Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 15.08.2012


BGH 15.08.2012 - XII ZB 442/11

Betreuungsverfahren: Auslegung einer Beschwerde als Rechtspflegererinnerung bei Nichterreichen des Beschwerdewerts


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
15.08.2012
Aktenzeichen:
XII ZB 442/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Duisburg, 11. Juli 2011, Az: 12 T 110/11vorgehend AG Duisburg-Ruhrort, 30. Mai 2011, Az: 11 XVII 85/03
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ist der Beschwerdewert im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG nicht erreicht, hat der in einem Festsetzungsverfahren nach § 168 FamFG tätige Rechtspfleger die eingelegte Beschwerde als Erinnerung auszulegen und sie bei Nichtabhilfe dem Richter zur abschließenden Entscheidung vorzulegen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 11. Juli 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Behandlung als Rechtspflegererinnerung an das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen, dem auch die Entscheidung über eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten im Verfahren der Rechtbeschwerde aufgegeben wird.

Von der Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen, § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Beschwerdewert: 384 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 wendet sich als Verfahrenspfleger gegen die Festsetzung der von der Betroffenen an die Staatskasse für die Zeit bis einschließlich 2007 zu erstattenden Kosten.

2

Für die Führung der Betreuung zahlte die Staatskasse in der Zeit von 2002 bis 2009 eine Vergütung bzw. Aufwandsentschädigung in Höhe von über 4.000 €. In den Jahren 2008 und 2009 zahlte sie jeweils 323 €; die restlichen Beträge brachte sie in den Jahren 2002 bis 2007 auf.

3

Mit Beschluss vom 7. April 2011 hat das Amtsgericht zunächst festgestellt, dass die Betroffene aus ihrem Vermögen einen Betrag in Höhe von 646 € (für 2008 und 2009) zu leisten habe. Ein weitergehender Rückgriffsanspruch für die davor liegende Zeit sei verjährt. Auf die Beschwerde der Staatskasse hat das Amtsgericht im Wege der Abhilfe am 30. Mai 2011 beschlossen, dass die Betroffene aus ihrem Vermögen einen Betrag von 1.030,46 € an die Staatskasse zu leisten habe. Die hiergegen von dem Verfahrenspfleger eingelegte Beschwerde, mit der er sich gegen die Erstattung der bis einschließlich 2007 verauslagten Kosten wendet, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Verfahrenspfleger gegen die Festsetzung, soweit der Betroffenen ein zusätzlicher Betrag von (1030,46 € – 646 € =) 384,46 € zur Zahlung aufgegeben worden ist.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verweisung der Sache an das zuständige Amtsgericht.

5

1. Der Verfahrenspfleger ist beschwerdebefugt. Durch die Zurückweisung seiner auf Grundlage des § 303 Abs. 3 FamFG eingelegten Beschwerde ist er beschwert (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 74 Rn. 6).

6

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG auch statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat. Der Senat ist an die Zulassung gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG gebunden.

7

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Die Beschwerde zum Landgericht war mangels Erreichens der erforderlichen Beschwer unzulässig; stattdessen hätte der Rechtspfleger die Sache dem Richter am Amtsgericht vorlegen müssen.

8

a) Gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Dieser ist nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an einer Änderung des angefochtenen Beschlusses, d. h. nach seinem Abänderungsinteresse zu beurteilen (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 61 Rn. 6 mwN).

9

b) Gemessen hieran übersteigt die Beschwer 600 € nicht.

10

Zwar hat der Verfahrenspfleger seine Beschwerde „gegen den Beschluss vom 30. Mai 2011 über 1.030,46 € (über 646 € und zusätzliche Zahlungsansprüche bis 2007)“ gerichtet. Nicht angegriffen hat der Verfahrenspfleger hingegen den Ausgangsbeschluss des Amtsgerichts vom 7. April 2011, mit dem eine Erstattung in Höhe von 646 € festgesetzt worden war. Außerdem hat er in der Begründung seiner Beschwerdeschrift ausgeführt, mit einem Regress über 646 € einverstanden zu sein. Damit hat er ausdrücklich nur eine Aufhebung des Beschlusses beantragt, soweit Beträge bis einschließlich 2007 betroffen seien. Dabei handelt es sich um die Differenz des tenorierten Betrages von 1.030,46 € zu den für die Jahre 2008 und 2009 erbrachten Leistungen von insgesamt 646 €, insgesamt also um 384,46 €.

11

3. Die Rechtspflegerin wird den Rechtsbehelf des Verfahrenspflegers als Erinnerung im Sinne des § 11 Abs. 2 RPflG auszulegen und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG dem Richter zur abschließenden Entscheidung vorzulegen haben (vgl. Schmid Rechtspflegergesetz § 11 Rn. 2).

Dose     

 

Schilling     

 

Richter am Bundesgerichtshof

Dr. Günter hat Urlaub und ist

deswegen an einer Unterschrift

gehindert.

 

 

 

 

Dose

 

Nedden-Boeger     

 

Botur