Entscheidungsdatum: 07.08.2013
1. Die nächtliche Fixierung eines Kindes in einer offenen heilpädagogischen Einrichtung ist keine genehmigungsbedürftige Unterbringungsmaßnahme im Sinne des § 1631b BGB.
2. Die Vorschrift des § 1906 Abs. 4 BGB gilt nur für volljährige Betreute und kann im Kindschaftsrecht nicht analog angewendet werden.
Die Rechtsbeschwerde des Verfahrensbeistands gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
I.
Die Antragsteller sind Eltern eines am 1. April 1999 geborenen Kindes, für das sie das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Das Kind leidet unter einem frühkindlichen Autismus mit geistiger Behinderung und einem Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom. Es zeigt krankheitsbedingt ausgeprägte Unruhezustände und extreme Weglauftendenzen. Seit 2008 lebt das Kind in einer offenen heilpädagogischen Einrichtung, in der es eine Einzelbetreuung erhält. Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht war es zum Schutz des Kindes und seiner Mitbewohner indiziert, es nachts durch eine Fixierung mittels eines Bauch- oder Fußgurtes bzw. eines entsprechenden Schlafsackes zu sichern. Die Eltern erteilten hierzu ihre Zustimmung, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2009 in entsprechender Anwendung von § 1906 Abs. 4 BGB für die Dauer von längstens zwei Jahren genehmigte.
Auf Nachfrage des Gerichts haben die Eltern im vorliegenden Verfahren die Verlängerung der Genehmigung der nächtlichen Fixierung des Kindes beantragt. Das Familiengericht hat dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt, Stellungnahmen der Fachärzte des Kindes und des Jugendamtes eingeholt sowie die Eltern und das Kind in der Einrichtung angehört. Es hat den Antrag zurückgewiesen, da die Maßnahme nicht genehmigungsbedürftig sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verfahrensbeistands blieb ohne Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte er weiter die gerichtliche Genehmigung der Fixierung erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2012, 39 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Die Zustimmung der Eltern zur nächtlichen Fixierung ihres Kindes unterliege keinem förmlichen Genehmigungsverfahren wie die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631 b BGB. Die Erforderlichkeit eines solchen Verfahrens ergebe sich weder unmittelbar aus § 1631 b BGB noch aus einer entsprechenden Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB.
Zwar werde kontrovers diskutiert, ob und inwieweit unterbringungsähnliche freiheitsentziehende Maßnahmen wie die regelmäßige Fixierung durch einen Bettgurt der Genehmigung durch das Familiengericht bedürften, soweit sie nicht einen gesetzlich betreuten Volljährigen, sondern ein minderjähriges Kind beträfen. Teilweise werde § 1906 Abs. 4 BGB mit der Begründung analog angewandt, ein Kind sei nicht weniger schutzbedürftig als ein Volljähriger, wenn seine körperliche Bewegungsfreiheit in einer Einrichtung außerhalb des Elternhauses auf andere Weise nachhaltig und dauerhaft eingeschränkt werde. Ein solches Genehmigungserfordernis bestehe jedoch nicht. Der Begriff der Unterbringung in § 1631 b BGB sei eng zu verstehen. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Betreuungsrechts eine klare Trennung zwischen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen im weiten Sinne und dem gesetzestechnischen Begriff der freiheitsbeschränkenden Unterbringung vorgenommen. Diese scharfe Trennung zwischen Unterbringung und unterbringungsähnlicher Maßnahme habe das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nachvollzogen, indem zwischen der Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung (§ 312 Nr. 1 FamFG) und einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB (§ 312 Nr. 2 FamFG) unterschieden werde.
Eine entsprechende Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB im Kindschaftsrecht scheide mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz aus. Aus der Entstehungsgeschichte des § 1631 b BGB ergebe sich, dass der Gesetzgeber noch im Jahr 1992 im Kindschaftsrecht keinen Anlass für die Gleichstellung unterbringungsähnlicher Maßnahmen mit einer Unterbringung gesehen habe, die Regelungslücke mithin auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhte. Eine analoge Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB entspreche auch nicht wegen gewandelter Verhältnisse dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers. Obwohl die Forderung, auch unterbringungsähnliche Maßnahmen dem Genehmigungserfordernis zu unterwerfen, seit längerem bekannt sei, habe der Gesetzgeber wiederholt davon abgesehen, den Schutz von Kindern insoweit zu erweitern, zuletzt 2008 im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls.
Ferner beruhe die Regelung im Betreuungsrecht auf einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage, die in ihren wesentlichen Merkmalen mit der Situation im Kindschaftsrecht nicht vergleichbar sei, so dass sich auch deshalb eine analoge Anwendung verbiete. Die rechtliche Verantwortung des Betreuers für den Betroffenen ergebe sich allein aus der mit der gerichtlichen Einrichtung der Betreuung verliehenen Vertretungsberechtigung im übertragenen Aufgabenkreis, welche die Eigenverantwortung des Betroffenen im Grundsatz unberührt lasse. Dagegen sei die in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte natürliche Elternverantwortung ein umfassendes, absolutes Recht der Eltern. Einschränkungen dieses Rechts seien nur zulässig, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich sei, keine gleich wirksamen, weniger einschneidenden Maßnahmen getroffen werden könnten und das Elternrecht nicht in unverhältnismäßiger Weise beschnitten werde. Solchen Beschränkungen unterliege das Betreuungsrecht nicht, welches weitere Genehmigungsvorbehalte, wie in § 1904 BGB für ärztliche Behandlungen und in § 1907 BGB für die Aufgabe der Mietwohnung, kenne, die dem Kindschaftsrecht fremd seien.
Auch in tatsächlicher Hinsicht unterscheide sich hinsichtlich der Einführung einer Genehmigungspflicht für unterbringungsähnliche Maßnahmen die Situation eines volljährigen Betreuten ganz wesentlich von der eines Minderjährigen. Die Genehmigungspflicht nach § 1906 Abs. 4 BGB sei eingeführt worden, um der Gefahr eines sachfremden Einsatzes unterbringungsähnlicher Maßnahmen gerade in Altenheimeinrichtungen zu begegnen. Auch sei dem Betreuer nur die rechtliche, nicht aber die persönliche Betreuung des Betroffenen übertragen. Das Eltern-Kind-Verhältnis sei dagegen typischerweise durch eine enge persönliche Nähe gekennzeichnet und die damit verbundene Elternverantwortung keine rechtlich verliehene Zuständigkeit, sondern natürlicher Bestandteil der Elternschaft. Dies rechtfertige die Annahme, dass sich Eltern auch dann persönlich um die Belange ihres Kindes kümmerten und die richtigen Entscheidungen zu seinem Wohl träfen, wenn dieses in einer offenen Heimeinrichtung untergebracht sei. Die Entscheidung, ob die Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts das geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel sei, um Kinder vor ungerechtfertigten unterbringungsähnlichen freiheitsentziehenden Maßnahmen zu schützen, müsse dem Gesetzgeber überlassen bleiben.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
Die Eltern können die Fixierungsmaßnahme in Ausübung ihrer elterlichen Sorge selbst genehmigen. Eine familiengerichtliche Genehmigung sieht das Gesetz nicht vor.
a) Die Maßnahme unterfällt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht dem Genehmigungserfordernis des § 1631 b BGB (vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1225 m. Anm. Moll-Vogel FamRB 2013, 220). Nach dieser - dem staatlichen Wächteramt geschuldeten - Vorschrift bedarf die Unterbringung eines Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, der Genehmigung des Familiengerichts. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll allerdings auch die regelmäßige Fixierung eines Patienten am Stuhl oder die Eingitterung seines Bettes unter den Begriff der Unterbringung fallen, so dass auch diese Maßnahmen nach § 1631 b BGB genehmigungsbedürftig seien (Erman/Michalski/Döll BGB 13. Aufl. § 1631 b Rn. 3).
Diesem Ansatz ist nicht zu folgen. In der Fixierung eines in einer offenen Einrichtung lebenden Kindes (hier: mittels Bauch- bzw. Fußgurtes oder eines Schlafsackes) liegt keine Unterbringung. Das Gesetz geht von einem engen Begriff der Unterbringung aus (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 146 und für das Betreuungsrecht Senatsbeschlüsse vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 16, 19 und BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149 f.). Eine freiheitsentziehende Unterbringung in diesem Sinn ist gegeben, wenn der Betroffene gegen seinen Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in einem räumlich begrenzten Bereich eines geschlossenen Krankenhauses, einer anderen geschlossenen Einrichtung oder dem abgeschlossenen Teil einer solchen Einrichtung festgehalten, sein Aufenthalt ständig überwacht und die Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb des Bereichs eingeschränkt wird (Senatsbeschluss BGHZ 145, 297 = FamRZ 2001, 149 f. mwN). Dabei verwenden Betreuungsrecht und Kindschaftsrecht einen einheitlichen Unterbringungsbegriff (BT-Drucks. 11/4528 S. 145).
Durch die Schaffung der Vorschrift des § 1631 b BGB wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass Eltern ein Kind in eine geschlossene Einrichtung verbringen, wenn bei sinnvoller Wahrnehmung des Erziehungsrechts eine Problemlösung auf weniger schwerwiegende Weise erreicht werden kann (BT-Drucks. 16/6815 S. 8). Erfasst werden sollte die Unterbringung in geschlossenen Heimen und Anstalten und geschlossenen Abteilungen von Heimen. Es geht dabei - anders als bei § 1906 BGB - nicht primär um einen Schutz der körperlichen Bewegungsfreiheit und Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit, sondern vielmehr um die Gewährleistung einer sinnvollen Ausübung des Sorgerechts (so auch AG Hamburg-Barmbek FamRZ 2009, 792 [LS] juris Rn. 9). § 1631 b BGB und die mit dem Betreuungsgesetz eingeführten besonderen Verfahrensvorschriften wollen sicherstellen, dass niemand - auch und gerade ein Minderjähriger nicht - „unbemerkt in einer geschlossenen Anstalt verschwinden kann“ (Staudinger/Salgo BGB [2007] § 1631 b Rn. 4). Zuvor unterlag allein die mit Freiheitsentzug verbundene Unterbringung durch einen Vormund oder Pfleger der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1800 Abs. 2 BGB a.F.
b) Eine gerichtliche Genehmigung ist auch nicht analog § 1906 Abs. 4 BGB erforderlich. Nach dieser Vorschrift sind unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber einem Betreuten ebenso wie die Unterbringung selbst durch das Betreuungsgericht zu genehmigen. Ob diese Vorschrift im Kindschaftsrecht analog anzuwenden ist, ist umstritten.
aa) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht kann es keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, ob ein volljähriger Betreuter in seiner Freiheit beschränkt werde oder ein Minderjähriger. Die Beeinträchtigung der persönlichen Bewegungsfreiheit treffe ein Kind grundsätzlich in gleichem Maße wie einen Erwachsenen. Der Schutzzweck des Genehmigungserfordernisses und seiner Erstreckung auf unterbringungsähnliche Maßnahmen erfasse deshalb Minderjährige und Erwachsene gleichermaßen. Dieser teleologische Gesichtspunkt habe für die Frage der Analogie Vorrang vor - zumal zu dieser konkreten Problematik nicht eindeutigen - Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren. Auch das elterliche Erziehungsrecht werde durch die Analogie zu § 1906 Abs. 4 BGB nicht über Gebühr eingeschränkt. Denn die Vorschrift greife nur dann, wenn der Betreute bzw. das Kind sich nicht zu Hause aufhalte, sondern in einer Anstalt. Häusliche Maßnahmen wie das Schutzgitter vor dem Bett des Kleinkindes oder das Ausgangsverbot aus erzieherischen Gründen seien also nach wie vor genehmigungsfrei (MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1631 b Rn. 8).
Zudem wird ausgeführt, die für Betreute eingeführte Regelung des § 1906 Abs. 4 BGB strahle auf die Unterbringung Minderjähriger aus(Hoppenz/van Els Familiensachen 9. Aufl. § 1631 b BGB Rn. 2; Dodegge FamRZ 1993, 1348). Der Vergleich mit altersüblichen Maßnahmen im elterlichen Haushalt wie Verschließen der Wohnungstür oder Anbringen von Bettgittern bei Kleinkindern als sinnvolle Maßnahmen der Ausübung der elterlichen Sorge gehe an der Sache vorbei, wenn es z.B. darum gehe, einen Siebenjährigen nachts mittels eines Segofixgurtes zu fixieren. Dies könne nicht mehr als eine alltägliche, völlig selbstverständliche, altersübliche Beschränkung aufgefasst werden und bedürfe der gerichtlichen Genehmigung (Staudinger/Salgo BGB [2007] § 1631 b Rn. 15). Der Minderjährigenschutz könne nicht hinter den im Betreuungsrecht für Erwachsene bestehenden Erfordernissen zurückbleiben (Weinreich/Klein/Ziegler Fachanwaltskommentar Familienrecht 5. Aufl. § 1631 b BGB Rn. 2; für die analoge Anwendung von § 1906 Abs. 4 BGB auch BeckOK BGB/Veit [Stand 1.11. 2011] § 1631 b Rn. 4).
bb) Dieser Auffassung vermag der Senat nicht beizutreten.
(1) Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es hieran fehlt. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 1906 Abs. 4 BGB nur für volljährige Betreute gelte, die materiellen Regelungen der Unterbringung von Kindern (§ 1631 b BGB) würden hiervon nicht berührt (BT-Drucks. 11/4528 S. 82). Bei Kindern stelle sich die Unterbringung als Teil der Ausübung elterlicher Sorge oder - im Fall der Vormundschaft oder Pflegschaft - als Ersatz für die Ausübung der elterlichen Sorge dar. Die hierfür geltende Regelung solle sich nach wie vor auf eine allgemeine Prüfung beschränken, ob diese Form der Ausübung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes entspreche. Die Einbeziehung unterbringungsähnlicher Maßnahmen in die für Kinder geltende Regelung sei auch aus Sachgründen problematisch. Maßnahmen wie etwa das Verschließen der Wohnungstür, das Anbringen von Gittern am Bett eines Kleinkindes u.ä. seien übliche und sinnvolle Maßnahmen bei der Ausübung elterlicher Sorge, die nicht einer Genehmigungspflicht unterworfen werden sollten. Soweit die Eltern oder der Vormund oder Pfleger eines Kindes unterbringungsähnliche Maßnahmen missbräuchlich, insbesondere unter Verstoß gegen das Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen (§ 1631 Abs. 2 BGB) durchführten, böten die Vorschriften des geltenden Rechts (insbesondere §§ 1666, 1837, 1886 und 1915 BGB) hinreichende Möglichkeiten, hiergegen einzuschreiten (BT-Drucks. 11/4528 S. 82 f.). Damit ist der Gesetzgeber einer Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB im Kindschaftsrecht ausdrücklich entgegen getreten (so auch OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1225).
Gleiches gilt für die weiteren Genehmigungserfordernisse im Betreuungsrecht wie etwa in §§ 1904 und 1907 BGB, die dem Kindschaftsrecht fremd sind (vgl. zur Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1033, 1134). Auch hier hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Regelung des § 1904 BGB nur volljährige Betreute betrifft und keine vergleichbaren Vorschriften für Minderjährige enthält (BT-Drucks. 11/4528 S. 72). Von einer planwidrigen Regelungslücke kann angesichts dieser klaren Aussagen nicht ausgegangen werden (so auch AG Hamburg-Barmbek FamRZ 2009, 792 [LS]; LG Essen FamRZ 1993, 1347; Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1631 b Rn. 2; Hamdan in jurisPK-BGB 6. Aufl. [Stand: 18.12.2012] § 1631 Rn. 6; Hoffmann JAmt 2009, 473, 476; Hamdan/Hamdan ZFE 2010, 414, 415; DIJuF Rechtsgutachten JAmt 2010, 236, 237 f.; Kieninger jurisPR-FamR 1/2009 Anm. 3).
(2) Es kann auch nicht angenommen werden, angesichts der Tatsache, dass die Neuregelung des Betreuungsrechts mit den dargestellten Äußerungen bereits im Jahr 1992 erfolgte, entspräche eine analoge Anwendung inzwischen dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung ist seit langem bekannt (vgl. etwa Czerner AcP 2002, 72, 84 ff.). Dennoch hat der Gesetzgeber § 1631 b BGB zuletzt im Jahr 2008 im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdungen (BGBl. I 2008 S. 1188) geändert, ohne die in der Literatur vertretene Forderung nach Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 1906 Abs. 4 BGB aufzugreifen und umzusetzen.
(3) Überdies steht einer analogen Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB entgegen, dass die Situation des Minderjährigen im Kindschaftsrecht nicht vergleichbar ist mit der des Betroffenen im Betreuungsrecht (vgl. zur Vormundschaft BVerfG NJW 1960, 811, 813). Ein Betreuer hat lediglich die rechtliche Verantwortung für seinen Betroffenen. Diese Verantwortung wird ihm im Rahmen der Aufgabenkreise, für die die Betreuung angeordnet wird, vom Staat verliehen. Im Übrigen bleibt es beim Grundsatz der Eigenverantwortung des Betroffenen. Der Betreuer handelt als vom Staat eingesetztes Organ. Die Genehmigungserfordernisse des Betreuungsrechts wie §§ 1906 Abs. 1 und 4, 1904 oder 1907 BGB entspringen dem staatlichen Wächteramt. Sie schränken die Rechtsmacht des Betreuers ein, stellen aber keinen Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 27 f.).
Eltern tragen hingegen nicht nur die rechtliche, sondern auch die persönliche Verantwortung für ihre Kinder; ihre Beziehung ist von einer engen persönlichen Nähe geprägt. Eltern handeln gegenüber ihren Kindern nicht aufgrund staatlicher Bestellung, sondern in Ausübung ihres Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Dieses garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses "natürliche Recht" den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569). Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden könnten (BVerfG FamRZ 2010, 713 Rn. 33).
Staatliche Verantwortung und Kontrolle sind im Bereich des Erziehungsrechts eingeschränkt. Der Staat darf in das Elterngrundrecht nur in Ausübung seines Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG eingreifen, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Erforderlich ist ein hinreichend bestimmtes Gesetz, wobei die Anforderungen an hinreichende Bestimmtheit umso strenger sind, je schwerer die Auswirkungen seiner Regelung wiegen (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 296, 300 mwN). Diese Voraussetzungen liegen bei einer analogen Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB nicht vor, so dass der mit einem Genehmigungserfordernis einhergehende Eingriff in das Elterngrundrecht mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig ist. Hierbei ist zu beachten, dass der Eingriff in das Elterngrundrecht als solcher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf und nicht umgekehrt mangels gesetzlicher Grundlage die in Ausübung des Elternrechts genehmigte Fixierungsmaßnahme unzulässig wäre (vgl. zur Zwangsbehandlung BVerfG FamRZ 2011, 1128 und Senatsbeschluss BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366). Gesetzliche Grundlage der Fixierungsmaßnahme ist nämlich die Ausübung der elterlichen Sorge nach § 1626 BGB.
(4) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Kindesschutzes und der ebenfalls vom Staat zu achtenden Grundrechte des Kindes. Zur Gewährleistung des Schutzes minderjähriger Kinder bietet das Gesetz in § 1631 Abs. 2 BGB mit dem Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen und mit den §§ 1666 ff. BGB eine ausreichende Handhabe. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass Eltern ihr Kind in einem pflichtwidrigen Zusammenwirken mit der Heimleitung unterbringungsähnlichen Maßnahmen aussetzen, ohne dass diese erforderlich und verhältnismäßig wären. Vielmehr zeigt gerade der vorliegende Fall, dass die Eltern ihr Sorgerecht in der Regel im Interesse des Kindes und in enger Zusammenarbeit mit dem Heim und dem Jugendamt ausüben.
c) Es muss daher dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob die Anordnung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts das geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Mittel ist, Kinder vor ungerechtfertigten unterbringungsähnlichen Maßnahmen zu schützen.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Botur