Entscheidungsdatum: 12.07.2017
Die Sachverständige muss in einer Betreuungssache schon vor der Untersuchung des Betroffenen gerichtlich bestellt worden sein und dem Betroffenen den Zweck der Untersuchung eröffnen (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 8. Juli 2015, XII ZB 600/14, FamRZ 2015, 1706).
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 9. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 €
I.
Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen die Bestellung eines Betreuers.
Nachdem der Fachbereich Gesundheit des Landkreises E. beim Amtsgericht angeregt hatte, für den Betroffenen eine Betreuung einzurichten, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen, des für ihn bestellten Verfahrenspflegers und der Betreuungsstelle des Landkreises den Beteiligten zu 2 als Betreuer mit dem Aufgabenkreis „sämtliche Angelegenheiten einschließlich der Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post“ bestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene sich weiterhin gegen die Einrichtung einer Betreuung wendet.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach § 1908 d Abs. 1 BGB sei eine Betreuung aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen weggefallen sind. Als Voraussetzung für eine Betreuung nenne § 1896 Abs. 1 BGB, dass ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen könne. Diese Voraussetzungen lägen weiterhin vor. Nach dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen H. bestehe beim Betroffenen eine paranoide Schizophrenie in chronischem Zustand mit einer vorrangigen Minussymptomatik, die dazu führe, dass der Betroffene zu einer freien Willensbildung nicht in der Lage sei. Der Betroffene gefährde mit seinem Verhalten sich selbst und Dritte. Dagegen sei es dem Betroffenen nicht gelungen, die Ergebnisse des psychiatrischen Gutachtens zu entkräften oder eine nachweisbare Verbesserung seines geistigen Gesundheitszustands darzulegen. Dies folge insbesondere aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen, da eine sachliche und sinnvolle Verständigung mit ihm nicht möglich gewesen sei. Dass bei dem Betroffenen ausweislich des Entlassungsberichts des AMEOS Klinikums Osnabrück vom 24. Juli 2015 lediglich eine akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie vorliege, könne gegenüber dem nachfolgenden Sachverständigengutachten keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. An der gerichtlich angeordneten erneuten Begutachtung habe der Betroffene nicht mitgewirkt.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Bereits im Ansatz verfehlt ist die Prüfung der Aufhebung der Betreuung gemäß § 1908 d BGB, denn Gegenstand des Verfahrens ist die - erstmalige - Bestellung eines Betreuers.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Recht, dass das psychiatrische Gutachten des Fachbereichs Gesundheit des Landkreises E. den Anforderungen des § 280 FamFG nicht gerecht wird.
aa) Vor der Bestellung eines Betreuers hat nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG iVm § 30 FamFG eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Dabei muss er schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und dem Betroffenen den Zweck der Untersuchung eröffnen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2015 - XII ZB600/14 - FamRZ 2015, 1706 Rn. 7). Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht verwertbar. Die Weigerung des Betroffenen, einen Kontakt mit dem Sachverständigen zuzulassen, ist kein hinreichender Grund, von einer persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen abzusehen. Wirkt der Betroffene an einer Begutachtung nicht mit, kann das Gericht gemäß § 283 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG seine Vorführung anordnen (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 611/15 - FamRZ 2016, 1149 Rn. 8 mwN).
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht, weil weder das Amts- noch das Landgericht in förmlicher Beweisaufnahme ein Sachverständigengutachten eingeholt haben.
Das Amtsgericht hat die Anregung des Landkreises E. auf Einrichtung einer Betreuung zu Unrecht als Gutachten iSd § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG behandelt. Zwar ist das Schreiben vom Facharzt für Psychiatrie H. unterzeichnet und im Betreff als „Fachärztliches Gutachten zur Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung“ bezeichnet. Der Sachverständige wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt als gerichtlicher Sachverständiger bestellt. Die Anregung erfolgte vielmehr aus Eigeninitiative, nachdem der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises wiederholt von Dritten (Polizei, Nachbarn, Vermieter) Hinweise auf ein extrem auffälliges Verhalten des Betroffenen erhalten hatte.
Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht daher durch Beschluss vom 18. Oktober 2016 die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers angeordnet. Nachdem der Betroffene trotz wiederholter Anschreiben an der Begutachtung nicht mitgewirkt hatte, hat das Landgericht weiter zutreffend die Anordnung der Vorführung zur gutachterlichen Untersuchung angekündigt. Warum nach einer persönlichen Anhörung des Betroffenen am 9. Januar 2017 nicht entsprechend der Ankündigung verfahren wurde, ergibt sich weder aus dem Anhörungsprotokoll noch aus der angefochtenen Entscheidung. Selbst wenn der Betroffene eine erneute psychiatrische Begutachtung ablehnt, kann ohne weitere Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden, dass die gerichtlich bestellte Sachverständige sich durch einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen im Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Unterlagen eine ausreichende Grundlage verschaffen kann, um sich ein eigenständiges Bild vom Betroffenen zu machen, welches ihr eine gutachterliche Einschätzung erlaubt.
3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil weitere Ermittlungen erforderlich sind.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose |
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