeführt, dass einem Vermieter mit der Regelung der Wohnungszuweisung nichts Unzumutbares abverlangt werde, da ihm kein außenstehender Dritter als Vertragspartner aufgezwungen werde, sondern der Ehegatte des bisherigen Vertragspartners, der schon zuvor die Wohnung befugt genutzt habe (vgl. BVerfG FamRZ 2006, 1596, 1597). Zudem wird der Vermieter durch das Sonderkündigungsrecht des § 1568 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 563 Abs. 4 BGB geschützt, wonach er das Mietverhältnis innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung des Mieterwechsels außerordentlich kündigen kann, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.
Die Frage, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der andere Ehegatte nicht allein, sondern mit einem Dritten zusammen die Wohnung angemietet hatte, kann hier unbeantwortet bleiben. Denn nach den - bezogen auf den Beklagten zu 1 mit der Revisionsrücknahme - in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist dieser wirksam aus dem Mietverhältnis ausgeschieden.
2. Damit fehlt es auch hinsichtlich des Beklagten zu 3 an einer Pflichtverletzung. Bis zur Rechtskraft der Scheidung und der Übermittlung der Vereinbarung über die weitere Wohnungsnutzung war der Beklagte zu 3 als Ehegatte berechtigt, die Wohnung zu nutzen; demgemäß war er nach § 986 Abs. 1 BGB der Klägerin gegenüber zum Besitz berechtigt. Für den sich daran anschließenden Zeitraum kann sich der Beklagte zu 3 gemäß § 1568 a Abs. 3 Nr. 1 BGB auf seine Rechtsstellung als Mieter berufen (§ 535 Abs. 1 BGB).
II.
Soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen der Klägerin aufzuerlegen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, fehlt es an einer vertragswidrigen Überlassung der Wohnung an einen Dritten i.S.v. §§ 540, 553 BGB und damit an einem Kündigungsgrund nach §§ 569, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Demgemäß hatte die Klägerin bis zur Erledigung des Rechtsstreits weder gegen die Beklagte zu 2 noch gegen den Beklagten zu 3 einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Mietwohnung.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Botur