Entscheidungsdatum: 08.11.2017
Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB folgenden Anforderungen erfüllen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 30. September 2015, XII ZB 53/15, FamRZ 2015, 2165).
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 23. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 €
A.
Der Beteiligte zu 2, der Sohn des Betroffenen, wendet sich gegen die im Rahmen der eingerichteten Betreuung vorgenommene Betreuerauswahl.
Der Betroffene ist der Ehemann der Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Ehefrau). Er erlitt im Januar 2015 einen Schlaganfall. Die ihn behandelnden Ärzte stellten anschließend fest, dass er aufgrund einer zerebralen Ischämie nicht in der Lage sei, Kontakt aufzunehmen. Er befolge keine Aufforderungen und reagiere lediglich auf Berührungen des rechten Beins. Er spreche nicht und halte die Augen geschlossen.
In einer notariell beurkundeten "Gesundheitsbetreuungsvollmacht" aus dem Jahre 1999 bevollmächtigten sich die Eheleute gegenseitig, Maßnahmen für den jeweils anderen zu treffen, wenn sie selbst "aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer Behinderung, mag sie körperlicher, geistiger oder seelischer Art sein, nicht in der Lage sind, unsere Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen." Die Vollmacht umfasst unter anderem folgende Maßnahmen:
"Die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch oder die Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen, wenn wegen irreversibler Bewusstlosigkeit, wahrscheinlicher schwerer Dauerschädigung des Gehirns oder wegen andauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen des Körpers oder wegen schwerster nicht behebbarer Schmerzzustände es für uns nicht möglich ist, ein menschenwürdiges, d.h. ein für uns erträgliches und weitgehend beschwerdefreies, bewusstes und umweltbezogenes Leben mit eigener Persönlichkeitsgestaltung zu führen. Weiterhin soll der Bevollmächtigte über einen Behandlungsabbruch oder die Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen entscheiden können, wenn das Grundleiden mit infauster Prognose einen irreversiblen Verlauf genommen hat oder die traumatische Schädigung irreversibel ist."
Für den Fall der Verhinderung bevollmächtigten die Eheleute ihren Sohn.
Das Amtsgericht hat auf Anregung der Ehefrau wegen aufgetretener Akzeptanzprobleme bei der Umsetzung der Vollmacht die Ehefrau zur alleinigen Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Regelung aller behördlichen, versicherungs- und sozialrechtlichen Angelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Regelung der Haus- und Grundstücksangelegenheiten und Vermögenssorge, soweit keine Kontovollmachten vorliegen, bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Sohnes zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I.
Nach Auffassung des Landgerichts ist die Ehefrau als Betreuerin am besten geeignet. Der bisherige Verlauf der Betreuung zeige, dass sie und ihr Sohn einander widersprechende Entscheidungen träfen und sich nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen könnten. Das Amtsgericht habe daher zu Recht ausschließlich die Ehefrau zur Betreuerin bestellt. Für sie spreche, dass sie in der Gesundheitsbetreuungsvollmacht des Betroffenen vorrangig als Betreuerin genannt worden sei. Auch wenn sich diese Vollmacht nur auf den Aufgabenbereich der Gesundheitssorge beziehe, habe das Amtsgericht die Ehefrau zu Recht auch für den übrigen Aufgabenbereich zur Betreuerin bestellt. Denn die Regelung in der Vollmacht deute auf ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Betroffenen und seiner Ehefrau hin, das ihre Bestellung auch für die übrigen Aufgabenbereiche rechtfertige. Dass die Ehefrau ungeeignet zur Ausübung der Betreuung wäre, habe nicht festgestellt werden können. Zwar habe der Sohn vorgetragen, seine Mutter sei psychisch erkrankt, was sich unter anderem in ihrem Suizidversuch im September 2016 gezeigt habe; außerdem habe sie nach Auffassung des Sohnes eine vorgefasste Meinung zum Gesundheitszustand des Betroffenen, der so schlecht sei, dass dieser sich den Tod wünsche. Die Erklärung der Ehefrau, der Selbstmordversuch sei eine akute Reaktion auf eine Belastungssituation gewesen, die auch durch die Ungewissheit in diesem Verfahren ausgelöst worden sei, sie sei jetzt wieder stabilisiert und dazu in der Lage, die Betreuung ihres Ehemannes weiterzuführen, sei jedoch nicht anzuzweifeln. Ihr Verhalten habe sich demnach als Kurzschlussreaktion dargestellt, was nicht gegen ihre Eignung zum Führen einer Betreuung spreche.
Die vom Sohn angeblich beobachteten Verbesserungen des Gesundheitszustandes des Betroffenen seien nicht eingetreten. Aus den Gutachten, den Schilderungen der Pflegekräfte und des Verfahrenspflegers sowie den Anhörungsvermerken des Amtsrichters werde deutlich, dass sich der Zustand des Betroffenen weder während der Rehabilitation noch danach wesentlich gebessert habe. Es gehe allein um die Frage, ob der Betroffene dazu in der Lage sei, ein "erträgliches und weitgehend beschwerdefreies, bewusstes und umweltbezogenes Leben mit eigener Persönlichkeitsgestaltung zu führen". Nach diesem Maßstab seien die Verbesserungen nur marginal. Sein Gesundheitszustand werde sich nach menschlichem Ermessen auch nicht mehr signifikant verbessern, was die beiden gerichtlich bestellten Sachverständigen und der vom Sohn hinzugezogene Gutachter bestätigt hätten.
Die Aufgabe des Betreuers sei, dem Willen des Betroffenen, den dieser nicht mehr ausreichend selbst äußern oder umsetzen könne, bestmöglich Ausdruck zu verschaffen bzw. ihn nach besten Möglichkeiten umzusetzen. Für die Auswahl des Betreuers sei daher entscheidend, wer den Willen des Betroffenen am besten erkunden und umsetzen könne. Der Betroffene selbst habe in der Gesundheitsbetreuungsvollmacht zum Ausdruck gebracht, dass er zumindest in diesem Bereich seine Ehefrau für am geeignetsten ansehe. Dass sie hierbei zu dem Ergebnis gelangt sei, ihr Mann wünsche sich zu sterben, spreche nicht gegen sie. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinerzeit beim Notar eine Gesundheitsvorsorgevollmacht aufgenommen habe, um gerade diesen Fall zu regeln, deute eher darauf hin, dass er zumindest damals gewollt habe, dass seine Frau beim Eintreten der dort genannten Voraussetzungen von der ihr eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen werde, was im vorliegenden Fall auch den Abbruch medizinischer Maßnahmen beinhalte.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Gegenstand des Rechtsmittels ist allein die – im Rahmen der Einheitsentscheidung erfolgte – Betreuerauswahl nach § 1897 BGB. Über die Betreuung als solche ist nicht mehr zu befinden (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 9).
1. Nach § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer eine natürliche Person zu bestellen, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB folgenden Anforderungen erfüllen kann. Diese Prognose muss sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die als Betreuer in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen führen wird. Dafür können unter anderem ihre intellektuellen und sozialen Fähigkeiten, ihre psychische und körperliche Verfassung, die persönlichen Lebensumstände – etwa räumliche Nähe zum Betroffenen, berufliche Auslastung oder finanzielle Verhältnisse –, bereits bestehende familiäre oder sonstige Beziehungen zum Betroffenen, aber auch besondere Kenntnisse oder Einstellungen zu für die Betreuungsführung relevanten Fragen von Bedeutung sein. Weil es sich um eine rechtliche Betreuung handelt, werden jedoch regelmäßig nicht Spezialwissen oder außergewöhnliche Fertigkeiten nötig sein, sondern es wird in der Regel ausreichen, wenn der Betreuer sich erforderlichenfalls fachkundiger Hilfen bedienen kann. Jedenfalls aber bedarf es der positiven Feststellung der Eignung, die nicht durch pauschale Annahmen auf der Grundlage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ersetzt werden kann (Senatsbeschluss vom 30. September 2015 - XII ZB 53/15 - FamRZ 2015, 2165 Rn. 15 ff. mwN).
Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (Senatsbeschluss vom 30. September 2015 - XII ZB 53/15 - FamRZ 2015, 2165 Rn. 18 mwN).
2. Gemessen hieran ist die vom Amtsgericht vorgenommene und vom Landgericht bestätigte Betreuerauswahl nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl hinsichtlich der Gesundheitssorge als auch für die übrigen Aufgabenbereiche.
a) Dagegen, dass das Landgericht die Ehefrau als geeignet angesehen hat, die Gesundheitssorge, die ersichtlich im Mittelpunkt des Streits zwischen ihr und ihrem Sohn steht, zugunsten des Betroffenen auszuüben, ist rechtsbeschwerderechtlich nichts zu erinnern.
aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht eine von ihr eingewandte Interessenkollision der Eignung der Ehefrau nicht entgegen. Die Behauptung der Rechtsbeschwerde, die Ehefrau wolle die lebenserhaltenden Maßnahmen letztlich aus eigennützigen Motiven vollziehen, findet in den getroffenen Feststellungen keine Grundlage.
bb) Ebenso geht der Einwand der Rechtsbeschwerde fehl, wonach die Ehefrau gesundheitlich nicht für die Übernahme der Betreuung geeignet sei. In rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ehefrau die Eignung auch insoweit nicht fehlt.
Die Ehefrau hat nach ihrem Suizidversuch auf eigene Initiative hin beim Amtsgericht vorgesprochen. Nach den – vom Landgericht in Bezug genommenen – Feststellungen des Amtsrichters hat sie "anschaulich deutlich gemacht" wie sehr das Verfahren "an ihren Nerven gezerrt habe". Das Gericht hat dabei die Überzeugung gewonnen, dass die Ehefrau gleichwohl die nötige körperliche und psychische Kraft habe, ihr Amt zum Wohle des Betroffenen auszuüben. Wenn die Instanzgerichte in dieser Situation von der Einholung eines – für die Feststellung der Eignung des Betreuers gemäß § 280 FamFG ohnehin nicht vorgesehenen – Sachverständigengutachtens absehen, liegt das noch im – einer Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogenen – tatrichterlichen Ermessen. Ebenso wenig musste das Landgericht, das der Einschätzung des Amtsgerichts gefolgt ist, die Ehefrau hierzu nochmals persönlich anhören.
cc) Zwar weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass dem Betreuer hinsichtlich der Entscheidung über einen möglichen Behandlungsabbruch gemäß §§ 1901 a, 1904 BGB eine herausragende Rolle für das weitere Geschehen zukommt. Jedoch ist diese Frage hier nicht verfahrensgegenständlich. Es ist nicht über eine Genehmigung der – von der Ehefrau beabsichtigten – Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen nach § 1904 BGB zu entscheiden, sondern allein die Frage zu beantworten, ob der Betreuer dazu geeignet ist, die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht, § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese Frage hat das Landgericht in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
b) Schließlich ist von Rechts wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Landgericht die Ehefrau statt des Sohnes zur Betreuerin bestellt hat.
aa) Schlägt der Volljährige niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers gemäß § 1897 Abs. 5 BGB auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen.
Dabei steht dem Tatrichter bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Personen ein Ermessen zu. Die Auswahlentscheidung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob sie rechtsfehlerhaft ist. Das ist der Fall, wenn der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst ist, nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch macht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl einer Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen. Ausreichend ist insofern, dass die vom Tatsachengericht vorgenommene Auswahl möglich ist, auch wenn sie nicht zwingend erscheint oder eine andere Auswahl ebenso nahe- oder sogar nähergelegen hätte (Senatsbeschluss vom 30. September 2015 - XII ZB 53/15 - FamRZ 2015, 2165 Rn. 25 mwN).
bb) Gemessen hieran ist die Auswahlentscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
(1) Das gilt zunächst für die Entscheidung, die Ehefrau als Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge zu bestellen.
Im Rahmen seines Auswahlermessens durfte das Landgericht die Gesundheitsbetreuungsvollmacht jedenfalls insoweit berücksichtigen, als der Betroffene darin seiner Ehefrau ersichtlich mehr Vertrauen als seinem Sohn geschenkt hat. Außerdem ist es auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Ehefrau eher in der Lage gesehen hat, den Interessen des Betroffenen Geltung zu verschaffen, als ihr Sohn.
(2) Ebenso wenig ist rechtsbeschwerderechtlich etwas dagegen zu erinnern, dass das Landgericht die Ehefrau auch als Betreuerin für die weiteren Aufgabenbereiche bestellt hat. Der Umstand, dass sich die Gesundheitsbetreuungsvollmacht nur zur Gesundheitssorge verhält, nicht aber zu den übrigen Aufgabenbereichen, hinsichtlich derer die Ehefrau ebenfalls zur Betreuerin bestellt worden ist, stellt den vom Landgericht hieraus gezogenen Schluss auf ein besonderes Näheverhältnis unter den Eheleuten nicht in Frage. Dass die Ehefrau zur Übernahme auch dieser Aufgabenbereiche (Regelung aller behördlichen, versicherungs- und sozialrechtlichen Angelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Regelung der Haus- und Grundstücksangelegenheiten und Vermögenssorge, soweit keine Kontovollmachten vorliegen) nicht in der Lage wäre, ist weder vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ersichtlich noch von der Rechtsbeschwerde eingewandt.
cc) Deshalb kann dahinstehen, ob – wie von der Rechtsbeschwerde hingenommen – dem Umstand, dass der Betroffene seiner Ehefrau die Gesundheitsvorsorgevollmacht erteilt hat, zugleich ein Betreuervorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 BGB entnommen werden kann.
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