Entscheidungsdatum: 23.01.2013
Kann der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung seine Angelegenheiten hinsichtlich der Aufgabenbereiche Gesundheitssorge und Heilbehandlung nicht selbst besorgen, so ist ihm hierfür grundsätzlich auch dann ein Betreuer zu bestellen, wenn er die notwendige Behandlung ablehnt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 15. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO).
Beschwerdewert: 3.000 €
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die für ihn angeordnete Betreuung.
Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines medizinischen Gutachtens und nach Anhörung des Betroffenen für diesen einen Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen "Aufenthaltsbestimmung zum Zwecke der Heilbehandlung, Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Vertretung vor Behörden und Einrichtungen, Wohnungsangelegenheiten". Das Landgericht hat auf die Beschwerde des Betroffenen nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, Bestellung eines Verfahrenspflegers und Anhörung des Betroffenen den Betreuer ausgewechselt. Ferner hat es die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung auf die Aufgabenkreise "Aufenthalt zum Zweck der Heilbehandlung" und "Gesundheitssorge" eingeschränkt, beides beschränkt auf den nervenärztlich-psychiatrischen Bereich. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Betreuung zu Recht mit dem eingeschränkten Aufgabenkreis aufrechterhalten.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen leide der Betroffene an einer schwer ausgeprägten psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Krankheitsbedingt könne er seine Angelegenheiten in den Bereichen "Aufenthalt zum Zwecke der Heilbehandlung" und "Gesundheitssorge" jeweils im nervenärztlich-psychiatrischen Bereich nicht selbst wahrnehmen. Der Betroffene halte sich, wie auch in seiner persönlichen Anhörung deutlich geworden sei, für psychisch gesund und sehe deswegen keinen Anlass, sich behandeln zu lassen. Demgegenüber habe der von der Kammer bestellte Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die im jetzigen Lebensalter noch bestehenden Chancen einer erfolgreichen psychiatrischen Fachbehandlung genutzt werden sollten, um eine weitere Verfestigung der Symptomatik nach Möglichkeit zu verhindern und dem Betroffenen zu einer sozialen Reintegration zu verhelfen. Zumindest einmal solle dem Betroffenen die Möglichkeit einer fachgerechten psychiatrischen Behandlung gegeben werden, deren Erfolgsaussichten derzeit noch als durchaus günstig einzuschätzen seien. Das Für und Wider einer solchen Behandlung könne der Betroffene krankheitsbedingt nicht abschätzen, was die Bestellung einer Betreuerin mit den genannten Aufgabenkreisen rechtfertige. Diese werde zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zum Wohl des Betreuten erforderlich seien.
Die Ablehnung der Betreuung, zu der es keine alternativen Hilfsmöglichkeiten gebe, beruhe, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe, nicht auf einem freien Willen des Betroffenen.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nach § 1896 Abs. 1 a BGB darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Zudem darf dieser nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist.
b) Diese Voraussetzungen sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Danach kann der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung, einer paranoiden Schizophrenie, seine Angelegenheiten im Bereich der Gesundheitssorge und der damit zusammenhängenden Heilbehandlung mangels Krankheitseinsicht nicht besorgen. Ferner ist festgestellt, dass der Betroffene insoweit auch nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden.
Schließlich ist die Bestellung eines Betreuers für die vom Landgericht benannten Aufgabenkreise auch erforderlich. Zwar hat die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der geänderten Senatsrechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels gesetzlicher Grundlage derzeit nicht genehmigungsfähig ist. Dies lässt aber nicht ohne Weiteres die Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers in den entsprechenden Aufgabenbereichen entfallen.
aa) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung seine Rechtsprechung zur Zwangsbehandlung geändert (siehe Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 - FamRZ 2012, 1366 und XII ZB 130/12 - juris). Nach der geänderten Senatsrechtsprechung fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mithin nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht, wenn die Heilbehandlung wegen einer eindeutigen Weigerung des Betroffenen sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden kann (Senatsbeschluss vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 12).
Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist allerdings noch in den Fällen zulässig, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht. Solange sich eine Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht bereits manifestiert hat, die Behandlung mithin nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, ist die Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB also noch möglich (Senatsbeschluss vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 13).
bb) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass die Betreuerin eine Zwangsbehandlung des Betroffenen gegenwärtig nicht erreichen kann. Die Rechtsbeschwerde lässt jedoch unberücksichtigt, dass eine solche Zwangsbehandlung nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist. Vielmehr hat das Landgericht im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Betroffenen die Betreuung für die Aufgabenkreise "Aufenthalt zum Zweck der Heilbehandlung" und "Gesundheitssorge" beschränkt auf den nervenärztlich-psychiatrischen Bereich angeordnet.
Demgegenüber war Gegenstand der von der Rechtsbeschwerde zitierten Senatsrechtsprechung die Genehmigung einer vom Betreuer im Rahmen der Unterbringung beantragten Zwangsbehandlung. Damit ist der vorliegende Fall indes nicht vergleichbar. Auch wenn der Betroffene ersichtlich einer medikamentösen Behandlung bedarf und einiges dafür spricht, dass diese wegen der fehlenden Krankheitseinsicht erfolgreich nur gegen den Willen des Betroffenen im Rahmen einer Unterbringung erfolgen könnte, ändert dies nichts an der vom Landgericht festgestellten Erforderlichkeit, eine Betreuung für die Aufgabenkreise Heilbehandlung und Gesundheitsfürsorge in dem vorliegend eingeschränkten Maße anzuordnen. Vor allem lässt sich nicht ausschließen, dass die Betreuerin den Betroffenen noch von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugen kann - auch dies zählt zu ihrem Aufgabenbereich.
Nach alledem ist die Bestellung eines Betreuers für die genannten Aufgabenkreise erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch wenn ungewiss ist, inwieweit die Betreuerin den Betroffenen effektiv in den von ihr wahrgenommenen Aufgabenkreisen unterstützen kann, ist zu berücksichtigen, dass die Betreuerin gegen den eindeutigen Willen des Betroffenen weder die Genehmigung einer Unterbringung, die der Zwangsbehandlung dienen soll, noch die Genehmigung der Zwangsbehandlung selbst erreichen kann. Die Chance, dass die Betreuerin den Betroffenen im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgabenkreise positiv unterstützen kann, vermag den Eingriff im Ergebnis zu rechtfertigen.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger