Entscheidungsdatum: 09.04.2014
Setzt der aus der Ehewohnung gewichene Ehegatte den Verkaufserlös aus seinem früheren Miteigentumsanteil an der Ehewohnung für den Erwerb einer neuen Wohnung ein, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle eines Zinses aus dem Erlös (im Anschluss an Senatsurteil vom 1. Oktober 2008, XII ZR 62/07, FamRZ 2009, 23).
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Familiensenats des Oberlandgerichts Rostock vom 4. Dezember 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
I.
Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund noch über nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Ihre im November 1976 geschlossene Ehe ist auf den am 3. Juli 2009 zugestellten Antrag seit Juli 2011 rechtskräftig geschieden. Beide Ehegatten erzielen monatliche Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit, der Ehemann in Höhe von 2.870 € netto, die Ehefrau in Höhe von 1.967 € netto. Ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen haben beide Ehegatten nicht erlitten.
Das frühere gemeinsame Familienheim, welches die Ehegatten übereinstimmend mit 100.000 € bewerten, bewohnt die Ehefrau inzwischen allein. Den hälftigen Miteigentumsanteil des Ehemanns hieran erwarb sie im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung gegen Zahlung von 50.000 €. Der Ehemann verwendete das Geld, um für sich und seine neue Partnerin ein Wohnhaus zu errichten. Beide Ehegatten haben zur teilweisen Finanzierung der Immobilien jeweils ein Darlehen aufgenommen.
Das Familiengericht hat den Ehemann nach Bereinigung beider Einkommen um berufsbedingte Aufwendungen, Altersvorsorgeaufwendungen und Versicherungsbeiträge verpflichtet, an die Ehefrau einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 300 € zu zahlen, befristet auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Scheidung. Das Oberlandesgericht hat die gegen die Unterhaltsverpflichtung gerichtete Beschwerde des Ehemanns und die gegen die Befristung gerichtete Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Ehemann, der mit der nur für ihn zugelassenen Rechtsbeschwerde die Abweisung des Unterhaltsantrags weiter verfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Belang - im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei der Einkommensberechnung der Ehefrau sei ein Wohnvorteil durch ihr mietfreies Wohnen in der ehemaligen Ehewohnung nicht zu berücksichtigen. Denn um sich den Wohnvorteil zu erhalten, habe sie dem Ehemann bereits 50.000 € für seinen früheren Miteigentumsanteil gezahlt. Nachdem der Ehemann die Summe zum Erwerb eines neuen Wohnhauses eingesetzt habe, profitierten beide Ehegatten in gleichem Ausmaß von dem Wert des früheren gemeinsamen Familienheims, so dass sich weder der eine noch der andere Ehegatte einen Wohnvorteil anrechnen lassen müsse.
Die berufsbedingten Aufwendungen der Ehefrau für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien vom Familiengericht zwar wegen des noch zu berücksichtigenden Steuervorteils zu hoch angesetzt worden, jedoch sei die Unterhaltsberechnung in diesem Punkt nur durch die Ehefrau angegriffen worden und könne aus Gründen des Verschlechterungsverbots nicht zu ihren Lasten abgeändert werden.
Unter Berücksichtigung der langen Ehedauer, der fehlenden ehebedingten Nachteile und des Maßes an geschuldeter nachehelicher Solidarität sei eine Befristung des Unterhalts auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Scheidung angemessen.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, wonach gemäß § 1573 Abs. 2 BGB ein geschiedener Ehegatte, wenn seine Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht ausreichen, den Unterschiedsbetrag zwischen seinen Einkünften und dem eheangemessenen Unterhalt verlangen kann.
Jedoch steht die Berechnung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte nicht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang. Das Oberlandesgericht hat den Wohnvorteil zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.
a) Zwar entfallen die Vorteile der mietfreien Nutzung der Ehewohnung, wenn diese im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert wird. An ihre Stelle treten aber die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile ziehen oder ziehen könnten. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn die Ehewohnung nicht an Dritte veräußert wird, sondern ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil auf den anderen überträgt. Auch in einem solchen Fall tritt für den veräußernden Ehegatten der Zins aus dem Erlös als Surrogat an die Stelle der früheren Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils. Für den übernehmenden Ehegatten verbleibt es hingegen grundsätzlich bei einem Wohnvorteil, und zwar nunmehr in Höhe des Wertes der gesamten Wohnung, gemindert um die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Belastungen, einschließlich der Belastungen durch den Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten (Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 13 mwN).
Setzt der gewichene Ehegatte den Erlös aus seinem früheren Miteigentumsanteil für den Erwerb einer neuen Wohnung ein, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle eines Zinses aus dem Erlös (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 2008 - XII ZR 62/07 - FamRZ 2009, 23 Rn. 17).
b) Das unterhaltsrelevante Einkommen der Ehefrau ist somit erhöht um den vollen Nutzungswert des früheren Familienheims abzüglich ihrer Zinsaufwendungen aus dem aufgenommenen Darlehen sowie der Tilgungsaufwendungen, soweit diese als zusätzliche Altersvorsorge verstanden werden können (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 22 ff. mwN).
Das unterhaltsrelevante Einkommen des Ehemanns ist erhöht um den ihm zuzurechnenden Wohnvorteil des neu errichteten Wohnhauses abzüglich der nach der Senatsrechtsprechung zu berücksichtigenden Kosten.
3. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil noch keine Feststellungen zu den beiderseits zu berücksichtigenden Wohnwerten getroffen sind.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Beschwerde des Ehemanns, mit der er dem Unterhaltsanspruch insgesamt entgegentritt, auch eine Korrektur der vom Einkommen der Ehefrau abzusetzenden Fahrtkosten im Hinblick auf pauschaliert anzurechnende Steuervorteile gemäß den vom Beschwerdegericht aufgestellten unterhaltsrechtlichen Leitlinien ermöglicht.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Guhling