Entscheidungsdatum: 30.01.2013
Für die Frage der Anwendung des vor oder nach dem 1. September 2009 geltenden materiellen und formellen Rechts zum Versorgungsausgleich steht das bloße Nichtbetreiben eines Verfahrens nicht einer gerichtlichen Anordnung über das Ruhen des Verfahrens gleich.
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 18. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 2.000 €
I.
Die Parteien streiten über den Versorgungsausgleich.
Auf den am 21. April 2008 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 22. März 1996 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) - insoweit rechtskräftig - durch Verbundbeschluss vom 11. August 2010 geschieden und den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des seit 1. September 2009 geltenden Rechts geregelt.
Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht die Entscheidung zum Versorgungsausgleich - ebenfalls unter Anwendung des seit 1. September 2009 geltenden Rechts - abgeändert. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts ist auf das Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 1, 3, 4 FGG-RG, § 48 Abs. 1, 2 VersAusglG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist und weil es weder am 1. September 2009 noch danach abgetrennt oder ausgesetzt und das Ruhen nicht angeordnet war (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - XII ZB 139/09 - FamRZ 2011, 1287 mwN).
Zwar hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts mit Aktenvermerk vom 9. Dezember 2009 festgestellt, dass das Verfahren seit sechs Monaten nicht betrieben sei und deshalb gemäß § 7 Abs. 3 AktO als erledigt gelte. Dies steht jedoch der Anordnung eines Ruhens des Verfahrens im Sinne des Art. 111 Abs. 3 FGG-RG und des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nicht gleich.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf, nach dem das neue materielle Recht anzuwenden sei, wenn das Verfahren nach dem Tag seines Inkrafttretens "entweder wieder aufgenommen oder sonst weiterbetrieben werde" (BT-Drucks. 16/10144 S. 16, 86), wurde im Gesetzgebungsverfahren dahin abgeändert, dass nur ein Ruhen auf der Grundlage einer formellen gerichtlichen Entscheidung einen Wechsel des materiellen und formellen Rechts bewirken solle, während ein solcher Wechsel nicht an bloße faktische, gerichtsinterne Vorgänge anknüpfen solle, die für die Verfahrensbeteiligten nicht ohne weiteres erkennbar seien (BT-Drucks. 16/11903 S. 23, 57, 61 f.; BT-Drucks. 16/10144 S. 127; vgl. bereits OLG Celle FamRZ 2011, 587). An der danach erforderlichen formellen gerichtlichen Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens, die allein den Wechsel des anwendbaren Rechts bewirken könnte, fehlt es im vorliegenden Fall.
Das Oberlandesgericht wird den Versorgungsausgleich insgesamt nach dem bis zum 1. September 2009 geltenden Recht durchzuführen haben, da die vollständige interne Teilung der in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitlich erworbenen Anwartschaften - auch wenn sie mit der Beschwerde und Rechtsbeschwerde nicht angegriffen ist - neben einem möglichen erweiterten Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bezüglich der in der Lebensversicherung erworbenen Anrechte keinen Bestand haben kann.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Botur