Entscheidungsdatum: 18.04.2012
Die Rechtsbeschwerde des beteiligten Landes gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. November 2011 wird zurückgewiesen.
Wert: 3.000 €
I.
Das beteiligte Land (Rechtsbeschwerdeführer) ist aufgrund einer als bestellter Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB an sich selbst erklärten Auflassung als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der eine Auflassung wegen Missbrauchs der verliehenen Vertretungsmacht unter bestimmten Umständen sittenwidrig ist (BGH Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 65/07 - NJW 2008, 1225), hat das beteiligte Land für den Betroffenen als zuletzt eingetragenen Eigentümer die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft angeregt. Dies hat es damit begründet, dass der Betroffene wieder im Grundbuch eingetragen und ihm außerdem der Besitz übertragen werden müsse, auch um Fürsorgemaßnahmen für das Grundstück sowie Verpachtung, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht und Tragung der öffentlichen Lasten zu realisieren.
Das Amtsgericht (Rechtspfleger) hat die Anordnung einer Pflegschaft wegen fehlenden Fürsorgebedürfnisses abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Landes hat das Landgericht mangels Beschwerdeberechtigung verworfen. Dagegen richtet sich dessen vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch ansonsten zulässig. Die Beschwerdeberechtigung des Landes ergibt sich im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits daraus, dass dessen (Erst-) Beschwerde verworfen worden ist (vgl. BGHZ 162, 137, 138 f. = NJW 2005, 1430; Senatsbeschluss vom 25. August 1999 - XII ZB 109/98 - FamRZ 2000, 219 mwN).
1. Nach Auffassung des Landgerichts muss der Beschwerdeführer durch die abgelehnte Maßnahme in seinen Rechten beeinträchtigt sein. Eine bloße rechtliche Vorteilhaftigkeit, welche nach der vorherigen Rechtslage gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG genügt habe, sei nach heutiger Rechtslage nicht mehr ausreichend. Vielmehr müsse durch den Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingegriffen werden, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung eines Rechts liegen könne. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung liege hier aber nicht vor. Ein Grundbuchberichtigungsanspruch stünde nur dem wahren Berechtigten zu. Ein Bereicherungsanspruch sei vom Bundesgerichtshof nur im Verhältnis vom ehemaligen zum jetzigen Buchberechtigten angenommen worden. Das Land habe sich durch ein sittenwidriges Verhalten in die jetzige Situation gebracht. Vor diesem Hintergrund erscheine es fernliegend, praktisch die Forderungsbeziehung zwischen dem Land und dem wahren Berechtigten zur Beseitigung der Bucheigentümerstellung umzukehren. Auch der theoretische Hinweis auf denkbare Verwendungsersatzansprüche könnte nicht zu einer ausreichenden Rechtsbeeinträchtigung führen, weil nicht ersichtlich sei, dass derartige Ansprüche konkret im Raum stünden.
Letztlich reduziere sich das Begehren des Landes auf das - nachvollziehbare - Interesse, die entstandene Situation wieder zu bereinigen. Hierfür ergebe sich aber schon nicht, dass gegenüber einem zu bestellenden Pfleger Rechte geltend gemacht werden müssten. Maßgeblich sei der Fortbestand der besonderen Vorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Einer ggf. erforderlichen erneuten Bestellung eines Vertreters stünde nichts entgegen. Die Vorschrift solle u.a. der Entlastung der Gerichte dienen und gehe § 1911 BGB vor.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem beteiligten Land die Beschwerdeberechtigung im Verfahren der Erstbeschwerde fehlt.
a) Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem vorherigen § 20 Abs. 1 FGG und erfordert eine Beeinträchtigung eigener Rechte, welche von bloßen rechtlichen Interessen zu unterscheiden sind. Insoweit unterscheidet sich das seit 1. September 2009 geltende Recht von der vorherigen gesetzlichen Regelung. Diese enthielt in § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG eine weitergehende Beschwerdeberechtigung, indem gegen die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft auch derjenige beschwerdeberechtigt war, der nur ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hatte (vgl. Keidel/Engelhardt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 57 Rn. 18 mwN). Diese Regelung ist in das neue Recht nicht übernommen worden. Statt dessen ist die Beschwerdebefugnis nunmehr - abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderregelungen - in § 59 FamFG zusammengefasst geregelt. Über den Fall der Rechtsbeeinträchtigung hinaus räumt die Vorschrift nur Behörden bei entsprechender besonderer gesetzlicher Anordnung eine Beschwerdebefugnis ein (dazu vgl. Senatsbeschluss vom 23. November 2011 - XII ZB 293/11 - FamRZ 2012, 292). Die für nur auf Antrag zu erlassende Beschlüsse geltende Regelung in § 59 Abs. 2 FamFG begründet schließlich keine eigenständige Beschwerdeberechtigung, sondern enthält lediglich die Begrenzung einer grundsätzlich bestehenden Beschwerdeberechtigung auf die Person des Antragstellers (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 39).
b) Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt hier nicht vor. Vielmehr geht es dem Land jedenfalls vorrangig darum, seine Verpflichtungen zu erfüllen, die vor allem in der von ihm zu erteilenden Einwilligung zur Grundbuchberichtigung sowie der Herausgabe des Grundstücks bestehen. Die vom Land angestrebte Erfüllung seiner Verpflichtungen begründet lediglich ein rechtliches Interesse an der Einrichtung einer Abwesenheitspflegschaft, aus dem nach § 59 FamFG eine Beschwerdeberechtigung nicht (mehr) hergeleitet werden kann.
Aus der von der Rechtsbeschwerde zitierten Senatsrechtsprechung zum Betreuungsrecht ergibt sich nichts anderes. Der Senat hat für den Fall eines prozessunfähigen Beklagten entschieden, dass unter Umständen die Einrichtung einer Betreuung auch im Interesse eines Dritten (als Kläger) geboten sein kann und dieser im Fall der Ablehnung grundsätzlich auch beschwerdebefugt ist (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10 - FamRZ 2011, 465). Eine solche Ausnahme, die auf dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes beruht, ist aber im Hinblick auf die Abschaffung der Beschwerdebefugnis gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG nur gerechtfertigt, wenn der Dritte ohne die Bestellung eines Betreuers (oder Pflegers) von einem - effektiven - Rechtsschutz abgeschnitten wäre. Das ist wegen des Ausnahmecharakters der Bestellung eines Betreuers oder Pflegers ausschließlich im Drittinteresse bereits im Rahmen der Beschwerdebefugnis darzulegen (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 15 mwN). Daher hat der Senat etwa eine Beschwerdebefugnis verneint, wenn möglicherweise eine wirksam erteilte Prozessvollmacht die Bestellung eines Betreuers entbehrlich macht (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10 - FamRZ 2011, 465 Rn. 13 ff.).
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass das beteiligte Land ohne die Bestellung eines Abwesenheitspflegers von einem effektiven Rechtsschutz abgeschnitten wäre. So ist etwa nicht ausgeräumt, dass dem Land eine erneute Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs.3 EGBGB offensteht. Dass die Regelung - wie die Rechtsbeschwerde meint - außer Kraft getreten sei, weil wegen des Wegfalls der seinerzeit unzureichenden personellen Justizausstattung im Beitrittsgebiet deren Veranlassung entfallen sei, entbehrt mangels einer darauf gerichteten gesetzlichen Bestimmung der Grundlage. Auch aus dem Charakter als Übergangsrecht folgt nicht ohne weiteres, dass die Regelung außer Kraft getreten ist. Vielmehr zeigt der vorliegende Fall, dass noch ein Abwicklungsbedürfnis verblieben ist. Eine mögliche Pflegerbestellung schließt die Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB jedenfalls nicht aus (vgl. BGH Urteil vom 16. Juni 2000 - LwZR 15/99 - WM 2000, 1766, 1767 zu § 1913 BGB).
Demnach besteht für eine ausnahmsweise aus dem Gesichtspunkt der Gefährdung eines effektiven Rechtsschutzes einzuräumende Beschwerdeberechtigung keine Veranlassung. Auf die - vom Landgericht verneinte - Frage, ob das Land etwaige Ansprüche gegen den abwesenden Eigentümer konkret dargelegt hat und ob es diese geltend machen will, kommt es demnach nicht an.
c) Da auch eine besondere Beschwerdeberechtigung des Landes als Behörde nicht vorgesehen ist, hat das Landgericht somit richtig entschieden.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger