Entscheidungsdatum: 25.10.2017
Eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Werbevertrags ist wegen fehlender Transparenz unwirksam, wenn bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss.
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 13. Dezember 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten über die klauselmäßige Verlängerung eines Werbevertrags.
Die Klägerin vermietet Werbeflächen auf Kraftfahrzeugen. Die Fahrzeuge erwirbt sie, um sie an soziale Institutionen zu verleihen. Mit der Beklagten schloss sie am 22. März 2010 einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Sozialmobil, das einem Pflegestift als Institution überlassen wurde. Vereinbart war eine Basislaufzeit von fünf Jahren zu einem Bruttogesamtpreis von 2.299 €. Der einseitige Formularvertrag enthält in der linken Spalte ein Textfeld folgenden Inhalts:
"Auftragsbedingungen:
Der Gesamtpreis der Werbemaßnahme für die Vertragslaufzeit von 5 Jahren ergibt sich aus der rechtsseitigen Aufstellung zzgl. MwSt. Die Werbelaufzeit beginnt mit der Auslieferung des Fahrzeuges an den Vertragspartner. Der Vertrag verlängert sich automatisch ohne Neubeantragung um weitere 5 Jahre, wenn nicht 6 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekündigt wird*. Bei einer Verlängerung des Vertrages hat der Auftraggeber die Möglichkeit einen neuen Werbetext zu platzieren. *Die vereinbarte Verlängerung wird vom Auftraggeber ausdrücklich akzeptiert. Mündliche Nebenabreden werden nicht anerkannt sondern bedürfen der Schriftform.
Bemerkungen: _________"
In das Bemerkungsfeld ist handschriftlich eingetragen:
"10 Monatsraten á 229,- brutto inkl. MwSt ab April 10 - Dez 10".
Die Klägerin lud die Beklagte auf den 14. Juli 2010 zur Teilnahme an der "offiziellen Fahrzeugübergabe" ein.
Mit Schreiben vom 3. März 2015 wies die Klägerin darauf hin, dass mangels Kündigung eine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre eingetreten sei. Gleichzeitig gab sie Gelegenheit zur inhaltlichen Änderung des Werbetextes, stellte für die zweite Werbeperiode eine erste Rate von 229,91 € in Rechnung und kündigte deren Lastschrifteinzug für den 11. März 2015 an. Daraufhin focht die Beklagte den Vertrag unter dem 9. März 2015 wegen arglistiger Täuschung an, erklärte den Rücktritt vom Vertrag und kündigte diesen.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Vergütung von 2.299 € nebst Zinsen für die verlängerte Vertragslaufzeit. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre vom Landgericht zugelassene Revision.
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Vertragsverlängerungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot, da nicht zweifelsfrei ersichtlich werde, wann die erste Vertragslaufzeit beginne und ablaufe, und deshalb für die Beklagte auch nicht ausreichend ersichtlich werde, bis wann sie ihr Kündigungsrecht ausüben müsse. Der Vertrag gewähre für den Beginn der Vertragslaufzeit drei denkbare Optionen: das Datum des Vertragsabschlusses, dasjenige der Auslieferung des Fahrzeugs an die soziale Einrichtung oder den Beginn der vertraglichen Zahlungspflicht. In den Geschäftsbedingungen werde zum einen eine "Vertragslaufzeit", zum anderen eine "Werbelaufzeit" erwähnt. Zudem sei die Rede von einer "Basislaufzeit". Dafür, dass die "Vertragslaufzeit" zwingend mit der "Werbelaufzeit" identisch sei, ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte aus dem Vertrag. Vielmehr lasse der Umstand, dass der Vertrag nicht einmal zeitliche Vorgaben für den Beginn der Werbelaufzeit enthalte, vermuten, dass zumindest dieser Zeitraum nicht gemeint sein solle, da er zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gänzlich unbestimmt und letztlich ins Ermessen der Klägerin gestellt gewesen sei. Daran ändere auch nichts, dass der Beklagten dieser Termin mittels Einladung zur Fahrzeugübergabe an die soziale Einrichtung bekanntgegeben worden sei, da dieses in keiner Weise suggeriere, dass hiermit mehr bezweckt gewesen sei als eine bloße Einladung. Abgesehen davon komme es auf die Transparenz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an und nicht darauf, ob sich diese aus späteren Umständen herleiten lasse.
Darüber hinaus handele es sich um eine Überraschungsklausel. Durch die drucktechnische Gestaltung werde der Inhalt der Verlängerungsklausel so verschleiert, dass mit ihr nicht habe gerechnet werden können. Das unterzeichnete Vertragsformular sei durch eine ins Auge stechende Regelung auf eine beschränkte Vertragslaufzeit angelegt. Mit Groß- bzw. Fettdruck finde sich an zwei Stellen die Formulierung "Basislaufzeit 5 Jahre" bzw. "Nettopreis für 5 Jahre Werbezeit ...". Werde in dieser Weise eine fünfjährige Laufzeit suggeriert und werde diese dann, wie hier unter den "Auftragsbedingungen", an unerwarteter Stelle im engzeiligen Kleindruck und Fließtext durch eine Verlängerungsklausel in ihr Gegenteil verkehrt, sei dies nach dem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich, dass der Vertragspartner des Verwenders damit nicht zu rechnen brauche. Dem stehe auch nicht entgegen, dass im fettgedruckten Teil von einer "Basislaufzeit" die Rede sei. Hinzu komme, dass unbedeutendere Regelungen des Vertrags wie beispielsweise die Zahlungsweise drucktechnisch gegenüber der Verlängerungsklausel hervorgehoben seien und diese dadurch noch mehr in den Hintergrund gerückt werde.
II.
Die Revision ist aufgrund der Zulassung in dem Berufungsurteil statthaft (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); der Senat ist an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Die Revision ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vertragsverlängerungsklausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht standhält.
1. Der Inhaltskontrolle vorgeschaltet ist die Ermittlung des objektiven Inhalts der Klausel durch Auslegung. Der Senat ist an die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gebunden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr., Senatsurteil BGHZ 176, 191 = NJW 2008, 2497 Rn. 10 f. mwN).
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Treu und Glauben verpflichten den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen lassen, wie dies nach den Umständen möglich und zumutbar ist (BGH Urteil vom 15. April 2010 - Xa ZR 89/09 - NJW 2010, 2942 Rn. 25 mwN). Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen (Senatsurteile vom 3. August 2011 - XII ZR 205/09 - NJW 2012, 54 Rn. 16 und vom 26. September 2012 - XII ZR 112/10 - NJW 2013, 41 Rn. 11).
2. Nach dem Wortlaut der streitigen Klausel verlängert sich der Vertrag um weitere fünf Jahre, wenn nicht sechs Monate vor Ablauf des Vertrags schriftlich gekündigt wird. Die Regelung knüpft somit eine sechsmonatige Kündigungsfrist an das Datum des Ablaufs des Vertrags. Da die anfängliche Vertragslaufzeit auf fünf Jahre festgelegt ist, liegt der Vertragsablauf fünf Jahre nach Vertragsbeginn und endet die Kündigungsfrist sechs Monate davor.
Nicht eindeutig ist hier allerdings der Vertragsbeginn. Nach dem Inhalt des Formularvertrags beginnt die Werbelaufzeit mit der Auslieferung des Fahrzeugs "an den Vertragspartner". Vertragspartner des hier maßgeblichen Vertrags sind die Parteien des Rechtsstreits. An die Klägerin wird das Fahrzeug vom Hersteller ausgeliefert, um es zunächst mit den Werbetexten zu versehen und für die Übergabe an die Institution vorzubereiten. Das Pflegestift ist nicht "Vertragspartner" des Vertrags und auch nicht als solcher bezeichnet, sondern als "Institution". Ob die Auslieferung an die Klägerin oder die Übergabe an die Institution für den Vertragsbeginn maßgeblich ist, bleibt nach dem Vertragsinhalt letztlich unklar. Für die Maßgeblichkeit der Auslieferung an die Klägerin als Vertragspartnerin spricht einerseits der Wortlaut der Klausel, andererseits die Tatsache, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt eigene Aufwendungen für das Fahrzeug zu erbringen und deshalb ein wirtschaftliches Interesse an gleichzeitig beginnenden Einnahmen hat. Für die Maßgeblichkeit der Übergabe an die Institution spricht hingegen, dass erst ab dem Zeitpunkt das Sponsoring seine Wirkung entfaltet und der Werbeeffekt durch Gebrauch des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum einsetzt.
Die Unsicherheit über den Vertragsbeginn und den Ablauf der Kündigungsfrist lässt sich anhand des Vertragsinhalts und seiner Umstände nicht auflösen. So hat im Übrigen auch die Klägerin einerseits mit ihrer Revision den Standpunkt vertreten, maßgeblich sei die Übergabe an das Pflegestift. Andererseits ist sie mit ihrem Schreiben vom 3. März 2015 offensichtlich davon ausgegangen, dass die Fahrzeugauslieferung an sie selbst und nicht die spätere Übergabe an die Institution für den Beginn der Vertragslaufzeit maßgeblich sei, denn sie hat die Bezahlung der zweiten Werbeperiode bereits mit Fälligkeit zum 11. März 2015 in Rechnung gestellt, während die Fahrzeugübergabe an die Institution erst am 14. Juli 2010 stattgefunden hatte und eine Fälligkeit für eine zweite Werbeperiode bereits im März 2015 nicht hätte auslösen können.
3. Mit dem vorgefundenen Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 Abs. 1 BGB nicht stand. Die Intransparenz des letzten möglichen Kündigungszeitpunkts führt dazu, dass das Kündigungsrecht vom Werbekunden nicht effektiv ausgeübt werden kann. Da die automatische Vertragsverlängerung jedoch eine vorherige effektive Kündigungsmöglichkeit voraussetzt, hat beides gemeinsam keinen Bestand. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vertragsverlängerungsklausel auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß (vgl. Senatsurteile BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 Rn. 32 f. und vom 27. Juni 2007 - XII ZR 54/05 - NJW 2007, 3421 Rn. 21 mwN) kommt nicht in Betracht.
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