Entscheidungsdatum: 17.05.2017
1. Der für die Entscheidung über die Rechtspflegererinnerung zuständige Richter kann die Beschwerde zulassen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 12. April 2017, XII ZB 86/16).
2. Zur Verfassungsmäßigkeit der Betreuervergütung.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle (Saale) vom 7. Dezember 2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 85 €
I.
Die Beteiligte zu 1 (Betreuerin) wendet sich gegen die Festsetzung ihrer Betreuervergütung.
Die Betreuerin verfügt über einen Facharbeiterabschluss für Datenverarbeitung und eine Fachhochschulausbildung für Informationsverarbeitung. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat ihre Betreuervergütung für die Zeit vom 23. Mai 2014 bis 22. August 2014 nur mit einem Stundensatz von 27 € (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG) bemessen. Der dagegen eingelegten Erinnerung, mit der die Betreuerin einen Stundensatz von 33,50 € begehrt hat, hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und diese dem zuständigen Richter vorgelegt. Dieser hat die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betreuerin ihren Antrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die berufliche Qualifikation der Betreuerin keinen erhöhten Stundensatz rechtfertige. Dass sie 1989 den Studiengang Informationsverarbeitung an der Ingenieurschule Görlitz abgeschlossen habe, sei angesichts der technischen Ausrichtung bereits vom Grundsatz her nicht geeignet gewesen, für die Tätigkeit einer Betreuerin förderliche besondere Kenntnisse zu vermitteln, was durch die belegten Fächer bestätigt werde. Die von der Betreuerin abgeschlossene Ausbildung zur Facharbeiterin für Datenverarbeitung sei nicht anders zu beurteilen.
Die gesetzliche Betreuervergütung mit dem Stundensatz von 27 € sei auch nicht verfassungswidrig. Eine Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG liege nicht vor, da auch bei Zugrundelegung dieses Stundensatzes ein auskömmliches Einkommen erzielbar sei.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Erstbeschwerde war trotz der vom Rechtspfleger nicht ausgesprochenen Zulassung statthaft. Denn der Beschluss unterlag jedenfalls der befristeten Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG. Der für die Entscheidung über die Erinnerung zuständige Richter kann im Fall der Annahme grundsätzlicher Bedeutung seinerseits die Beschwerde zulassen. Denn dem Richter fällt in diesem Fall die gesamte erstinstanzliche Entscheidung an (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2017 - XII ZB 86/16 - zur Veröffentlichung bestimmt; BayObLG FamRZ 2004, 304; FamRZ 2001, 378; Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl. Anh. § 58 Rn. 9). Die im vorliegenden Fall erfolgte Zulassung der Beschwerde war mithin wirksam.
b) Das Landgericht ist nach ausführlicher Würdigung der von der Betreuerin erworbenen Qualifikationen zu dem Ergebnis gelangt, dass diese aufgrund der durchlaufenen Ausbildungsgänge über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG). Das steht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
c) Dass die gesetzliche Regelung zur Vergütung von Berufsbetreuern in §§ 4, 5 VBVG im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Betreuerin nach Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei, ist nicht ersichtlich.
aa) Zwar greift die gesetzliche Reglementierung der Betreuervergütung in die Freiheit der Berufsausübung ein. Dementsprechend muss die Regelung durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (BVerfG FamRZ 2000, 345, 346 f. mwN). Davon ist das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit aber wiederholt ausgegangen. Es hat die gesetzliche Regelung sowohl bezüglich der Stundensätze (BVerfG FamRZ 2000, 345 - zur von 1990 bis 1998 geltenden Gesetzeslage; vgl. auch BVerfG FamRZ 2011, 1642) als auch hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Stundenanzahl (BVerfG FamRZ 2009, 1899 Rn. 7, 10) als verfassungsgemäß angesehen. Dabei hat es unter anderem auf das zwangsläufige Fehlen einer Leistungsäquivalenz bei Festlegung von Vergütungspauschalen auf der Grundlage von Mischkalkulationen hingewiesen (BVerfG FamRZ 2011, 1642 Rn. 20; BVerfG FamRZ 2007, 622, 625). Ähnlich hat der Senat zur Vergütung des Verfahrensbeistands nach Fallpauschalen entschieden (Senatsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013 - XII ZB 667/12 - FamRZ 2013, 1967 und vom 13. November 2013 - XII ZB 612/12 - FamRZ 2014, 191; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 187, 40 = FamRZ 2010, 1893). Demnach kann aufgrund einer in bestimmten Fällen möglichen nicht auskömmlichen Vergütung noch nicht ohne Weiteres auf eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit durch eine insgesamt unzureichende Vergütung des Betreuers (bzw. Verfahrensbeistands) geschlossen werden.
bb) Dass sich an dieser Beurteilung oder an deren tatsächlichen Grundlagen durch die zwischenzeitliche Entwicklung entscheidende Änderungen ergeben haben, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
Die Rechtsbeschwerde hat der Annahme des Landgerichts, nach seinen Erfahrungen betreue ein Betreuer zwischen 50 und 80 Betreute, lediglich ein Schreiben des Berufsverbands der Berufsbetreuer/-innen entgegengehalten, wonach bei Wahrnehmung aller für den einzelnen Betreuten anfallenden Aufgaben nur Zeit für 43 Betreute bleibe. Tatsächlich liege der monatliche Zeitaufwand für einen Betreuten bei fünf Stunden, so dass die Arbeitszeit eines abhängig Beschäftigten schon mit 27,5 Betreuten ausgefüllt werde. Für diese Behauptung fehlt es jedoch an nachprüfbaren Angaben. Dass das Landgericht Anlass für eine dahingehende Aufklärung gehabt hätte, wird mit der Rechtsbeschwerde nicht gerügt (§ 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Ebenfalls bleibt unklar, aus welchen Fällen sich die von der Rechtsbeschwerdeführerin übernommenen Betreuungen zusammensetzen und welche Stundenzahlen sie gemäß § 5 VBVG durchschnittlich abrechnen kann. Mangels konkreter abweichender Angaben, insbesondere auch zur Anzahl der von der Betreuerin geführten Betreuungen und des von ihr erzielten Umsatzes, konnte das Landgericht die von ihm geschätzten Angaben in zulässiger Weise zugrunde legen. Ob die vom Landgericht zugrunde gelegten Abzugsposten für Kosten und Vorsorgeaufwendungen realitätsnah sind, bedarf demnach keiner Beurteilung mehr.
Dass die Betreuervergütung nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerde hinter derjenigen von Zwangsverwaltern zurückbleibt, vermag schließlich wegen der ungleichen Aufgaben und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen.
cc) Da der Senat von der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung ausgeht, besteht für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht keine Veranlassung.
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